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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: OVG 9 N 187.05
Rechtsgebiete: AGS, KAG


Vorschriften:

AGS § 2 Abs. 2 Satz 3
KAG § 4 Abs. 2
KAG § 6 Abs. 1 Satz 3
KAG § 6 Abs. 4 Satz 1
KAG § 6 Abs. 4 Satz 2
KAG § 6 Abs. 4 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 9 N 187.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube am 10. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. August 2005 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 153,39 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf die sich das Zulassungsvorbringen zunächst beruft, liegen vor, wenn mit der Begründung des Zulassungsantrages ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822). Das bedeutet eine Erläuterung, nach der das angefochtene Urteil nach seiner Begründung im Ergebnis keinen Bestand haben kann, mithin in der Regel der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung erstrebt wird, wahrscheinlicher ist als dessen Misserfolg. Erforderlich aber auch ausreichend ist die Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts; nicht verlangt werden kann eine weitergehende Auseinandersetzung mit tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der beabsichtigten Rechtsverfolgung, die das Verwaltungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus abzuhandeln keine Veranlassung hatte. Der Zulassungsgrund betrifft jedoch nur die Richtigkeit des Urteils im Ergebnis; stellt sich das Urteil im Ergebnis aus anderen Gründen als offensichtlich richtig dar, liegt der Zulassungsgrund auch bei ausreichender Darlegung seiner Voraussetzungen im Hinblick auf die Begründung des Verwaltungsgerichts nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 - NVwZ-RR 2004, 542).

Nach diesem Maßstab ist mit der Begründung des Zulassungsantrages der Zulassungsgrund nicht hinreichend dargelegt. Das Verwaltungsgericht begründet die Aufhebung der angefochtenen Grundgebührenbescheide im Wesentlichen damit, dass sich auf dem im Miteigentum zweier Eigentümer stehenden, ungeteilten Grundstück in B_____ zwei, von den Miteigentümern jeweils bewohnte Häuser befinden, deren Abwasser über eine gemeinsame Leitung über einen Grundstücksanschluss in das öffentliche Leitungsnetz eingeleitet wird, während ein weiterer, für das Haus des Klägers vorgesehener Grundstücksanschluss nicht mit der Abwasserleitung von dessen Haus verbunden ist und nicht genutzt wird. Für den genutzten Grundstücksanschluss sei von der anderen Miteigentümerin die volle Grundgebühr erhoben worden. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 der Abwassergebührensatzung (AGS) werde die Grundgebühr "je Grundstücksanschluss an die Abwasserentsorgungsanlage" erhoben. Da hier zwei Haushalte nur einen Grundstücksanschluss nutzten, werde die Vorhalteleistung der Abwasserentsorgungseinrichtung, die mit der Grundgebühr entgolten werde, zwar in Anspruch genommen, aber die Grundgebühr könne für den betroffenen Grundstücksanschluss nur einmal verlangt werden. Diese Begründung wird durch den Hinweis, "bereits aus diesem (unter 2 a der Zulassungsbegründungsschrift geschilderten, Erl. d. Senats) Sachverhalt" ergebe sich, dass zwei grundgebührenauslösende Anschlüsse "vorhanden" seien und "fortlaufend betrieben" würden, und sich die Fehlerhaftigkeit der Auffassung der Kammer nach Ansicht des Beklagten "aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes und dem Grund der Erhebung der Grundgebühr im vorliegenden Fall" ergebe, in ihrer Tragfähigkeit nicht erschüttert. Maßgeblich für die Begründung des angefochtenen Urteils ist nämlich der in der Satzung des Zweckverbandes gewählte Maßstab für die Verteilung der Grundgebühr, der an den Grundstücksanschluss anknüpft und damit - vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 3 Kommunalabgabengesetz - KAG - nur solche Grundstücksanschlüsse meinen kann, die mit einem Hausanschluss verbunden sind und über die eine Einleitung von Abwasser jederzeit erfolgen kann. Der Beklagte legt nicht dar, dass die Maßstabsregelung der Satzung für die Erhebung der Grundgebühr überwiegend wahrscheinlich in dem Sinne auszulegen wäre, dass mittelbar angeschlossene Nutzer der Einrichtung so zu behandeln wären, als ob sie über einen eigenen Grundstücksanschluss verfügten, ggf. im Zusammenspiel mit welchen Normen der Gebührensatzung oder der Abwasserbeseitigungssatzung eine solche Auslegung nicht nur denkbar, sondern auch so wahrscheinlich richtig ist, dass das angefochtene Urteil im Berufungsverfahren zu ändern wäre. Nicht ausreichend ist es insoweit, allein auf den Willen des Satzungsgebers abzustellen, den Grundgebührenmaßstab in diesem Sinne zu regeln. Ein entsprechender Wille muss vielmehr auch seinen Ausdruck im objektiven Regelungsgehalt der Maßstabsregelung oder jedenfalls in anderen Vorschriften der Gebühren- oder der Abwasserbeseitigungssatzung gefunden haben, in deren Lichte die Maßstabsregelung für ihren Regelungsgehalt zu betrachten ist. Der Beklagte beruft sich jedoch nicht einmal ansatzweise auf entsprechendes Satzungsrecht und legt eine Auslegung nicht schlüssig dar, die zu dem Ergebnis führt, dass der Kläger zu der Grundgebühr in den streitbefangenen Zeiträumen heranzuziehen war.

