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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 05.10.2006
Aktenzeichen: OVG 4 B 42.02
Rechtsgebiete: VwGO, BSÜG, VwVfG


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 1
VwGO § 43 Abs. 1
VwGO § 43 Abs. 2 Satz 1
BSÜG § 3 Abs. 1 Satz 1
BSÜG § 3 Abs. 1 Satz 3
BSÜG § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
BSÜG § 16 Abs. 6
BSÜG § 18 Abs. 2
BSÜG § 19
BSÜG § 21
BSÜG § 35 Abs. 1
VwVfG § 1 Abs. 1
VwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 B 42.02

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2006 durch den Richter am Oberverwaltungsgericht als Vorsitzenden, den Richter am Oberverwaltungsgericht, den Richter am Verwaltungsgericht sowie die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Februar 2002 wird geändert.

Es wird festgestellt, dass die Aufhebung der Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen in dem Bescheid des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 6. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchbescheids der Senatsverwaltung für Inneres vom 12. Juli 2001 rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Ermächtigung des Klägers zur Bearbeitung von Verschlusssachen.

Der 1948 geborene Kläger war von 1974 bis 2000 - seit 1986 als Regierungsamtmann - beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz tätig und zuletzt 1995 routinemäßig sicherheitsüberprüft worden. Bis zu seiner Umsetzung im Januar 1999 in das Rechtsextremismus-Referat (Referat II B) hatte ihn das Landesamt für Verfassungsschutz im Bereich der Sicherheitsüberprüfung (Referat III C) eingesetzt. Im Herbst 1999 wurden im Verschlusssachen-Verwahrgelass (im Folgenden: VS-Schrank) des Klägers verschiedene Unterlagen aus seinem früheren Tätigkeitsbereich im Referat III C gefunden.

Das Landesamt für Verfassungsschutz hob daraufhin mit Bescheid vom 6. Januar 2000 nach Anhörung vom selben Tag die dem Kläger 1974 erteilte Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen auf. Es führte mit Schreiben vom 14. Januar 2000 zur Begründung aus, auf Grund erheblicher Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers müsse ein Sicherheitsrisiko im Sinne des Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetzes festgestellt werden: Der Kläger habe Unterlagen aus seinem früheren Arbeitsbereich in den neuen Arbeitsbereich mitgenommen, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein. In seinem VS-Schrank im Referat II B hätten sich Sicherheitsüberprüfungsakten (von Dr. R. und M.), Unterlagen aus Sicherheitsüberprüfungen, Kopien von Unterlagen aus dem Referat III C und Fahrtenbücher - die Aufbewahrung der Fahrtenbücher und der Grundsatzvermerke sei allerdings bei der Entscheidung wegen Geringfügigkeit nicht berücksichtigt worden -, ein Schreiben der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur aus einem laufenden Sicherheitsüberprüfungsverfahren sowie ein mit "Statistik" gekennzeichneter Ordner befunden, der Formulare und Unterlagen aus Sicherheitsüberprüfungen enthalten habe. Diese Unterlagen habe er ohne Kenntnis und Billigung seiner früheren Vorgesetzten der Verfügung der mitwirkenden Stelle - seines früheren Referates III C - entzogen. Es habe die Gefahr bestanden, dass Unbefugte von diesen Unterlagen Kenntnis erhalten. Außerdem hätte er die nicht mehr erforderlichen Unterlagen - spätestens sofort nach seiner Umsetzung - vernichten müssen. Ferner habe er die Sicherheitsüberprüfungsakten Dr. R. und M. sowie das Schreiben der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur nicht ordnungsgemäß bearbeitet. Er habe seine Verfahrensweise (Mitnahme von Unterlagen in den neuen Arbeitsbereich und nicht ordnungsgemäße Bearbeitung von Vorgängen) zwar im Wesentlichen mit Arbeitsüberlastung begründet, weil ihm die Umsetzung erst wenige Tage vorher bekannt gegeben worden sei und er sehr schnell seinen VS-Schrank "besenrein" hätte aufräumen müssen. Er habe jedoch seit September 1998 keine neuen Vorgänge mehr sowie die schriftliche Weisung erhalten, alle laufenden Vorgänge abzuschließen. Der festgestellte Sachverhalt begründe auch deshalb die Gefährdung des Geheimschutzes, weil er bei seiner Anhörung zu erkennen gegeben habe, dass er die einschlägigen Schutzvorschriften für Sicherheits- und Sicherheitsüberprüfungsakten nicht kenne. Schließlich sei berücksichtigt worden, dass es sich bei den sicherheitsrelevanten Vorfällen nicht bloß um einzelne Vorkommnisse gehandelt habe. Sein Verhalten habe über einen längeren Zeitraum nicht den Erfordernissen des personellen Geheimschutzes entsprochen. So reiche der pflichtwidrige und sicherheitsrelevante Umgang mit den Unterlagen in den Fällen Dr. R. und M. mehrere Jahre zurück. Auch in der Vergangenheit habe es bereits Vorfälle gegeben, die die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bestätigten. 1993 und 1994 habe er seinen VS-Schrank nicht den Vorschriften entsprechend verschlossen. Anlässlich der Sicherheitsüberprüfung im Jahre 1995 habe der Geheimschutzbeauftragte erhebliche Zweifel an seiner Zuverlässigkeit festgestellt. Die damaligen Vorfälle hätten deshalb noch keine Konsequenzen gehabt, weil sie für sich gesehen nicht ausgereicht hätten, um ein Sicherheitsrisiko zu begründen. Sie würden allerdings belegen, dass die Unzuverlässigkeit nicht bloß auf gegenwärtige Vorkommnisse beschränkt sei, sondern sich über einen längeren Zeitraum erstreckt habe und daher zu erwarten sei, dass er auch künftig nicht die Gewähr dafür bieten werde, sich so zu verhalten, dass ihm die Bearbeitung von Verschlusssachen übertragen bzw. die Tätigkeit in einem Sicherheitsbereich gestattet werden könne.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Senatsverwaltung für Inneres mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2001 im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Begründung des Ausgangsbescheids zurück.

