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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: OVG 6 N 51.05
Rechtsgebiete: GSiG, VwGO, BSHG, SGB XII


Vorschriften:

GSiG § 3
GSiG § 3 Abs. 1 Nr. 2
GSiG § 3 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO § 124 a Abs. 5 Satz 2
BSHG § 15 b
BSHG § 76
SGB XII § 82
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 6 N 51.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat durch die Richterin am Oberverwaltungsgericht Silberkuhl, Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs am 21. Dezember 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Anträge der Kläger, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. März 2005 zuzulassen und ihnen Prozesskostenhilfe in Form der Beiordnung der von ihnen beauftragten Rechtsanwältin K_____ für das Verfahren zweiter Instanz zu bewilligen, werden abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz haben die Kläger zu tragen.

Gründe:

I.

Die Kläger erstreben Leistungen der Grundsicherung im Alter für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2004. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 12. November 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2004 die Bewilligung mit der Begründung abgelehnt, das nach § 3 GSiG zu berücksichtigende Einkommen der Kläger übersteige ihren Bedarf. Außerdem seien die Aufwendungen für die im Eigentum der Kläger stehende Unterkunft nicht im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 GSiG angemessen. Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin durch Gerichtsbescheid vom 10. März 2005 als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger mit dem Antrag, die Berufung zuzulassen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die Kläger haben mit den fristgerecht beigebrachten Gründen, die gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO allein zu berücksichtigen sind, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht dargetan. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Es fehlt auch an der Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Die Kläger wenden sich allein gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts (und des Beklagten), dass im Rahmen von § 3 Abs. 2 GSiG auch der als "IBB-Zuschuss" bezeichnete Betrag von monatlich 513,08 € als einzusetzendes Einkommen zu werten sei und dass deshalb wegen ausreichender eigener Mittel ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen im streitbefangenen Zeitraum ausscheide. Die Kläger äußern die Auffassung, dass dieser Zufluss wegen der nur darlehensweise Vergabe der IBB-Mittel nicht Einkommen i.S.v. § 76 BSHG sei mit der Folge, dass keine Einkommensüberschreitung von 103,28 € vorliege, sondern eine Unterschreitung von 409,80 €.

Der Einwand der Kläger, dass der IBB-Zuschuss wegen seines Charakters als später zurückzuerstattendes Darlehen nicht als Einkommen gelten könne, überzeugt nicht. Zum Einkommen i.S.v. § 3 Abs. 2 GSiG i.V.m. § 76 BSHG und der dazu erlassenen Rechtsverordnung gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit den gesetzlich vorgesehenen - hier nicht vorliegenden - Ausnahmen. Die Verordnung zur Durchführung des § 76 BSHG schreibt in ihrem § 1 vor, es handele sich um alle Einnahmen ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und Rechtsnatur sowie ohne Rücksicht darauf, ob sie zu den Einkunftsarten i.S.d. Einkommenssteuergesetzes gehörten oder ob sie der Steuerpflicht unterlägen. Davon ausgehend ist auch der nur darlehensweise Zufluss von Geldmitteln als Einkommen anzusehen (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 20. Juni 1979, FEVS 28, 170 [173] sowie Mergler/Zink, Kommentar zum BSHG, 4. Auflage, Stand März 2004, § 76 RdNr. 13, Fichtner, Kommentar zum BSHG, 2. Aufl., § 76 RdNr. 7). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der entsprechenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und des Beklagten sind nicht gegeben. Dass darlehensweise zufließende Beträge geeignet sein können, einen sozialrechtlichen Fehlbedarf zu decken, folgt z.B. aus § 15 b BSHG, der dem Träger der Sozialhilfe unter bestimmten Voraussetzungen die Vergabe der Hilfe zum Lebensunterhalt in Form eines bloßen Darlehens gestattet. Die Beträge des IBB-Zuschusses standen im jeweiligen Bedarfsmonat, in dem sie zuflossen, als bereite Mittel für die Senkung der zum Grundsicherungsbedarf gehörenden Unterkunftskosten zur Verfügung. Der Umstand, dass sie in späterer Zeit würden zurückgezahlt werden müssen, hinderte die damit bewirkte Bedarfsdeckung im Bereich der Kosten der Unterkunft für den Monat des Einkommenszuflusses nicht (zur anspruchsmindernden Berücksichtigung von darlehensweise vergebener, auch der Deckung des Unterkunftsbedarfs dienender Ausbildungsförderung vgl. BVerwGE 54 , 358 ff., 362-364). Soweit damals bereits IBB-Zinslasten bestanden, sind diese - wie aus Seite 3 des Widerspruchsbescheides ersichtlich - zugunsten der Kläger als Lasten des Hauses und damit als Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden. Bei der späteren Rückforderung des IBB-Zuschusses kommen den Klägern die Pfändungsschutzvorschriften (§ 54 Abs. 3 und Abs. 4 SGB I i.V.m. §§ 850 ff ZPO, § 4 Abs. 1 S. 2 BSHG, § 17 Abs. 1 S. 2 SGB XII) zugute, soweit die IBB-Vorschriften keine günstigere Rückzahlungsegelung vorsehen.

Die Kläger haben auch nicht die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - dargetan. Sowohl die Vorschriften des Grundsicherungsgesetzes als auch die des Bundessozial-hilfegesetzes sind mit dem Ablauf des 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten. Fragen, die außer Kraft getretenes Recht betreffen, haben in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung, weil ihre Klärung für den Erhalt der Rechtseinheit oder die Weiterentwicklung des Rechts nicht von Bedeutung ist. Das gilt vorliegend auch dann, wenn sich die entsprechenden Rechtsfragen - hier etwa zu § 82 SGB XII - in ähnlicher Weise erneut stellen (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung grundsätzlich BVerwG, B. v. 26. Juli 2005, Buchholz 421 Nr. 129 m.w.N.), denn für die Auslegung dieser Bestimmung ist nunmehr eine andere Gerichtsbarkeit zuständig (vgl. dazu OVG Berlin, Beschluss vom 23. März 2004 - OVG 6 N 47.03). Die Kläger haben auch nicht aufgezeigt, dass die hier anstehende Auslegung des § 3 Abs. 2 GSiG oder des § 76 BSHG trotz ihres Außerkrafttretens noch Bedeutung für eine erhebliche Zahl offener Altfälle hätte und dass der Klärung diesbezüglicher Rechtsfragen etwa deshalb noch grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte

Die Entscheidung über die Kosten des Antragsverfahrens folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren zweiter Instanz konnte bereits deshalb nicht stattgegeben werden, weil keine Erklärung nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 117 Abs. 2 ZPO beigebracht worden ist. Im Übrigen fehlte der Rechtsverfolgung aus den zum Sachantrag genannten Gründen die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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