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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: OVG 4 B 11.06
Rechtsgebiete: LBG Bbg, VwVfG Bbg


Vorschriften:

LBG Bbg § 16
VwVfG Bbg § 41
VwVfG Bbg § 43
VwVfG Bbg § 46

Entscheidung wurde am 03.05.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1. Zur arglistigen Täuschung eines Beamtenbewerbers (hier: Verschweigen einer psychischen Vorerkrankung bei der ärztlichen Einstellungsuntersuchung).

2. Zur Bekanntgabe eines Kreistagsbeschlusses (hier: durch den Vorsitzenden des Kreistages).


OVG 4 B 11.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2006 durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts K_____, den Richter am Oberverwaltungsgericht L_____, den Richter am Verwaltungsgericht S_____ sowie die ehrenamtliche Richterin R_____ und den ehrenamtlichen Richter S_____ für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Ernennung zum Kreisrechtsrat z.A.

Der 1955 geborene Kläger wurde im September 1986 zum (Rechts-) Referendar im Bezirk des Oberlandesgerichts K. ernannt. Nachdem er von Oktober 1989 bis Oktober 1990 prüfungsunfähig gewesen war, bestand er im März 1991 die zweite juristische Staatsprüfung. Kurz darauf bewarb er sich auf eine Stelle als Volljurist beim Landkreis F., einem der Rechtsvorgänger des Beklagten, und gab dabei in seinem Lebenslauf für die Zeit von September 1989 bis November 1990 die "Unterbrechung des Prüfungsverfahrens aus familiären Gründen" an. Nachdem er zunächst im Angestelltenverhältnis im Wege der Abordnung beim Landkreis F. tätig gewesen war, sollte er dort verbeamtet werden. Hierzu füllte der Kläger ein ihm vom amtsärztlichen Dienst ausgehändigtes Formular "Angaben zur Vorgeschichte" aus. Der damalige stellvertretende Amtsarzt des Landkreises F. untersuchte den Kläger Ende November 1991 und gelangte zu dem Ergebnis, es liege kein neurologisch oder psychisch von der Norm abweichender Befund vor und aus ärztlicher Sicht bestünden keine Bedenken gegen die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Der Landkreis F. ernannte den Kläger daraufhin mit Urkunde vom 19. Dezember 1991 mit Wirkung zum 1. Januar 1992 unter Berufung auf das Beamtenverhältnis auf Probe zum Kreisrechtsrat z.A. Die Rechtsamtsleiterin des Beklagten zog im Mai 2000 im Rahmen eines gegen den Kläger geführten Disziplinarverfahrens die Referendarpersonalakte des Klägers bei. Aus dieser ergab sich, dass Grund für die damalige Unterbrechung des Prüfungsverfahrens ein schwerer reaktiver Verstimmungszustand und ausgeprägte psychosomatische Störungen gewesen waren. Auf die Aufforderung, sein Einverständnis zur Einsichtnahme in die entsprechenden ärztlichen Unterlagen zu geben, reagierte der Kläger nicht. Daraufhin hörte der Landrat des Beklagten (im Folgenden: Landrat) den Kläger zur beabsichtigten Rücknahme der Ernennung wegen Täuschung über das Vorliegen einer nervlichen Störung in der Zeit von September 1989 bis Oktober 1990 an und unterrichtete den Personalrat. Der Kläger rügte, der Vorwurf des Beklagten, er habe sich seinerzeit wegen einer schweren reaktiven Depression in nervenärztlicher Behandlung befunden, sei nicht belegt. In den in seiner Referendarpersonalakte befindlichen amtsärztlichen Attesten werde lediglich von einem schweren reaktiven Verstimmungszustand bzw. einer reaktiven Depression mit psychosomatischem Beschwerdebild gesprochen, die vorübergehender Natur seien. Ein reaktives Erscheinungsbild sei kein Krankheitssymptom. Er habe auch nicht ungefragt auf gesundheitliche Probleme jeglicher Art aufmerksam machen müssen. Insbesondere könne von einem Bewerber nicht erwartet werden, zurückliegende ausgeheilte Beschwerden dahin zu beurteilen, ob sie dem angestrebten Amt entgegenstehen, und mit seiner Bewerbung zugleich Eignungsbedenken vorzutragen. Daraufhin schlug der Landrat dem Kreistag des Beklagten (im Folgenden: Kreistag) die Rücknahme der Ernennung sowie später nach erhobenem Widerspruch die Zurückweisung des Widerspruches zur Beschlussfassung vor (Beschlussvorlagen mit den Drucksachennummern 317[-18/00] sowie 357-20/00). Die Beschlussvorschläge entsprachen jeweils der Tenorierung des an den Kläger bzw. seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Rücknahme- und Widerspruchsbescheides, die der Landrat den Beschlussvorlagen jeweils im Entwurf ohne Datum und Unterschrift sowie unter dem amtlichen Briefkopf "Kreistag des Landkreises Spree-Neiße - Vorsitzender des Kreistages -" als Anlage beigefügt hatte. Der Kreistag nahm die Beschlussvorlagen an (Beschlussnummern 247-18/00 und 272-20/00). Die Bescheide wurden daraufhin entsprechend der Praxis des Beklagten jeweils vom Kreistagsbüro mit dem Datum - hier: der Ausgangsbescheid unter dem 25. September 2000 und der Widerspruchsbescheid unter dem 20. Dezember 2000 - und der Unterschrift des Vorsitzenden des Kreistages vervollständigt und ausgefertigt sowie per Empfangsbekenntnis an die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers (Ausgangsbescheid) bzw. per Postzustellungsurkunde an den Kläger selbst (Widerspruchsbescheid) zugestellt. Die Rücknahme der Ernennung wurde damit begründet, der Kläger habe seine Ernennung mittels arglistiger Täuschung herbeigeführt. Er habe vorsätzlich verschwiegen, dass er sich von September 1989 bis November 1990 wegen einer schweren reaktiven Depression in ärztlicher Behandlung befunden habe. In dem ihm zur amtsärztlichen Untersuchung seinerzeit ausgehändigten Formular sei ausdrücklich nach nervlichen und psychischen Erkrankungen, auch in der Vergangenheit, gefragt worden. Dies betreffe auch ausgeheilte Krankheiten. Seine Erkrankung sei auch nicht unbedeutend gewesen. Er hätte diese angeben müssen, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine reaktive Depression in bestimmten Situationen wieder in Erscheinung trete. Hätte der Kläger wahrheitsgemäße Angaben gemacht, wäre er Anfang 1992 nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen worden, weil zumindest erst ein nervenärztliches Gutachten erstellt worden wäre.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Cottbus mit Urteil vom 13. September 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe seine Ernennung durch arglistige Täuschung herbeigeführt. Es sei davon auszugehen, dass er die mit seiner Verbeamtung befassten Personen, insbesondere den stellvertretenden Amtsarzt Dr. W., weder schriftlich noch mündlich über seine zeitweilige Prüfungsunfähigkeit während des Referendardienstes und die diesbezüglichen Ursachen informiert habe. Dass Letzteres nicht feststehe, gehe seinen zu Lasten, weil er schuldhaft die Beweisführung des Beklagten erschwert habe. Seiner eidesstattlichen Versicherung könne angesichts seines Aussageverhaltens nicht gefolgt werden. Seine Behauptung, er habe Dr. W. bei der Einstellungsuntersuchung über die Erkrankung informiert, habe er gleichsam in letzter Minute in das Verfahren eingeführt, nachdem ihm der Vorsitzende des Gerichts die Erfolglosigkeit der Klage dargelegt habe. Der Kläger sei zur Angabe seiner Erkrankung im Formular "Angaben zur Vorgeschichte" verpflichtet gewesen. Wenn keines der auf dem Formular anzukreuzenden Felder auf seine Erkrankung gepasst haben sollte, hätte er diese anderweitig auf dem Formular angeben müssen. Der Kreistag habe in seiner Funktion als Dienstbehörde seinen Beschluss auch ausnahmsweise selbst anstelle durch den Landrat bekannt geben dürfen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers.

