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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 11.08.2006
Aktenzeichen: OVG 8 S 50.06
Rechtsgebiete: BbgSchulG, VwGO


Vorschriften:

BbgSchulG § 9 Abs. 2
BbgSchulG § 9 Abs. 2 Satz 1
BbgSchulG § 106 Abs. 4
BbgSchulG § 106 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 114
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 S 50.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Fitzner-Steinmann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Burchards und den Richter am Verwaltungsgericht Kirkes am 11. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 23. Mai 2006 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig den Besuch der Grundschule in Feldberg im Schuljahr 2006/2007 zu gestatten.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiliger Anordnung, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihr im Schuljahr 2006/2007 den Besuch der örtlich nicht zuständigen Grundschule in Feldberg in Mecklenburg-Vorpommern zu ge- statten. Die beiden Geschwister der Antragstellerin sind dort ebenfalls eingeschult und werden im kommenden Schuljahr die Sekundarstufe I besuchen. Im Gegensatz zu der für die Antragstellerin örtlich zuständigen Grundschule in Boitzenburg bietet die Schule in Feldberg katholischen Religionsunterricht an, an dem die Antragstellerin teilnehmen möchte. Im Verwaltungsverfahren blieb die Antragstellerin mit ihrem im Wesentlichen auf die vorgenannten Umstände gestützten Begehren ohne Erfolg; der Antragsgegner verneinte das Vorliegen eines für die Gestattung nach § 106 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG erforderlichen wichtigen Grundes. Über die hiergegen erhobene Klage (12 K 477/06) hat das Verwaltungsgericht Potsdam noch nicht entschieden.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Mai 2006 abgelehnt. Ein wichtiger Grund für die Gestattung sei nicht glaubhaft gemacht. Die Geschwister der Antragstellerin würden im Schuljahr 2006/2007 nicht mehr die Grundschule in Feldberg, sondern dort die Sekundarstufe I besuchen. Nach summarischer Prüfung erscheine der von der Antragstellerin und ihren Eltern gewünschte Besuch des katholischen Religionsunterrichts, der an der angestrebten Grundschule in Feldberg offensichtlich möglich sei, nicht so gewichtig, dass er die begehrte Gestattung gebieten würde. In Brandenburg besitze der Religionsunterricht gemäß § 9 Abs. 2 BbgSchulG nicht den Status eines staatlich veranstalteten Unterrichtsfachs, sondern werde von den Kirchen und Religionsgemeinschaften in eigener Verantwortung eingerichtet und durchgeführt. Ein Schüler habe lediglich Anspruch darauf, dass ihm die Teilnahme an einem eingerichteten Religionsunterricht an der für ihn zuständigen Schule ermöglicht werde; im Falle der Antragstellerin dürfte die Einrichtung des Religionsunterrichtes allerdings an der geringen Zahl von Interessenten scheitern. Der Wunsch nach religiöser Erziehung müsse gegebenenfalls in der von der zuständigen Gemeinde angebotenen Form - im Falle der Antragstellerin in Gestalt eines nachmittäglichen Unterrichts in Templin - wahrgenommen werden. Das Interesse an der Teilnahme am Religionsunterricht innerhalb der Schulzeit überwiege das öffentliche Interesse an einer sinnvollen Verteilung der Schüler durch Schaffung von Schulbezirken nicht. Insbesondere folge daraus kein grundsätzlicher Anspruch auf Besuch einer Schule in einem anderen Bundesland, in dem der Religionsunterricht staatliches Unterrichtsfach sei.

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde macht die Antragstellerin neben Zweifeln an der Anwendbarkeit des § 106 Abs. 4 BbgSchulG auf den Fall einer Einschulung in einem anderen Bundesland allein geltend, die Abwägung, dass der Wunsch eines Schülers auf Teilnahme am konfessionellen Religionsunterricht hinter dem Interesse des Antragsgegners auf Beschulung der Schüler im zuständigen Schulbezirk zurücktreten müsse, sei unzutreffend. In ihrem Alter von sechs Jahren könne sie nicht darauf verwiesen werden, dass sie in der (von Boitzenburg) 20 km entfernten Stadt Templin nachmittags Religionsunterricht erhalten könnte. Dies ignoriere das schützenswerte Recht der freien Religionsausübung und der damit verbundenen religiösen Erziehung. Die Haltung des Antragsgegners führe zu einer faktischen Verwehrung des Religionsunterrichts.