Ein im November 2000 eingeleitetes Disziplinarverfahren stellte der Beklagte im Oktober 2002 ein; die Einstellungsverfügung, die eine Missbilligung des dienstlichen Verhaltens des Klägers enthielt, hob die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Berlin im August 2004 wegen Verjährung etwaigen pflichtwidrigen Verhaltens auf.

Die am 6. März 2001 gegen die Aufhebung der Ermächtigung des Klägers zum Zugang zu Verschlusssachen - zunächst als Untätigkeitsklage - erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 6. Februar 2002 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei nicht klagebefugt, weil die Entscheidung über die Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen allein im öffentlichen Interesse ergehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers.

Der Kläger - der seit Aufhebung seiner Verschlusssachenermächtigung nicht mehr im Bereich des Verfassungsschutzes, sondern jeweils vorübergehend bei verschiedenen anderen Dienststellen des Landes Berlin eingesetzt wird - trägt zur Begründung seines Rechtsbehelfs im Wesentlichen vor: Er sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts klagebefugt. Zwar bestehe kein Anspruch auf Verwendung in einem sicherheitsrelevanten Bereich, jedoch bestehe ein Anspruch auf Überprüfung der Entziehung einer Sicherheitsermächtigung. Das Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz enthalte insoweit keine abweichende Regelung. Die Entziehung seiner Sicherheitsermächtigung sei ermessensfehlerhaft. Der Beklagte sei in wesentlichen Punkten von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Er habe die in seinem Dienstzimmer aufgefundenen Unterlagen deswegen in seinen neuen Arbeitsbereich mitgenommen, weil er diese Vorgänge auf Weisung seines früheren Arbeitsbereiches habe zu Ende bearbeiten sollen bzw. zwecks nächstmöglicher Vernichtung gesammelt habe. Es treffe nicht zu, dass er zu erkennen gegeben habe, sich mit den einschlägigen Sicherheitsüberprüfungsvorschriften nicht auszukennen. Die Vorwürfe zu nicht ordnungsgemäßem Verschließen seines VS-Schrankes in den Jahren 1993 und 1994 seien nicht mehr heranzuziehen. Die Wiederholungsüberprüfung im Jahre 1995 habe keine Zweifel an seiner Zuverlässigkeit ergeben. Der Beklagte habe darüber hinaus wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt. Es bestünde die Besorgnis der Befangenheit sowohl des Untersuchungsführers und Schlusszeichner des Bescheides, Herrn P., als auch des stellvertretenden Referatsleiters Herrn K. und des Geheimschutzbeauftragten Herrn H. Zudem habe der Beklagte den für die Sicherheitsüberprüfung vorgegebenen gesetzlichen Rahmen überschritten. Die bloße Existenz von noch zu entsorgenden Altunterlagen ohne Außenwirkung könne niemals die konkrete Gefahr begründen, er könnte geheimhaltungsbedürftige Umstände preisgeben oder als potenzielles Angriffsobjekt fremder Dienste erscheinen. Die Gefahr der Kenntnisnahme von Sicherheitsüberprüfungsvorgängen durch Unbefugte habe nie bestanden, da die anderen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die Zugriff auf die in seinem Dienstzimmer befindlichen Unterlagen hätten haben können, keine Unbefugten seien; vielmehr sei die Verfassungsschutzbehörde als Ganzes als mitwirkende Stelle anzusehen. Schließlich habe der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung keine Prognose angestellt, auf Grund welcher Umstände er zukünftig ein Sicherheitsrisiko darstellen könnte. Er habe jahrzehntelang zuverlässig gearbeitet, während die Aktenmitnahme auf einmaligen Umständen - einer überraschenden Umsetzung in einen anderen Arbeitsbereich - beruht habe. Eine Dienstpflichtverletzung habe der Beklagte, auch nach Einleitung disziplinarrechtlicher Vorermittlungen, nicht festgestellt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Februar 2002 zu ändern und festzustellen, dass die Aufhebung der Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen in dem Bescheid des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 6. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchbescheids der Senatsverwaltung für Inneres vom 12. Juli 2001 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt der Berufung unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Streitakten (OVG 4 B 42.02, VG 7 A 249.00, VG 7 A 136.01, VG 7 A 156.01, VG 7 A 230.01, VG 7 A 231.01, VG 7 A 204.01, VG 7 A 351.01, VG 7 A 275.04 und VG 80 A 45.02) und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Oberverwaltungsgericht Berlin zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung hat Erfolg. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, denn die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist als Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Hiernach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beteiligten streiten über ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Der Beklagte hat mit den streitgegenständlichen Bescheiden gemäß §§ 18 Abs. 2, 16 Abs. 6, 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetzes - BSÜG - ein Sicherheitsrisiko festgestellt und infolgedessen die dem Kläger 1974 erteilte Verschlusssachenermächtigung entzogen. Damit hat der Beklagte als Dienstherr des Klägers im Verhältnis zu diesem verbindlich "festgeschrieben", dass er ein Sicherheitsrisiko darstellt und mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht mehr betraut werden darf. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Die mit der Entziehung der Verschlusssachenermächtigung verbundene Feststellung des Sicherheitsrisikos führt zu einer nachhaltigen Einschränkung der Verwendungsbreite des Klägers, da er für alle Tätigkeiten, die die Feststellung voraussetzen, dass ein Sicherheitsrisiko nicht vorliegt, nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1989 - BVerwG 6 A 2.87 - BVerwGE 81, 258, 262). So hat die Senatsverwaltung für Inneres dem Kläger auf dessen Bewerbung im April 2003 mitgeteilt, sein erneuter Einsatz beim Verfassungsschutz sei nach Mitteilung des Geheimschutzbeauftragten ausgeschlossen und es werde gebeten, von zukünftigen Bewerbungen beim Verfassungsschutz Abstand zu nehmen. Auch wenn die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, den Kläger nunmehr bei zukünftigen Bewerbungen so wie jeden anderen Bewerber zu behandeln, bleibt der Kläger in seiner Verwendungsbreite eingeschränkt, so lange die Sachverhalte, die Gegenstand der angefochtenen Bescheide sind, bei einer erneuten Sicherheitsüberprüfung zu seinen Lasten berücksichtigt werden können. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme wäre wegen der Bindungswirkung des Feststellungsurteils auch geeignet, die rechtliche Position des Klägers gegenüber dem Beklagten zu verbessern. Dieser wäre bei einer späteren Entscheidung über die Wiedererteilung der Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen insoweit an die rechtliche Beurteilung des erkennenden Gerichts gebunden, als sie die Vorgänge betrifft, die Anlass für die Aufhebung der Ermächtigung und die Feststellung eines Sicherheitsrisikos waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1989, a.a.O., S. 262 f.).

