Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 28.12.2006
Aktenzeichen: OVG 8 B 14.06
Rechtsgebiete: VwVfG


Vorschriften:

VwVfG § 41 Abs. 1 Satz 1
VwVfG § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
VwVfG § 49 a Abs. 1
VwVfG § 49 a Abs. 1 Satz 1
VwVfG § 49 a Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 B 14.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat ohne mündliche Verhandlung am 28. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Fitzner-Steinmann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Weber, den Richter am Verwaltungsgericht Kirkes sowie die ehrenamtliche Richterin Dr. Witkowski und den ehrenamtlichen Richter Ebert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. August 2004 geändert.

Der Widerrufs- und Rückforderungsbescheid des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 26. Juni 2002 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit Zuwendungsbescheid vom 9. März 2000 bewilligte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (im Folgenden: Ministerium) der "Pharma-Con Anlagenbau und Consulting GmbH, Medizin-Pharma-Nahrung" in Schwetzingen (im Folgenden: GmbH), deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Kläger war, für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. März 2002 aus Bundesmitteln eine Zuwendung von bis zu 182.759 DM als zweckgebundene Anteilfinanzierung des Einstiegsprojekts "Entwicklung eines Multisterilisators". Der Zuwendungsbescheid, dem die Nebenbestimmungen zum Programm "INNOvationskompetenz mittelständischer Unternehmen" (NBI) als Bestandteil beigefügt waren, wurde am 20. März 2000 bestandskräftig. In der Folgezeit gelangten bis zum 30. September 2001 insgesamt 156.003 DM angeforderte Zuwendungsmittel zur Auszahlung an die GmbH. Im Februar 2002 erfuhr das Ministerium, dass die GmbH ihr Gewerbe im November 2001 abgemeldet hatte. Mit an die GmbH, vertreten durch den Kläger, gerichtetem Schreiben vom 25. März 2002 teilte das Ministerium daraufhin mit, dass es den Widerruf des Zuwendungsbescheides beabsichtige, weil die Vermutung bestehe, dass an dem geförderten Projekt nicht mehr gearbeitet werde; darüber hinaus wies es auf die Verpflichtung zur Vorlage eines Verwendungsnachweises (Nr. 8 NBI) hin. Hierauf teilte der Kläger mit Schreiben vom 15. April 2002 mit, dass er die GmbH durch notariellen Vertrag vom 28. November 2001 veräußert und das geförderte Vorhaben "persönlich übernommen" habe. Er habe ein neues Gewerbe in Herxheim angemeldet; die Arbeiten an dem Projekt ruhten und sollten ab dem 1. Mai 2002 weitergeführt werden. Unter dem 23. Mai 2002 bat der Kläger um Auskunft, ob "aus Fördersicht der Trägerwechsel (GmbH auf Einzelunternehmen) Auswirkungen" habe und er noch nicht abgerufene Zuwendungsmittel über sein Einzelunternehmen abrufen könne; zugleich kündigte er an, bis zum 15. Juni 2002 einen Verwendungsnachweis vorzulegen. Der zuständige Projektträger des Ministeriums teilte ihm daraufhin mit an die GmbH gerichtetem Schreiben vom 28. Mai 2002 mit, dass eine Weiterführung des Projekts durch eine neugegründete Einzelfirma nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2002 widerrief das Ministerium gegenüber dem Kläger unter dessen neuer Firma (Walter Wiedenmannott - Herxheimer Edelstahl) in Herxheim den Zuwendungsbescheid vom 9. März 2000 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 und forderte die Erstattung von 37.576,37 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. 2.149,46 Euro, insgesamt 39.761,83 Euro. Den Widerruf stützte das Ministerium auf § 49 Abs. 3 (Satz 1) Nr. 1 VwVfG; durch die Veräußerung des geförderten Unternehmens sei die nach der einschlägigen Förderrichtlinie vorausgesetzte mehr als fünfjährige Geschäftstätigkeit (des geförderten Unternehmens) entfallen und damit keine zweckentsprechende Mittelverwendung mehr gewährleistet. Im Rahmen des Ermessens würden die für den Zeitraum bis 31. Dezember 2000 ausgezahlten Mittel (82.510 DM) belassen und nur die übrigen Mittel (73.493 DM) zurückgefordert, da insoweit kein Verwendungsnachweis beigebracht worden sei. Das Erstattungsverlangen ergebe sich aus § 49 a Abs. 1 VwVfG, das Zinsverlangen aus § 49 a Abs. 3 VwVfG.

