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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: OVG 5 B 2.05
Rechtsgebiete: VGebO, AO 1977, VwGO


Vorschriften:

VGebO § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
AO 1977 § 14
AO 1977 §§ 51 ff.
AO 1977 § 65
AO 1977 § 66
AO 1977 § 66 Abs. 3 Satz 2
AO 1977 § 67
AO 1977 § 67 Abs. 1
AO 1977 § 67 Abs. 2
AO 1977 § 68
VwGO § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
VwGO § 130 b Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 B 2.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht, die Richterin am Oberverwaltungsgericht, den Richter am Oberverwaltungsgericht sowie die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. März 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Gebühren für Auskünfte aus dem Melderegister.

Sie ist Trägerin der D_____-Kliniken K_____ und als gemeinnützige Körperschaft im Sinne der Abgabenordnung - AO - anerkannt. Im Rahmen des Klinikbetriebs beantragt sie regelmäßig Auskünfte aus dem Melderegister des Landes Berlin, um die Anschriften von Patienten oder ehemaligen Patienten zu ermitteln. Diese Auskünfte wurden bis gegen Ende des Jahres 2002 gebührenfrei erteilt.

Im Oktober/November 2002 forderte die Patientenverwaltung der D_____-Kliniken K_____ Auskunft zu den Adressen von drei Patienten. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 teilte ihr das Landeseinwohneramt Berlin mit, dass es die erbetenen Auskünfte mit gesonderter Post zunächst gebührenfrei erteilt habe, eine abschließende Entscheidung zur Gebührenpflicht aber - im Hinblick auf eine seinerzeit noch ausstehende Stellungnahme der Senatsverwaltung für Finanzen - noch zu treffen sei.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2003 setzte das Landeseinwohneramt die Klägerin davon in Kenntnis, dass die Stellungnahme der Finanzverwaltung nunmehr vorliege. Danach seien als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur dann von der Zahlung von Verwaltungsgebühren befreit, wenn die Amtshandlung unmittelbar der Durchführung gemeinnütziger Zwecke diene. Das bedeute, dass die Amtshandlung direkt dem gemeinnützigen Zweck zugute kommen müsse. Auskünfte zu den Meldedaten von Patienten dienten dagegen nur mittelbar dem gemeinnützigen Zweck, nämlich der Refinanzierung der Einrichtungen der Klägerin. Hierfür angefallene Gebühren könnten von den Patienten zurückgefordert werden. Daher würden die Gebühren für die drei erteilten Auskünfte in Höhe von 10,74 € nunmehr erhoben. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin, mit dem sie sich auf ihre aus der Abgabenordnung folgende Pflicht zur Sicherung der Liquidität berief, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Landeseinwohneramts vom 26. März 2003).

Der Klage, mit der die Klägerin an ihrer Auffassung zur Gebührenfreiheit von Meldeauskünften im Falle anerkannter Gemeinnützigkeit festgehalten hat, hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 9. März 2005 mit im wesentlichen folgender Begründung stattgegeben:

Entgegen der Ansicht des Beklagten diene auch die Erteilung von Auskünften betreffend die Meldedaten von Patienten oder ehemaligen Patienten der Klägerin unmittelbar der Durchführung gemeinnütziger Zwecke. Soweit die Auskunft im Zusammenhang mit der Übersendung von Krankenunterlagen und der Abstimmung einer Weiter- oder Folgebehandlung stehe, gehe es um die Krankenbehandlung als solche, so dass die Mitteilung der Anschrift schon aus diesem Grund unmittelbar dem gemeinnützigen Zweck zugute komme. Aber auch die Auskunft mit dem Ziel der Rechnungsstellung diene unmittelbar dem Krankenhausbetrieb, da sie dessen Finanzierung betreffe. Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung sei nicht gleichzusetzen mit Unentgeltlichkeit. Die Auffassung des Beklagten, der Gebührenfreiheit stehe die Möglichkeit entgegen, die Kosten für die Erteilung der Meldeauskunft ggf. dem Patienten in Rechnung zu stellen, widerspreche der Berliner Verwaltungsgebührenordnung, die - anders als die Kosten- und Abgabengesetze anderer Bundesländer - gerade nicht darauf abstelle, ob die Amtshandlung durch einen Dritten veranlasst worden sei oder eine Erstattungspflicht bestehe.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der - vom Verwaltungsgericht wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Berufung, zu deren Begründung er im wesentlichen vorträgt: Ein Vergleich der ursprünglichen mit der heutigen Fassung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgebührenordnung zeige, dass mit der Aufnahme des Kriteriums der Unmittelbarkeit in den Verordnungstext bezweckt gewesen sei, eine generelle (persönliche) Gebührenbefreiung von gemeinnützigen Einrichtungen auszuschließen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts genüge es gerade nicht (mehr), dass sich die Amtshandlung auf eine Tätigkeit beziehe, die einem gemeinnützigen Zweck zugute komme. Vielmehr müsse die Amtshandlung selbst diesem Zweck unmittelbar dienen. Davon könne hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Meldeauskünfte seien nachweislich allein dazu bestimmt, der Klägerin die Möglichkeit zur Rechnungslegung zu verschaffen. Ihr Auskunftsbegehren diene daher lediglich der Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Geschäftsinteressen im Sinne von § 14 AO. Im übrigen habe es das Verwaltungsgericht versäumt zu klären, wem innerhalb des Konzerns der Klägerin die wirtschaftliche Betriebsführung und damit die Rechnungslegung obliege. Selbst wenn die Klägerin als gemeinnützige Einrichtung anerkannt sei, müsse dies nicht auch für die Betriebsführung gelten, die für sie handele.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. März 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die restriktive Betrachtungsweise des Beklagten zur Folge hätte, dass die persönliche Gebührenfreiheit in ihrem Falle leer liefe. Denn eine Auskunft sei letztlich immer nur Mittel zum Zweck. Entscheidend sei, dass mit dem Auskunftsbegehren Ziele verfolgt würden, die steuerrechtlich privilegiert seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (ein Halbhefter) verwiesen, die vorgelegen haben und - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine persönliche Gebührenfreiheit des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgebührenordnung - VGebO - in der Fassung vom 27. Juni 1978 (GVBl. S. 2410), insoweit neu gefasst durch Art. I Nr. 1 der Verordnung vom 21. November 2001 (GVBl. S. 588), erfüllt. Sie ist als gemeinnützige Körperschaft im Sinne der §§ 51 ff. der Abgabenordnung - AO 1977 - anerkannt, weil sie mit dem Betrieb ihrer Kliniken unmittelbar und ausschließlich gemeinnützige Zwecke (Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege) verfolgt. Die Erteilung von Meldeauskünften dient der Durchführung dieses Zwecks entgegen der Auffassung des Beklagten auch dann unmittelbar, wenn die Auskunft ausschließlich zum Zwecke der Rechnungslegung gegenüber dem Patienten oder seiner Krankenkasse angefordert wird. Denn der gemeinnützige Zweck beschränkt sich nicht auf die Erbringung der Leistung durch den Klinikbetreiber, sondern erstreckt sich auf die vom Patienten oder der Krankenversicherung zu entrichtende Gegenleistung, ansonsten sich ein Krankenhausbetrieb naturgemäß nicht aufrecht erhalten ließe. Dies hat bereits das Verwaltungsgericht im einzelnen zutreffend dargelegt. Insoweit wird deshalb gemäß § 130 b Satz 2 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Die gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil gerichteten Angriffe der Berufung gehen fehl.

Die Auffassung, der Verordnungsgeber habe anlässlich der Neufassung der Verwaltungsgebührenordnung mit dem Einfügen des Kriteriums der Unmittelbarkeit in den Tatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VGebO die Voraussetzungen einer persönlichen Gebührenbefreiung für gemeinnützige Einrichtungen beseitigen wollen, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil für die vorangehenden Befreiungstatbestände des Absatzes 1 im Ergebnis nichts anderes gelten könnte. Denn auch für Amtshandlungen, die von Behörden des Bundes und der Länder, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie von Kirchen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften beantragt werden, wird seit Inkrafttreten der Vierundzwanzigsten Verordnung zur Änderung der Verwaltungsgebührenordnung vom 21. November 2001 (GVBl. S. 588) Gebührenbefreiung nur gewährt, soweit die Amtshandlung entweder der Durchführung der Amtsgeschäfte dient (Nrn. 1 und 2) oder durch sie unmittelbar die Durchführung kirchlicher, religiöser oder weltanschaulicher Zwecke gefördert wird (Nr. 3). Bei Zugrundelegung der Auffassung des Beklagten müsste es also der Zielsetzung des Verordnungsgebers entsprochen haben, die persönliche, d.h. an die Funktionsträgerschaft anknüpfende Gebührenbefreiung generell zu beseitigen. Davon aber kann - schon mit Blick auf die Beibehaltung der amtlichen Überschrift - keine Rede sein. Vielmehr ist mit der Einfügung der Wendung "wenn die Amtshandlung unmittelbar der Durchführung gemeinnütziger ... Zwecke dient" in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VGebO ersichtlich das Ziel verfolgt worden, die Voraussetzungen, unter denen Gebührenbefreiung gewährt wird, an jene anzupassen, unter denen bei der Verwirklichung gemeinnütziger Zwecke nach §§ 51 ff. AO 1977 Steuerfreiheit gewährt wird.