Die Feststellungsklage ist auch nicht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen. Hiernach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies ist hier nicht der Fall. Eine Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO kommt nicht in Betracht, da die - mit der Entziehung der Verschlusssachenermächtigung verbundene - Feststellung des Sicherheitsrisikos kein Verwaltungsakt ist, sondern lediglich eine innerdienstliche Organisationsmaßnahme (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1989, a.a.O., S. 259 ff.; Beschluss vom 24. November 1994 - BVerwG 2 A 5.93 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 122; Beschluss vom 9. Juli 1999 - BVerwG 2 A 2.99 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 19). Eine Leistungsklage scheidet aus, da die Feststellung, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, nicht im Interesse des Beamten erfolgt und diesem somit keine subjektive Rechtsposition einräumt, vielmehr allein dem Sicherheitsbedürfnis des Verfassungsschutzes und dem von ihm wahrzunehmenden Auftrag dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1989, a.a.O., S. 263). Im Übrigen würde dem Kläger eine Leistungsklage keinen Vorteil mehr bringen. Der Kläger darf unabhängig von den streitgegenständlichen Bescheiden nicht mehr mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden, nachdem die Geltungsdauer seiner früheren Sicherheitsüberprüfungen "abgelaufen" ist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BSÜG ist eine Person, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll, vorher einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Auf die früheren Sicherheitsüberprüfungen des Klägers kann nicht mehr zurückgegriffen werden. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 BSÜG kann auf eine Sicherheitsüberprüfung nach diesem Gesetz nur verzichtet werden, wenn der Betroffene bereits vor weniger als fünf Jahren im erstrebten Umfang oder höher überprüft worden ist und die Unterlagen verfügbar sind. Gemäß § 35 Abs. 1 BSÜG ist bei Sicherheitsüberprüfungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen wurden, die Wiederholungsüberprüfung gemäß § 19 BSÜG zehn Jahre nach Abschluss der Erst- oder der letzten Wiederholungsüberprüfung durchzuführen. Die letzte Sicherheitsüberprüfung des Klägers ist jedoch 1995 und damit vor mehr als 10 Jahren erfolgt.

Die Klage ist auch begründet. Die mit der Aufhebung der Verschlusssachenermächtigung verbundene Feststellung eines Sicherheitsrisikos ist rechtsfehlerhaft. Ein Sicherheitsrisiko liegt nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSÜG vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen. Bei der Prüfung und Entscheidung, ob bei einem Beschäftigten ein Sicherheitsrisiko besteht, steht der Behörde ein gerichtlich nur beschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1989, a.a.O., S. 264; Beschluss vom 30. Januar 2001 - BVerwG 1 WB 119.00 - RiA 2002, 77, 78 m.w.N.). Die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob die Behörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2001, a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung des Landesamtes für Verfassungsschutz mit Bescheid vom 6. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchbescheids der Senatsverwaltung für Inneres vom 12. Juli 2001, dass in der Person des Klägers ein Sicherheitsrisiko besteht, rechtlich zu beanstanden.