Der Antragsgegner meint, die Beschwerde sei zu verwerfen. Sie genüge nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Die Beschwerdebegründung erschöpfe sich in der bloßen Wertung, das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich des Religionsunterrichts eine fehlerhafte Interessenabwägung vorgenommen. Außerdem habe die Antragstellerin nicht vorgetragen, dass das der Behörde in § 106 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG eingeräumte Ermessen auf Null reduziert sei. Nach der Kommentierung bei Redeker/von Oertzen (VwGO, 14. Auflage 2004, Rz. 22 zu § 146) dürfe sich eine Beschwerde aber nicht damit begnügen, die Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung darzustellen. Da mit einem erfolgreichen Angriff auf die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht automatisch dargelegt sei, warum dem Begehren des Beschwerdeführers Erfolg beschieden sein solle, müsse auch dies mit der Beschwerde dargelegt werden. Jedenfalls habe das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der Wunsch, am katholischen Schulunterricht teilzunehmen, keinen wichtigen Grund darstelle, der die begehrte Gestattung erlaube.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners genügt sie den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.

Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerde einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Bezugspunkt der Beschwerdebegründung ist damit die angefochtene Entscheidung; ihre Gründe geben den Inhalt der Beschwerdegründe vor (Happ in: Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, Rz. 22 zu § 146). Auf vom Verwaltungsgericht nicht angesprochene Gesichtspunkte muss die Beschwerde in der Regel nicht eingehen. Greift das Beschwerdevorbringen, das insoweit allein vom Beschwerdegericht zu prüfen ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), durch, ziehen also die mit der Beschwerde dargelegten Gründe die angefochtene Entscheidung in Zweifel, so untersucht das Beschwerdegericht in einem weiteren Schritt, ob die Beschwerde, gemessen an den in § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO genannten §§ 80 Abs. 5, 123 Abs. 1 VwGO, Erfolg hat. Bei der damit verbundenen Prüfung, ob der angefochtene Beschluss aus anderen als vom Verwaltungsgericht genannten Gründen, mithin im Ergebnis richtig ist oder nicht, ist das Beschwerdegericht an die vorgebrachten Gründe im Sinne vom § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht mehr gebunden. Dies ergibt sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des § 146 Abs. 4 VwGO in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung (OVG Berlin, Beschluss vom 12. April 2002, NVwZ 2002, Beilage I, 98, 99; so auch OVG Münster, Beschluss vom 18. März 2002, NVwZ 2002, 1390; Beschluss vom 8. Mai 2002, NVwZ-RR 2003, 50; VGH Kassel, Beschluss vom 3. Dezember 2002, NVwZ-RR 2003, 756, 757; VGH München, Beschluss vom 21. Mai 2003, NVwZ 2004, 251; Guckelberger in; Sodan/Ziekow VwGO, 2. Auflage 2006, Rz. 114 zu § 146; diferenzierend: Happ, a.a.O., Rz. 27; Meyer-Ladewig/Rudisile in: Schoch u.a., VwGO, Stand: April 2006, Rz. 15 zu § 146).

Danach war die Antragstellerin nicht im Hinblick auf § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gehalten, mit der Beschwerde auch darzulegen, dass das dem Antragsgegner in § 106 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG eingeräumte Ermessen auf Null reduziert ist. Das Verwaltungsgericht hat schon das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 106 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG verneint und sich mit Fragen der Rechtsfolge nicht befasst. Gewissermaßen vorsorgliche Darlegungen zu vom Verwaltungsgericht nicht erörterten Gesichtspunkten fordert indes § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, wie vorstehend dargelegt, nicht.

