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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: OVG 5 NC 125.07
Rechtsgebiete: VwGO, HRG, BerlHZG


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
HRG § 19
BerlHZG § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 NC 125.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 19. März 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat sich bei der Antragsgegnerin zum Wintersemester 2007/08 ohne Erfolg um die Zuweisung eines außerkapazitären Studienplatzes im Bachelorstudiengang Geschichte (Kernfach), den sie mit den Modulangeboten Kunstgeschichte sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaften kombinieren möchte, beworben. Ihren auf vorläufige Zulassung zum Kernfach gerichteten Anordnungsantrag hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nicht geboten sei, weil das Studienfach Geschichte von der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald ohne Zulassungsbeschränkung angeboten werde und sie sich dort bis zum 21. September 2007 hätte immatrikulieren können. Gründe, die dies unzumutbar erscheinen lassen könnten, seien weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde, zu deren Begründung im wesentlichen geltend gemacht wird: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass nicht nur das Kernfach, sondern auch die gewählten Nebenfächer für die Frage der Vergleichbarkeit der Studieninhalte entscheidend seien. Als Maßstab sei das angestrebte Studium heranzuziehen, nicht die Bezeichnung des Studienganges. Der von der Universität Greifswald angebotene Studiengang im Fach Geschichte unterscheide sich gravierend von demjenigen, den die Antragsgegnerin anbiete. Während die Antragsgegnerin die Kombination mit den Zweitfachmodulen Kunstgeschichte, Publizistik und Kommunikationswissenschaften vorsehe, setze die Immatrikulation in Greifswald zwingend die Kombination mit den sog. "General Studies" voraus. Auch sonst seien die Studiengänge inhaltlich nicht identisch und führten demgemäß zu unterschiedlichen Qualifikationen. Das Verwaltungsgericht habe ferner verkannt, dass seit Einführung modularisierter Studiengänge deren Vergleichbarkeit selbst dann nicht mehr gegeben sei, wenn es sich um Hochschulen des gleichen Typs handele. Ein Studienabschluss an einer Elitehochschule wie der Antragsgegnerin habe selbst dann einen völlig anderen Stellenwert, wenn die inhaltliche Vergleichbarkeit des jeweiligen Studienangebots unterstellt würde. Es reiche deshalb nicht aus, dass an irgendeiner Hochschule ein gleich lautender Studiengang zulassungsfrei sei, um die - aus verfassungsrechtlichen Gründen nur in engen Grenzen zulässige - Beschränkung des Zugangs zu den Studiengängen einer staatlich besonders geförderten Elitehochschule der gerichtlichen Überprüfung zu entziehen. Die angegriffene Entscheidung beruhe zudem auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sie, die Antragstellerin, sei davon ausgegangen, dass eine Stellungnahme zu dem lediglich zur Kenntnis gegebenen Hinweis der Antragsgegnerin auf das zulassungsfreie Geschichtsstudium in Greifswald nicht gewünscht sei und sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Studieninhalte und den unterschiedlichen Charakter beider Hochschulen auch erübrige. Im Übrigen übersteige eine vollständige Auseinandersetzung mit sämtlichen Studienangeboten gleichen Namens zeitlich gesehen selbst dann jede Recherchemöglichkeit, wenn sie sich nur auf das jeweilige Kernfach beschränkte.

II.

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der Darlegungen des Beschwerdeführers entscheidet, bleibt ohne Erfolg.

Der Senat folgt im Ergebnis der Begründung des angefochtenen Beschlusses und beschränkt sich im Hinblick auf die von der Beschwerde mit Schriftsatz vom 13. März 2008 geltend gemachte besondere Eilbedürftigkeit auf folgende Anmerkungen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO):

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens entsprechend dem Anordnungsantrag lediglich die vorläufige Zulassung zum Bachelorstudiengang in dem von der Antragstellerin gewählten Kernfach Geschichte ist und nach der Satzung für Studienangelegenheiten der Freien Universität Berlin vom 16. März 2005 (FU-Mitteilungen Nr. 41/2005, S. 2) auch nur sein kann. Denn die Antragsgegnerin setzt für ergänzende Module keine gesonderten Zulassungszahlen fest. Die Vergabe der Plätze in den Modulangeboten richtet sich - abgesehen von dem Studienwunsch des Bewerbers - ausschließlich nach den studiengangsspezifischen Zugangsvoraussetzungen und, soweit die Zahl der Bewerber die Zahl der angebotenen Plätze übersteigt, nach dem Grad der Qualifikation. Schon aufgrund dessen ist die Annahme der Beschwerde, die Antragstellerin könne im Falle der erfolgreichen Aufdeckung eines "verschwiegenen" Studienplatzes im Kernfach Geschichte ihren Studienwunsch, der auf eine Kombination mit den Modulangeboten Kunstgeschichte, Publizistik und Kommunikationswissenschaften hinausläuft, an der Antragsgegnerin verwirklichen, keineswegs zwingend.

