Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 06.07.2006
Aktenzeichen: OVG 2 S 2.06
Rechtsgebiete: BauO Bln a.F., BauNVO


Vorschriften:

BauO Bln a.F. § 45 Abs. 1
BauO Bln a.F. § 70 Abs. 1 Satz 2
BauO Bln n.F. § 79 Abs.1 Satz 2
BauO Bln n.F. § 2 Abs. 4 Nr. 8
BauO Bln n.F. § 3 Abs. 1
BauO Bln n.F. § 3 Abs. 4
BauO Bln n.F. § 52 Abs. 1 Nr. 7
BauO Bln n.F. § 58 Abs. 3
BauNVO § 3 Abs. 1
BauNVO § 3 Abs. 2
BauNVO § 3 Nr. 1
1. Ein Boardinghouse stellt eine Übergangsform zwischen Wohnnutzung und Beherbergungsbetrieb dar, wobei die schwerpunktmäßige Zuordnung von den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls abhängt.

2. Zu den Anforderungen an ein noch der Wohnnutzung zuzuordnendes Boardinghouse.


OVG 2 S 2.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Bumke am 6. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. November 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im vorläufigen Rechtsschutzverfahren über die vom Antragsgegner mit Bescheid vom 7. September 2005 verfügte Nutzungsuntersagung für das Gebäude R_____ in Berlin-Mitte. Diese ist darauf gestützt, dass dort nach Auffassung des Antragsgegners statt einer Nutzung zu Wohnzwecken ein gewerbsmäßiger Beherbergungsbetrieb stattfinde, der nicht von der der Antragstellerin für die Sanierung und den Umbau des Wohn- und Geschäftshauses erteilten Baugenehmigung vom 21. Oktober 2003 gedeckt sei. Diese sieht nach dem Bauantrag vom 18. Dezember 2002 mit den dazugehörigen Bauplänen, Bau- und Betriebsbeschreibungen die Wiederherstellung einer Wohnnutzung des Gebäudes mit insgesamt 76 Wohnungen nach einem "zeitgemäßen Nutzungskonzept" vor. Im Dachgeschoss sollen danach vier großzügige Vier- bis Fünfzimmerwohnungen und im zweiten bis vierten Obergeschoss des Gebäudes 16 Zweizimmerwohnungen sowie 56 Einzimmer-Apartments mit einer Grundfläche von ca. 25 m2 bis ca. 55 m2 entstehen. Im Erdgeschoss ist unter Beibehaltung der dortigen Gastronomie die Schaffung von Gewerbeflächen für Läden vorgesehen sowie im Innenhof die Einrichtung von Fahrradstellplätzen und eines Kinderspielplatzes. Im Untergeschoss sollen eine Tiefgarage, eine Bar mit Tanzfläche sowie 76 Mieterkeller für die Wohnungen geschaffen werden. Vor Einreichung des Bauantrags hatte der Architekt dem Antragsgegner mit Schreiben vom 25. November 2002 mitgeteilt, dass mit Ausnahme der vier Wohnungen im Dachgeschoss ein Betrieb als Boardinghouse geplant sei, dessen Hauptzugang mit Service- und Rezeptionstresen zum Einchecken sich in dem Gebäudeteil Nr. 11 befinden soll. Die Wohnungen sollen vollständig eingerichtet und neben Bad und Schlafzimmer mit einer vollwertigen Küche ausgestattet sein. Sie sollen völlig separat über die jeweiligen Treppenhäuser und Flure erschlossen werden. Eine Gastronomie sei in dem Boardinghouse nicht vorgesehen. Sowohl aus steuerlichen als auch aus finanzierungstechnischen Gründen sei es jedoch wichtig, dass das Projekt als Wohnnutzung genehmigungsfähig sei. Nach der Erteilung der Baugenehmigung vom 21. Oktober 2003 bat der Architekt der Antragstellerin den Antragsgegner mit Schreiben vom 23. Februar 2004 um Bestätigung, dass die genehmigten möblierten Ein- und Zweiraumwohnungen mit zentralem Portierservice (Serviced-Apartments) "baurechtlich als wohnwirtschaftliche Nutzung genehmigt" worden seien und dass diese Nutzung "nicht einer gewerblichen Nutzung als Hotelbetrieb" entspreche. Hintergrund für diese Anfrage war ein potenzieller Investor, der seinerseits anfragte, ob die Nutzung der Wohneinheiten als Serviced-Apartments / Boardinghouse von der vorliegenden Baugenehmigung gedeckt sei oder einer zusätzlichen Bau- bzw. Nutzungsgenehmigung bedürfe. Der Antragsgegner sah die erteilte Baugenehmigung vom 21. Oktober 2003 als hinreichend bestimmt an und lehnte eine weitere Interpretation der Baugenehmigung ab (Vermerke vom 26. Februar 2005 und vom 2. Mai 2004).