Die Beschwerde wird auch im Übrigen den genannten Darlegungsanforderungen noch gerecht. Die Beschwerdebegründung erschöpft sich nicht in der bloßen Wertung, das Verwaltungsgericht habe die Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin am Besuch des Religionsunterrichts während der Unterrichtszeiten und dem öffentlichen Interesse an der Lenkung der Schülerströme fehlerhaft vorgenommen. Die Antragstellerin hat vielmehr geltend gemacht, die Möglichkeit, nachmittags in Templin Religionsunterricht zu erhalten, stelle keinen adäquaten Ersatz für die Teilnahme am Religionsunterricht in der Schule dar und führe faktisch zu der Verwehrung einer Teilnahme am Religionsunterricht insgesamt. Damit setzt sie sich ausreichend mit den entsprechenden Passagen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auseinander. Die Beschränkung der Beschwerde auf diesen Punkt hat allerdings zur Folge, dass im Beschwerdeverfahren ein wichtiger Grund für die begehrte Gestattung nicht mehr aus dem Umstand hergeleitet werden kann, dass die Geschwister der Antragstellerin die Schule in Feldberg, wenn auch zukünftig in der Sekundarstufe I, besuchen (vgl. zur Frage, inwieweit der gemeinsame Besuch von Geschwisterkindern einen wichtigen - sozialen - Grund im Sinne von § 106 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG darstellen kann, den Beschluss des Senats vom 28. Juli 2005 - OVG 8 S 67.05/8 M 43.05 -, juris).

Die Beschwerde ist auch begründet. Mit dem genannten Vorbringen zieht sie den angefochtenen Beschluss ernsthaft in Frage. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Teilnahme am (katholischen) Religionsunterricht, der an der erstrebten Grundschule, nicht aber an der zuständigen Grundschule angeboten und beim Besuch der zuständigen Grundschule auch nicht sonst in zumutbarer Weise erlangt werden kann, stellt einen wichtigen Grund dafür dar, den Besuch der unzuständigen Grundschule zu gestatten.

Nach § 106 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG kann das staatliche Schulamt aus wichtigem Grund den Besuch einer anderen Schule gestatten, wenn die dortige Aufnahmekapazität nicht erschöpft ist. Letzteres ist hier nach der im Verwaltungsverfahren erklärten Einschulungszustimmung der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft nicht der Fall. Bei der Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "aus wichtigem Grund" sind die in § 106 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG aufgeführten Regelbeispiele (Erreichbarkeit der zuständigen Grundschule nur unter Schwierigkeiten, Erleichterung der Wahrnehmung einer Berufsausbildung, pädagogische sowie soziale Gründe) heranzuziehen. Dabei kommt dem Umstand erhebliche Bedeutung zu, dass die noch in der Fassung des Brandenburgischen Schulgesetzes vom 12. April 1996 (GVBl S. 102) den Regelbeispielen hinzugefügten einschränkenden Attribute "besondere" Schwierigkeiten, "erhebliche" pädagogische bzw. "gewichtige" soziale Gründe durch die Neufassung der Vorschrift im Rahmen des Zweiten Gesetzes zu Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes vom 1. Juni 2001 (GVBl S. 62) entfallen sind. Wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfes zu diesem Gesetz (LT-Drs. 32371, S. 71) ergibt, sollte mit der Streichung der genannten Attribute den Wünschen der Eltern, auf die Auswahl der zu besuchenden Schule auch jenseits von Härtefällen Einfluss zu nehmen, stärker entsprochen werden. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Zahl der Fälle, in denen ein beachtlicher individueller Grund vorliege, erheblich zunehmen und die maßgebliche Abwägung in einer erheblichen Zahl von Fällen zugunsten der Antragsteller ausfallen werde.