Dies vorausgeschickt stellt sich die hier mit Blick auf das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG entscheidende Frage, ob sich die Antragstellerin auf eine Hochschule verweisen lassen muss, die den von ihr gewählten Studiengang ohne Zulassungsbeschränkung anbietet, bereits unter einem anderen Blickwinkel als dem, den die Beschwerde in den Vordergrund der Beurteilung gerückt sehen will. Der Begriff des Studiengangs ist in den geltenden Hochschulgesetzen und -verordnungen nicht definiert. Das Bachelorstudium wird allgemein als wissenschaftlich basiertes grundständiges Studium definiert, das sich in der Regel auf ein Kernfach konzentriert, daneben jedoch auch die Möglichkeit der Verbindung bzw. Kombination mit anderen Fächern bietet. Aus struktureller Sicht drücken sich die unterschiedlichen Profile der auf der Grundlage des § 19 des Hochschulrahmengesetzes eingeführten neuen Studiengänge in den Abschlussbezeichnungen aus. Bei interdisziplinären Studiengängen richtet sich die Abschlussbezeichnung nach dem Fachgebiet, dessen Bedeutung im Studiengang überwiegt (so die HRK - Bologna-Zentrum - in der Information zum Profil der neuen Abschlüsse; vgl. ferner KMK-Beschluss vom 14.04.2000 zur Laufbahnrechtlichen Zuordnung von Bachelor- und Masterabschlüssen gem. § 19 HRG, Anlage 1).). Darauf, dass auch der Gesetzgeber bei der Neufassung des Berliner Hochschulgesetzes wie auch dem Erlass des Ersten Änderungsgesetzes von dem Verständnis des (Mono- wie Kombinations-) Bachelorstudiengangs als einem vom Kernfach geprägten Studiengang ausgegangen ist, weisen die Beratungen im Wissenschaftsausschuss hin. Die Fraktion der Grünen hatte zwar im Hinblick auf die Praxis der Hochschulen, Zulassungen nur im Kernfach zu erteilen, einen Änderungsantrag zum Entwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des Berliner Hochschulzulassungsgesetzes (vgl. Drs. 15/3766 vom 16.03.2005; zu den Änderungsanträgen der Fraktionen vgl. Anlagen 2 bis 6 zum Beschlussprotokoll WissForsch 15/51) eingebracht, der auf die Aufnahme einer Regelung für Teilstudiengänge in § 2 BerlHZG hinzielte, weil man es als "misslich" empfinde, wenn Bewerber aufgrund des Auswahlverfahrens zwar einen Studienplatz im Kernfach erhielten, mit mittelmäßiger Zensur aber keinen Platz im gewünschten Zweitfach bekämen. Dieser Antrag ist jedoch mehrheitlich abgelehnt worden (vgl. hierzu Plenar- und Ausschussdienst des Abgeordnetenhauses, Inhaltsprotokoll WissForsch 15/51 vom 04.05.2005, S. 4 f.).

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Studiengang Geschichte (Bachelor of Arts) an der Universität Greifswald im Wintersemester 2007/08 nicht zulassungsbeschränkt (gewesen). Dass es dort nach Darstellung der Beschwerde anstelle der von der Antragsgegnerin angebotenen Studienschwerpunkte Neuere Geschichte bzw. Zeitgeschichte des 20./21. Jahrhunderts lediglich die Schwerpunkte "Hansegeschichte", "Geschichte der baltischen Länder und Polens" sowie "Pommersche Landesgeschichte" gebe, trifft, wie sich der über das Internet zugänglichen Studienordnung für den B.A.-Teilstudiengang Geschichte an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vom 28. Juni 2005 entnehmen lässt, nicht zu. Unabhängig davon wird der Studiengang - wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen hat - an zahlreichen weiteren Universitäten zulassungsfrei angeboten, und zwar an den Universitäten Bamberg, Braunschweig, Bremen, Düsseldorf, Jena, Kassel, Saarbrücken, Siegen, Vechta, Erlangen, Nürnberg, Stuttgart, Regensburg und Darmstadt. Dafür, dass es der Antragstellerin nicht zuzumuten gewesen wäre, sich an einer der genannten Universitäten zu immatrikulieren, ist nichts ersichtlich. Allein mit dem Status der Antragsgegnerin als Elite-Universität lässt sich ein auf deren Ausbildungskapazitäten beschränktes Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG angesichts des übergeordneten Interesses an einer gleichmäßigen Auslastung der Hochschulen jedenfalls nicht begründen.

