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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 24.11.2005
Aktenzeichen: OVG 9 N 100.05
Rechtsgebiete: VwGO, VwZG


Vorschriften:

VwGO § 58 Abs. 2
VwGO § 70 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwZG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 9 N 100.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube am 24. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam wird unter gleichzeitiger Ablehnung der Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem Verfahren OVG 9 N 101.05 abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 724.797,14 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Im Berufungszulassungsverfahren prüft das Oberverwaltungsgericht nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zunächst, ob innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils Zulassungsgründe der in § 124 Abs. 2 VwGO abschließend aufgezählten Art dargelegt sind. Darlegen im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO bedeutet, dass der Antragsteller sich auf einen oder mehrere Zulassungsgründe beruft und zudem näher erläutert, weshalb er den jeweiligen Grund im konkreten Fall für gegeben hält. Der Streitstoff muss so aufbereitet sein, dass die Begründung es dem Oberverwaltungsgericht ermöglicht, anhand der Ausführungen des Antragstellers und des angefochtenen Urteils zu erkennen, ob der geltend gemachte Zulassungsgrund vorliegt. Über die rein formale Seite der Erfüllung der Darlegungsanforderungen hinaus müssen die Ausführungen auf die Argumentation und Bewertungen des Verwaltungsgerichts auch im Sachlichen so weit eingehen, dass daraus eine jedenfalls im Wesentlichen stimmige Begründung für den geltend gemachten Zulassungsgrund abgeleitet werden kann. Von Amts wegen findet weder eine Prüfung statt, welche der in § 124 Abs. 2 VwGO angeführten Gründe einschlägig sein können, noch dazu, welche Überlegungen konkret das Vorliegen des behaupteten Grundes stützen können. Prüfungsansatz für das Gericht sind ausschließlich die diesbezüglichen, fristgerecht vorgebrachten Überlegungen des Antragstellers.

Hiernach kann nicht festgestellt werden, dass einer der von der Klägerin genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn mit der Begründung des Zulassungsantrages ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822). Das bedeutet eine Erläuterung, nach der das angefochtene Urteil nach seiner Begründung im Ergebnis keinen Bestand haben kann, mithin in der Regel der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung erstrebt wird, wahrscheinlicher ist als dessen Misserfolg. Erforderlich aber auch ausreichend ist die Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts; nicht verlangt werden kann eine weitergehende Auseinandersetzung mit tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der beabsichtigten Rechtsverfolgung, die das Verwaltungsgericht von seinem Rechts-standpunkt aus abzuhandeln keine Veranlassung hatte. Der Zulassungsgrund betrifft jedoch nur die Richtigkeit des Urteils im Ergebnis; stellt sich das Urteil im Ergebnis aus anderen Gründen als offensichtlich richtig dar, liegt der Zulassungsgrund auch bei ausreichender Darlegung seiner Voraussetzungen im Hinblick auf die Begründung des Verwaltungsgerichts nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 - NVwZ-RR 2004, 542).

Nach diesen Grundsätzen sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht damit dargetan, dass die Klägerin sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts wendet, die bei vier der noch im Streit befindlichen 25 Bescheide festgestellte fehlerhafte Zustellung sei nach § 9 Abs. 1 VwZG in der seinerzeit geltenden Fassung spätestens im Zeitpunkt der Zahlung der mit dem Bescheid festgesetzten Abgabe geheilt worden, weil diese Zahlung allein durch einen der Liquidatoren der Klägerin habe veranlasst werden können. Abgesehen davon, dass damit die Begründung des Verwaltungsgerichts nur im Hinblick auf die vier betroffenen Bescheide angegriffen wird, was allenfalls eine Teilzulassung des Rechtsmittels rechtfertigen könnte, ist die Überlegung des Verwaltungsgerichts, dass die Vornahme der Zahlung der festgesetzten Abgabe die Kenntnis des Bescheides voraussetzt und deshalb jedenfalls im Zeitpunkt der Veranlassung der Zahlung festgestellt werden kann, dass der Empfangsberechtigte das zuzustellende Schriftstück nachweislich erhalten hat, nicht zu beanstanden. Inwiefern nach solchermaßen erfolgter Heilung des Zustellungsmangels noch ein formeller Mangel hinsichtlich der Rechtsbehelfsbelehrung vorliegen soll, ergibt sich aus der Zulassungsbe-gründungsschrift nicht. Die Ausschlussfrist von einem Jahr nach §§ 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO gilt nur, soweit die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Hat der Empfangsberechtigte hingegen den Bescheid mit - was die Klägerin nicht substantiiert angreift - zutreffend erteilter Rechtsbehelfs-belehrung nachweislich erhalten, läuft die Rechtsbehelfsfrist jedenfalls ab diesem Zeitpunkt (vgl. Sadler, VwVG/VwZG, 4. Aufl., § 9 VwZG, Rn. 18). Der von der Klägerin ohne näheren Beleg aufgestellte Rechtssatz, eine mangelhafte Zustellung eines Bescheides habe stets zur Folge, dass eine Rechtsmittelfrist von einem Jahr gelte, existiert nicht. Eine mangelhafte Zustellung setzt vielmehr - nicht anders als eine gänzlich unterbliebene - eine Rechtsbehelfsfrist gar nicht in Lauf; ihr Lauf beginnt allerdings und sofort mit der Heilung des Zustellungsmangels.

