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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 19.02.2007
Aktenzeichen: OVG 9 S 28.06
Rechtsgebiete: VwGO, KAG, BbgStrG, BGB


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 147
VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt.
KAG § 8
KAG § 8 Abs. 2 Satz 2
BbgStrG § 16
BGB § 738 Abs. 1 Satz 1
BGB § 891
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 9 S 28.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Burchards, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube und die Richterin am Finanzgericht Sander-Hellwig am 19. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. Mai 2006 geändert: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 31. Oktober 2002 gegen den "berichtigenden Beitragsbescheid über den Straßenausbaubeitrag" vom 2. Oktober 2002 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.892,37 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die nach §§ 146 Abs. 1 und 4, 147 VwGO eingelegte Beschwerde ist begründet. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Beschwerdegründe stellen die Ergebnisrichtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts schlüssig in Frage.

Der Antragsteller hat dargelegt, dass der nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung "des Widerspruchs ... vom 31.10.2002 gegen den berichtigenden Beitragsbescheid über den Straßenausbaubeitrag vom 02.10.2002 ..." nicht mangels Widerspruchserhebung unzulässig ist. Hierbei kann dahinstehen, ob der "Berichtigungsbescheid" vom 2. Oktober 2002 als Widerspruchsbescheid zu qualifizieren ist oder ob ein Widerspruch gegen den "Berichtigungsbescheid nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. hierzu: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 68 RN 151, 158 ff) entbehrlich war. Denn jedenfalls sind die Schreiben des Antragstellers vom 31. Oktober 2002 dahingehend auszulegen, dass sich sein Widerspruch vom 5. September 2002 nach Aufhebung des ursprünglich angefochtenen Straßenausbaubeitragsbescheides durch den "Berichtigungsbescheid" nunmehr auf diesen erstreckt.

Bei der vom objektiven Empfängerhorizont vorzunehmenden Auslegung von vorprozessualen Rechtsschutzbegehren tritt der Wortlaut hinter dem erkennbaren Sinn und Zweck der Erklärung zurück (§§ 133, 157 BGB). Zudem ist nach anerkannter Auslegungsregel zugunsten des Bürgers davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2001 - 8 C 17.01 -, DVBl. 2002, 1043).

Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze bezieht sich die "Widerspruchsbegründung" in den Schreiben des Antragstellers vom 31. Oktober 2002 nicht nur auf die Widersprüche, die er unter dem 5. September 2002 gegen die für die Herstellung der ersten und zweiten Grundstückszufahrt erlassenen Erstattungsbescheide eingelegt hatte. Vielmehr ist den Schreiben objektiv erkennbar das Rechtsschutzziel zu entnehmen, dass der Antragsteller sich darüber hinaus nach wie vor gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag, nunmehr in der mit dem "Berichtigungsbescheid" geltend gemachten (im Vergleich mit dem ursprünglichen Bescheid geringeren) Höhe wenden will. Zwar hatte der Antragsteller zunächst deutlich zwischen den beiden sich auf die erste und zweite Grundstückszufahrt beziehenden Erstattungsbescheiden und dem (ursprünglichen) Straßenausbaubeitragsbescheid differenziert, indem er gegen diese drei Bescheide mit drei gesonderten Schreiben Widerspruch erhob. Demgegenüber verfasste er unter dem 31. Oktober 2002 lediglich zwei Schreiben, in deren Betreffzeile er (u.a.) auf die Aufforderung des Antragsgegners zur Begründung der Widersprüche gegen die Erstattungsbescheide Bezug nahm. Jedoch ist den mit der Bitte "um nochmalige Prüfung" abschließenden Ausführungen des Antragstellers in den Schreiben vom 31. Oktober 2002 erkennbar der Sinn und Zweck zu entnehmen, dass sich der Antragsteller - auch nach Erlass des "Berichtigungsbescheides" - weiterhin gegen die Erhebung eines Straßenausbaubeitrages wenden will. Der Antragsteller führte als "Widerspruchsbegründung" an, dass er bereits einen Straßenausbaubeitrag für das Grundstück gezahlt habe, und fügte den "Beitragsbescheid über den Straßenausbaubeitrag" des Antragsgegners vom 26. Juni 2000 bei. Mit diesem Bescheid wurde der Antragsteller zu einem Straßenausbaubeitrag gemäß § 8 KAG herangezogen - und nicht zu einer Erstattung von durch die Herstellung von Grundstückszufahren entstandenen Mehrkosten gemäß § 16 BbgStrG. Zudem wird in Übereinstimmung mit dem Begehren des Antragstellers, den nach wie vor angeforderten Straßenausbaubeitrag "nochmals" zu überprüfen, in den Betreffzeilen beider Schreiben vom 31. Oktober 2002 auf den "Beitragsbescheid über den Straßenausbaubeitrag" Bezug genommen und in einem der beiden Schreiben der "Berichtigungsbescheid" vom 2. Oktober 2002 ausdrücklich aufgeführt. Hinter diesem erkennbar gegen die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags gerichteten und (bei Erforderlichkeit eines Widerspruchs gegen den "Berichtigungsbescheid" gebotenen) Rechtsschutzziel tritt der Wortlaut der letzten Betreffzeile beider Schreiben, in denen auf die "(1. Zufahrt)" und "(2. Zufahrt)" Bezug genommen wird, zurück. Jedenfalls hätte der Antragsgegner nach der oben dargelegten Auslegungsregel zugunsten des Antragstellers davon ausgehen müssen, dass der Antragsteller seinen Widerspruch vom 5. September 2002 nach Aufhebung des ursprünglichen Straßenausbaubeitragsbescheides auf den "Berichtigungsbescheid" bezogen wissen will.