Der Kläger trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Die angefochtenen Bescheide seien unwirksam. Der Kreistag habe die Bescheide nicht erlassen, wie sich aus den unterschiedlichen Nummern der Beschlussvorlage und des Kreistagsbeschlusses ergebe. Vielmehr habe der Vorsitzende des Kreistages diese erlassen. Allein der Landrat vertrete jedoch den Landkreis in Rechts- und Verwaltungsgeschäften und sei für die Ausführung von Kreistagsbeschlüssen zuständig. Darüber hinaus habe dem Vorsitzenden des Kreistages die verwaltungsverfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit gefehlt, um einen Bescheid für den Landkreis bekannt zu geben. Der Bekanntgabefehler sei auch nicht heilbar. Außerdem hätte der Kreistag selbst ihn vor der Rücknahme anhören müssen. Schließlich habe er die Ernennung nicht durch arglistige Täuschung herbeigeführt. Bei seinen damaligen Beschwerden habe es sich nicht um eine Nerven- oder Geisteskrankheit gehandelt, nach denen das im Einstellungsverfahren verwendete amtsärztliche Formular, das zudem missverständlich formuliert gewesen sei, gefragt habe, sondern um Gemütsbeschwerden in Form eines schweren reaktiven Verstimmungszustandes. Das Verwaltungsgericht habe zudem die von ihm nach der ersten mündlichen Verhandlung abgegebene eidesstattliche Versicherung fehlerhaft gewürdigt. Im Übrigen könne die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der Arglist jedenfalls im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht herangezogen werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 13. September 2002 zu ändern und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 25. September 2000 in der Gestalt seines Widerspruchbescheides vom 20. Dezember 2000 unwirksam ist,

hilfsweise die genannten Bescheide aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat im Berufungszulassungsverfahren sein bisheriges Vorbringen vertieft.

Der Senat hat den damaligen stellvertretenden Amtsarzt Dr. W. als Zeugen zu den tatsächlichen Umständen der Untersuchung des Klägers im November 1991 vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (zwei Halbhefter Rücknahmeverfahren, ein Band Referendarpersonalakte, zwei Halbhefter sonstige Personalakte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

A. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage ist zulässig. Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beteiligten streiten über ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Der Beklagte hat die Ernennung des Klägers zum Kreisrechtsrat z.A. unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zurückgenommen und damit als Dienstherr des Klägers im Verhältnis zu diesem verbindlich "festgeschrieben", dass das Dienstverhältnis von Anfang an nicht bestanden hat. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Maßnahme. Ein Beamter hat ein Interesse daran, eine rechtskräftige Entscheidung darüber zu erhalten, ob er sich in einem Beamtendienstverhältnis befindet (vgl. zum Wehrdienstverhältnis BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1980 - BVerwG 8 C 59.79 - Juris). Die Feststellungsklage ist auch nicht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen (vgl. für die hier vorliegende "Wirksamkeitsrüge" Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 43 Rdnr. 26). Hiernach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies ist hier nicht der Fall. Träfe die Auffassung des Klägers zu, dass die Rücknahme der Ernennung nicht wirksam (bekannt gegeben worden) ist, kommt eine Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO nicht in Betracht, da ein unwirksamer Verwaltungsakt nicht existent ist und nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben werden kann (vgl. zum Streitstand, ob neben einer Feststellungsklage auch Widerspruch und Anfechtungsklage zulässig sein können, P. Stelkens/U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 41 Rdnr. 28 a). Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die Subsidiaritätsklausel bereits deswegen ausgeschlossen ist, weil die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes als Klage auf Feststellung der Nichtigkeit im Sinne § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO anzusehen sein könnte (so P. Stelkens/U. Stelkens, a.a.O.).

Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 25. September 2000 in der Gestalt seines Widerspruchbescheides vom 20. Dezember 2000 ist nicht unwirksam.

1. Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg in der hier maßgeblichen Fassung gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird.

a) Der Beschluss des Kreistages über die Rücknahme der Ernennung des Klägers zum Kreisrechtsrat z.A. ist ein Verwaltungsakt (die Bescheide sind lediglich die schriftliche Ausfertigung dieser Verfügung einschließlich der Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht Gegenstand des verfügenden Teils des Verwaltungsaktes sind, vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, a.a.O., Rdnr. 3 b f.).

Nach § 35 Satz 1 VwVfGBbg ist Verwaltungsakt jede Verfügung, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit dem Beschluss über die Rücknahme der Ernennung hat der Kreistag (als oberste Dienstbehörde) in einem Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstrechts angeordnet, dass die Ernennung zum Beamten zurückgenommen wird und das Dienstverhältnis rückwirkend beendet ist. Diese Verfügung ist auch auf unmittelbare Rechtswirkung "nach außen" gerichtet (vgl. zu den Maßstäben BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144, 145 ff.). Sie geht über den innerbehördlichen Bereich hinaus, indem sie das Dienstverhältnis beendet. Das vom Verwaltungsgericht zitierte Urteil des OVG Frankfurt (Oder) vom 20. September 2000 - 1 A 197/98 - zur Abberufung eines Beigeordneten nach § 70 Abs. 3 GO Bbg steht dem nicht entgegen. Zwar hat das OVG Frankfurt (Oder) die Verwaltungsaktsqualität des Beschlusses der Gemeindevertretung verneint, dies jedoch auf Grund der Besonderheiten des Falles (S. 11 f. UA). Der Abberufung eines Beigeordneten fehle die Außenwirkung, weil sie einen Innerorganstreit betreffe und sich die beamtenrechtlichen Folgen unmittelbar aus dem Gesetz ergäben. Hier geht es jedoch weder um einen Innerorganstreit noch um kraft Gesetzes geregelte dienstrechtlichen Folgen. Vielmehr bedurfte die "Aufhebung" der infolge der Ernennung zum Beamten erworbenen beamtenrechtlichen Stellung des Klägers einer zweckgerichteten, d.h. auf Außenwirkung bestimmten Entscheidung im Einzelfall. Schließlich wird in dem Urteil des OVG Frankfurt (Oder) auf eine weitere Entscheidung des OVG Frankfurt (Oder) Bezug genommen (S. 14 UA), in der eine Verwaltungsaktsqualität des Abberufungsbeschlusses bejaht worden sei, weil bereits die Abberufung der ehrenamtlichen Bürgermeisterin in die individuelle Rechtssphäre eingegriffen habe. Ein solcher unmittelbarer Eingriff liegt auch hier vor.

Über die Rücknahme der Ernennung hat auch nicht etwa - wie der Kläger meint - der Vorsitzende des Kreistages, sondern der Kreistag selbst entschieden.

Dies ergibt sich bereits aus dem Verfahrensablauf. Nach Anhörung zur beabsichtigten Rücknahme hatte der Landrat dem Kreistag die Rücknahme der Ernennung sowie später nach erhobenem Widerspruch die Zurückweisung des Widerspruches zur Beschlussfassung vorgeschlagen. Den Beschlussvorlagen hatte der Landrat den an den Kläger bzw. seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Bescheid über die Rücknahme der Ernennung und den Widerspruchsbescheid jeweils im Entwurf ohne Datum und Unterschrift sowie unter dem amtlichen Briefkopf "Kreistag des Landkreises Spree-Neiße - Vorsitzender des Kreistages -" als Anlage beigefügt. Diese Verfahrensweise entspricht der Praxis der Landkreisverwaltung sowie des Kreistages, weil es bei umfangreichen Beschlussvorlagen unpraktikabel wäre, diese in den Beschlussvorschlag aufzunehmen. Die Beschlussvorschläge selbst entsprachen jeweils der Tenorierung der beigefügten Bescheidentwürfe. Der Kreistag nahm die Beschlussvorlagen in seinen Sitzungen vom 13. September 2000 und 29. November 2000 jeweils an. Die Bescheide wurden daraufhin jeweils vom Kreistagsbüro entsprechend der Praxis des Beklagten mit dem Datum - hier: der Ausgangsbescheid unter dem 25. September 2000 und der Widerspruchsbescheid unter dem 20. Dezember 2000 - und der Unterschrift des Vorsitzenden des Kreistages vervollständigt und ausgefertigt sowie dem Kläger (Widerspruchsbescheid) bzw. seinen Verfahrensbevollmächtigten (Ausgangsbescheid) zugestellt.

Dass der Kreistag die Rücknahme der Ernennung beschlossen hat, bestätigt auch die "Eingangsformel" der (später angenommenen) Beschlussvorschläge, wonach "der Kreistag die Ernennung des Klägers mit nachfolgend vorgeschlagener Tenorierung zurücknimmt" bzw. "den Widerspruch ... zurückweist". Darüber hinaus heißt es im Eingangssatz der Bescheide, die (im Entwurf) jeweils als Anlage dem vom Kreistag angenommenen Beschlussvorschlag beigefügt waren: "Der Kreistag des Landkreises Spree-Neiße erlässt folgenden Bescheid" bzw. "Widerspruchsbescheid". Schließlich wurden die Bescheide unter dem amtlichen Briefkopf des Kreistages ausgefertigt. Dass im Briefkopf unterhalb des Kreistages der Vorsitzende des Kreistages erscheint und dieser den Bescheid unterzeichnet hat, steht dem nicht entgegen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vorsitzende des Kreistages den Bescheid als eigenen erlassen und nicht lediglich für den Kreistag den Bescheid ausfertigen wollte.