Die hiergegen im Wesentlichen mit der Begründung erhobene Klage, das Widerrufs- und Erstattungsverlangen hätte gegenüber der GmbH geltend gemacht werden müssen, hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 10. August 2004 abgewiesen. Die Widerrufsvoraussetzungen seien erfüllt, da entgegen der Auflage in Nr. 8 NBI zu dem Zuwendungsbescheid vom 9. März 2000 die zweckgemäße Verwendung der ausgezahlten Mittel nicht nachgewiesen worden sei; das Widerrufsermessen sei beanstandungsfrei ausgeübt worden, und die Erstattungs- sowie Verzinsungsvoraussetzungen seien ebenfalls erfüllt. Der Kläger sei auch richtiger Adressat des angefochtenen Bescheides. Es sei eine Ausnahme von dem Grundsatz geboten, dass der Widerrufs- und Rückforderungsbescheid regelmäßig an den Empfänger der Zuwendung zu richten ist. Denn der Kläger habe gegenüber dem Ministerium deutlich gemacht, dass er persönlich das mit der Zuwendung geförderte Projekt übernommen habe und fortsetzen wolle. Soweit er sich nunmehr darauf berufe, nach dem Verkauf der GmbH hiermit nichts mehr zu tun zu haben, verhalte er sich rechtsmissbräuchlich.

Mit der durch Beschluss des Senats vom 23. November 2006 (OVG 8 N 82.04) zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, der Zuwendungsbescheid hätte nur gegenüber der GmbH, der auch sämtliche Zuwendungsmittel zugeflossen seien, widerrufen werden dürfen, da sie Adressatin desselben gewesen sei. Er sei durch die Veräußerung der GmbH nicht Zuwendungsempfänger geworden. Als solcher könne er auch nicht nach Treu und Glauben allein aufgrund seiner Anfrage vom 23. Mai 2002 angesehen werden, zumal keine Übertragung der Forderungen aus dem Zuwendungsbescheid auf ihn erfolgt sei. Daher werde von ihm zu Unrecht die Erstattung verlangt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. August 2004 zu ändern und den Widerrufs- und Rückforderungsbescheid des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 26. Juni 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, der Kläger habe durch seine Schreiben vom 15. April 2002 und 23. Mai 2002 Erklärungen abgegeben, wonach er mit der Fortführung des Projekts auch die Haftung für die Zuwendung übernommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (zwei Hefte) Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind - soweit erforderlich - Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Widerrufs- und Rückforderungsbescheid des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 26. Juni 2002 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides folgt bereits daraus, dass es an einem Rechtsgrund dafür mangelt, den Kläger aus dem Zuwendungsrechtsverhältnis in Anspruch zu nehmen, welches durch den zugrunde liegenden Zuwendungsbescheid vom 9. März 2000 begründet worden ist. Der Kläger ist nicht der richtige Adressat des Widerrufs des Zuwendungsbescheides und des hierauf gründenden Erstattungsverlangens.

Der Widerruf in dem an den Kläger gerichteten Bescheid lässt sich nicht auf § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG stützen. Danach darf u.a. ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird oder wenn der Begünstigte eine mit dem Verwaltungsakt verbundene Auflage nicht erfüllt hat.

Zwar enthält die Vorschrift keine ausdrückliche Aussage darüber, wem gegenüber der Widerruf zu erfolgen hat; die Beantwortung dieser Frage ergibt sich indes eindeutig daraus, dass sich der nach § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG zulässige Widerruf auf den zugrunde liegenden Zuwendungsbescheid bezieht, weil er dessen Wirksamkeit beseitigen soll. Er stellt mithin den Gegenakt zu dem aufzuhebenden Zuwendungsbescheid dar. Daher muss der Widerruf regelmäßig an denjenigen gerichtet sein, der auch Adressat des zugrunde liegenden Zuwendungsbescheides ist (BVerwG, Urteil vom 26. August 1999, NVwZ-RR 2000, 196, 197; OVG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 12. August 1998, NJW 1998, 3513; OVG Magdeburg, Urteil vom 13. April 2000, NVwZ-RR 2001, 214). Denn durch den Zuwendungsbescheid, der gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG an denjenigen zu richten ist, für den er bestimmt ist, wird, wenn in dem Zuwendungsbescheid eine anderweitige Regelung nicht ausdrücklich getroffen wird, ein Zuwendungsrechtsverhältnis (nur) zwischen der Bewilligungsbehörde und dem Adressaten des Zuwendungsbescheides als Zuwendungsempfänger begründet.