Die Entscheidung beruht auf einer unzutreffenden tatsächlichen Grundlage, soweit der Beklagte dem Kläger zur Last gelegt hat, er habe die Sicherheitsüberprüfungsakte des Dr. R. ohne Kenntnis und Billigung seiner damaligen Vorgesetzten in seinen neuen Arbeitsbereich im Referat II B mitgenommen. Denn der Senat muss davon ausgehen, dass diese Mitnahme im Einverständnis der Vorgesetzten erfolgt ist. Der Kläger hat hierzu angegeben, er habe am 30. Dezember 1998 um 16.00 Uhr dem stellvertretenden Referatsleiter Herrn K. einen Stapel Akten mit mehreren Sicherheitsüberprüfungsabschlüssen sowie die Akte Dr. R. übergeben und diesem erklärt, er habe Letztere noch nicht dem Landesarchiv anbieten können. Herr K. habe die Akte Dr. R. aus dem Stapel herausgezogen und sie ihm mit der Aufforderung zurückgegeben, den Vorgang nach Rückkehr aus dem Urlaub dem Landesarchiv zu übergeben. Hierzu sei es infolge der Umsetzung in das Referat III C nach dem Urlaub nicht mehr gekommen. Er habe schließlich am 6. April 1999 von 15.30 bis 18.00 Uhr ein Gespräch mit Herrn Kr., dem Referatsleiter III C, geführt und ihm dabei über die Akte Dr. R. berichtet sowie angeboten, die Akte zurückzugeben. Herr Kr. habe ihm ohne Fristsetzung aufgegeben, den Vorgang so lange zu behalten, bis Herr K. aus dem Urlaub zurückgekehrt sei. Der Beklagte hat diesen detaillierten Vortrag nicht in Zweifel ziehen können. Vielmehr war er im Disziplinarverfahren selbst zu dem Ergebnis gekommen, die Darstellung des Klägers sei nicht zu widerlegen. Konkrete Umstände, die gegen die Schilderung des Klägers sprechen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Dagegen sind die Feststellungen des Beklagten und seine Bewertungen, soweit sie die übrigen von den angefochtenen Bescheiden in Bezug genommenen Unterlagen betreffen, nach den oben dargelegten Maßstäben rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Beklagte ist insoweit insbesondere von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die - unstreitige - Mitnahme dieser Unterlagen ist ohne Kenntnis und Billigung der damaligen Vorgesetzten des Klägers erfolgt. Die vom Kläger angeführte Weisung, bestimmte Geheimschutzvorgänge weiter zu bearbeiten, betraf nicht die in seinem VS-Schrank im Herbst 1999 aufgefundenen Unterlagen. Sowohl der Referatsleiter Herr Kr. als auch der stellvertretende Referatsleiter Herr K. haben erklärt, die vom Kläger weiter zu bearbeitenden Vorgänge hätten keinen Bezug zu den im VS-Schrank aufgefundenen Unterlagen. Der Kläger hat dies nicht bestritten. Vielmehr hat er selbst angegeben, die letzten Befragungsvermerke am Dienstag nach Ostern 1999 bei Herrn Kr. abgegeben zu haben. Der Beklagte hat dem Kläger auch zu Recht vorgeworfen, diese - im Herbst 1999 aufgefundenen - Unterlagen nicht früher vernichtet zu haben. Der Kläger hatte bereits am 6. Oktober 1998 die schriftliche, von ihm abgezeichnete Weisung erhalten, alle personenbezogenen Unterlagen aus dem VS-Schrank, die nicht für die laufende Bearbeitung erforderlich sind, bis zum 15. Dezember 1998 zu entfernen und gegebenenfalls zu vernichten. Jedenfalls mit der Umsetzung in das Referat II B im Januar 1999 hätten die Unterlagen aus dem Referat III C - mit Ausnahme der noch weiter zu bearbeitenden Vorgänge - zurückgegeben oder vernichtet werden müssen. Der Kläger räumt dies letztlich