Der vom Kläger angeführte Umstand, dass die Beschlussvorlage (Drucksachennummer Nr. 317-18/00) und der entsprechende Kreistagsbeschluss (Beschlussnummer 247/18-00) unterschiedliche Nummern haben, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Beklagte hat hierzu erklärt, bei allen Beschlussvorlagen, die im Kreistag zur Abstimmung gelangen und positiv beschieden werden, fertige das Kreistagsbüro neben dem Protokoll, in dem der Sitzungsverlauf einschließlich Abstimmung und Beschluss festgehalten werde, zusätzlich Beschlüsse aus, die vom Kreistagsvorsitzenden festgestellt werden. Dabei könnten die Drucksachennummer (Nummer der Vorlage) und die Beschlussnummer nicht identisch sein, weil nicht alle Vorlagen im Kreistag auch zur Abstimmung gelangten. Die Beschlüsse würden komplett, also auch mit ihren gesamten Bestandteilen - hier den Bescheiden - ausgefertigt. Daher trage die Beschlussvorlage die Drucksachennummer 317-18/00 und der Kreistagsbeschluss die Beschlussnummer 247-18/00. Dass die Erläuterungen des Beklagten nicht zutreffend wären, ist weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

b) Die Rücknahme der Ernennung ist dem Kläger mit dem Bescheid des Beklagten vom 25. September 2000 in der Gestalt seines Widerspruchbescheides vom 20. Dezember 2000 bekannt gegeben worden.

Das Verwaltungsverfahrensgesetz definiert den Begriff der Bekanntgabe nicht, sondern regelt nur einzelne Fragen der formellen Voraussetzungen der Bekanntgabe. Nach dem Wortverständnis ist Bekanntgabe die zielgerichtete Mitteilung einer Entscheidung an den Betreffenden, d.h. der Verwaltungsakt muss mit dem Willen der entscheidenden Verwaltung dem Betreffenden eröffnet werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Juli 1965 - BVerwG VII C 175.64 - BVerwGE 22, 14, 15 und vom 29. April 1968 - BVerwG VIII C 19.64 - BVerwGE 29, 321, 322 f.; ausführlich P. Stelkens/U. Stelkens, a.a.O., Rdnrn. 4 ff.). Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes liegt stets vor, wenn die Behörde dem Adressaten von seinem Inhalt tatsächlich Kenntnis verschafft hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1992 - BVerwG 7 C 38.90 - NVwZ 1992, 565, 566), selbst wenn dabei die förmlichen Zustellungsvoraussetzungen nicht eingehalten sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1997 - BVerwG 1 B 129.96 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 11, S. 20; Allesch, Zustellungsmängel und Wirksamkeit von Verwaltungsakten, NVwZ 1993, 544, 545).

Nach diesen Maßstäben sind die Bescheide des Beklagten vom 25. September 2000 und vom 20. Dezember 2000 dem Kläger wirksam bekannt gegeben worden.

aa) Der Kläger hat die Bescheide tatsächlich erhalten. Sie sind per Empfangsbekenntnis an seine Verfahrensbevollmächtigten (Ausgangsbescheid) bzw. per Postzustellungsurkunde an ihn selbst (Widerspruchsbescheid) zugestellt worden. Der Kläger hat den Zugang der Bescheide auch nicht bestritten.

bb) Es lag auch der erforderliche Bekanntgabewille der entscheidenden Behörde - hier des Kreistages - vor. Hat eine Behörde eine Verfügung (im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG) wie die vorliegende getroffen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie diese auch bekannt machen will, sofern nicht gegenteilige Anhaltspunkte bestehen. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass die Behörde die Rücknahme der Ernennung eines Beamten beschließt, diese Verfügung aber nicht bekannt geben will. An gegenteiligen Anhaltspunkten fehlt es. Vielmehr drängt sich angesichts der den Beschlussvorlagen als Anlage beigefügten Bescheidentwürfen auf, dass mit der Annahme der Beschlussvorlagen die Bescheide - wie auch erfolgt - lediglich noch um das Datum und die Unterschrift ergänzt werden und dann - wie im Adressfeld vorgesehen - per Empfangsbekenntnis an die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers (Ausgangsbescheid) bzw. per Postzustellungsurkunde an den Kläger selbst (Widerspruchsbescheid) zugestellt werden sollten.

cc) Der Verwaltungsakt konnte auch vom Vorsitzenden des Kreistages bekannt gegeben werden.

Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts, die auch die Bekanntgabe im Wege der förmlichen Zustellung einschließt, muss nicht notwendig durch die den Verwaltungsakt erlassende, ja noch nicht einmal durch die für seine Bekanntgabe zuständige Behörde erfolgen; sie kann vielmehr auch auf andere Weise, insbesondere durch Vermittlung einer anderen Behörde vorgenommen werden, sofern dies nur mit Wissen und Wollen der erlassenden bzw. zuständigen Behörde geschieht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1997, a.a.O.). Eine gesetzliche Ermächtigung für die Beauftragung des so genannten Erklärungsboten ist dabei nicht erforderlich (vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, a.a.O., Rdnr. 7).

