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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 06.02.2008
Aktenzeichen: OVG 5 M 57.07
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 160
VwGO § 166
ZPO § 114
ZPO § 121
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 M 57.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 6. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2007 wird geändert. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihm Rechtsanwalt J_____ beigeordnet (§ 166 i.V.m. § 114 ff. ZPO).

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Antragsteller hat nach § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 114 und § 121 der Zivilprozessordnung - ZPO - einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das erstinstanzliche Verfahren.

Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht darauf abgestellt, dass eine Rechtsverfolgung nicht mehr beabsichtigt sei, weil der Antragsteller seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückgenommen habe. Es lag bereits die Annahme nahe, dass die Erklärung der Rücknahme seines Antrags unter dem Vorbehalt erklärt worden war, dass ihm Prozesskostenhilfe gewährt werden würde; zumal der Antragsteller mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2007 mitgeteilt hatte, er möchte das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin "im Falle der Prozesskostenhilfebewilligung" gerne annehmen. Jedenfalls war die Erklärung der Rücknahme unwirksam. Der Antragsteller hatte mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2007 erklärt, er bitte "vorab um eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag. Dies vorausgeschickt nehme ich das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin an und dementsprechend vereinbarungsgemäß den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück". Zusammenhängend betrachtet stand die Erklärung der Rücknahme damit unter der Bedingung der vorherigen Entscheidung über das Gesuch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe. Als Prozesserklärung ist sie jedoch bedingungsfeindlich (Kuntze, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO, 4. Aufl., § 92 Rn. 8).

Die Rechtsverfolgung war insbesondere noch beabsichtigt, obwohl der Antragsteller erklärt hatte, das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin anzunehmen. Solange das Verfahren in der ersten Instanz nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, ist die Rechtsverfolgung noch "beabsichtigt" (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 28. Oktober 2003 - 3 O 27.03 -, NVwZ-RR 2004, 460). Dies gilt auch vorliegend. Die Erklärung des Antragstellers, das Vergleichsangebot anzunehmen, stand ebenso wie die Erklärung der Rücknahme seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter der Bedingung der vorherigen Entscheidung über das Gesuch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Es ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, dass der Antragsteller im Zusammenhang mit der Rücknahme seines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darum gebeten hat, vorab über seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden (vgl. dazu OVG Schleswig, a.a.O.), und der beabsichtigte Vergleich vorgesehen hat, dass er die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Der Antragsteller hat damit lediglich das ihm Zumutbare getan, um eine Entscheidung des Gerichts über sein Prozesskostenhilfegesuch herbeizuführen. Dies entspricht einer der in der Rechtsprechung genannten Voraussetzungen einer ggf. notwendigen rückwirkenden Gewährung von Prozesskostenhilfe (vgl. OVG Weimar, Beschluss vom 3. Dezember 1997 - 3 ZO 619.95 -, NVwZ 1998, 866 f.; OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 1993 - 25 E 426.93 -, NVwZ-RR 1994, 124; VGH Mannheim, Beschluss vom 23. April 2002 - 11 S 119.02 -, NVwZ-RR 2002, 791, 792).

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot im Verfahren der ersten Instanz hinreichende Aussicht auf Erfolg und erschien nicht mutwillig. Das Verwaltungsgericht hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass ihm die für die Beurteilung der Erfolgsaussichten grundsätzlich notwendigen Kapazitätsunterlagen noch nicht vorlagen, so dass es nicht habe beurteilen können, ob die Antragsgegnerin ihre Kapazitäten ausgeschöpft habe. Vorliegend kann jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Antragsgegnerin nicht nur dem Antragsteller, sondern weiteren 43 Antragstellern ohne Einlassung zur Sache innerhalb von 8 Tagen nach Zustellung der Antragsschrift ein Vergleichsangebot unterbreitet hat, das deren endgültige Zulassung zum beantragten Studium beinhaltet hat. Bereits die Anzahl der Antragsteller, denen die Antragsgegnerin einen Vergleich angeboten hat, spricht dafür, dass sie ihre Kapazitäten nicht ausgeschöpft hatte und der Antrag des Antragstellers hinreichende Aussicht auf Erfolg besaß. Vor dem geschilderten Hintergrund vermag auch der Umstand, dass der angebotene Vergleich entgegen der gesetzlichen Regelung in § 160 VwGO vorgesehen hat, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, die Erfolgsaussichten nicht infrage zu stellen, zumal das Vergleichsangebot die Gewährung eines endgültigen Studienplatzes beinhaltet hat und damit über die im Wege der einstweiligen Anordnung allenfalls mögliche vorläufige Zuweisung eines Studienplatzes hinausgegangen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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