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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.12.2006
Aktenzeichen: OVG 2 N 221.05
Rechtsgebiete: BbgBO, GO, VwVfG Bbg


Vorschriften:

BbgBO § 6
BbgBO § 64 Abs. 1 Satz 1 a.F.
BbgBO § 64 Abs. 1 Satz 2
BbgBO § 64 Abs. 1 Satz 3
GO § 132 Abs. 2 Buchstabe c)
VwVfG Bbg § 43 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 N 221.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn am 8. Dezember 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 4. August 2005 wird abgelehnt.

Die Kosten des Antragsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 4. August 2005 (§ 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hat keinen Erfolg. Ein Grund, die Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), ist auf der Grundlage der im Hinblick auf das Darlegungserfordernis (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) allein maßgeblichen Ausführungen des Klägers nicht gegeben.

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004, BVerfGE 110, 77, 83 = NJW 2004, 2510) und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004, Buchholz 310 § 124 Nr. 33). Die Ausführungen des Klägers im Zulassungsverfahren genügen diesen Anforderungen nicht.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die angefochtene Weisung des Beklagten vom 12. August 2002 mit dem Inhalt, drei Widerspruchsentscheidungen vom 24. bzw. 25. Juni 2002 aufzuheben und über die Bauanträge für Windkraftanlagen in Ziesar und Warchau einschließlich der Abweichungen von § 6 BbgBO unter Beachtung der mitgeteilten Rechtsauffassung zu entscheiden, den Kläger nicht in seinen Rechten verletze. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 1. September 2003 (4 L 293/93) im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständliche Weisung den Kläger allein in seiner Eigenschaft als untere Bauaufsichtsbehörde (§§ 63 Abs. 1, 65 Abs. 1, 74 Abs. 1 der Brandenburgischen Bauordnung in der bis zum 31. August 2003 geltenden Fassung - BbgBO a.F. -) betreffe. Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 BbgBO a.F. seien die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Soweit es sich dabei zugleich um klassische Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft handele, zählten die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg zwar zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten. Dies sei hinsichtlich der der Gefahrenabwehr dienenden Befugnisse des Landkreises als Unterer Bauaufsichtsbehörde aber nicht der Fall. Dass die Weisung in die verfassungsrechtlich geschützte Organisations-, Personal- oder Finanzhoheit des Klägers eingreife, sei nicht ersichtlich.

Diese Argumentation hat der Kläger nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Zu Unrecht beanstandet er in der Begründung des Zulassungsantrags den Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung zählten nur insoweit zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten, als es sich zugleich um klassische Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft handele. In der auch vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung (Urteil vom 17. Oktober 1996, NVwZ-RR 1997, 352, 354) hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg ausgeführt, dass sich die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung als Aufgabentypus darstellen, der von einem staatlichen Weisungsrecht "überlagert" wird, jedoch Elemente gemeindlicher Selbstverwaltung enthält und deshalb zumindest teilweise - nämlich auf den weisungsfreien Raum bezogen - dem Selbstverwaltungsbereich angehört. Eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung werde jedenfalls dann von der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 97 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) noch erfasst, wenn es sich dabei zugleich um eine Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft handelt, sie also zu denjenigen Bedürfnissen und Interessen zählt, "die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben". Zwar hat das Landesverfassungsgericht in dieser Entscheidung noch offen gelassen, ob es auch Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung geben kann, die nicht von der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 97 LV erfasst werden. Eine Klärung ist insoweit jedoch durch den ebenfalls vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss des Landesverfassungsgerichts vom 21. Januar 1998 (LVerfGE 8, 71) erfolgt. Danach sind die bei den Ämtern angesiedelten Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung zu einem erheblichen Teil keine Selbstverwaltungsangelegenheiten, da sie überwiegend den Bereich der Gefahrenabwehr betreffen, der seinen Ursprung im Polizeirecht hat und insoweit nicht zu den klassischen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern eher zu den staatlichen, den Kommunen lediglich übertragenen Aufgaben zählt. Hieraus ist entgegen der Auffassung des Klägers zu folgern, dass Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung nur dann und insoweit zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten gehören, als es sich jedenfalls auch um Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft handelt, und dass es hieran gerade fehlt, wenn die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung ausschließlich dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzurechnen sind.

Soweit das Verwaltungsgericht weiter ausführt, die bei den Landkreisen nach der Brandenburgischen Bauordnung angesiedelten Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 64 Abs. 1 Satz 1 BbgBO a.F.) beträfen überwiegend den Bereich der Gefahrenabwehr und stellten sich deshalb nicht als Selbstverwaltungsangelegenheiten dar, tritt der Kläger dem ebenso wenig entgegen wie der Feststellung, dass die Erteilung der hier streitgegenständlichen Baugenehmigungen nicht die kommunale Selbstverwaltung des Landkreises, sondern allenfalls die der Gemeinden betreffe. Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind auch nicht angezeigt. Das Bauordnungsrecht hat sich als Baupolizeirecht entwickelt und ist trotz der Aufnahme weiterer Ziele wie etwa Verunstaltungsschutz, Verwirklichung sozialer Standards, Umweltverträglichkeit in die Bauordnungen (vgl. hierzu etwa Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Band II, 5. Aufl. 2005, S. 7) weiterhin als klassische Materie der Gefahrenabwehr anzusehen. Soweit das materielle Bauordnungsrecht - wie etwa im Bereich der örtlichen Bauvorschriften (§ 89 BbgBO a.F.) - Elemente kommunaler Selbstverwaltung enthält, handelt es sich ausschließlich um Angelegenheiten der Gemeinden und nicht der Landkreise. Letztere sind als für den Vollzug der Brandenburgischen Bauordnung zuständige untere Bauaufsichtsbehörde (§§ 63 Abs. 1, 65 Abs. 1 BbgBO a.F.) nicht von dem Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie erfasst.

