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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 17.08.2005
Aktenzeichen: OVG 9 N 74.05
Rechtsgebiete: GG, VwGO, GO Bbg, BekanntmV


Vorschriften:

GG Art. 80
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
GO Bbg § 5 Abs. 3 S. 2
GO Bbg § 5 Abs. 4 S. 2
BekanntmV (F. 2000) § 4 Abs. 2 Nr. 4
Die bei einem Amtsblatt nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 BekanntmV 2000 vorgeschriebene Angabe der Bezugsmöglichkeiten und bedingungen erfordert es, sämtliche Vertriebswege des Amtsblatt zu nennen.

Verstöße gegen Verfahrens- und Formvorschriften bei der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen sind nach § 5 Abs. 4 Satz 2 GO stets beachtlich (Fortführung der Rechtsprechung des fr. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 19. August 1999 2 D 17/98. NE -)


OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 9 N 74.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht und dem Richter am Oberverwaltungsgericht und der Richterin am Oberverwaltungsgericht am 17. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 28. Oktober 2003 wird abgelehnt.

Beklagte die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 66,30 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Im Berufungszulassungsverfahren prüft das Oberverwaltungsgericht nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zunächst, ob innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils Zulassungsgründe der in § 124 Abs. 2 VwGO abschließend aufgezählten Art dargelegt sind. Darlegen im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO bedeutet, dass der Antragsteller sich auf einen oder mehrere Zulassungsgründe beruft und zudem näher erläutert, weshalb er den jeweiligen Grund im konkreten Fall für gegeben hält. Der Streitstoff muss so aufbereitet sein, dass die Begründung es dem Oberverwaltungsgericht ermöglicht, anhand der Ausführungen des Antragstellers und des angefochtenen Urteils zu erkennen, ob der geltend gemachte Zulassungsgrund vorliegt. Über die rein formale Seite der Erfüllung der Darlegungsanforderungen hinaus müssen die Ausführungen auf die Argumentation und Bewertungen des Verwaltungsgerichts auch im Sachlichen so weit eingehen, dass daraus eine jedenfalls im Wesentlichen stimmige Begründung für den geltend gemachten Zulassungsgrund abgeleitet werden kann. Von Amts wegen findet weder eine Prüfung statt, welche der in § 124 Abs. 2 VwGO angeführten Gründe einschlägig sein können, noch dazu, welche Überlegungen konkret das Vorliegen des behaupteten Grundes stützen können. Prüfungsansatz für das Gericht sind ausschließlich die diesbezüglichen Überlegungen des Antragstellers.

Hiernach ist das Vorliegen der herangezogenen Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht hinreichend dargelegt.

Soweit die Beklagte das Zulassungsbegehren unter Berufung auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel darauf stützt, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht nicht als verfristet abgewiesen habe, ergibt sich weder aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch aus den Akten für den diesbezüglichen Vortrag ein hinreichender Anhalt. Es trifft nicht zu, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2003 mit Postzustellungsurkunde erfolgt wäre. Sie ist vielmehr nach der lediglich in Kopie bei den Akten befindlichen Unterlage am 21. Mai 2003 durch Einschreiben mit Rückschein bewirkt worden, weshalb die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, die Klageerhebung am 20. Juni 2003 hätte die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 VwGO gewahrt, nicht als fehlerhaft angesehen werden kann. Der Senat braucht angesichts dessen der Frage der Fristwahrung auch nicht näher nachzugehen, da die Zulassungsbegründung (dort S. 2 bis 4) insoweit keine substantiierten Ausführungen dazu enthält, unter welchem Datum die Klagefrist in Lauf gesetzt wurde und weshalb der Kläger sie nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen mit dem Eingang seiner Klage bei Gericht am 20. Juni 2003 nicht gewahrt haben sollte. Allein die - schon dem Gesetz zu entnehmende - Angabe, dass die Klagefrist mit der Zustellung (des Widerspruchsbescheides) in Lauf gesetzt wird, vermag eine Darlegung zu den maßgeblichen Zeitpunkten und einer etwaigen Fristversäumung in der Zulassungsbegründung nicht zu ersetzen.

