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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: OVG 5 S 14.08
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
VwGO § 149
VwGO § 167 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 172
VwGO § 172 Satz 1
VwGO § 173
ZPO § 570 Abs. 3
ZPO § 888
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 890
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 S 14.08

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wahle, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 5. August 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Wiederholung des bei der Antragsgegnerin am 16. Juli 2008 durchgeführten Losverfahrens zur Verteilung freier Studienplätze im Studiengang Zahnmedizin für das Sommersemester 2008. Das Verwaltungsgericht hat die darauf zielenden Anträge der Antragstellerin abgelehnt, weil es der Auffassung gewesen ist, dass das Losverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.

II.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Prüfung des Senats beschränkt sich gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe. Gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.

Soweit die Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht ihre sämtlichen Anträge als Zwangsvollstreckungsanträge nach § 172 VwGO angesehen, kann sich dies nur auf ihren Antrag, bis zu einer Entscheidung in der Sache der Antragsgegnerin ohne vorherige Anhörung wegen Eilbedürftigkeit durch den Berichterstatter oder seinen Vertreter im Amt zu untersagen, den aufgrund der Verlosung von zwei Studienplätzen aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 09.07.2008 auf den Rangplätzen 1 und 2 ausgelosten Bewerbern Zulassungsbescheide zu erteilen und mit diesen Vergleiche abzuschließen, beziehen, da das Verwaltungsgericht nur diesen als eigenständigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und nicht als Vollstreckungsantrag gem. § 172 VwGO angesehen hat. Für die von der Antragstellerin insoweit erbetene Klarstellung ist ein rechtliches Interesse jedoch nicht erkennbar, da sie den zitierten Antrag mit der Beschwerde nicht mehr verfolgt. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass ihre Rüge insofern nicht nachvollziehbar ist, als sie ihren obigen Antrag gegenüber dem Verwaltungsgericht ausdrücklich auf eine analoge Anwendung der §§ 149, 173 VwGO i.V.m. § 570 Abs. 3 ZPO und nicht auf § 172 VwGO gestützt hat. Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, es handele sich insoweit um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, bestehen überdies keine Bedenken. Der Antrag zielte auf die Sicherung des vermeintlichen Anspruchs der Antragstellerin aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Juli 2008 (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und nicht auf die Vollstreckung der dortigen einstweiligen Anordnung gem. § 172 VwGO. Mit Blick auf die von der Antragstellerin erstinstanzlich geltend gemachte analoge Anwendung der §§ 149, 173 VwGO i.V.m. § 570 Abs. 3 ZPO sei zudem angemerkt, dass die Anwendung des § 123 VwGO auch dann angezeigt gewesen wäre, wollte man davon ausgehen, dass sogenannte Hängebeschlüsse zulässig sind und die §§ 80 Abs. 5, 123 VwGO für diese als Rechtsgrundlage ausscheiden (str.,_____ vgl. Guckelberger, NVwZ 2001, 275 f., m.w.Nachw.). Da das Verwaltungsgericht über die am 16. Juli 2008 um 13.51 Uhr per Fax bei ihm eingegangenen Anträge, die per Fax am gleichen Tag um 15.00 Uhr sowie am 17. Juli 2008 um 7.45 Uhr und um 13.07 Uhr begründet worden waren, bereits am 17. Juli 2008 entschieden hat, bestand keine zwingende Veranlassung, den Antrag mit Blick auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes als auf den Erlass einer Hängeverfügung gerichtet auszulegen.

Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen, sinngemäßen Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ein erneutes Losverfahren um zwei Studienplätze des Studiengangs Zahnmedizin nach Maßgabe des Entscheidungstenors durchzuführen und den Antragstellern mit den Losnummern 1 und 2 vorläufig eine Zulassung zum Studium der Zahnmedizin nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2008 zu erteilen, weiterverfolgt. Kommt eine Behörde in Fällen des § 123 VwGO der ihr in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken (§ 172 Satz 1 VwGO). Für die von der Antragstellerin begehrte Vollstreckung der einstweiligen Anordnung vom 9. Juli 2008 im Wege der unmittelbaren Verpflichtung der Antragsgegnerin, das dortige Losverfahren zu wiederholen, besteht hingegen keine gesetzliche Grundlage. Da die §§ 888, 890 ZPO eine solche Möglichkeit der Verpflichtung des Schuldners ebenfalls nicht kennen, gilt dies auch, wollte man davon ausgehen, dass die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung, die nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist, ihre Grundlage in § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 888, 890 ZPO hat (vgl. u.a. VGH München, Beschluss vom 26. Mai 1989 - 5 C 89.01007 -, NVwZ-RR 1989, 669; a. A. Bader, in: Bader/Funke-Kaiser u.a., VwGO, 4. Aufl., § 172 Rn. 2). Die in § 172 Satz 1 VwGO vorgesehene Androhung eines Zwangsgeldes kommt mit Blick auf den fehlenden, zunächst beim Verwaltungsgericht zu stellenden Antrag der Antragstellerin, ein Zwangsgeld anzudrohen, nicht in Betracht. Entsprechendes würde für die in § 888 Abs. 1 ZPO geregelte sofortige Festsetzung eines Zwangsgeldes gelten.