Nach Presseveröffentlichungen, die das Gebäude als "Neues Designhotel Lux 11" bezeichneten, das "seinen Gästen ein besonderes Zuhause bieten" will, sah sich der Antragsgegner zu einer Ortsbesichtigung veranlasst, um zu prüfen, ob das Wohn- und Geschäftshaus entgegen der mit Bescheid vom 21. Oktober 2003 genehmigten Nutzung vorzeitig als Hotel in Betrieb genommen worden sei (Vermerk vom 1. August 2005). Die Ortsbesichtigung am 22. August 2005 erbrachte nach Auffassung des Antragsgegners die Erkenntnis, dass es sich bei der Vermietung der Ein- und Zweizimmerwohnungen im zweiten bis vierten Obergeschoss um einen hotelähnlichen Betrieb handele (Vermerk vom 23. August 2005). Mit Bescheid vom 7. September 2005 untersagte er deshalb unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes die weitere Nutzung des Gebäudes, weil eine gewerbsmäßige Beherbergung nicht von der Baugenehmigung und der danach zulässigen Nutzung gedeckt sei und hierfür weitergehende bauordnungsrechtliche - vor allem brandschutzrechtliche - Anforderungen an das Gebäude zu stellen wären, die nicht erfüllt seien, so dass schon wegen dieser Mängel keine Nutzungsfreigabe erfolgen könne.

Nach der mit Bescheid vom 26. September 2005 erfolgten Ablehnung der von der Antragstellerin beantragten Aussetzung der sofortigen Vollziehung gab das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin durch Beschluss vom 29. November 2005 statt. Das Verwaltungsgericht sah die Nutzungsuntersagung bei summarischer Prüfung als rechtswidrig an, weil die Gebäudenutzung der Antragstellerin der Wohnnutzung und nicht dem Beherbergungsgewerbe zuzurechnen sei. Soweit die Nutzungsuntersagung auf die fehlende Nutzungsfreigabe gestützt worden sei, habe der Antragsgegner in dem Bescheid vom 26. September 2005 selbst erklärt, dass die laut Protokoll vom 24. Juni 2005 noch festgestellten Mängel für die Nutzungsuntersagung unerheblich gewesen seien, so dass es hierauf nicht ankommen könne. Auf die Einzelheiten der Begründung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. November 2005 wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.

Das insoweit maßgebende Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) gibt keinen Anlass zu einer von dem Verwaltungsgericht abweichenden Bewertung der Nutzung des Gebäudes R_____. Dieses hat die streitgegenständliche Nutzung des Gebäudes als Boardinghouse zu Recht der Wohnnutzung zugerechnet, denn der nach dem Nutzungskonzept der Antragstellerin vorgesehene und nach den baulichen Voraussetzungen mögliche Betrieb liegt bei summarischer Prüfung noch innerhalb der der Wohnnutzung eigenen Variationsbreite und ist insoweit noch von der Baugenehmigung vom 21. Oktober 2003 gedeckt. Die gesetzlichen Anforderungen an den Erlass einer Nutzungsuntersagung nach § 70 Abs. 1 Satz 2 BauO Bln in der hier noch maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 3. September 1997 (GVBl. S. 422), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2001 (GVBl. S. 260) - BauO Bln a.F. -, die voraussetzt, dass eine bauliche Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften benutzt wird, sind damit nicht erfüllt.

