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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 20.10.2009
Aktenzeichen: OVG 9 S 16.09
Rechtsgebiete: VwGO, VwVfGBbg, GO, BbgKVerf


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 3 Satz 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
VwVfGBbg § 43 Abs. 1
GO § 15
BbgKVerf § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 9 S 16.09

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Leithoff und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Marenbach und Dr. Beck am 20. Oktober 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragstellerinnen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1 250,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen begehren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine Trinkwasser-Hausanschlussverfügung vom 4. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2007. Der Antragsgegner hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des verfügten Anschlusszwangs u. a. wie folgt begründet:

"Seine Festlegung ist aus dringendem öffentlichen Interesse abzuleiten und dient dazu, die Aufwendungen, die zur Sicherung der Volksgesundheit (Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung) erforderlich sind, auf die Nutzer abzuwälzen, wie es das kommunale Abgabengesetz fordert."

Das Verwaltungsgericht hat ihren Eilantrag mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 abgelehnt. Der Beschluss ist den Antragstellerinnen am 29. Dezember 2008 zugegangen. Hiergegen haben sie am 12. Januar 2009 Beschwerde erhoben und diese am 29. Januar 2009 begründet. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Eilantrag der Antragstellerin zu 2. unzulässig sei. Diese sei nicht antragsbefugt, weil es nicht möglich erscheine, dass die Anschlussverfügung ihre Rechte berühre. Die Anschlussverfügung sei der Antragstellerin zu 2. nämlich nicht wirksam bekannt gegeben worden. Der Antrag der Antragstellerin zu 1. sei zwar zulässig, aber unbegründet, da sich die Anschlussverfügung nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweise und ein besonders öffentliches Interesse für den sofortigen Vollzug vorliege.

II.

Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe, an die die Prüfung im Beschwerdeverfahren anknüpft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben im Ergebnis keinen Anlass zu einer anderen Bewertung.

Die Antragstellerinnen stellen nicht in Abrede, dass der Antragstellerin zu 2. weder die Anschlussverfügung noch der Widerspruchsbescheid bekannt gegeben worden sind. Die fehlende Bekanntgabe hat indes zur Folge, dass der Verwaltungsakt gegenüber der Antragstellerin zu 2. nicht wirksam geworden ist (§ 43 Abs. 1 VwVfGBbg) und damit ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mangels Existenz eines vollziehbaren Verwaltungsakts unzulässig ist. Dass ein Verwaltungsakt, der mehrere Personen betrifft, bereits objektiv existent ist, wenn er auch nur gegenüber einer Person bekannt gemacht worden ist (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 42 Rdnr. 4), ändert daran nichts. Die Wirksamkeit dem einzelnen Betroffenen gegenüber setzt auch in einem solchen Fall die individuelle Bekanntgabe des Verwaltungsakts an ihn voraus (vgl. Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Oktober 2008, § 42 Abs. 1 Rdnr. 20). Ein dennoch eingelegter Rechtsbehelf kann nur durch die Nachholung der Bekanntgabe an den Rechtsbehelfsführer zulässig werden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2009, § 42 Rdnr. 4). Das ist vorliegend nicht geschehen. Vor diesem Hintergrund wäre vorläufiger Rechtsschutz allenfalls im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu erreichen, soweit der Antragstellerin zu 2. selbst eine unmittelbare Vollziehung der Anschlussverfügung drohen würde. Hierfür bestehen jedoch keine substantiierten Anhaltspunkte.

Soweit die Beschwerde rügt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage schon wegen der unzureichenden Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung wiederherzustellen sei, ist ihr nicht zu folgen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt eine gesonderte Begründung für die Vollziehungsanordnung, die das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung deutlich macht. Erleichterungen für die Begründungspflicht ergeben sich dabei hinsichtlich solcher Verwaltungsakte, die wie die vorliegende Anschlussverfügung in bestimmten Situationen standardmäßig ergehen. Sind bei diesen die Gründe der Anordnung der sofortigen Vollziehung regelmäßig identisch, kann § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO auch durch ein Formblatt genügt sein. Vorliegend hat der Antragsgegner das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung gesondert begründet und damit zu erkennen gegeben, dass er sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war. Damit genügt die Begründung den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Ob die Erwägungen des Antragsgegners auch inhaltlich zutreffen, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

Schließlich ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Anschlussverfügung in Zweifel zu ziehen. Anders als die Beschwerde meint, ist die Anschlussverfügung weder ermessensfehlerhaft noch verletzt sie das grundrechtlich geschützte Eigentum. Die Beschwerde verkennt die Bedeutung des in § 15 Abs. 1 GO (nunmehr § 12 BbgKVerf) i.V.m. § 5 der Wasserversorgungssatzung des Antragsgegners angeordneten Anschlusszwangs für Grundstückseigentümer, der nach seiner konkreten satzungsmäßigen Ausgestaltung für ein Ermessen der Behörde bei Erlass einer Anschlussverfügung keinen Raum lässt. Eine Befreiung vom Anschlusszwang ist danach nur möglich, soweit der Anschluss nach § 6 der Wasserversorgungssatzung eine unzumutbare Härte darstellt. Für Letzteres trägt die Beschwerde nichts vor. Der Hinweis auf einen geringen Trinkwasserbedarf und die fehlende Gefährdung für die Volksgesundheit lässt die Anschlussverfügung nicht im Sinne einer unzumutbaren Härte unverhältnismäßig erscheinen. Ist ein Anschlusszwang für die öffentliche Trinkwasserversorgung aus Gründen der Volksgesundheit normiert, kommt es angesichts des abstrakten Charakters dieses Rechtsgutes für die Rechtmäßigkeit der Anschlussverfügung nicht darauf an, ob von einem einzelnen Grundstück eine unmittelbare Gefahr ausgeht. Die durch den Anschlusszwang entstehende finanzielle Belastung ist ebenfalls nicht allein im Verhältnis zu dem konkret zu erwartenden Wasserverbrauch, sondern im Verhältnis zur abstrakten Ausnutzbarkeit des Grundstücks zu sehen. So gesehen ist der Anschlusszwang Ausdruck der Sozialbindung des Grundstückseigentums, den die Anschlussverpflichteten im Interesse des Allgemeinwohls hinzunehmen haben. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg geklärt, dass die Anordnung und Durchsetzung des Anschlusszwangs mit den in der Landesverfassung gewährleisteten Grundrechten vereinbar ist und insbesondere eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art 41 Abs. 1 Satz 2 BbgVerf darstellt (Beschluss vom 20. April 2006 - VfGBbg 5/06 -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 , § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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