Ungeachtet dessen hat das Verwaltungsgericht entgegen der Beschwerde zu Recht festgestellt, dass die Verlosung der Studienplätze am 16. Juli 2008 ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und der Anordnung in dem Beschluss der Kammer vom 9. Juli 2008 entsprochen habe. Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die einstweilige Anordnung, nach der die Antragsgegnerin ein Losverfahren durchzuführen hat, dieser die nähere Ausgestaltung des Losverfahrens erkennbar überlässt. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des Tenors, nach dem "die Antragsgegnerin ... ein Losverfahren ...unter Hinzuziehung eines gewählten studentischen Mitgliedes des Fakultätsrates ... durchzuführen..." hat, und auch dem weiten richterlichen Gestaltungsspielraum bei der Auswahl der notwendigen Maßnahmen beim Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. September 2005 - 2 NB 250/05 -, NVwZ-RR 2006, 256). Es ist mit dem Tenor des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Juli 2008 ferner vereinbar, dass der Leiter des Referats für Studienangelegenheiten der Antragsgegnerin die Organisation des Losverfahrens ihrem Verfahrensbevollmächtigten übertragen und diesen insoweit bevollmächtigt hat. Die Antragsgegnerin musste sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts zwangsläufig bei der Erfüllung der ihr nach der einstweiligen Anordnung obliegenden Verpflichtung der Hilfe natürlicher Personen bedienen. Der Tenor der einstweiligen Anordnung enthält insoweit jedoch keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis. Diese wäre jedoch bei der von der Antragstellerin nur für zulässig erachteten Durchführung der Verlosung ausschließlich durch Bedienstete der Antragsgegnerin zu erwarten gewesen, zumal die Auslosung ein schlichter, keine besonderen Fähigkeiten fordernder Realakt ist, so dass es nicht von vornherein ausgeschlossen erschien, dass die Antragsgegnerin sich für ihre Durchführung der Unterstützung Privater bediente. Eine solche Verfahrensweise ist nicht ungewöhnlich, da die Verwaltung in vielfältiger Form Private zur Durchführung ihrer Aufgaben heranzieht. Nimmt eine Privatperson - wie vorliegend der mit der Durchführung des Losverfahrens beauftragte Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin - als sogenannter Verwaltungshelfer Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der Behörde wahr, ist ihr Handeln ohne weiteres der Behörde, für die sie tätig wird, zuzuordnen (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., § 23 Rn._____ 60). Über eine bloße Hilfstätigkeit ging die dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin übertragene Durchführung des Losverfahrens nicht hinaus, zumal der Leiter des Referats für Studienangelegenheiten die Durchführung des Losverfahrens nach seiner Erklärung vom 17. Juli 2008 mit der Vorgabe übertragen hatte, dass das studentische Mitglied des Fakultätsrates, T_____ S_____, die Lose ziehen sollte.

Bedenken hinsichtlich der ordnungsgemäßen Erfüllung der Verpflichtung der Antragsgegnerin, ein Losverfahren durchzuführen, bestehen auch nicht deshalb, weil Herr S_____ die Lose gezogen hat und die Verlosung "... unter Hinzuziehung eines gewählten studentischen Mitgliedes des Fakultätsrates ..." durchzuführen war. Die tenorierte Verpflichtung zur Hinzuziehung des studentischen Mitgliedes des Fakultätsrates schließt es nicht aus, dass dieses die Lose selbst zieht. Mit einer solchen Verfahrensweise ist der angesprochenen Verpflichtung sogar mehr als Genüge getan worden, da dem studentischen Vertreter - wie einem Notar, der nach dem Tenor der einstweiligen Anordnung vom 9. Juli 2008 für ihn ersatzweise hinzugezogen werden konnte - nach Sinn und Zweck seiner vorgesehenen Anwesenheit besonderes Vertrauen in Bezug auf den ordnungsgemäßen Ablauf des Losverfahrens entgegen gebracht worden ist.

Anhaltspunkte dafür, dass das als sachlich maßgebliche Grenze der Ausgestaltungsbefugnis der Antragsgegnerin zu beachtende Gebot der Chancengleichheit (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. September 2005 - 2 NB 250/05 -, NVwZ-RR 2006, 256) verletzt worden sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die Annahme der Antragstellerin, mit der gewählten Verfahrensweise habe keine Gewähr für eine faire Durchführung des Losverfahrens bestanden, sondern sich der Verdacht aufgedrängt, dass die beiden Studienplätze zwei konkreten Anwälten "zugeschanzt" werden sollten, entbehrt jeder Grundlage. Der Leiter des Referats für Studienangelegenheiten hatte dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin, mithin einem Rechtsanwalt die Durchführung des Losverfahrens übertragen. Ein Rechtsanwalt hat die Stellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege. Die Lose selbst sollte das studentische Mitglied des Fakultätsrats ziehen, das entsprechend den obigen Ausführungen besonderes Vertrauen in Bezug auf den ordnungsgemäßen Ablauf des Losverfahrens genossen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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