Soweit der Beklagte unter dem Gesichtspunkt ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils die Auffassung des Verwaltungsgerichts beanstandet, es liege ein Bekanntmachungsfehler hinsichtlich der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Satzung vor, weil das Amtsblatt, in dem die Bekanntmachung erfolgt ist, in seinem Impressum die Bezugsmöglichkeiten entgegen § 4 Abs. 2 Nr. 4 der Bekanntmachungsverordnung vom 1. Dezember 2000 - BekanntmV - (GVBl. II S. 435) nicht umfassend angebe, da der regelmäßige Verbreitungsweg als kostenlose Beilage der Ausgaben einer Tageszeitung nicht genannt sei, so erschöpft sich dieses Vorbringen letztlich in bloßer Kritik der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen rechtlichen Würdigung, wenn es in der Zulassungsbegründungsschrift heißt, die Auffassung sei "falsch" (S. 4) und "berühre den Randbereich des Absurden" (S. 5). Solche Ausführungen sind grundsätzlich ungeeignet, um das Vorliegen des Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen. Sie geben nämlich nur die abweichende rechtliche Beurteilung der betreffenden Frage durch den Zulassungsantragsteller wieder, zeigen aber nicht ohne weiteres einen Rechtsanwendungsfehler des Verwaltungsgerichts auf, der im Berufungsverfahren zu einer Änderung des Urteils führen müsste. Die weiteren zur Darlegung des Zulassungsgrundes gemachten Ausführungen des Beklagten sind hierfür nicht hinreichend. Sie decken sich schon im Ansatz nicht mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wenn die Beklagte davon ausgeht, das Verwaltungsgericht hätte hier den Hinweis ("Es wird durch Verteilung in den Haushalten vertrieben", S. 5 der Zulassungsbegründungsschrift) vermisst, denn das Verwaltungsgericht ging auf der Grundlage von Auskünften der Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung davon aus, der regelmäßige Verteilungsweg sei die kostenlose Beilage in einer bestimmten Tageszeitung. Insofern verfehlen die weiteren Ausführungen dazu, es gehe um die Information über einen Vertriebsweg, der dem interessierten Betroffenen keine erleichterte Bezugsmöglichkeit eröffne, weil er darauf keinen Einfluss habe, an der Sache vorbei. Ebenfalls unzureichend zur Darlegung von Richtigkeitszweifeln im Sinne des Zulassungsgrundes sind die Ausführungen dazu, warum die Bekanntmachungsverordnung - unterstellt sie hätte den vom Verwaltungsgericht angenommenen Inhalt - wegen Überschreitung der Grenzen der gesetzlichen Verordnungsermächtigung nichtig sein solle, weil sie sich mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und derjenigen der Fachgerichte zu den Anforderungen an die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu umreißende Bestimmtheit der Ermächtigung und den Grundlagen zur Auslegung von Verordnungsermächtigungen in keiner Weise auseinandersetzt (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschlüsse vom 20. Oktober 1981 - 1 BvR 640/80 - BVerfGE 58, 257 <277 f.> sowie vom 25. November 1980 - 2 BvL 7/76 u.a. - BVerfGE 55, 207 <225 f.>; ferner BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1991 - 3 C 45.90 - BVerwGE 89,121 <131 f.>), sondern sich wiederum letztlich in der nicht näher begründeten Ansicht erschöpft, die Ermächtigung zum Erlass der Bekanntmachungsverordnung in § 5 Abs. 3 Satz 2 der Gemeindeordnung - GO - sei zu weit gefasst, lasse jedenfalls ein Verständnis der Regelung in § 4 Abs. 2 Nr. 4 BekanntmV, wie es das Verwaltungsgericht zugrunde lege, nicht zu.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat die Rechtssache, wenn der Zulassungsantragsteller eine Rechts- oder Tatsachenfrage bezeichnet, deren Beantwortung über den jeweiligen Einzelfall hinaus verallgemeinerungsfähig ist und die in dem angestrebten Berufungsverfahren zu Wahrung der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsfähig und -bedürftig wäre. Bereits daran fehlt es hier. Die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage, ob der Herausgeber des Amtsblatts über die flächenweite Verteilung, auf die der Interessierte keinen Einfluss hat, informieren muss, würde sich ausgehend von den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in einem Berufungsverfahren nicht stellen, weil es sich bei dem Verbreitungsweg, dessen Nichtangabe das Verwaltungsgericht beanstandet hat, nicht um einen solchen im Sinne der Grundsatzfrage handelt, denn es obliegt grundsätzlich der Initiative des interessierten Bürgers, sich die betreffende Tageszeitung zu halten und auf entsprechende Beilagen zu prüfen.