1. Die Begriffe Wohnen, Wohngebäude (z. B. in § 3 Abs. 1 und 2 BauNVO) und Betrieb eines Beherbergungsgewerbes (z. B. in § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) sind in der Baunutzungsverordnung nicht näher umschrieben. In der Rechtsprechung wird die Annahme einer Wohnnutzung jedoch maßgeblich an eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit geknüpft, die durch die Möglichkeit eigenständiger Haushaltsführung und unabhängiger Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichnet ist. Dies setzt vor allem eine eigene Kochgelegenheit für die Zubereitung von Speisen voraus, die eine gewisse Unabhängigkeit von der Inanspruchnahme von Gemeinschaftsräumen, wie Frühstücksraum, Speisesaal usw., gewährleistet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, BRS 58 Nr. 56; Urteil vom 29. April 1992, BVerwGE 90,140 = BRS 54 Nr. 53; Beschluss vom 8. Mai 1989, BRS 49 Nr. 66; Beschluss vom 7. September 1984, BRS 42 Nr. 55; OVG Bln, Beschluss vom 8. Juni 2000, BRS 63 Nr. 216). Beschränkt sich eine Zimmervermietung dagegen auf eine reine Übernachtungsmöglichkeit, so ist der Gast ausstattungsbedingt auf die Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen angewiesen und es handelt sich um einen Beherbergungsbetrieb. Diese Nutzungsform kann kein auf Dauer angelegter Wohnungsersatz sein, weil es an der Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltsführung fehlt (vgl. HbgOVG, Beschluss vom 7. Januar 2000, BRS 63 Nr. 68). Hieraus folgt wiederum, dass das Fehlen nennenswerter Dienstleistungen, wie sie neben der Zimmervermietung zu einem Beherbergungsbetrieb gehören, ein weiteres Kennzeichen der Wohnnutzung ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1992,a.a.O.).

2. Ein Boardinghouse, das vor allem für solche Personen gedacht ist, die (meist geschäftlich) über einen längeren Zeitraum am Ort verweilen müssen und denen dabei eine gewisse Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von hoteltypischen Serviceleistungen auch aus Kostengründen wichtig ist (vgl. Hermanns/Hönig, Das "Boardinghouse" - Wohnnutzung im Sinne des Bauplanungsrechts, BauR 2001, 1523 ff.), stellt grundsätzlich eine Übergangsform zwischen einer Wohnnutzung und einem Beherbergungsbetrieb dar, wobei die schwerpunktmäßige Zuordnung von den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls abhängt. Maßgebend hierfür sind bei Zugrundelegung der genannten Voraussetzungen zunächst die durch die jeweilige Ausstattung der Wohneinheiten bedingten Nutzungsmöglichkeiten sowie der erforderliche Umfang und die Art zusätzlicher Dienstleistungen.

Ein Boardinghouse verfügt grundsätzlich über eine moderne Küchenzeile mit Kühlschrank zur Unterbringung eigener Lebensmittel - darüber hinaus vielfach auch über weitere, zur eigenständigen Haushaltsführung geeignete technische Geräte. Das weitgehende Fehlen der für Beherbergungsbetriebe typischen Servicebereiche außerhalb der vermieteten Zimmer, wie insbesondere von Speise- und Aufenthaltsräumen mit dem zugehörigen Personalservice, ist deshalb für ein Boardinghouse kennzeichnend und zugleich ein Hinweis auf eine schwerpunktmäßige Wohnnutzung. Meist sind die Zimmer erheblich größer als übliche Hotelzimmer, um durch die Größe der gemieteten Räume und deren Ausstattung den Mietern die Möglichkeit zu bieten, auf eine gewisse Dauer ein selbst bestimmtes häusliches Leben zu führen. Ob zum Angebot auch noch hotelähnliche Nebenleistungen gehören, wie Frühstücksbuffet, Reinigungsdienst, Hemden- oder Wäscheservice, Bettwäschewechsel oder auch Lebensmitteldienste, ist von Fall zu Fall verschieden. Erreichen diese Dienstleistungen einen nennenswerten Umfang, kann dies vor allem dann zu einer Schwerpunktverlagerung der Wohnnutzung in Richtung eines Beherbergungsbetriebs führen, wenn diese Dienstleistungen vom eigenen Hauspersonal erbracht werden und im Preis inbegriffen sind. Es ist deshalb schon räumlich ein Indiz für einen Beherbergungsbetrieb, wenn in dem Boardinghouse Speiseräume mit Personalservice, betriebsnotwendige Nebenräume, Aufenthalts- und Sozialräume für das Personal sowie Lagerräume für die Unterbringung von Servicegerätschaften und Bedarfsartikeln vorhanden sind (vgl. Hermanns/Hönig, a.a.O.,S. 1523, 1524, 1528, 1529 m.w.N.).