Der in der Literatur vertretenen Meinung, von einer Bekanntgabe könne nur gesprochen werden, wenn die "zuständige" Behörde - nach Auffassung des Klägers hier allein der Landrat - den Verwaltungsakt bekannt gebe (vgl. Meyer in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 43 Rdnr. 25), kann nicht gefolgt werden. Das zur Begründung angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 1968 (a.a.O.) trägt die genannte Auffassung nicht. Hiernach wird, wenn die für den Erlass eines behördlichen Bescheides zuständige Behörde davon Abstand nimmt, die bereits in ihren Akten befindliche Ausfertigung dem Antragsteller auszuhändigen, der Bescheid nicht dadurch wirksam, dass eine andere, für die Aushändigung des Bescheides nicht zuständige Behörde eine ihr bereits zugegangene Zweitschrift des Bescheides dem Antragsteller mitteilt (BVerwG, Urteil vom 29. April 1968, a.a.O., Leitsatz). In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall fehlte es also an dem erforderlichen Bekanntgabewillen der insoweit maßgeblichen entscheidenden Behörde. Liegt dieser jedoch vor und hat der Betroffene mit Wissen und Wollen der entscheidenden Behörde tatsächlich Kenntnis von dem Verwaltungsakt erhalten - wie hier -, ist es für die Bekanntgabe unerheblich, auf welche Art und Weise, insbesondere durch wen die Bekanntgabe erfolgt ist.

Selbst wenn allein der Landrat für die Bekanntgabe des vom Kreistag erlassenen Verwaltungsaktes bzw. des entsprechenden Bescheides zuständig gewesen wäre, hätte hier der Kreistag bzw. dessen Vorsitzender jedenfalls als Erklärungsbote gehandelt. Der Landrat selbst hat die Entwürfe der später erlassenen Bescheide gefertigt (siehe auch die Angaben in den Bescheiden zu Dezernat/Amt: "Büro Landrat" und zu Unsere Zeichen: "BüLR/...") und dem Kreistag zur Beschlussfassung vorgelegt. Er war es, der entsprechend der Praxis des Beklagten die Bescheide unter dem amtlichen Briefkopf "Kreistag des Landkreises Spree-Neiße - Vorsitzender des Kreistages -" entworfen und dabei vorgesehen hatte, die Bescheide per Empfangsbekenntnis an die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers (Ausgangsbescheid) bzw. per Postzustellungsurkunde an den Kläger selbst (Widerspruchsbescheid) zuzustellen (Adressfeld der Bescheidentwürfe) und vom Vorsitzenden des Kreistages unterzeichnen zu lassen (Unterschriftenzeile). Danach ist davon auszugehen, dass der Landrat nicht selbst die Bekanntgabe vornehmen wollte, vielmehr dass der Kreistag bzw. dessen Vorsitzender die Bekanntgabe für ihn ausführen sollte. Dies entsprach auch der Verwaltungspraxis des Beklagten.

2. Die Bescheide sind auch nicht gemäß § 43 Abs. 3 VwVfGBbg unwirksam. Hiernach ist ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam. Nach § 44 Abs. 1 VwVfGBbg ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 nichtig, der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt (Nr. 1), der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt (Nr. 2), den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein (Nr. 3), den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann (Nr. 4), der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht (Nr. 5) oder der gegen die guten Sitten verstößt (Nr. 6). Dass eine dieser Voraussetzungen hier erfüllt wäre, ist weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

B. Die Klage und damit die Berufung ist auch mit dem Hilfsantrag unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtliche Grundlage für die angefochtene Rücknahmeentscheidung ist § 16 Abs. 1 Nr. 1 LBG Bbg in der zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Rücknahmeentscheidung maßgeblichen Fassung.

1. Die Bescheide sind formell rechtmäßig.

Der Kreistag war für die Rücknahmeverfügung und den Widerspruchsbescheid (sachlich) zuständig. Nach § 16 Abs. 3 Satz 4 LBG Bbg in der zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Rücknahmeentscheidung - also des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2000 - maßgeblichen Fassung wird die Rücknahme der Ernennung von der (letzten) obersten Dienstbehörde erklärt. Dies ist eine Sonderregelung im Sinne von § 4 Abs. 3 LBG Bbg, wonach Entscheidungen und Maßnahmen nach dem Landesbeamtengesetz der Dienstvorgesetzte trifft, soweit nichts anderes bestimmt ist. Den Widerspruchsbescheid erlässt nach § 127 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BRRG ebenfalls die oberste Dienstbehörde. Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 LKrO Bbg in der hier maßgeblichen Fassung vom 15. Oktober 1993 (GVBl. I S. 398, 433) war der Kreistag oberste Dienstbehörde für alle Kreisbeamten.

Ob die Pflicht zur Anhörung nach § 16 Abs. 3 Satz 3 LBG Bbg - wie der Kläger meint - dadurch verletzt worden ist, dass nicht der Kreistag selbst als entscheidende Behörde, sondern der Landrat den Kläger angehört hat, kann dahinstehen. Ein etwaiger Anhörungsmangel (vgl. hierzu OVG Sachsen, Urteil vom 25. Juni 1997 - 2 S 102/95 - DÖD 1999, 65, 66) wäre ein nach § 46 VwVfG Bbg unbeachtlicher Verfahrensfehler. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG Bbg nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dies wäre hier angesichts der nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 LBG Bbg zwingend vorgesehenen Rücknahme der Ernennung der Fall (vgl. OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 13. November 2001 - 3 B 46/01.Z -, S. 8 ff. BA).

2. Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 LBG Bbg ist eine Ernennung zurückzunehmen, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt wurde. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

a) Die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllt, wenn der zu Ernennende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, jedoch in Kauf nahm, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Mitarbeiter der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Unrichtige Angaben sind danach stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde hiernach gefragt hat oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für ihre Entscheidung erheblich sind oder sein können (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1996 - BVerwG 2 C 23.96 - Buchholz 236.1 § 55 SG Nr. 16, S. 11 f. m.w.N.; Summer in: Weiß/Niedermaier/Summer, BayBG, Stand: Juli 2006, Art. 15 S. 6 ff.).

