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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: OVG 9 S 16.07
Rechtsgebiete: VwGO, BekanntmV, GO


Vorschriften:

VwGO § 146
VwGO § 147
BekanntmV § 1 Abs. 3
BekanntmV § 4 Abs. 1 Satz 6
GO § 5 Abs. 3
GO § 5 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 9 S 16.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Burchards und die Richterin am Finanzgericht Sander-Hellwig am 9. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 28. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 666,99 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die nach §§ 146, 147 VwGO eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Die von dem Antragsgegner vorgebrachten Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern. Sie stellen die Richtigkeit der Überzeugung des Verwaltungsgerichts, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides vom 18. November 2004 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12. April und 16. Juni 2005 bestehen, nicht schlüssig in Frage.

Das Verwaltungsgericht hat seine Ansicht darauf gestützt, dass es den streitgegenständlichen Bescheiden an einer wirksamen satzungsrechtlichen Rechtsgrundlage fehle, weil die Straßenausbaubeitragssatzungen vom 4. November 2004 (SABS 2004) i.d.F. der Nachtragssatzung vom 6. Januar 2005 und vom 17. April 1997 (SABS 1997) mangels wirksamer Hauptsatzung nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden seien. Mit der Beschwerdebegründung macht der Antragsgegner geltend, dass - entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - die Gemeindevertretung S_____ am 27. Oktober 2005 die Hauptsatzung vom 22. Dezember 1993 (HS 2005) mit vier Nachträgen erneut beschlossen habe und die nachfolgende Ausfertigung sowie Bekanntmachung mit diesem Beschluss übereinstimme. Zu der von dem Verwaltungsgericht offen gelassenen Frage, ob eine rückwirkend in Kraft gesetzte Hauptsatzung Grundlage für vor ihrer eigenen Veröffentlichung erfolgte Bekanntmachungen sein könne, vertritt der Antragsgegner die Ansicht, dass durch die Rückwirkungsanordnung der HS 2005 und ihrer Nachträge "sämtliches Ortsrecht wieder eine Rechtsgrundlage" erhalten habe.

Die jedenfalls als neues Vorbringen zu berücksichtigende Beschwerdebegründung bleibt ohne Erfolg. Hierbei kann offen bleiben, ob die HS 2005 und ihre Nachträge mit ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt vom 3. November 2005 Wirksamkeit erlangten. Denn die Straßenausbaubeitragssatzungen wurden vor dem 3. November 2005 - und zwar nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts am 11. November 2004 (SABS 2004), 10. Februar 2005 (Nachtrag zur SABS 2004) und 17. Juli 1997 (SABS 1997) - veröffentlicht. Eine noch nicht bekannt gemachte Hauptsatzung kann indes nicht Grundlage für die Bekanntmachung von Ortsrecht sein.

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners gilt nichts anderes, wenn sich die Hauptsatzung Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung des übrigen Ortsrechts beimisst (offen gelassen: OVG Bbg, Beschluss vom 30. September 2003 - 2 B 165.03 -), wie dies bei der HS 2005 und ihren Nachträgen (nur) hinsichtlich der SABS 2004 und ihrem Nachtrag vollständig der Fall ist. Denn der Normadressat wird erst durch die Bekanntmachungsregelung der Hauptsatzung in die Lage versetzt, entsprechend dem Rechtsstaatsprinzip (s. hierzu zuletzt: BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - 9 B 6.06 -, zitiert nach juris) in verlässlicher, nicht unzumutbar erschwerter Weise von dem Satzungsrecht Kenntnis zu nehmen. Dies folgt insbesondere daraus, dass gemäß § 4 Abs. 1 Satz 6 BekanntmV das amtliche Bekanntmachungsblatt durch die Hauptsatzung namentlich bezeichnet wird und - bei Wahl einer anderen Bekanntmachungsform - erst die Hauptsatzung die nach § 1 Abs. 3 BekanntmV zum Auffinden des Satzungsrechts erforderlichen Bestimmungen trifft.

Gleichfalls unerheblich ist, dass die HS 2005 und ihre Nachträge nach dem Beschluss der Gemeindevertretung vom 27. Oktober 2005 inhaltsgleich mit der Hauptsatzung vom 22. Dezember 1993 und deren Änderungen sein sollen. Denn der Antragsteller konnte nach der von dem Antragsgegner nicht in Frage gestellten und deshalb nicht zu prüfenden Ansicht des Verwaltungsgerichts von diesen Vorgängersatzungen nicht in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen, weil ihre Bekanntmachung nicht dem rechtsstaatlichen Publizitätsgebot entsprach. Zudem würden die Anforderungen an eine wirksame Veröffentlichung von Ortsrecht umgangen, wenn der Zeitpunkt der Bekanntmachung durch eine Rückwirkungsanordnung in der Hauptsatzung vorverlegt und damit eine unwirksame Bekanntmachung Wirksamkeit erlangen könnte. Ein nach den konkreten Umständen unwirksamer Publikationsakt bleibt ungültig und kann entgegen teilweise vertretener anderer Ansicht (vgl. OVG NW, Urteil vom 30. Juni 1975 - II A 1105/73-, zitiert nach juris) nicht nach Grundsätzen des Ausschlusses von Vertrauensschutz bei rückwirkenden Abgabensatzungen durch rückwirkende Anpassung des Ortsrechts zur Bekanntmachung gleichsam aufleben ( so schon zur Bekanntmachungsregelung einer Zweckverbandssatzung OVG Bbg, Beschluss vom 15. April 2002 - 2 B 363/o1.Z -). Nach Sinn und Zweck der Vorschriften des § 5 Abs. 3 u. 4 GO (vgl. dazu auch VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 22. Juli 2004 - 8 L 308/04 -, zitiert nach juris) sowie schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine neue (gültige) Bekanntmachung erforderlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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