Für die Beurteilung des Nutzungsschwerpunktes kommt es darauf an, welcher Leistungsumfang vom Nutzungskonzept umfasst ist, und ob sich der angegebene Nutzungszweck des Vorhabens, der grundsätzlich durch den Bauherrn bestimmt wird, innerhalb des objektiv Möglichen hält. Abzustellen ist auf einen an den objektiven Nutzungsmöglichkeiten orientierten Nutzungszweck, wie er sich aus den vom Bauherrn vorgelegten Bauunterlagen ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1992, a.a.O.). Der Nutzungszweck lässt sich vor allem an der Größe und Ausstattung der Räume ablesen sowie aus dem Verhältnis der Gesamtraumzahl zu eventuellen Serviceräumen. Der räumlichen Struktur der Gesamtanlage und der sich dadurch bietenden Nutzungsmöglichkeiten kommt deshalb neben dem Nutzungskonzept ein besonderes Gewicht zu (vgl. Hermanns/Hönig, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25. Februar 1991, BRS 52 Nr. 57)

Danach handelt es sich bei dem Gebäude Rosa-Luxemburg-Str. 9 -13, soweit es als Boardinghouse genutzt wird, schwerpunktmäßig um eine Wohnnutzung .

a) Die im 2.- 4. Obergeschoss befindlichen Wohneinheiten erfüllen auch nach Ansicht des Antragsgegners die in § 45 Abs. 1 BauO Bln a.F. genannten Mindestanforderungen an Wohnungen, denn die danach erforderliche bauliche Abgeschlossenheit gegenüber fremden Räumen und anderen Wohnungen sowie der erforderliche abschließbare Zugang unmittelbar vom Freien (Abs. 1) ist über die jeweiligen Treppenhäuser und Flure sowie die Klingel- und Schließanlage gewährleistet. Ebenso ist jeweils eine Küchenzeile vorhanden sowie genügend Abstellraum (Abs. 3) in Form von Mieterkellern für die Wohnungen (vgl. Planinhalt Untergeschoss). Darüber hinaus stehen Fahrradstellplätze (Abs. 4) und ein Gemeinschaftsraum mit zahlreichen Waschmaschinen und Trocknern (Abs. 5) für die Mieter im Haus zur Verfügung. Es besteht auch die Möglichkeit, zusätzlich einen eigenen Briefkasten anzumieten.