ein, indem er angibt, die Vernichtung bzw. die Bearbeitung der Vorgänge aus dem Referat III C habe infolge Arbeitsüberlastung im Referat II B nicht erfolgen können. Der Einwand, die Aufbewahrung von "Leichen" sei üblich gewesen sein, ändert - selbst wenn dies zutreffen sollte - nichts an der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung. Der Vorwurf des Beklagten, der Kläger habe die Unterlagen der "mitwirkenden Stelle" entzogen und die Gefahr der Kenntnisnahme durch "Unbefugte" erhöht, betrifft nicht den Sachverhalt, sondern eine rechtliche Einschätzung, die hier keinen im Rahmen des Beurteilungsspielraumes überprüfbaren Fehler begründet. Insbesondere ist die Annahme, nur diejenigen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die mit der Bearbeitung des jeweiligen Vorganges konkret betraut sind, als "Befugte" bzw. nur deren Referat als "mitwirkende Stelle" anzusehen, rechtlich nicht zu beanstanden. Schon aus Datenschutzgründen (vgl. § 21 Abs. 1 BSÜG) ist der Kreis der Personen, die Zugang zu den mit einer Sicherheitsüberprüfung verbundenen personenbezogenen Daten haben, auf das Notwendigste zu beschränken. Die Bewertung des Beklagten, der Kläger habe bei seiner Anhörung zu erkennen gegeben, die einschlägigen Schutzvorschriften für Sicherheits- und Sicherheitsüberprüfungsakten nicht hinreichend zu kennen, beruht ebenfalls auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage. Ausweislich des Vermerkes zu der Anhörung hat der Kläger auf Vorhalt, § 21 BSÜG regele genau Nutzung, Verarbeitung und Behandlung von Unterlagen und Daten sowie die Zweckbindung, erklärt, die Vorschrift nicht zu kennen. Dies hat der Kläger nicht in Abrede gestellt, sondern allein seine langjährige Tätigkeit im personellen Geheimschutz sowie seine letzte dienstliche Beurteilung und das Überreichen einer Ehrenurkunde beim Ausscheiden aus dem Geheimschutz angeführt. Auch dass 1993 und 1994 sein VS-Schrank nicht den Vorschriften entsprechend verschlossen gewesen sei, hat der Kläger der Sache nach nicht bestritten, sondern allein die Erheblichkeit der Verstöße gerügt. Der Beklagte hat allerdings mit den angefochtenen Bescheiden selbst nicht angenommen, dass die Verstöße schwerwiegend gewesen seien. Er hat vielmehr darauf hingewiesen, sie hätten damals noch keine Konsequenzen gehabt, weil sie für sich gesehen nicht ausgereicht hätten, um ein Sicherheitsrisiko zu begründen. Sie seien jedoch Beleg dafür, dass die Unzuverlässigkeit nicht bloß auf gegenwärtige Vorkommnisse beschränkt sei. Mit derselben Begründung hat der Beklagte auch seinen Vorwurf, der Geheimschutzbeauftragte habe anlässlich der Sicherheitsüberprüfung im Jahre 1995 erhebliche Zweifel an seiner Zuverlässigkeit festgestellt, "relativiert". Schon aus diesem Grund ist die Einschätzung der Zweifel als "erheblich" mit den angefochtenen Bescheiden - soweit sie im Rahmen des Beurteilungsspielraumes überprüfbar ist - rechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen beruhten die Zweifel des Geheimschutzbeauftragten ausweislich der Sicherheitsakte des Klägers nicht lediglich auf den - vom Kläger im Einzelnen dargelegten - zeitlichen Umständen bei der Einreichung der Unterlagen für die Wiederholungssicherheitsüberprüfung, sondern auch auf einem vom Geheimschutzbeauftragten bemängelten Sicherheitsverständnis des Klägers.

Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Ein etwaiger Anhörungsmangel wäre gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln unbeachtlich, weil die Anhörung im Widerspruchsverfahren jedenfalls nachgeholt worden wäre. Die Rüge, es bestehe die Besorgnis der Befangenheit des Untersuchungsführers und Schlusszeichners des angefochtenen Bescheides, Herrn P., des damaligen stellvertretenden Referatsleiters Herrn K. sowie des Geheimschutzbeauftragten Herrn H., greift nicht durch. Bereits der rechtliche Ansatz des Klägers ist nicht zutreffend. Anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur dienstlichen Beurteilung könnte ein Verfahrensfehler nur dann vorliegen, wenn derjenige, der das Sicherheitsrisiko festgestellt hat, tatsächlich voreingenommen war; die bloße Besorgnis der Befangenheit reicht nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 16.97 - BVerwGE 106, 318, 320). Dafür, dass die vom Kläger benannten Personen tatsächlich voreingenommen waren, d.h. nicht willens oder nicht in der Lage gewesen sind, den Kläger sachlich und gerecht zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 1998, a.a.O., S. 321), bestehen keine Anhaltspunkte. Allein der Umstand, dass der Kläger früher die Sicherheitsüberprüfung dieser Personen selbst vorgenommen hat und es dabei zu Problemen gekommen sein mag, genügt hierfür nicht.

Der Beklagte hat schließlich nicht den gesetzlichen Rahmen des Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetzes überschritten. Zweifel an der Zuverlässigkeit im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSÜG sind nicht erst dann - wie der Kläger meint - begründet, wenn die Preisgabe geheimhaltungsbedürftiger Unterlagen an "Außenstehende" konkret zu befürchten (gewesen) ist, sondern schon dann, wenn der Betreffende sicherheitsempfindliche Unterlagen nicht ordnungsgemäß führt, weil er etwa diese unberechtigt in neue Arbeitsbereiche mitnimmt und ihre Vernichtung unterlässt. Bereits ein solcher Umgang mit sicherheitsempfindlichen Unterlagen vermag Zweifel an dem für den personellen Geheimschutz erforderlichen Sicherheitsverständnis zu begründen.

Der Senat kann allerdings nicht selbst beurteilen, ob die dem Kläger zu Recht vorgeworfenen Verstöße für sich genommen die Annahme eines Sicherheitsrisikos begründen können. Der Beklagte hat die angefochtene Entscheidung im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums ausdrücklich auf alle dem Kläger vorgeworfenen Verstöße - einschließlich desjenigen betreffend die Sicherheitsüberprüfungsakte des Dr. R. - gestützt. Der Senat kann eine derartige Entscheidung jedenfalls dann ebenso wenig selbst treffen wie eine vergleichbare Ermessensentscheidung, wenn der Beurteilungsspielraum - wie hier - verschiedene Entscheidungen zulässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. November 1985 - BVerwG 1 WB 16.84 -, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO oder § 127 Nr. 1 BRRG genannten Gründe vorliegt, insbesondere die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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