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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 21.01.2008
Aktenzeichen: OVG 4 S 58.07
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
ZPO § 850a
ZPO § 850a Nr. 4
ZPO § 850c
ZPO § 850e Nr. 1
ZPO § 850k
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 S 58.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Buchheister, den Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl und den Richter am Verwaltungsgericht Maresch am 21. Januar 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. November 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Rechtsstufen auf jeweils bis 300,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung muss nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe. Auf der Grundlage des hiernach durch den Beschwerdevortrag begrenzten Prüfungsstoffes hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner zu verpflichten, die Sonderzuwendung ohne Abzug von Steuern auszuzahlen und statt dessen die Steuern und den Solidaritätszuschlag von dem der Pfändung unterliegenden Teil des Gehalts in Abzug zu bringen, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Antragsteller begehrt mit der beantragten Verpflichtung des Antragsgegners, die auf Auszahlung eines höheren Betrages an Bezügen für Dezember 2007 hinausläuft, praktisch eine Vorwegnahme der Hauptsache. Dies kommt nur in Betracht, wenn dem Antragsteller ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung wegen erheblicher oder irreversibler Nachteile schlechterdings unzumutbar ist und schon im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei summarischer Prüfung mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass der geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht. Daran fehlt es hier.

Allerdings scheitert der Anspruch des Antragstellers nicht daran, dass Sonderzuwendungen - worauf das Verwaltungsgericht abgestellt hat - als sonstige Bezüge lohnsteuerpflichtig sind. Dieser Punkt ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Antragsteller wendet sich nicht dagegen, dass die Sonderzuwendung der üblichen Abgabenpflicht unterliegt, sondern gegen die Art der Berechnung des pfändbaren Teils seiner Bezüge (Abzugsbetrag) im Monat Dezember 2007. Er will erreichen, dass bei der Berechnung die auf die Sonderzuwendung entfallenden Abgaben nicht dort, sondern bei seinen übrigen Bezügen in Abzug gebracht werden.

Ausweislich des von dem Antragsteller vorgelegten Versorgungsnachweises und den Angaben in der Versorgungsakte unterliegen seine Versorgungsbezüge der Pfändung. Der Antragsgegner hat ausgehend von einem Bruttobetrag der Versorgungsbezüge von 2.583,92 Euro, einer hiervon zu entrichtenden Lohnsteuer von 135,16 Euro und Krankenversicherungsbeiträgen von 283,00 Euro unter Berücksichtigung der Zahl der Unterhaltsberechtigten einen monatlich pfändbaren Betrag von 239,01 Euro ermittelt. Die dem Antragsteller für den Monat Dezember 2007 zustehende Sonderzuwendung (320 Euro brutto) hat der Antragsgegner nicht zum Anlass genommen, den pfändbaren Teil des Einkommens für diesen Monat neu zu berechnen, sondern hat wie in den Vormonaten 239,01 Euro angesetzt und die Sonderzuwendung abzüglich einbehaltener Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag ausgezahlt (241,93 Euro netto). Insgesamt wurden dem Antragsteller danach 2451,68 Euro ausbezahlt. Der Antragsteller hält diese Berechnung für falsch und sieht darin einen Verstoß gegen § 850a Nr. 4 ZPO, wonach Weihnachtsvergütungen in bestimmtem Umfang unpfändbar sind. Er bezieht sich mit der von ihm zum Beleg seiner Ansicht benannten Kommentarstelle (Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rn. 999 ff.) auf das in Rechtsprechung und Schrifttum verbreitet vertretene sog. Bruttoprinzip, wonach gemäß § 850e Nr. 1 ZPO zur Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens die nach § 850a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge in Höhe des Bruttobetrages in Abzug zu bringen sind, dem Schuldner also ungekürzt verbleiben, und die auf diesen Betrag entfallenden Abgaben (Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag) von dem übrigen (der Pfändung unterliegenden) Einkommen zu decken sind (vgl. etwa Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 850a Rn. 11; LAG Berlin, Urteil vom 14. Januar 2000 - 19 Sa 2154/99 - juris Rn. 22; LG Mönchengladbach, Urteil vom 1. Februar 2005 - 5 T 631/04 - juris Rn. 15, jeweils m. w. Nachw.; anders wohl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 850a Rn. 12; s. auch Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 850a Rn. 1; für das sog. Nettoprinzip etwa ArbG Aachen, Urteil vom 21. Februar 2006 - 4 Ca 4544/05 - juris Rn. 12; vgl. zum Ganzen die Darstellung mit Rechenbeispielen bei Napierala, RPfleger 1992, 49 ff., der eine noch andere Berechnungsvariante vorschlägt). Folgte man der vom Antragsteller für richtig gehaltenen Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nach dem sog Bruttoprinzip, wäre von den Brutto-Gesamtbezügen des Monats Dezember zunächst der Bruttobetrag der Sonderzuwendung abzuziehen (der dem Antragsteller ungekürzt verbliebe), sodann die darauf und auf die übrigen Bezüge entfallenden Abgaben und schließlich der nach dem verbleibenden Betrag nach Maßgabe der Pfändungstabelle zu § 850c ZPO ermittelte pfändbare Betrag. Dies würde nach überschlägiger Berechnung des Senats zu einem um 32,00 Euro niedrigeren pfändbaren Betrag und insgesamt zu einem dementsprechend höheren Zahlbetrag zu Gunsten des Antragstellers führen.