§ 9 Abs. 2 Satz 1 BbgSchulG räumt Kirchen und Religionsgemeinschaften das Recht ein, in eigener Verantwortung in allen Schulformen und Schulstufen in den Räumen der Schule Religionsunterricht zu erteilen. Hieran nehmen Schülerinnen und Schüler teil, die selbst bzw., wenn sie das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, deren Eltern eine dahingehende schriftliche Erklärung abgegeben haben (§ 9 Abs. 2 Sätze 5 und 6 BbgSchulG). Liegt eine solche Erklärung vor und weisen die Schülerinnen und Schüler den Besuch des Religionsunterrichts nach, so sind sie von der Teilnahme an dem Pflichtfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde befreit (§ 11 Abs. 3 Sätze 4 und 5 BbgSchulG). Diese Vorschriften gehen auf einen Vergleichsvorschlag zurück, den das Bundesverfassungsgericht zur einvernehmlichen Beilegung von Verfassungsbeschwerden gegen die seinerzeit geltenden Regelungen des Brandenburgischen Schulgesetzes über den Religionsunterricht und das Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religi-onskunde unterbreitet hat (Beschluss vom 11. Dezember 2001, BVerfGE 104, 305 = NVwZ 2002, 980). Mit diesen Regelungen soll sichergestellt sein, dass kein Schüler, der am Religionsunterricht teilnehmen kann und will und diesen Unterricht anstelle des Unterrichtsfachs Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde besuchen möchte, gegen seinen Willen am Unterricht in diesem Unterrichtsfach teilnehmen muss (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2002, BVerfGE 106, 210, 215).

Hieraus ergibt sich - ungeachtet des Umstandes, dass es der Antragstellerin nicht primär darum geht, die Teilnahme am Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde zu vermeiden -, dass der Realisierung des vom Antragsgegner grundsätzlich hinzunehmenden, auf einer entsprechenden sittlich-religiösen Überzeugung beruhenden ernsthaften Wunsches, den Religionsunterricht besuchen zu können, erhebliches Gewicht beikommt. Im Hinblick auf die vom brandenburgischen Gesetzgeber mit § 106 Abs. 4 Satz 3 Bbg SchulG in der geltenden Fassung bewusst angestrebten Erleichterung, den Vorstellungen von Schülern oder Eltern bei der Schulwahl entgegenkommen zu können, kann diesem Wunsch im Falle der Antragstellerin die Bedeutung eines wichtigen Grundes nicht abgesprochen werden. Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres Wunsches, am katholischen Religionsunterricht teilzunehmen, sind nicht ersichtlich. Bei Besuch der für sie zuständigen Grundschule in Boitzenburg lässt sich die Teilnahme am Religionsunterricht nicht verwirklichen. An dieser Grundschule wird ein solcher Unterricht nicht angeboten und es ist mangels ausreichender Interessenten (vgl. dazu § 9 Abs. 3 Satz 1 Bbg SchulG, § 7 Abs. 1 Satz 1 RUV) nicht damit zu rechnen, dass er eingerichtet wird. Die Teilnahme an dem von der Kirchengemeinde angebotenen nachmittäglichen Religionsunterricht in Templin, das vom Wohnort der Antragstellerin ca. 35 km und von Boitzenburg ca. 20 km entfernt ist, stellt für ein sechsjähriges Kind aufgrund der damit verbundenen Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der daraus entstehenden zeitlichen Belastung keinen zumutbaren Ersatz dar. Dies hat zur Folge, dass der Antragstellerin die Teilnahme an einem an den Grundsätzen ihrer Religionsgemeinschaft ausgerichteten Religionsunterricht aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sein wird.

Dem Begehren der Antragstellerin steht nicht entgegen, dass bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Gestattung nach § 106 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG im pflichtgemäßen Ermessen des Antragsgegners steht, das einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 VwGO nur eingeschränkt zugänglich ist (Beschluss des Senats vom 28. Juli 2005, a.a.O.). Allein das Vorliegen eines wichtigen Grundes reduziert den dem Antragsgegner eingeräumten Ermessensspielraum nicht dahin, dass einzig die Erteilung der begehrten Gestattung, eine andere als die örtlich zuständige Schule besuchen zu dürfen, rechtmäßig wäre. Anderseits spricht viel dafür, dass die Bejahung eines wichtigen Grundes den Ermessungsspielraum des Antragsgegners dahin einengt, dass nur gegenläufige öffentliche Interessen von vergleichbarem Gewicht bei der vorzunehmenden Interessenabwägung auf der Rechtsfolgenseite zur Versagung der begehrten Ge-stattung führen können (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 3. November 1998, LKV 1998, 466; Hanßen/Glöde, Brandenburgisches Schulgesetz, Stand: Januar 2006, Rzn. 23 f., 28 zu § 106 Bbg SchulG). Dies entspricht dem mit § 106 Abs. 4 Satz 3 BbgSchulG in der geltenden Fassung verfolgten gesetzgeberischen Konzept. Danach ist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eine Abwägung vorzunehmen, bei der im Einzelfall überwiegende Interessen der Allgemeinheit wie etwa der notwendige Erhalt eines Schulstandortes oder das Ziel, Klassen mit möglichst ausgeglichenen, jedenfalls aber innerhalb der vorgeschriebenen Band- breite liegenden Frequenzen zu bilden, zur Ablehnung von Gestattungsanträgen führen können (vgl. die bereits erwähnte Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes, a.a.O.). Es liegt auf der Hand, dass es sich bei den in der Begründung des Gesetzentwurfs beispielhaft aufgeführten Gründen, die eine Versagung der Gestattung zu rechtfertigen vermögen, um gewichtige Gründe handelt, die in ihrer Bedeutung dem wichtigen Grund, der für die Gestattung spricht, nicht nachstehen.