Der Beklagte vertritt vielmehr den Standpunkt, dass sich bereits aus § 6 Abs. 4 Satz 3 KAG ergebe, dass die Maßstabsregelung der Satzung nicht anders verstanden werden könne. Das ist unzutreffend. Die in Bezug genommene gesetzliche Regelung besagt in ihrem Kern lediglich, dass eine Grundgebühr zur Umlage der mit der Aufrechterhaltung der Leistungsbereitschaft verbundenen Kosten (sog. Vorhaltekosten) unabhängig vom Umfang der Inanspruchnahme der Leistung, d.h. nach einem von § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 KAG abweichenden Maßstab, erhoben werden darf. Für diese Maßstabsregelung enthält das Gesetz nur das Merkmal der Angemessenheit als spezielle Ausprägung des Äquivalenzprinzips, so dass der Maßstab so gewählt werden muss, dass die Grundgebühr selbst nicht außer Verhältnis zu der Inanspruchnahme der Vorhalteleistung stehen darf und im Übrigen die sich aus Grund- und Mengengebühr zusammensetzende Benutzungsgebühr nicht wesentlich nach einem Maßstab erhoben wird, der sich vom Umfang der Inanspruchnahme löst. Letzteres ist zu beachten, wenn die mit der eigentlichen Leistungserbringung verbundenen mengenabhängigen Kosten neben den mit der Leistungs-bereitschaft verbundenen Vorhaltekosten nur eine geringe Größe darstellen und mit der Grundgebühr - was zulässig ist - die gesamten Vorhaltekosten umgelegt werden sollen. In einem solchen Fall kann eine Grundgebühr nur dann angemessen und mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein, wenn die Maßstabsregelung den Umfang der Inanspruchnahme der Leistung hinreichend berücksichtigt (vgl. Urteil des Senats vom 1. Dezember 2005 - OVG 9 A 3.05 -). Die Regelung besagt damit ferner, dass eine Grundgebühr nur erhoben werden darf, wenn jedenfalls die Vorhalteleistung in Anspruch genommen wird. Denn die Maßstabsreglung für die Grundgebühr darf unabhängig vom Umfang der Inanspruchnahme, nicht aber unter Verzicht auf die Inanspruchnahme als solche erhoben werden; ein solcher Verzicht würde der Grundgebühr ihren Charakter als Entgeltgebühr für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage im Sinne des § 4 Abs. 2 KAG nehmen (vgl dazu bereits OVG Bbg, Urteil vom 27. März 2002 - 2 D 46/99.NE -). Ein weitergehender Gehalt, der im Zusammen-hang mit der Problematik des hier vorliegenden Sachverhalts fruchtbar gemacht werden könnte, kann der gesetzlichen Regelung nicht entnommen werden.