Soweit sich die Klägerin auf die Zulassungsgründe der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) beruft, genügt ihr Vorbringen nicht den an diese Zulassungsgründe zu stellenden Darlegungsanforderungen. Die Klägerin knüpft ihr Vorbringen insoweit daran an, dass das Verwaltungsgericht die streitbefangenen Bescheide nicht für nichtig und an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidend beurteilt hat. Weiter führt sie aus, dass sich die grundsätzliche Bedeutung schon daraus ergebe, dass im Land Brandenburg das Brandenburgische Wassergesetz erst am 16. Juli 1994 und das Brandenburgische Abwasserabgabengesetz erst am 8. Februar 1996 in Kraft getreten seien und man gegebenfalls eine zulässige Rückwirkung annehmen könne, wenn das Gesetz erst in dem jeweiligen Jahr in Kraft trete, für das die Abgaben zu entrichten seien, eine Rückwirkung jedoch dann ausgeschlossen sei, wenn das Gesetz erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums in Kraft trete. Diese Ausführungen zeigen den notwendigen Bezug zur tragenden Begründung des angefochtenen Urteils nicht hinreichend auf. Sie führen auch nicht schlüssig auf eine rechtliche Fragestellung, auf die es in einem Berufungsverfahren ankäme und die über den Einzelfall hinaus zur Wahrung der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts klärungsbedürftig und -fähig wäre oder die sich als in dem Sinne besonders schwierig erweist, dass im Zulassungsverfahren nicht mit dem erforderlichen Grad der Überzeugungsbildung beurteilt werden kann, ob das angefochtene Urteil im Ergebnis richtig ist. Daran ändern auch die weiteren Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 22. November 2005 nichts. Soweit dieses nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangene Vorbringen im Sinne einer Vertiefung der bisher vorliegenden Antragsbegründung noch berücksichtigt werden kann, räumt es den Mangel, dass sich das Zulassungsvorbringen nicht mit der tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Rückwirkung auseinandersetzt, dass die Geltung des bundesrechtlichen Abwasserabgabengesetzes ab 1. Januar 1993 bereits durch den Einigungsver-trag geregelt war und der auf diesen Zeitpunkt rückwirkende Erlass des brandenburgischen Ausführungsgesetzes einer bundesrechtlichen Verpflichtung des Landes entsprach, nicht aus.

Erhebliche Bedeutung des vorliegenden Entscheidungsergebnisses und dazu führender rechtlicher Vorfragen für die Entscheidung eines anderen Rechtsstreits zwischen denselben Beteiligten begründet ebenfalls weder besondere rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache noch deren grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf diese rechtlichen Vorfragen; diese Merkmale müssen vielmehr hinsichtlich der rechtlichen Fragestellung im vorliegenden Verfahren gegeben sein, was für die Zulassung dargelegt werden muss, hier aber nicht dargelegt ist.

Von einer Verbindung dieses Verfahrens mit dem Zulassungsverfahren zum Geschäftszeichen OVG 9 N 101.05 hat der Senat abgesehen, weil sie im Zulassungsverfahren allgemein und im besonderen angesichts der unterschiedlichen Streitgegenstände beider Verfahren - hier: Anfechtung der Abwasserabgabebescheide, dort: Verrechnung hinsichtlich der damit festgesetzten erhöhten Abwasserabgabe - nicht sinnvoll ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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