Darüber hinaus hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sich die aufgeworfene Frage, soweit sie einer generellen Beantwortung zugänglich ist, ohne weiteres aufgrund der maßgebenden Normen unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung beantworten lässt (vgl. etwa OVG Bbg, Beschluss vom 27. Oktober 2004 - 2 A 314/04.Z - S. 3 m.w.N.). Auch das dürfte bei der gestellten Frage der Fall sein, wenn man ihre Erheblichkeit unterstellt. Nach der Rechtsprechung des bisher zuständigen Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg zur BekanntmV 1994, der auch der erkennende Senat folgt, ist in Ansehung des vom Verordnungsgeber gezielt formalisiert ausgestalteten Bekanntmachungsverfahrens, das einerseits die betroffenen Kommunen binden, andererseits den Bürger grundsätzlich davon entlasten soll, die Vorschriften der BekanntmV 1994 abweichend von ihrem Wortlaut auszulegen, regelmäßig jede Abweichung von den zur Ausfüllung des Bekanntmachungserfordernisses erlassenen Vorschriften der Bekanntmachungsverordnung beachtlich mit der Folge, dass es an der Bekanntmachung als Gültigkeitsvoraussetzung der Satzung fehlt (vgl. Beschluss vom 7. Oktober 2004 - 2 A 92/03.Z - S. 4 des Beschlussabdrucks). Da mit diesen Ausführungen keine Besonderheiten der früher geltenden BekanntmV 1994 beschrieben werden, sondern ein allgemeiner Grundsatz für das Verständnis der Regelungen der Bekanntmachungsverordnung aufgestellt wird, gelten sie auch in Ansehung der nunmehr maßgeblichen BekanntmV, die mit gleicher Zielrichtung erlassen wurde. Wenn demnach der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 4 BekanntmV die Angabe der Bezugsmöglichkeiten und -bedingungen erfordert, so kann dies nur umfassend dahin verstanden werden, dass sämtliche Bezugswege anzugeben sind. Die Vorschrift kann wegen des verwendeten Plurals "Bezugsmöglichkeiten" weder dahin verstanden werden, dass nur eine oder einige von mehreren Bezugsmöglichkeiten anzugeben sind, noch enthält sie eine Einschränkung dahin, dass Verteilungswege, auf die der Interessierte keinen Einfluss hat, ausgenommen werden könnten. Deren Angabe spielt namentlich für Bürger, die sich neu in einer Gemeinde ansiedeln, eine Rolle, weil sie ihr entnehmen können, auf welche Weise das Publikationsorgan verbreitet wird und daraus ableiten können, ob und gegebenfalls was sie unternehmen müssen, um sich die Kenntnis von zukünftig erlassenem Ortsrecht zu verschaffen. Insofern bedarf es insbesondere der Angabe, dass eine kostenlose Verteilung an die Haushalte erfolgt, wenn das Amtsblatt in dieser Weise verbreitet wird. Ebenso wäre jede andere Bezugsmöglichkeit anzugeben, also auch wenn das Amtsblatt - wie hier - einer bestimmten Tageszeitung als kostenlose Beilage beigefügt wird. Die gesetzliche Ermächtigung in § 5 Abs. 3 Satz 2 GO für die Bekanntmachungsverordnung steht einem solchen Gehalt des § 4 Abs. 2 Nr. 4 BekanntmV nicht entgegen. Sie ermächtigt vorbehaltlich hierüber vorhandener anderweitiger gesetzlicher Bestimmungen zu bestimmen, welche Verfahrens- und Formvorschriften bei der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen und sonstigen ortsrechtlichen Bestimmungen einzuhalten sind. Damit ist ein klares Regelungsprogramm umrissen, das überdies keinen belastenden Eingriff gegenüber dem Bürger zum Gegenstand hat, sondern sich an Gemeinden, Ämter und Landkreise richtet und lediglich Verfahren und Form einheitlich regelt. Der mit entsprechenden Regelungen etwa verbundene Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung ist jedenfalls bezogen auf die hier in Rede stehende Regelung und das Erfordernis der Angabe sämtlicher Bezugsmöglichkeiten von geringem Gewicht und keinesfalls unverhältnismäßig, denn diese Angaben sind ohne weiteres möglich und dienen dem legitimen Zweck, dem Bürger die Kenntnisnahme vom einschlägigen Ortsrecht möglichst zu erleichtern. Insofern ist der Verordnungsgeber auch frei, über sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 2 Abs. 1 BbgVerf) ergebende Mindesterfordernisse an die Bekanntmachung hinaus Regelungen zu treffen, die dann als verbindliche Vorgaben zu beachten sind und bei denen Verstöße ohne Rücksicht darauf, dass es gemessen an jenen Mindesterfordernissen aus dem Rechtsstaatsprinzip zur Schaffung gültiger Satzungen dieser Verfahrens- oder Formvorschrift nicht bedurft hätte, zur Ungültigkeit des fehlerhaft bekannt gemachten Satzungsrechts führen, wenn nicht Heilungsvorschriften etwas anderes anordnen, was allerdings in Ansehung des § 5 Abs. 4 Satz 2 GO bei Bekanntmachungsfehlern gerade nicht der Fall ist (vgl. hierzu grundlegend OVG Bbg, Urteil vom 19. August 1999 - 2 D 17/98.NE - S. 22 f. des Abdrucks, MittStGB Bbg. 1999, 465).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 und Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (i.F.: GKG a.F.), das hier noch in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung anzuwenden ist (vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004. BGBl. I S. 718).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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