Der vom Kläger angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24. Juli 1964 - 10 RV 47/62 - (BVBl. 1965, 44) ist für die hier vorliegende Frage kein anderer Maßstab zu entnehmen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts verhält sich allein zu dem Begriff des "Verschweigens" im Sinne von § 42 Abs. 1 Nr. 3 VersorgVerfG und nicht zu dem Begriff der Arglist (etwa im Sinne von § 16 Abs. 1 Nr. 1 LBG oder § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg). Im Übrigen stellt das Bundessozialgericht mit der genannten Entscheidung auch in der Sache keine für den Kläger günstigere Anforderungen an eine Täuschungshandlung auf als das Bundesverwaltungsgericht, indem es für ein Verschweigen verlangt, dass der Empfänger (der Versorgungsbezüge) wesentliche Tatsachen in dem Bewusstsein nicht mitgeteilt hat, etwas zu verheimlichen, was zu offenbaren seine Pflicht gewesen wäre. Dem vom Kläger angeführten Urteil des OVG Münster vom 17. Oktober 1958 - VI A 1605/57 - (OVGE NW 14, 140) lässt sich auch nicht, wie es die Ausführungen des Klägers nahe legen, der Rechtssatz entnehmen, dass nur das Verschweigen "wesentlicher Krankheiten" eine arglistige Täuschung begründet. Das OVG Münster hat lediglich im Rahmen der Subsumtion unter Anderem darauf abgestellt, dass der dortige Kläger über die Folgen einer "bewussten Verheimlichung wesentlicher überstandener Krankheiten" belehrt worden sei.

Hat der zu Ernennende bei der früheren Begründung eines Angestelltenverhältnisses im öffentlichen Dienst getäuscht und werden die dort gemachten Angaben von der Ernennungsbehörde verwendet, ist er verpflichtet, seinem Dienstherrn den wahren Sachverhalt zu offenbaren (vgl. Summer in GKÖD, Bd. I, Stand: Juli 2006, K § 12 Rdnr. 12; BVerwG, Urteil vom 14. November 1969 - BVerwG IV C 10.66 - ZBR 1970, 87).

Der sich für die Übernahme in das Beamtenverhältnis Bewerbende ist auch zur Offenbarung solcher für die Willensbildung der Ernennungsbehörde erheblicher Umstände verpflichtet, die ihn selbst belasten. Für den Rechtsgedanken der Zumutbarkeit ist schon deshalb kein Raum, weil niemand gezwungen ist, sich um eine Anstellung als Beamter zu bewerben oder sich zum Beamten ernennen zu lassen und sich dadurch der Gefahr der Selbstbelastung auszusetzen (BVerwG, Urteil vom 14. November 1969, a.a.O., S. 88).

Die Ernennungsbehörde kann vom Bewerber jedenfalls eine laienhafte Bezeichnung einer bei ihm festgestellten Erkrankung oder zumindest - etwa bei nicht eindeutig diagnostizierten gesundheitlichen Problemen - eine Beschreibung der aufgetretenen Symptome nach Art und Schwere und Angaben über die eventuelle Behandlung verlangen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 23. April 1998 - 2 M 168/97 - DÖD 1999, 43, 44).

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger arglistig getäuscht.

aa) Der Kläger hat die Ernennungsbehörde getäuscht, weil er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats seine frühere psychische Störung der Ernennungsbehörde gegenüber verschwiegen hat.

Der Kläger hat in dem Formular "Angaben zur Vorgeschichte" seine damalige psychische Störung unstreitig nicht erwähnt (und damit seine Obliegenheit im Verwaltungsverfahren zur Angabe von Vorerkrankungen verletzt). Er hätte diese jedoch angeben müssen, weil das Formular ausdrücklich die vom Kläger unterschriebene, vorformulierte Erklärung enthielt, dass er dem untersuchenden Arzt vollständige Angaben gemacht habe, und erkennbar der Vorbereitung der amtsärztlichen Untersuchung dienen sollte. Sein Vorbringen, bei seiner damaligen psychischen Störung habe es sich nicht um eine Nerven- oder Geisteskrankheit gehandelt, nach denen im Formular "Angaben zur Vorgeschichte" gefragt worden sei, überzeugt nicht. Zwar traf das Kästchen "Nerven- oder Geisteskrankheiten" auf den Kläger in der Tat nicht zu, jedoch enthielt das Formular neben diesem Kästchen das Kästchen "körperlich/geistige/seelische Behinderung" (Unterstreichung durch den Senat), das der Kläger hätte ankreuzen müssen. Auf jeden Fall hätte er, wenn seine damalige psychische Störung nicht unter die gesondert aufgeführten Krankheiten zu fassen gewesen sein sollte, nicht das Kästchen "keine ernsthaften Krankheiten oder Behinderungen" ankreuzen dürfen. Die vom Kläger eingeholte Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Stadt Cottbus vom 26. März 2003 führt zu keiner anderen Beurteilung. Darin wird zwar ausgeführt, dass auf der Grundlage des Gesprächs mit dem Kläger vom 6. März 2003 - also 11 1/4 Jahre nach der damaligen amtsärztlichen Untersuchung - keine neurologische oder psychiatrische Erkrankung beim Kläger "vorliegt" und auch mit der amtsärztlichen Bescheinigung vom 4. Dezember 1989 eine solche Erkrankung nicht belegt werde. Vielmehr sei die damalige psychische Störung eine Anpassungsstörung nach ICD-10 F43.2. Bei dem in der genannten amtsärztlichen Bescheinigung festgestellten Verstimmungszustand liege weder eine Erkrankung des Nervensystems noch eine Geisteskrankheit noch eine Psychose vor. Gleiches gelte auch für die mit der nervenärztlichen Bescheinigung vom 19. April 1990 diagnostizierten Verstimmungszustände. Jedoch heißt es in der ICD-10 zur Anpassungsstörung, dass die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle spiele. Außerdem ist darin ausdrücklich von einem "Krankheitsbild" die Rede. Danach ist auch eine "bloße" Anpassungsstörung wegen der für eine solche Störung bedeutsamen individuellen Neigung für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich und zu offenbaren.