Darauf, ob die Meldeanfragen der Klägerin - wie der Beklagte nachdrücklich behauptet - ausschließlich der Adressenermittlung zwecks Rechnungslegung dienen, kommt es nicht entscheidend an. Dadurch, dass die Klägerin ihren Patienten bzw. deren jeweiliger Krankenversicherung die Kosten für die stationäre Behandlung, Versorgung und Unterbringung in Rechnung stellt und diese ggf. sogar über den Rechtsweg beizutreiben sucht, wird ihre Einrichtung nicht zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO 1977. Denn Krankenhäuser in gemeinnütziger Trägerschaft sind nach §§ 66 Abs. 3 Satz 2, 67 Abs. 1 und 2 AO 1977 Zweckbetriebe, wenn ein wesentlicher Teil der Unternehmensleistung auf den stationären Bereich entfällt. Als solche betätigen sie sich zwar wie wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, sind aber steuerbefreit, weil ihre Tätigkeit durch den steuerbegünstigten Zweck bedingt ist und nur durch den Zweckbetrieb erreicht werden kann. Deshalb genießen auch die mit dem Klinikbetrieb üblicherweise verbundenen Umsätze - also die Gesamtheit des mit den Leistungen eines Unternehmens verbundenen Entgelts (vgl. § 10 UStG) - für Krankenhausleistungen, die regelmäßig und allgemein bei dem laufenden Betrieb eines Krankenhauses vorkommen, für diesen typisch sind und damit unmittelbar zusammenhängen, Steuerfreiheit (vgl. hierzu Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Oktober 1990 - V R 35.85 - <juris>). Üblicherweise mit dem Krankenhausbetrieb verbunden sind insbesondere solche Leistungen, die gegenüber dem Patienten als Benutzer des Krankenhauses erbracht werden. Dass die Abrechnung ärztlicher und pflegerischer Leistungen - sei es gegenüber dem Patienten selbst, sei es gegenüber der Krankenkasse als Kostenträger für ihre Versicherten (vgl. §§ 294 ff. SGB V) - mit dem Zweckbetrieb Krankenhaus in unmittelbarem Zusammenhang steht, kann daher keinem vernünftigen Zweifel unterliegen (vgl. auch Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. April 2005 - I R 85.04 - <juris>).

Ebenso wenig kommt es auf die vom Beklagten aufgeworfene Frage an, "wem innerhalb des Konzerns der Klägerseite überhaupt konkret die Rechnungslegung und allgemeiner die wirtschaftliche Betriebsführung obliegt". Abgesehen davon, dass der "Konzern" - gemeint ist wohl das D_____ in seiner Gesamtheit - zu den anerkannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege gehört, damit selbst Zweckbetrieb im Sinne von § 66 AO 1977 ist und schon von daher alles dafür spricht, dass auch die für den Verband handelnden Vereinigungen und Einrichtungen den satzungsmäßigen Zweck verwirklichen, verfolgt eine Einrichtung selbst dann noch ihre steuerbegünstigten Zwecke unmittelbar, wenn sie sich dazu anderer Hilfspersonen bedient (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 AO 1977).

Soweit sich der Beklagte schließlich in seiner gegenteiligen Ansicht durch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 5. Juni 1984 - I BA 121.83 - bestätigt sieht, unterliegt er einem Irrtum. Nach den in ZKF 1986, S. 12 f. auszugsweise abgedruckten Entscheidungsgründen liegt (auch) diesem Urteil die Rechtsauffassung zugrunde, dass eine Körperschaft für die Werte (Vermögen, Einkünfte, Umsätze), die zu ihrem Betrieb gehören, die Steuervergünstigung nur dann verliert, wenn kein Ausnahmefall im Sinne der §§ 65 bis 68 AO 1977 gegeben ist, d.h. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht als Zweckbetrieb im Sinne dieser Bestimmungen anzusehen ist. Im übrigen ging es in jener Entscheidung um die Gebühren für eine Teilungsgenehmigung, die eine gemeinnützige Stiftung beantragt hatte, um einen Teil ihres Grundbesitzes mit dem Ziel zu verkaufen, von dem Erlös ein an anderer Stelle gelegenes Grundstück zu erwerben und dort ihre satzungsmäßigen Zwecke - Betreuung behinderter Kinder - zu verwirklichen. Dass das Gericht in diesem Fall, in dem man weit eher als in dem vorliegenden an einen dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzurechnenden Vorgang denken könnte, Gebührenfreiheit angenommen hat, spricht für sich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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