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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 19.01.2007
Aktenzeichen: OVG 4 N 89.06
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 N 89.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat durch die Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl und Buchheister sowie die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Hoock am 19. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 28. Juni 2006 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die erste und die zweite Rechtsstufe auf jeweils 5.340,14 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

1. Mit den von der Klägerin dargelegten und hier allein zu prüfenden Gründen sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht aufgezeigt. Gemessen an den geltend gemachten Gesichtspunkten hat das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit richtig entschieden. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin für die Jahre 2004, 2005 und 2006 weder Urlaubsgeld noch eine höhere als die nach Maßgabe des Brandenburgischen Sonderzahlungsgesetzes für die Jahre 2004 bis 2006 (BbgSZG 2004 - 2006) vom 16. Juni 2004 (GVBl. S. 254), geändert durch Gesetz vom 22. November 2005 (GVBl S. 250), gewährte jährliche Sonderzahlung ("Weihnachtsgeld") beanspruchen kann.

Die Rüge der Klägerin, die Verringerung der jährlichen Sonderzahlung verletze ihren Anspruch auf amtsangemessene Alimentation, vermag die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht in Zweifel zu ziehen. Es fehlt schon an ausreichendem Vortrag dazu, dass das für die Beurteilung maßgebliche Jahresnettoeinkommen der Klägerin (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2003 - 2 BvL19/02 - ZBR 2004, 47, 48 m.w.N.) ihrem Amt als Rechtspflegerin der Besoldungsgruppe A 12 nicht angemessen ist und einen angemessenen Lebensunterhalt nicht gewährleistet. Die von der Klägerin vorgelegte Erklärung ihres Zahnarztes Dr. V. vom 16. August 2006, wonach sie eine im Jahr 2004 notwendige Zahnersatzversorgung aus Kostengründen vorerst habe zurückstellen müssen, ist nicht geeignet, eine Verletzung des Alimentationsgrundsatzes darzutun. Denn es ist schon nicht ersichtlich, dass der Verzicht auf die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen - ungeachtet eines etwaigen Beihilfeanspruchs der Klägerin - mit der Verringerung der jährlichen Sonderzahlung in Zusammenhang steht. Der pauschale Hinweis des Zulassungsantrags auf die erforderliche Einzelfallabwägung sowie darauf, dass die Streichung des Urlaubsgeldes und die Kürzung des "Weihnachtsgeldes" nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit weiteren Absenkungen der Besoldung betrachtet werden müssten, vermag die erforderliche nachvollziehbare Darlegung der behaupteten Verletzung des Alimentationsanspruchs der Klägerin nicht zu ersetzen.

Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend macht, rügt sie sinngemäß eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Rückwirkungsverbots. Der behauptete Verfassungsverstoß lässt sich indessen nicht feststellen. Dem Brandenburgischen Sonderzahlungsgesetz könnte allenfalls unechte Rückwirkung hinsichtlich der jährlichen Sonderzahlung für das Jahr 2004 zukommen, indem es im Wege der tatbestandlichen Rückanknüpfung an die geleistete Dienstzeit die bislang bundesgesetzlich vorgesehene jährliche Sonderzuwendung reduziert hat. Eine unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Grenzen ihrer Zulässigkeit können sich jedoch aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben; sie sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239, 263). Ein solcher Fall liegt hier aber - auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin zur Frage des Vertrauensschutzes vorgebrachten Gesichtspunkte - nicht vor. Die Absenkung der jährlichen Sonderzahlung war angesichts der angespannten Haushaltslage des Landes Brandenburg geeignet und erforderlich, einen Beitrag zu den notwendigen Haushaltseinsparungen zu leisten. Das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage überwog auch nicht das Interesse der Allgemeinheit an deren Änderung. Unabhängig davon, dass der Beamte ohnehin nicht ohne Weiteres auf den unveränderten Fortbestand einer ihm günstigen Regelung vertrauen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225, 241), war hier das Vertrauen der Betroffenen nicht schutzwürdig, weil sie mit einer Gesetzesänderung rechnen mussten (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 - 2 BvL 18/83 - ZBR 1986, 242, 244).