Ohne Erfolg beanstandet der Kläger im Zulassungsantrag ferner die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine Überschreitung des in § 64 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BbgBO a.F. i.V.m. § 132 Abs. 2 Buchstabe c) der Gemeindeordnung (GO) normierten Weisungsrechts führe nur dann zum Erfolg des Rechtsschutzgesuchs, wenn die verfassungsrechtlich gewährleistete Organisations-, Personal- oder Finanzhoheit des Kreises betroffen sei, da die gesetzliche Beschränkung des Weisungsrechts nicht weiter gehe als die verfassungsrechtliche Gewährleistung selbst. Aus Art. 97 Abs. 3 Satz 1 LV, wonach das Land die Gemeinden und Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes verpflichten kann, Aufgaben des Landes wahrzunehmen und sich dabei ein Weisungsrecht nach gesetzlichen Vorschriften vorbehalten kann, mag zwar - wie der Kläger im Zulassungsantrag geltend macht - folgen, dass die konkrete Weisung den gesetzlichen Vorgaben entsprechen muss. Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben führt jedoch nur dann auch zu einer Rechtsverletzung der Gemeinde oder - wie hier - des Gemeindeverbandes, wenn es sich um eine der Selbstverwaltungsgarantie unterfallende Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt, woran es hier indes gerade fehlt.

Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 22. Mai 1990 <Kalkar II>, NVwZ 1990, 955) geltend macht, dass selbst bei der Auftragsverwaltung Fälle denkbar seien, in denen der Gebrauch des Weisungsrechts in die Rechte der angewiesenen Behörde eingreifen könne, wenn die Inanspruchnahme der Weisungsbefugnis als solche oder in ihrer Modalität rechtswidrig sei, übersieht er die Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen. Denn während sich die Kommunen nur insoweit auf die Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 97 LV und Art. 28 Abs. 2 GG berufen können, als sie Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft wahrnehmen, sieht Art. 30 GG für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich eine Allzuständigkeit der Länder vor, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Anders als im Fall des Weisungsrechts des Bundes nach Art. 85 Abs. 3 GG, dessen Überschreitung stets auch die Eigenstaatlichkeit der Länder berührt, greift eine Überschreitung des Weisungsrechts nach Art. 97 Abs. 3 Satz 1 LV nur dann in Rechte der Gemeinde oder Gemeindeverbände ein, wenn überhaupt der auf die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft beschränkte gemeindliche Selbstverwaltungsbereich berührt wird.

Die vom Kläger ferner herangezogene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Kassel (Beschluss vom 2. Oktober 1990, NVwZ 1991, 1015, 1017), wonach in Hessen die Landkreise bei Aufgaben, die zur Erfüllung nach Weisung übertragen sind, gegen jede außerhalb des Ermächtigungsrahmens getroffene Maßnahme gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können, ist auf die Rechtslage im Land Brandenburg nicht übertragbar. Denn da nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung nur insoweit zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten gehören, als es sich jedenfalls auch um Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft handelt, greift die der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liegende Erwägung, dass das Selbstverwaltungsrecht der kommunalen Gebietskörperschaften wegen des in Art. 28 Abs. 2 GG (bzw. der entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Vorschrift) enthaltenen Gesetzesvorbehalts durch die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung nur insoweit eingeschränkt sein könne, als das jeweils maßgebende Gesetz dies vorsehe, zu kurz. Vielmehr kommt eine Rechtsverletzung von Gemeinden oder Gemeindeverbänden auch im Fall von außerhalb des Ermächtigungsrahmens getroffenen Weisungen der Fachaufsichtsbehörde in Brandenburg nur bei der Wahrnehmung solcher Aufgaben, die zumindest auch zu den Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft zählen, oder aber bei Eingriffen in andere subjektive Rechte in Betracht, die - wie die vom Verwaltungsgericht genannte Organisations-, Personal- oder Finanzhoheit - von der Selbstverwaltungsgarantie erfasst werden .

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem vom Kläger zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 9. Juni 2000 (LKV 2001, 477), dem zufolge die Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch eine Weisung voraussetzt, dass die Gemeinde geltend machen kann, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Weisung nicht vorliegen oder die gesetzlichen Grenzen des Weisungsrechts überschritten sind. Mit der hier entscheidenden Frage, ob damit die Voraussetzungen einer Rechtsverletzung abschließend beschrieben sind, hat sich die zitierte Entscheidung nicht befasst.

Ob sich der angefochtene Gerichtsbescheid im Ergebnis auch deshalb als richtig erweist, weil sich die Weisung i.S.d. § 43 Abs. 2 VwVfG Bbg auf andere Weise erledigt hat, kann dahinstehen. Einer Auseinandersetzung mit den im Zulassungsantrag hierzu enthaltenen Ausführungen bedarf es nicht, da das Verwaltungsgericht zu Recht bereits eine Rechtsverletzung des Klägers verneint hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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