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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 30.08.2007
Aktenzeichen: OVG 2 N 34.06
Rechtsgebiete: BbgWG 1994, BbgWG 1982, VO über Bevölkerungsbauwerke, VwGO


Vorschriften:

BbgWG 1994 § 86 Abs. 1
BbgWG 1994 § 87 Abs. 6 Satz 2
BbgWG 1994 § 87 Abs. 1 Satz 1
BbgWG 1994 § 147 Abs. 1 Satz 2
BbgWG 1982 § 17 Abs. 2
VO über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 § 3
VO über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 § 11 Abs. 3
VwGO § 86 Abs. 2
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 N 34.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs am 30. August 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2005 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines in W_____ am O_____ gelegenen Wassergrundstücks mit Wochenendhaus und Steganlage. Diese dürfte frühestens zusammen mit der Wohnlaube auf dem Grundstück errichtet worden sein, für die ein Gebrauchsabnahme- und ein Bauschein aus dem Jahr 1939 vorliegen. Da die Klägerin den Nachweis einer früheren wasserrechtlichen Genehmigung nicht zu erbringen vermochte, verfügte der Beklagte, der das Ziel verfolgt, alle ungenehmigten Steganlagen in diesem Bereich zur Wiederherstellung eines naturnahen Uferstreifens entfernen zu lassen, mit Bescheid vom 12. März 2003 / Widerspruchsbescheid vom 1. September 2003 die Beseitigung der Steganlage. Der vorliegende Antrag auf Zulassung der Berufung richtet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2005. Auf die Entscheidungsgründe und das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des Zulassungsverfahrens wird Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ein Grund, die Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 VwGO), ist auf der Grundlage der im Hinblick auf das Darlegungserfordernis (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) allein maßgeblichen Ausführungen der Klägerin nicht gegeben.

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der rechtlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Beseitigungsanordnung vom 12. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 1. September 2003 ist § 87 Abs. 6 Satz 2 Brandenburgisches Wassergesetz vom 13. Juli 1994 (GVBl. I S. 302) - BbgWG 1994 -. Danach soll die Wasserbehörde die Beseitigung ungenehmigter Anlagen anordnen, wenn dadurch renaturierte Uferstrecken geschaffen werden können. Die Steganlage der Klägerin ist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 BbgWG 1994 eine genehmigungsbedürftige Anlage in Gewässern. Eine wasserrechtliche Genehmigung hierfür vermochte sie jedoch nicht beizubringen. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der Angaben und Nachweise der Klägerin zum Errichtungszeitpunkt der Wohnlaube als frühesten Errichtungszeitpunkt der Steganlage das Jahr 1938 angenommen und deren fortdauernde Nutzung unterstellt.

Für ein der Beseitigungsanordnung entgegenstehendes anderes Recht bestehen keine Anhaltspunkte.

a) Eines Rückgriffs auf das im Wasserrecht anerkannte Rechtsinstitut der gewohnheitsrechtlichen "unvordenklichen Verjährung", bei der es sich nicht um einen selbständigen Erwerbsgrund, sondern um eine widerlegbare Vermutung handelt, dass zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt ein Recht entstanden ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 5. August 2003, NVwZ 2004, 368; VG Regensburg, Urteil vom 23. Januar 2006 - RN 13 K 04.1246 - zitiert nach juris), bedarf es aufgrund des hier angenommenen Errichtungszeitpunkts im Jahre 1938 nicht. Dementsprechend kann dahinstehen, ob der 80-Jahres-Zeitraum, dessen Verstreichen das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang für erforderlich, aber nicht als erfüllt angesehen hat, in jedem Falle voll ausgeschöpft sein muss oder nicht.

b) Für die Annahme eines nach dem Preußischen Wassergesetz vom 7. April 1913 (GS S. 53) - prWG -, das im Jahre 1939 u. a. in dem hier maßgeblichen Bereich des Landes Brandenburg galt (vgl. Wüsthoff, Einführung in das deutsche Wasserecht, 3. Auflage 1962, S. 18, 19 und Karte am Ende), aufrechterhaltenen und sichergestellten Altrechts (vgl. § 86 Abs. 1, § 379 prWG), hätte die Steganlage schon vor dem 1. Januar 1913 errichtet worden sein müssen, was die Klägerin selbst nicht behauptet. Für die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung unter der Geltung des Preußischen Wassergesetzes, die für die Errichtung von Anlagen in Wasserläufen erster und zweiter Ordnung durch die Wasserpolizeibehörde (§ 22 prWG) erforderlich war, wie schon das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat, ist ein Nachweis von der Klägerin nicht erbracht worden. Sie kann auch durch die von der Klägerin angestellten Vermutungen im Zulassungsverfahren zur Rechtspraxis in dieser Zeit nicht ersetzt werden.