Der Kläger hat auch nicht - wie er behauptet - den seinerzeitigen stellvertretenden Amtsarzt Dr. W. bei der Einstellungsuntersuchung am 28. November 1991 mündlich über seine frühere psychische Störung informiert.

Hiergegen sprechen bereits die glaubhaften Angaben des vom Senat als Zeugen vernommenen Dr. W. Dieser hat auf Befragen des Senats erklärt, wenn der Kläger die behaupteten Angaben ihm gegenüber damals gemacht hätte, hätte er dies auf jeden Fall dokumentiert. Wenn die Anamnese dergleichen ergebe, müsste man sich die exakten Befunde besorgen, um sich ein Bild zu machen. Eine Entscheidung über die Diagnose "ohne Befund" hätte er allenfalls erst nach Konsultation eines Facharztes stellen und die Einstellungsuntersuchung erst dann abschließen können. Er hätte zunächst die Befunde des vorbehandelnden Arztes angefordert, ggf. aber auch einen weiteren Facharzt eingeschaltet. Die Angaben des Dr. W. stehen im Einklang mit seinen früheren Erklärungen. Am 15. August 2002 hatte er bereits auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts erklärt, er könne sich an Einzelheiten von Gesprächen mit Patienten nach 11 Jahren nicht mehr erinnern; sollte es aber im Gespräch mit dem Kläger damals einen wichtigen Sachverhalt gegeben haben, der von Bedeutung für die ärztliche Untersuchung gewesen wäre, so hätte er dies in den Patientenunterlagen auch dokumentiert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 4. September 2002 hat er sich im Wesentlichen ähnlich geäußert. Seine Angaben werden auch von der dienstlichen Erklärung des Amtsarztes des Beklagten Dr. B. vom 16. Mai 2002 gestützt, wonach bei Vorliegen spezieller Vorerkrankungen, insbesondere auch von psychischen Vorerkrankungen, vom begutachtenden Amtsarzt zunächst eine fachärztliche Untersuchung veranlasst werde, bevor im amtsärztlichen Gutachten eine Verbeamtung befürwortet werde.

Gegen die Behauptung des Klägers spricht auch sein eigenes Aussageverhalten. Der Kläger hat erstmalig nach Hinweis auf die Erfolgaussichten im Termin vor dem Verwaltungsgericht am 23. Mai 2002 eine derartige Unterrichtung des Amtsarztes behauptet, obwohl sich eine solche Einlassung bereits viel früher aufgedrängt hätte. Denn der Beklagte hat den Kläger bereits im Juli 2000 zur beabsichtigten Rücknahme angehört und ihm dabei ausdrücklich vorgehalten, er habe auch bei der amtsärztlichen Untersuchung seine nervliche Erkrankung verschwiegen. Der Kläger vermochte sein "spätes" Vorbringen auf Vorhalt des Senats in keiner Weise überzeugend zu erklären, vielmehr hat er stets ausweichend geantwortet. Darüber hinaus hatte der Kläger bis zum erstinstanzlichen Termin am 23. Mai 2002 ausdrücklich vorgetragen, er habe seine Störung nicht offenbaren müssen. Da die Frage der Erkrankung bzw. ihrer begrifflichen Einordnung und Schwere aber zwischen den Beteiligten umstritten war und dem Kläger arglistiges Verschweigen vorgeworfen wurde, hätte ein verständiger und "redlicher" Dritter, der den Amtsarzt - wie vom Kläger behauptet - umfangreich über die damalige psychische Störung unterrichtet hätte, sich nicht erst auf die streitigen Fragen eingelassen, sondern den Streit unmittelbar dadurch ausgeräumt, dass er die Unterrichtung des Amtsarztes vorgetragen hätte. Sein Vorbringen mit Schriftsatz vom 14. Juni 2002, zu einer früheren Erwähnung habe "wegen der dem Beklagten obliegenden Darlegungs- und Beweislast" bzw. deshalb kein Anlass bestanden, weil gar keine Erkrankung vorgelegen habe, überzeugt daher nicht.