Unterstellt, es käme ungeachtet der vorstehenden Ausführungen (auch) auf die von der Antragstellerin gewünschten Modulangebote an, so wäre damit gleichwohl nicht dargetan, dass die begehrte Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwenig ist. Abgesehen davon, dass die Universität Greifswald die Fächer Kommunikationswissenschaften und Kunstgeschichte ebenfalls anbietet, wobei zwar nur Kunstgeschichte zulassungsfrei ist, nach der gemeinsamen Prüfungsordnung für B.A.-Studiengänge vom 18. Oktober 2005 jedoch neben dem Modul "General Studies" ein weiteres sog. Mikromodul als Zusatzfach nach Maßgabe freier Plätze gewählt werden kann, hat die Antragsgegnerin weiter vorgetragen, dass das von den bereits erwähnten Universitäten ohne Zulassungsbeschränkung angebotene Geschichtsstudium jede denkbare Kombination zulasse. Darauf geht die Beschwerde jedoch nicht ein. Ihr Hinweis, dass "eine vollständige Auseinandersetzung mit sämtlichen Studienangeboten gleichen Namens, auch nur bezogen auf das jeweilige Kernfach,... jede Recherchemöglichkeit schon zeitlich gesehen übersteigen" würde, liegt angesichts der Zugriffsmöglichkeiten, die das Internet - auch und gerade zum Zwecke einer Kontaktaufnahme mit der Studienfachberatung - jedem hochschulreifen Studienbewerber bietet, erkennbar neben der Sache. Anders lässt sich auch kaum erklären, wie die Beschwerde im gleichen Zuge unter Hinweis auf den Amtsermittlungsgrundsatz behaupten kann, dass das Verwaltungsgericht bei einer selbständigen Überprüfung "ohne Aufwand von mehr als 5 Minuten" hätte feststellen können, dass das Studienangebot der Antragsgegnerin inhaltlich wie auch in Bezug auf die beiden Nebenfächer ganz erheblich von dem anderer Hochschulen abweiche.

Die Frage, ob die Ausbildungsinhalte gleichnamiger Studiengänge seit der Einführung des Bachelor-/Mastersystems tatsächlich in größerem Umfang als bisher voneinander abweichen, kann unter den gegebenen Umständen auf sich beruhen. Selbst wenn es sich so verhielte wie die Beschwerde behauptet, folgte hieraus keineswegs zwingend, dass der Verweis auf das zulassungsfreie Studienangebot einer anderen Hochschule allein deswegen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht des Studienbewerbers aus Art. 12 Abs. 1 GG bedeutete, weil das Studium der Wahl dort mit lediglich vergleichbarem, nicht aber identischem Inhalt angeboten wird. Eine von Hochschule zu Hochschule differierende inhaltliche Ausgestaltung von Studienordnungen der gleichen Fachrichtung war auch bei den herkömmlichen Studiengängen anzutreffen, ohne dass dem Ortswunsch stets und ausnahmslos Rechnung zu tragen gewesen wäre. Vielmehr zeigt sich an der Entwicklung der Regelungen zur Ortsverteilung in der Vergabeverordnung, dass die Frage der freien Wahl der Ausbildungsstätte im Sinne einer Auswahl unter mehreren Ausbildungsorten, mag sie auch bei der Entstehungsgeschichte des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG noch im Vordergrund gestanden haben, im Laufe der Zeit einen Verständniswandel erfahren hat, indem der Verwirklichung des Teilhaberechts eines noch nicht zugelassenen Studienbewerbers vornehmlich unter dem Gesichtspunkt seiner Fachpräferenz Gewicht beizumessen ist, während seiner Ortspräferenz durch Anlegung strenger Maßstäbe an ihre Durchsetzbarkeit nachrangige Bedeutung zugemessen werden kann (so etwa § 8 Abs. 3 VergabeVO in der noch bis 2003 geltenden Fassung). Im Übrigen besteht nach Ansicht des Senats auch kein verfassungsrechtlich anzuerkennendes Bedürfnis dafür anzunehmen, dass die Notzuständigkeit der gerichtlichen Kapazitätsüberprüfung und Verteilung etwaiger ungenutzter Studienplätze zur Gewährleistung der Freiheit der Hochschul- bzw. Studienortwahl in Anspruch genommen werden kann, wenn an anderen Hochschulen ein vergleichbares Studienangebot ohne Zulassungsbeschränkung zur Verfügung steht. Denn in einem solchen Fall steht ein Studienbewerber, auch wenn er noch nicht zugelassen ist, nicht anders da als ein Hochschulortswechsler, der nach allgemeiner Auffassung wegen des bereits verwirklichten Teilhaberechts - vom Fall der hier nicht geltend gemachten besonderen Härte abgesehen - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise darauf verwiesen werden kann, seinen Ortswunsch innerhalb des "ordentlichen" Vergabeverfahrens nach Maßgabe der normierten Zulassungszahl durchzusetzen.

Ob dies ausnahmsweise anders zu beurteilen wäre, wenn die Antragstellerin an einer anderen Hochschule als der Antragsgegnerin ihr individuelles Berufsziel nicht verwirklichen könnte, kann dahinstehen. Dafür, dass ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, ist weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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