b) Das Boardinghouse der Antragstellerin ist nach der Grundfläche der Wohnungen (ca. 25 m2 - ca. 55 m2) und deren Ausstattung auf eine längere Verweildauer der Mieter zugeschnitten. Die Möglichkeit der Selbstorganisation des Alltags durch Selbstverpflegung in eigener Küche mit Herd, Mikrowelle, Kühlschrank und Geschirrspüler sowie auch der Reinigung der Zimmer, der Textilwäsche durch Inanspruchnahme hauseigener Waschmaschinen mit Trockner und der Unterbringung eigener Gegenstände durch Nutzung der Abstellmöglichkeiten in den Mieterkellern sind gegeben. Soweit Einschränkungen bei der Ausstattung der Räume mit eigenen Gegenständen bestehen, sofern diese mit Eingriffen in die Substanz verbunden und deshalb zustimmungsgebunden sind, stellt dies die Wohnnutzung nicht in Frage, zumal die Zustimmung nach den Ausführungen der Antragstellerin in der Beschwerdeerwiderung auch regelmäßig erteilt wird. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist die Zuordnung zur Wohnnutzung auch nicht vom Nachweis ausschließlich längerfristiger Vermietung abhängig, denn die Aufenthaltsgestaltung in einem Boardinghouse kommt ohnehin schon wegen des mit dieser Wohnform verbundenen Zeitaufwands, wie beispielsweise für Einkäufe, Essenszubereitung und Wäschewaschen, nur für einen sich längerfristig am Ort aufhaltenden Nutzerkreis in Betracht. Allein die Größe der Räumlichkeiten und deren Ausstattung setzen besondere Ansprüche an die Aufenthaltsqualität voraus, die täglich wechselnde Hotelgäste in der Regel nicht haben, so dass sich die Verweildauer von selbst regeln dürfte (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25. Februar 1991, BRS 52 Nr. 57). Die Vermietung von Wohnungen bei Bedarf auch an Kurzzeitmieter ist jedenfalls für die Zuordnung zur Wohnnutzung unschädlich, solange sich die sonstigen Rahmenbedingungen für diese Nutzer nicht ändern. Die Höhe des Mietpreises ist ebenfalls ohne Einfluss auf die Zuordnung dieser Nutzung, zumal sie auch auf dem sonstigen Wohnungsmarkt nicht geeignet ist, eine Wohnnutzung ab einer gewissen Preisgrenze in Frage zu stellen.

c) Einem Beherbergungsbetrieb ähnliche Dienstleistungen werden im vorliegenden Fall nicht erbracht, denn über die Vollausstattung der Wohnungen mit Bett-, Tisch- und Badwäsche hinaus, wie sie einer möblierten Vermietung entspricht, findet kein hotelmäßiger Service statt. Aus den Bauplänen ist auch ersichtlich, dass in dem Gebäude jegliche hoteltypischen Gemeinschafts- oder Nebenräume außerhalb der vermieteten Wohneinheiten fehlen. Der im Erdgeschoss befindliche Eingangsbereich ist zwar recht großzügig bemessen, umfasst aber über den Empfangs- und eventuellen Vermittlungsdienst sowie die Verwaltung des Hauses hinaus keine Gemeinschaftseinrichtungen und ist deshalb für die Frage der Wohn - oder Hotelnutzung ohne Bedeutung. Selbst Wohnungsbaugesellschaften gehen zur Erhöhung der Attraktivität ihres Wohnungsbestands zunehmend dazu über, ihren Mietern die Annehmlichkeiten eines Conciergedienstes zu bieten, der unter Sicherheitsaspekten eine gewisse Zugangskontrolle gewährleistet und gleichzeitig kleinere Dienstleistungen (Blumengießen oder Paketannahme bei Abwesenheit) erbringt, ohne dass dies die Wohnungseigenschaft in Frage stellt.

Die im Erd- und Untergeschoss vorhandene Gastronomie und die Läden sind mit dem Boardinghouse nach den nicht substanziiert bestrittenen Ausführungen der Antragstellerin rechtlich und wirtschaftlich nicht verbunden. Die dortige Gastronomie hat zwar den Lagevorteil räumlicher Nähe zu den Wohnungen, lässt aber keine Funktionseinheit mit dem Boardinghouse im Sinne einer eigenen Serviceeinrichtung des Hauses erkennen, die auf einen Beherbergungsbetrieb hindeuten könnte. Dies gilt auch für die anderen Geschäfte und Lokalitäten im Erd- und Untergeschoss, deren räumliche Nähe zu den Wohnungen im Haus einer zentralen Innenstadtlage entspricht, ohne dem Boardinghouse als eigene Serviceeinrichtung oder Dienstleistung für seine Mieter zurechenbar zu sein. Dass die Antragstellerin mit diesem Lagevorteil wirbt, ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners kein Kennzeichen für eine geschäftliche Verbundenheit im obigen Sinne, sondern entspricht den Gepflogenheiten auch auf dem übrigen Wohnungsmarkt.