Es ist auch unzutreffend, dass mit der Sichtweise des Verwaltungsgerichts zwingend in die Grundlagen der Kalkulation des Grundgebührensatzes eingegriffen würde. Ob es zu einem solchen Eingriff kommt, hängt letztlich von der zutreffenden Auslegung der Maßstabsregelung der Gebührensatzung für die Grundgebühr ab, denn nach dem gewählten Maßstab entscheidet sich die Zahl der Maßstabseinheiten, auf die die angesetzten Vorhaltekosten verteilt werden können. Ist die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Auslegung richtig, wäre eine Kalkulation, die den Kläger (und vergleichbare Nutzungsverhältnisse) als grundgebührenpflichtige Maßstabseinheiten einbezieht, fehlerhaft und der Grundgebührensatz unter Verstoß gegen das (objektivrechtliche) Kosten-deckungsgebot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG zu niedrig bemessen, weil die Vorhaltekosten auf eine zu hohe Zahl von Maßstabseinheiten verteilt würde und sich dadurch ein zu niedriger Gebührensatz ergäbe. Allein der Hinweis auf Auswirkungen für die Gebührenkalkulation vermag das festgestellte Darlegungsdefizit der Zulassungsbegründungsschrift nicht auszufüllen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Satzungsregelung des § 2 Abs. 2 Satz 3 AGS nach dem vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Verständnis nicht nur den Maßstab, sondern auch die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Vorhalteleistung, für die die grundgebühr erhoben wird, betrifft. Ausgangspunkt der tatbestandsmäßigen Inanspruchnahme ist, dass ein (das) Grundstück, wie es im Sinne der Satzung zu definieren ist, über einen Anschluss an die Abwasserentsorgungsanlage verfügt. Käme es satzungsgemäß auf den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff an, wäre denkbar, dass auch bei Fallgestaltungen wie der vorliegenden, in denen sich zwei selbständige wirtschaftliche Einheiten auf einem Buchgrundstück befinden, die Grundgebühr für jede der Einheiten anfällt, weil beide (wirtschaftlichen) Grundstücke - das eine unmittelbar, das andere mittelbar - über einen Anschluss an die Abwasserentsorgung verfügen. Seitens der Beklagten wird aber nicht einmal ansatzweise etwas dazu vorgetragen, dass nach der Satzung auf den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff und infolgedessen auf zwei grundgebührenpflichtige Grundstücke abzustellen sei.

Auch der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht dargelegt. Allgemeiner Klärungsbedarf kann nicht damit dargelegt werden, dass eine Entscheidung des zuständigen Oberverwaltungsgerichts zu einem bestimmten Sachverhalt noch nicht vorliegt. Vielmehr muss mit der Begründung des Zulassungsantrages eine verallgemeinerungsfähige rechtliche oder tatsächliche Fragestellung herausgearbeitet werden, auf die es für die Entscheidung in dem angestrebten Berufungsverfahren ankäme. Das wird mit der Fragestellung, ob "in Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 3 KAG die Grundgebühr ... auch dann erhoben werden darf, wenn der vorhandene Grundstücksanschluss nicht, sondern ein anderer benachbarter Grundstücksanschluss für die Entwässerung des jeweiligen Grundstücks genutzt wird", nicht geleistet, weil es insoweit maßgeblich auf die Regelungen des einschlägigen Ortsrechts ankommen wird. So wie sie gestellt ist, ist die Frage im Übrigen bereits auf der Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung des zuständigen Oberverwaltungsgerichts ohne weiteres zu bejahen, allerdings mit dem Zusatz, dass der Satzungsgeber in Ausübung des ihm insoweit durch die Vorschrift belassenen satzungs-geberischen Ermessens eine Maßstabsregelung getroffen haben muss, nach der mittelbar angeschlossene Grundstücke oder wirtschaftliche Einheiten desselben Grundstücks auch als eigenständige Maßstabseinheiten erfasst werden. Wie der Beklagte richtig ausführt, wird nämlich die Vorhalteleistung auch durch mittelbar angeschlossene Grundstücke oder wirtschaftliche Einheiten desselben Grundstücks in Anspruch genommen; die Frage ist daher nur, worauf die Satzungsreglung für die Erhebung der Grundgebühr abstellt. Insofern könnte ein Berufungsverfahren wesentlich nur die Frage klären, ob das im Einzelfall einschlägige Satzungsrecht eine entsprechende Maßstabsregelung enthält, nicht aber, worauf das Zulassungsvorbringen maßgeblich abstellt, wie das Gesetz auszulegen ist. Insoweit ist aber schon nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht von einer abweichenden Auffassung zu § 6 Abs. 4 Satz 3 KAG ausgegangen wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3, 39 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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