Nach den Darlegungen des Antragstellers bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des "Berichtigungsbescheides" (§ 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. i.V.m. Abs. 4 Satz 3 VwGO). Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller zu Unrecht als Gesamtschuldner in Anspruch genommen wurde. Hierbei kann offen bleiben, ob - wie der Antragsteller meint - die in dem Bescheid ausgewiesene "Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen" der Gemeinde K_____vom 22. August 1994 (SABS 1994) maßgeblich ist oder ob auf die "Satzung über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in der Stadt W_____ für die Zeit vom 01.01.1992 bis zum in Kraft treten der neuen Satzung am 24.09.2004" vom 16. September 2004 (SABS 2004) abzustellen ist - wie der Antragsgegner erstinstanzlich vorgetragen hat. Denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass sowohl im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SABS 1994) als auch im Zeitpunkt der Bekanntgabe des "Berichtigungsbescheides" (§ 10 Abs. 1 SABS 2004) Eigentümer des Grundstücks die aus dem Antragsteller sowie den Mitgesellschaftern H_____ und R_____ bestehende (Außen-)GbR war und deshalb gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG die GbR (vorrangig) hätte in Anspruch genommen werden müssen.

Nach dem von dem Antragsteller erstinstanzlich eingereichten Grundbuchauszug war aufgrund des Zusatzes "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" die vorgenannte GbR bis zum 4. Februar 2003 - und damit sowohl im Zeitpunkt der Abnahme am 21. Juli 1999 als auch im Zeitpunkt der Bekanntgabe des "Berichtigungsbescheides" im Oktober 2002 - eingetragene Eigentümerin. Dies begründet nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom: 27. März 2006 - OVG 9 S 76.05 - und 3. Mai 2006 - OVG 9 S 11.06 -) ernstliche Richtigkeitszweifel an der originären Beitragspflicht eines Mitgesellschafters. Denn angesichts der grundsätzlichen Rechtsfähigkeit einer (Außen-)GbR muss die umstrittene Frage ihrer Grundbuchfähigkeit der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Der erstinstanzliche Einwand des Antragsgegners - dass das Grundbuch ab August 2000 und damit im Zeitpunkt der Bekanntgabe des "Berichtigungsbescheides" unrichtig gewesen sei - vermag die ernstlichen Richtigkeitszweifel an der persönlichen Inanspruchnahme des Antragstellers als Beitragspflichtigen nicht auszuräumen. Zwar wird die Behauptung des Antragsgegners, dass der Antragsgegner das Alleineigentum durch Anteilsanwachsung gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB erwarb, durch die Grundbucheintragung vom 5. Februar 2003 bestätigt. Auch spricht die gleichzeitig in Bezug genommene Berichtigungsbewilligung vom 8. August 2000 dafür, dass die Anwachsung vor diesem Zeitpunkt lag. Es ist jedoch bei summarischer Prüfung wegen der Vermutung des § 891 BGB überwiegend wahrscheinlich, dass sich eine Gemeinde bei der Heranziehung zu Beiträgen, die an das Grundstückseigentum anknüpfen, an die Grundbucheintragung halten muss und darf (vgl. die Beschlüsse des Senats a.a.O.). Dies gilt gerade dann, wenn ein außerhalb des Grundbuchs vollzogener Eigentumswechsel im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht noch nicht eingetragen ist, wie dies hier bei Einschlägigkeit der SABS 2004 und der geltend gemachten Anwachsung der Fall wäre, und deshalb der Gemeinde höchstens ausnahmsweise bekannt sein kann.

Nach alledem kommt es auf das weitere Vorbringen des Antragstellers, dass eine Eckgrundstücksvergünstigung geboten gewesen sei (s. hierzu grds. verneinend: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, S. 965 ff m.w.N.) nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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