Auch sonstige Dienstleistungen, wie Wäschewechsel von seiten des Hauses, finden nicht statt. Der im Preis enthaltene Reinigungsservice (alle 3 Tage Teilreinigung, alle 6 Tage Vollreinigung) entspricht vom Reinigungsrhythmus her eher dem privater Haushalte und wäre bei täglicher Inanspruchnahme jeweils gesondert zu bezahlen (10 € / 20 €). Dies gilt nach der Preisliste selbst für kleinere Dienstleistungen, wie Handtuchwechsel (6,00 €), die in einem Beherbergungsbetrieb selbstverständlich nicht nur täglich erfolgen würden, sondern auch im Preis inbegriffen wären. Die mögliche Lieferung von Lebensmitteln oder Speisen erfolgt von seiten des Hauses allenfalls als Vermittlungsservice durch die Rezeption, wie sich aus der Beschwerdeerwiderung und der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers vom 6. März 2006 ergibt. Solche Bestellungen können und sollen von den Mietern grundsätzlich selbst über das eigene Telefon geordert werden. Diese Dienstleistungen sind dem Boardinghouse deshalb auch nicht als eigener Service zuzurechnen. Für eventuelles Personal und dessen Dienstleistungen sind baulich keine gesonderten Räume vorhanden.

d) Wie der Nutzungsvertrag zwischen dem Boardinghouse-Betreiber und den Mietern bei der Anmietung bisher bezeichnet worden ist (Mietvertrag/Anmeldeformular), ist für die Zuordnung unergiebig. Maßgebend ist zivilrechtlich immer nur der tatsächliche und übereinstimmend gewollte Vertragsgegenstand und nicht dessen mögliche Falschbezeichnung (siehe hierzu Palandt, BGB, 65. Auflage 2006, § 133 RNr. 8), wobei es sich im vorliegenden Fall um eine Wohnnutzung zum vorübergehenden Gebrauch im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB handeln dürfte (zu den Kriterien vgl. Palandt, a.a.O., § 549 RNr. 15). Diese erfährt aufgrund der zeitlichen Befristung eine bedarfsangepasste Rechtsgestaltung, ohne dass dieser Umstand auf die städtebauliche Einordnung als Wohnnutzung Einfluss hat.

Dass die Tagespresse und die Werbung im Internet zunächst gängige Bezeichnungen der Hotelbranche gewählt haben, wie sie den potenziellen Interessenten eher geläufig sind, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Vermietung von Apartments unter der Bezeichnung Boardinghouse und die darunter zu verstehenden Rahmenbedingungen in Deutschland noch keine so weitgehende Verbreitung gefunden haben. Dies gilt auch für das vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 28. März 2006 als Beleg für eine Hotelnutzung angeführte Stellenangebot für eine Buchhalterin unter der Branchenbezeichnung "Hotel", das - wie die Antragstellerin im Schriftsatz vom 19. April 2006 ausgeführt hat - lediglich den Vorgaben des Online-Stellensuchprofils der Bundesagentur für Arbeit geschuldet war, weil es eine Rubrik "Apartmentvermietung" dort nicht gab. Unabhängig davon, dass dieses Beschwerdevorbringen bereits verfristet war (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), ist diese Einordnung nach den Angaben der Antragstellerin im Erwiderungsschriftsatz vom 19. April 2006 inzwischen auch geändert und das Stellenangebot in die Rubrik "Verwaltung von fremden Gebäuden und Wohnungen" übernommen worden, so dass es für mögliche Rückschlüsse ohnehin nicht mehr relevant sein kann.