Die Berechnung des pfändbaren Einkommens nach dem sog. Bruttoprinzip erscheint dem Senat bei summarischer Prüfung allerdings auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht zwingend. Dagegen könnte sprechen, dass auf diese Weise die auf die Sonderzuwendung entfallenden Abgaben praktisch doppelt zugunsten des Schuldners in Abzug gebracht werden (vgl. dazu LAG Berlin, a.a.O., Rn. 25; Napierala, a.a.O., S. 50) und die Berechnung zu dem auf den ersten Blick wenig plausiblen Ergebnis führen würde, dass zugunsten des Gläubigers ein geringerer Betrag gepfändet werden kann, obwohl der Schuldner in dem Monat ein höheres Einkommen hat. Ob diese Berechnungsweise wegen des mit § 850a Nr. 4 ZPO verfolgten Schutzzwecks gleichwohl berechtigt ist oder eine Berechnung entsprechend der Vorgehensweise des Antragsgegners oder eine noch andere Berechnungsweise zutrifft, stellt sich hiernach als offen dar. Dem Beschwerdevortrag sind insoweit keine weiteren Argumente zu entnehmen. Der vom Antragsteller vorgelegte Beschluss des OLG Köln (vom 2. Mai 2005 - 2 W 53/01 -) ist nicht einschlägig, sondern betrifft die hier nicht interessierende Frage, ob der unpfändbare Teil der Weihnachtsvergütung zu den wiederkehrenden Einkünften im Sinne des § 850k ZPO zählt. Ebenso geben die vom Antragsteller außerdem noch vorgelegten Lohnsteuerrichtlinien (R 115, R 119) nichts her; sie betreffen nur die (unstreitige) Abgabenpflicht auch für Weihnachtszuwendungen. Auf dieser Grundlage lässt sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bestehender Anspruch des Antragstellers nicht feststellen. Die weitere Prüfung muss deshalb einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil die Frage für den Antragsgegner wegen der von ihm anzunehmenderweise in allen Fällen der Einkommenspfändung einheitlich gehandhabten Verwaltungspraxis bezüglich der Berücksichtigung von Sonderzuwendungen weitreichende Bedeutung hat und auf der anderen Seite der mögliche vorläufige Nachteil für den Antragsteller angesichts der Höhe des in Rede stehenden Betrages eher gering ist.

Es kommt hiernach nicht auf die von den Beteiligten im Verfahren nicht angesprochene weitere Frage an, die ebenfalls der Prüfung in einem eventuellen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt, ob die Sonderzuwendung überhaupt noch als Weihnachtsvergütung im Sinne des § 850a Nr. 4 ZPO anzusehen ist (verneinend Bay VGH, Beschluss vom 24. Oktober 2007 - 3 ZB 06.2358 - juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 6. Juni 2005 - 3 K 788/04 - juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und hinsichtlich der Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung auf § 63 Abs. 3 GKG. Das Interesse des Antragstellers, die Sonderzuwendung 2007 in Höhe des Bruttobetrages ausbezahlt zu erhalten und die darauf entfallenden Abgaben (also 78,07 Euro) von dem der Pfändung unterliegenden Teil der Versorgungsbezüge in Abzug zu bringen (was zu einer geringeren Pfändung und einem höheren Zahlbetrag für den Monat Dezember 2007 führen würde, s.o.), liegt jedenfalls nicht über der ersten Gebührenstufe.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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