Dass derartige Umstände vorlägen, die bei einer im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmenden Abwägung zu Lasten der Antragstellerin Berücksichtigung finden könnten, hat der Antragsgegner jedoch - auch im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats am 8. August 2006 - nicht geltend gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass ohne die Antragstellerin der Schulstandort der zuständigen Grundschule mangels ausreichender Schülerzahl gefährdet oder die vorgeschriebene Klassenfrequenz unterschritten wäre. Erstinstanzlich hat die Antragstellerin vorgetragen, die voraussichtliche Klassenstärke der Schule in Boitzenburg werde 30 Schüler betragen; dem ist der Antragsgegner nicht entgegengetreten und hat auch in dem erwähnten Erörterungstermin abweichende Erkenntnisse nicht geltend gemacht. Damit bleibt das vom Verwaltungsgericht angeführte öffentliche Interesse an einer sinnvollen Verteilung der Schüler durch Schaffung von Schulbezirken gewahrt. Auf die Erhebung eines Schulkostenbeitrages für auswärtige Schüler hat die Gemeinde Feldberger Seenlandschaft in ihrer Einschulungszustimmung ausdrücklich verzichtet, so dass die Gestattung nicht mit einer dem Antragsgegner oder dem Land Brandenburg nachteiligen Kostenfolge verbunden ist. Es ist auch sichergestellt, dass die Antragstellerin die Schule in Feldberg täglich erreichen wird, da die Eltern der Antragstellerin deren Geschwister seit etwa vier Jahren mit dem eigenen PKW dorthin fahren und wieder abholen, ohne dass Unregelmäßigkeiten oder sonstiger Anlass zu Beanstandungen, soweit ersichtlich, aufgetreten wären.

Schließlich steht dem Erlass der begehrten Anordnung nicht entgegen, dass sie zumindest teilweise zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führt (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage 1998, Rz. 1186 m.w.N.). Der Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass sonst schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988, BVerfGE 79, 69, 75), und dass der Antragsteller mit seinem Begehren im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach Erfolg haben wird, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999, DVBl. 2000, 487, 488; Beschluss des Senats vom 28. Juli 2006 - OVG 8 S 53.06 -; Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rzn. 211 f., 247). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Wie bereits vorstehend dargelegt, ist zum derzeitigen Erkenntnisstand von einem Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen. Ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung ist für sie nach Lage der Dinge nicht zumutbar. Zwar kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie an der für sie zuständigen Grundschule ausreichenden und angemessenen Unterricht sowie die erforderliche Betreuung erhält. Aus den bereits dargelegten Gründen würde jedoch der Besuch der Grundschule in Boitzenburg dazu führen, dass der Antragstellerin für die Dauer des Hauptsacheverfahrens die Teilnahme am Religionsunterricht aus tatsächlichen Gründen nicht möglich wäre. Dieser Verlust könnte durch eine stattgebende Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht nachträglich rückgängig gemacht werden. Dies ist im Hinblick auf den hohen Rang, der dem Wunsch der Antragstellerin nach religiöser Unterrichtung beizumessen ist, nicht hinzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Verfahrensgegenstandes folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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