c) Für ein nach DDR-Recht aufrechterhaltenes Altrecht, das nach der Übergangsregelung des § 147 Abs. 1 Satz 2 BbgWG 1994 eine wasserrechtliche Genehmigung nach geltendem Recht entbehrlich machen würde, fehlt es neben der "altrechtlichen" Genehmigung als Anknüpfungspunkt auch schon an dem hierfür erforderlichen Verfahren im Wassergesetz vom 2. Juli 1982 (GBl. DDR I S. 467). Dementsprechend kann auch das von der Rechtsprechung zur Anerkennung eines "alten Rechts" mindestens für erforderlich gehaltene Verfahren zur Überprüfung der wasserwirtschaftlichen Unbedenklichkeit (siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1971, BVerwGE 37, 103; Urteil vom 14. April 2005, NVwZ 2005, 1076 m. w. N.) nicht stattgefunden haben. Dafür, dass unter der Geltung des Wassergesetzes vom 2. Juli 1982 eine Zustimmung gemäß § 17 Abs. 2 des Gesetzes erteilt worden sein könnte, und die wasserrechtliche Genehmigung nach geltendem Recht deshalb gemäß § 147 Abs. 1 Satz 2 BbgWG 1994 entbehrlich sein könnte, spricht ebenfalls nichts, zumal der Errichtungszeitpunkt von der Klägerin selbst wesentlich früher datiert worden ist und somit kein Anlass hierfür bestand.

d) Alle vorgenannten Gesetze setzen zur Legalisierung einen wasserrechtlichen Genehmigungsakt voraus. Einen davon unabhängigen Bestandsschutz aufgrund einer zu irgendeinem Zeitpunkt gegebenen materiellen Legalität gibt es nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1978, NJW 1978, 2311).

e) Die Verjährungsregelung in § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 (GBl. DDR I S. 433) findet hier keine Anwendung. Die Steganlage ist kein Bauwerk im Sinne von § 3 der Verordnung. Der Umstand, dass sich auf dem Grundstück ein Ferienhaus befindet, das diese Anforderungen möglicherweise erfüllt, ändert daran - entgegen der Auffassung der Klägerin - nichts.

2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Die im Zulassungsverfahren beanstandete Nichtvernehmung des Zeugen S_____, der sich nach Angaben der Klägerin "als für das für Freizeitanlagen zuständige Mitglied des Rates des Kreises zu DDR-Zeiten .... von Amts wegen mit dem Zeitpunkt der Erbauung des Steges beschäftigt" haben soll, ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Ein § 86 Abs. 2 VwGO unterfallender Beweisantrag ist von der Klägerin laut Terminsprotokoll vom 6. Mai 2005 nicht gestellt worden. Die Klägerin hat darüber hinaus im Hinblick auf den vom Gericht zu erarbeitenden Vergleichsvorschlag auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet. Unter diesen Umständen kann es sich allenfalls um eine Beweisanregung gehandelt haben (vgl. hierzu OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 28. August 2007 - OVG 2 N 22.07 -). Abgesehen davon, dass deren hinreichende Substantiierung schon zweifelhaft erscheint, hatte das Gericht auch keinen Anlass, dem nachzugehen, weil es den von der Klägerin genannten frühesten Errichtungszeitpunkt im Jahre 1938 als wahr unterstellt hat. Die erst im Schriftsatz vom 30. August 2006 vorgenommene Erstreckung des Beweisthemas der Zeugenaussage auf eine Genehmigung der Steganlage zu DDR-Zeiten ist gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO verfristet und schon deshalb nicht berücksichtigungsfähig. Dies gilt auch für die vorgetragenen gesundheitlichen Belange der Klägerin, wobei darauf hinzuweisen ist, dass das Baden zum Gemeingebrauch zählt (§ 43 BbgWG 2004). Eine Steganlage ist hierfür nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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