e) In brandschutzrechtlicher Hinsicht sieht auch die Berliner Feuerwehr, die im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zuvor beteiligt worden ist und ihre Anforderungen formuliert hat, ein Boardinghouse in dem vom Antragsgegner eingereichten Schreiben vom 20. Januar 2006 als Wohnnutzung an, die gegenüber einem gleichartigen Wohngebäude keine zusätzlichen baulichen Maßnahmen erfordert. Für die Feuerwehr ist insoweit offenbar die durch das jeweils größere Raumangebot bedingte geringere Personenzahl im Vergleich zu einem Hotel bei gleichzeitig längerer Verweildauer maßgebend, die dazu führt, dass sich die Nutzer in dem Haus im Brandfalle bezüglich der Rettungswege und Sicherheitseinrichtungen besser auskennen als Kurzzeitgäste in einem Hotel. Sollte die Zahl der Kurzzeitmieter - abweichend von dem ein Boardinghouse kennzeichnenden Nutzungskonzept - im vorliegenden Fall nicht allenfalls die Ausnahme bleiben, sondern ein bestimmtes Wohnungskontingent für diesen Nutzerkreis vorgehalten werden, ohne dass den brandschutzrechtlichen Anforderungen der Feuerwehr durch räumlich-organisatorische Maßnahmen (siehe Stellungnahme der Berliner Feuerwehr vom 20. Januar 2006) genügt wird, bliebe es dem Antragsgegner unbenommen, eine darauf bezogene teilweise Nutzungsuntersagung gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 und 4, § 2 Abs. 4 Nr. 8, § 52 Abs. 1 Nr. 7 BauO Bln in der geltenden Fassung zu verfügen und den Weiterbetrieb zumindest von entsprechenden nachträgliche Brandschutzvorkehrungen abhängig zu machen (vgl. OVG Bln, Beschluss vom 8. Juni 2000, BRS 63 Nr. 216). Das erforderliche Handlungsinstrumentarium, um sich ein verlässliches Bild von etwaigen zwischenzeitlich eingetretenen Nutzungsänderungen als Grundlage für die Durchsetzung weitergehender brandschutzrechtlicher Anforderungen zu machen, steht dem Antragsgegner mit § 58 Abs. 3 BauO Bln zur Verfügung (vgl. hierzu OVG Rh.-Pf., Urteil vom 15. Februar 2006, BauR 2006,971).

f) Die vom Antragsgegner in der Beschwerdeschrift geäußerten städtebaulichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Nutzungsform "Boardinghouse" in Wohn- und Mischgebieten als Wohnnutzung wegen der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Bevölkerung und die Infrastruktur sind für die vorzunehmende Wertung der vorliegenden Nutzung nicht relevant, weil sich diese an den oben genannten Kriterien für das Wohnen zu orientieren hat. Im Übrigen sind die vom Antragsgegner befürchteten "Umwandlungen" und deren städtebauliche Folgen wohl kaum in größerer Zahl zu erwarten, weil es sich um ein sehr spezielles Vermietungssegment mit einem nur beschränkten Nutzerkreis handelt und letztlich der Bedarf das Angebot regelt.

g) Etwaige nach dem Besichtigungsprotokoll vom 24. Juni 2005 noch verbliebene Mängel waren für die Nutzungsuntersagung nicht maßgebend, wie der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. September 2005 und den Ausführungen in seiner Beschwerdeschrift bestätigt hat. Soweit der Antragsgegner die aus seiner Sicht unzulässige Nutzungsänderung und die hierfür nicht erfüllten Anforderungen zur Grundlage der Nutzungsuntersagung gemacht hat, lässt sich der Eingriff hiermit nicht rechtfertigen, weil eine Nutzungsänderung - wie dargelegt - nicht vorliegt.

Damit fehlt es auch an der Grundlage für die in dem Bescheid vom 7. September 2005 enthaltene Zwangsgeldandrohung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG n.F. Der Senat folgt insoweit der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, deren Höhe dem von der Antragstellerin angegebenen möglichen Schaden durch die Nutzungsuntersagung entspricht. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG)

Ende der Entscheidung

Zurück