bb) Die Täuschung geschah arglistig. Der Kläger hat nach Überzeugung des Senats (zumindest) in Kauf genommen, dass die Ernennungsbehörde über das Vorliegen früherer Erkrankungen geirrt und somit der Ernennung (möglicherweise) hinderliche Umstände als nicht gegeben erachtet hat. Die Bedeutung psychischer Vorerkrankungen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde darüber, ob ein Beamtenbewerber ernannt wird, drängt sich geradezu auf. Psychische Störungen sind naturgemäß schwerer daraufhin zu überprüfen, ob sie (vollständig) ausgeheilt sind und erfordern daher auch nach Abklingen einer akuten Symptomatik eine fachärztliche Untersuchung - jedenfalls wenn, wie hier, zum Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung gerade erst 13 Monate seit Wiederherstellung der Prüfungsfähigkeit verstrichen sind - zur Abklärung, ob die psychische Störung "dauerhaft" geheilt bzw. die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität zu vernachlässigen ist. Jedenfalls einem Volljuristen wie dem Kläger muss dies bewusst gewesen sein. Hinzu kommt, dass der Kläger auf dem Formular "Angaben zur Vorgeschichte" alle möglichen Angaben zu zurückliegenden Krankheiten gemacht hat, u.a. Knochenbrüche, Blinddarmerkrankung sowie Steißfistel, jedoch ausgerechnet die zur lang andauernden Prüfungsunfähigkeit führende psychische Störung nicht genannt hat. Dass diese auch aus seiner Sicht eine gewisse Bedeutung hatte, zeigt sich ferner darin, dass er in seinem Lebenslauf - für die Bewerbung auf die seiner Ernennung vorangegangene Stelle als Angestellter - die Unterbrechung des Prüfungsverfahrens gesondert erwähnt und dabei als Grund nicht etwa angegeben hat, er sei prüfungsunfähig oder erkrankt gewesen, sondern "familiäre Gründe". Jedenfalls musste sich dem Kläger angesichts Dauer und Intensität seiner damaligen gesundheitlichen Beeinträchtigung, nämlich über ein Jahr währende Prüfungsunfähigkeit (vom 3. Oktober 1989 bis 22. Oktober 1990), die Erkenntnis aufdrängen, dass auch ein "bloßer" schwerer reaktiver Verstimmungszustand geeignet war, Zweifel an seiner gesundheitlichen Eignung zu wecken und damit der Einstellungsbehörde zu offenbaren war. Im Übrigen hat der Kläger mit seinem auf die Anhörung zur Rücknahme erfolgten Schreiben vom 7. August 2000 vorgetragen, von einem Bewerber könne nicht erwartet werden, mit seiner Bewerbung zugleich Eignungsbedenken vorzutragen, und damit eine Arglist im oben dargelegten Sinne eingeräumt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 17. Oktober 1958, a.a.O., S. 141). Die vom Kläger angeführte Entscheidung des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 23. April 1998 (a.a.O.) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Hiernach liegt Arglist "in der Regel" nicht vor, wenn der Beamte von der Richtigkeit seiner Angaben "überzeugt" ist. Es fehlt hier bereits an Angaben des Klägers über seine frühere psychische Störung gegenüber der Einstellungsbehörde, von deren Richtigkeit er überzeugt gewesen sein will. Außerdem nimmt der Senat dem Kläger aus den oben dargelegten Gründen nicht seine Behauptung ab, er sei davon überzeugt gewesen, dass seine damalige psychische Störung überhaupt keinen Krankheitswert gehabt habe oder jedenfalls keine Bedeutung für seine Eignungsbeurteilung bzw. Gesundheitsprüfung haben könnte. Im Übrigen betraf die Entscheidung des OVG Mecklenburg-Vorpommern einen anders gelagerten Sachverhalt, weil dort die Behörde im Wesentlichen über die beim Einstellungsbewerber aufgetretenen Gesundheitsstörungen informiert war und der Amtsarzt selbst erklärt hatte, die Symptomatik hätte nicht gegen einen Beamtendienst gesprochen; hieraus hatte das OVG Mecklenburg-Vorpommern den Schluss gezogen, der dortige Kläger habe von der Richtigkeit seiner Angaben überzeugt sein dürfen (Beschluss vom 23. April 1998, a.a.O., S. 45).

b) Der Kläger hat seine Ernennung zum Kreisrechtsrat z.A. durch die Täuschung herbeigeführt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Ernennung nicht die Feststellung voraus, dass die Behörde rechtsfehlerfrei bei Kenntnis des wahren Sachverhalts von der Ernennung abgesehen hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 1998 - BVerwG 2 B 63.98 - DVBl. 1999, 319, 320 m.w.N. unter Hinweis auf Sinn und Zweck der Rücknahmeregelung, die insbesondere auf die Wiederherstellung der Entschließungsfreiheit der Ernennungsbehörde und auch auf die Reinhaltung des öffentlichen Dienstes von Personen gerichtet sei, die durch unlauteres Verhalten diese Entschließungsfreiheit eingeschränkt haben). Eine arglistige Täuschung ist schon dann für die Ernennung ursächlich, wenn sich feststellen lässt, dass die Behörde bei Kenntnis des wahren Sachverhalts von der Ernennung jedenfalls zu diesem Zeitpunkt Abstand genommen hätte; ob der Beamtenbewerber vielleicht später doch noch ernannt worden wäre, ist unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1999 - BVerwG 2 C 20.98 - LKV 2000, 116). Es genügt daher für die Ursächlichkeit der Täuschung, dass die Behörde ohne sie den Bewerber jedenfalls nicht, wie geschehen, alsbald ernannt, sondern zunächst weitere Prüfungen und Erwägungen angestellt und erst auf dieser vervollständigten Grundlage ihre Entscheidung getroffen hätte, gegen die der Bewerber sodann bei ungünstigem Ergebnis Rechtsschutz hätte in Anspruch nehmen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 1998, a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben war die Täuschung des Klägers für seine Ernennung kausal. Hätte der Kläger seine psychische Störung am 28. November 1991 offenbart, wäre er nicht zum 1. Januar 1992 ernannt worden, sondern allenfalls erst später. Denn der Amtsarzt hätte - wie der damalige stellvertretende Amtsarzt Dr. W. in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat - zunächst die Befunde des behandelnden Arztes anfordern und nach deren Eingang bewerten sowie ggf. einen weiteren Facharzt einschalten müssen. Erst wenn danach Zweifel an der gesundheitlichen Eignung ausgeräumt gewesen wären, hätte eine Ernennung erfolgen können.

c) Nach § 16 Abs. 3 Satz 2 LBG Bbg muss die Rücknahme der Ernennung innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgen, nachdem die für die Ernennung zuständige Behörde von dem Grund zur Rücknahme Kenntnis erlangt hat. Diese Frist ist hier mit dem Ausgangsbescheid des Beklagten vom 25. September 2000 eingehalten, da der Beklagte überhaupt erst im Mai 2000 davon Kenntnis erhalten hatte, dass Grund für die Unterbrechung des damaligen Prüfungsverfahrens eine psychische Störung gewesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO oder § 127 Nr. 1 BRRG genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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