Die durch das Brandenburgische Sonderzahlungsgesetz vorgenommene Verringerung der jährlichen Sonderzahlung ist die Folge einer Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes durch das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 (BBVAnpG 2003/2004) vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798). Dieses hat die bis dahin geltenden bundesgesetzlichen Rechtsgrundlagen für die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung sowie eines jährlichen Urlaubsgeldes aufgehoben (vgl. Art. 18 BBVAnpG 2003/2004) und die Länder zur Regelung jährlicher Sonderzahlungen ermächtigt. Seit Inkrafttreten des BBVAnpG 2003/2004 am 16. September 2003 - und damit geraume Zeit vor der Verkündung des Brandenburgischen Sonderzahlungsgesetzes am 17. Juni 2004 - mussten die Berechtigten damit rechnen, dass der Landesgesetzgeber von seinem nunmehr bestehenden Gesetzgebungsrecht Gebrauch macht und zu ihrem Nachteil von der früheren bundesgesetzlichen Regelung abweicht.

Der Hinweis der Klägerin darauf, dass es sich bei der jährlichen Sonderzahlung um eine Anerkennung für geleistete Dienste und eine in die Zukunft gerichtete Treueprämie handele (so BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1977 - BVerwG VI C 24.75 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 24 m.w.N.), gebietet keine abweichende Beurteilung. Denn auch nach Auffassung des Landesgesetzgebers soll mit der Sonderzahlung die Jahresarbeitsleistung der Bediensteten anerkannt werden (so die Gesetzesbegründung zum Brandenburgischen Sonderzahlungsgesetz, vgl. LTDrucks 3/7396, S. 3); dieser Zweck der Sonderzahlung wird - ungeachtet ihrer Höhe - durch die gesetzliche Neuregelung nicht in Frage gestellt.

Schließlich begründet das Vorbringen der Klägerin zur Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) keine ernstlichen Richtigkeitszweifel. Das von der Klägerin angeführte Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 12. Oktober 2005 - 10 AZR 640/04 - NZA 2005, 1418) ist nicht unmittelbar einschlägig, weil es den Anspruch auf Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten bei Gewährung einer Weihnachtsgratifikation betrifft. Soweit die Klägerin eine sachwidrige Ungleichbehandlung darin erblickt, dass Justizangestellte mit gleicher Tätigkeit eine ungekürzte Weihnachtsgratifikation erhalten, lässt sie unberücksichtigt, dass eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Ergebnisse der Tarifverhandlungen für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes spiegelbildlich auf die Beamtenbesoldung und -versorgung zu übertragen, nicht besteht. Vielmehr hat der Gesetzgeber in eigener Verantwortung zu prüfen und zu entscheiden, welche Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen von Bediensteten bestehen und ob die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, der Einkommen in der Privatwirtschaft und der Leistung anderer Alterssicherungssysteme wichtige Anhaltspunkte dafür liefert, die Beamtenbesoldung nicht an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst anzugleichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 2 C 34.01 - BVerwGE 117, 305, 309). Dementsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber die wegen der extrem angespannten Haushaltslage für erforderlich gehaltene Reduzierung der Personalkosten im Bereich der Arbeiter und Angestellten einerseits und der Beamten und Richter andererseits - bei möglichst gleichmäßiger Belastung beider Statusgruppen - auf unterschiedliche Weise realisiert hat (vgl. hierzu LTDrucks 3/7396, S. 11).

2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Diese liegt nur vor, wenn die Rechtssache eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage aufwirft, deren Beantwortung in einem künftigen Berufungsverfahren zur Wahrung der Einheitlichkeit oder zur Fortentwicklung des Rechts geboten ist. Das ist hier nicht der Fall, auch wenn die hier streitige Regelung zur jährlichen Sonderzahlung Auswirkungen für alle Beamten, Richter und Versorgungsempfänger Brandenburgs hat und parallel gelagerte Rechtsstreitigkeiten anhängig sind. Die rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Brandenburgischen Sonderzahlungsgesetzes im Hinblick auf die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind mit den oben zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG. Die Bedeutung der Sache für die Klägerin bemisst sich nach der Differenz zwischen der von ihr beanspruchten und der gewährten Sonderzahlung, wobei der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin ausweislich der vorgelegten Bezügemitteilungen im Jahr 2005 nur 32 Wochenstunden beschäftigt war und sich der Sonderzahlungsanspruch dementsprechend vermindert. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung ist entsprechend zu ändern (vgl. § 63 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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