Auf Grund des Zuwendungsbescheides vom 9. März 2000 ist für den Kläger kein zuwendungsrechtliche Rechte und Pflichten begründendes Zuwendungsrechtsverhältnis zu dem Ministerium zustande gekommen. Adressatin des Zuwendungsbescheides war vielmehr die GmbH, nicht der Kläger bzw. sein unter anderer Firma offenbar erst nach der Veräußerung der GmbH gegründetes Einzelunternehmen. Weder aus dem Zuwendungsbescheid noch aus sonstigen Umständen, etwa dem zugrunde liegenden Förderantrag, in dem ausdrücklich die GmbH als Antragstellerin bezeichnet wird, ergibt sich eine Einbeziehung des Klägers in das Zuwendungsrechtsverhältnis. Der Kläger trat hinsichtlich der GmbH lediglich als deren gesetzlicher Vertreter auf.

Hier liegt auch kein Fall einer Gesamtrechtsnachfolge vor, auf Grund derer der Kläger in vollem Umfang in die Rechte und Pflichten der GmbH als Zuwendungs-empfängerin eingetreten wäre (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 197, und Urteil vom 9. Dezember 2004, Buchholz 451.90 Sonstiges europäisches Recht Nr. 198). Er hat die GmbH vielmehr als deren damaliger Alleingesellschafter im November 2001 veräußert, wobei die GmbH ihre (juristische) Rechtspersönlichkeit - zunächst - ungeschmälert behalten hat.

Zwar kann ein Zuwendungsbescheid über den unmittelbaren Adressaten hinaus einen Dritten in einer Weise einbeziehen, dass auch dieser z.B. im Rahmen einer sog. "gestreckten" Zuwendung als Begünstigter anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 1999, a.a.O., S. 197 f.). Auch eine solche Regelung beinhaltet der Zuwendungsbescheid vom 9. März 2000 indes nicht. Er verpflichtet die GmbH nicht zur Weitergabe der Zuwendungsmittel und macht nicht zur Bedingung, dass sich der Kläger selbst den Bedingungen des Zuwendungsbescheides unterwirft (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 198).

Die Beklagte irrt, soweit sie annimmt, der Kläger habe durch seine Erklärungen vom 15. April und 23. Mai 2002 zur Fortführung des geförderten Projekts "die Haftung für die Zuwendung" übernommen, so dass es treuwidrig sei, wenn er dem Widerruf des Zuwendungsbescheides den Verkauf der GmbH entgegenhalte. Auch wenn der Kläger das geförderte Projekt im Zusammenhang mit der Veräußerung der GmbH aus deren Geschäftstätigkeit ausgegliedert und beabsichtigt hat, es weiterzuführen, folgt hieraus nicht, dass er damit zugleich die Rechte und Pflichten aus dem zwischen dem Ministerium und der GmbH begründeten Zuwendungsrechtsverhältnis einseitig übernehmen konnte. Die bloße Weitergabe einer dem Zuwendungsempfänger - hier: der GmbH - durch Verwaltungsakt gewährten Begünstigung - hier: des geförderten Projekts - an einen Dritten - hier: an den Kläger als früheren Gesellschafter der GmbH - macht diesen nicht zum Begünstigten des ursprünglichen Bescheides (BVerwG, a.a.O., S. 197). Eine Einbeziehung des Klägers in das durch den Zuwendungsbescheid vom 9. März 2000 begründete Zuwendungsrechtsverhältnis hätte daher und insbesondere mit Blick auf die sich hieraus ergebenden wechselseitigen Rechtspflichten unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG) eine ausdrückliche Regelung durch Verwaltungsakt erfordert (vgl. insofern OVG Frankfurt/Oder, a.a.O.). Nur unter dieser Voraussetzung wäre sowohl die Zweckbestimmung nachvollziehbar, an deren Verwirklichung er sich zur Meidung eines Widerrufs messen lassen müsste, als auch klar, welchen Auflagen er nachzukommen hätte (§ 49 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 VwVfG).

Da der Kläger nicht richtiger Adressat für den Widerruf des Zuwendungsbescheides vom 9. März 2000 ist, kann er auch nicht auf der Grundlage von § 49 a Abs. 1 und 3 VwVfG zur verzinslichen Erstattung der seit dem 11. April 2001 an die GmbH ausgezahlten Zuwendungsmittel herangezogen werden. Nach § 49 a Abs. 1 Satz 1 VwVfG sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit u.a. ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen worden ist; der zu erstattende Betrag ist nach den näheren Bestimmungen von § 49 a Abs. 3 VwVfG zu verzinsen. Hier aber erweist sich der Widerruf mit der Folge seiner Aufhebung als rechtswidrig, so dass die Erstattungs- und demzufolge die Verzinsungsvoraussetzungen nicht gegeben sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

Zurück