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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 14.09.2007
Aktenzeichen: OVG 9 S 29.07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 7
VwGO § 91
VwGO § 146 Abs. 4
1. Im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO dürfte eine Änderung des Streitgegenstandes analog § 91 VwGO ausscheiden; jedenfalls gilt das bei einer Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrages nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO.

2. Der Streitgegenstand im Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist mit dem des vorhergehenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO identisch, wird aber zusätzlich durch den Sachverhalt gekennzeichnet (und begrenzt), der zur Rechtfertigung der Beschlussänderung unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO dargetan wird.


OVG 9 S 29.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Peters und den Richter am Finanzgericht Dr. Beck am 14. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 13. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 578,22 EUR festgesetzt.

Gründe:

Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) überprüft das Oberverwaltungsgericht bei der Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (zunächst) nur - vorbehaltlich einer sich etwa anschließenden weitergehenden Prüfung auf einer zweiten Stufe ( vgl. dazu Beschlüsse des Senats vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 - u. vom 1. Januar 2006 - OVG 9 S 92.05 -, Juris) - die innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO in Auseinandersetzung mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts dargelegten Gründe. Eine Prüfung von Amts wegen, ob die Begründung des Verwaltungsgerichtes geeignet ist, das Beschlussergebnis zu tragen, findet nicht statt. Diese Grundsätze gelten auch, wenn sich die Beschwerde - wie hier - gegen die Ablehnung eines Antrages nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf Änderung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO richtet, weil sich § 146 Abs. 4 VwGO u.a. uneingeschränkt auf alle Beschlüsse nach § 80 VwGO bezieht (vgl. auch Kopp/ Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80 RNr. 203).

Nach diesen Grundsätzen hat der Antragsteller die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht beachtlich erschüttert.

Das Verwaltungsgericht hat für die Ablehnung des Änderungsantrages nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO maßgeblich darauf abgestellt, dass das den Antrag in erster Instanz tragende Vorbringen des Antragstellers, wonach die Bekanntmachungsvorschriften der Hauptsatzung der Gemeinde vom 27. Oktober 2005 (HS 2005) für eine rechtswirksame Bekanntmachung der Straßenausbaubeitragssatzungen der Gemeinde vom 4. November 2004 (SABS 2004) und vom 17. April 1997 (SABS 1997) zu berücksichtigen (gewesen) seien, eine Änderung seines, des Verwaltungsgerichts, nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergangenen Aussetzungsbeschlusses vom 8. Februar 2007 nicht rechtfertigen könne, weil die Bekanntmachungsvorschriften der HS 2005 die Bekanntmachungen der betreffenden Beitragssatzungen nach ihren Rechtswirkungen nicht erfassten; die HS 2005 sei nämlich erst nach Veröffentlichung der Beitragssatzungen erlassen worden, eine Rückwirkung der HS 2005 könne die fehlerhafte Bekanntmachung der Beitragssatzungen nicht heilen. Gegen diesen Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts, der sich mit dem Beschluss des Senats vom 9. Mai 2007 - OVG 9 S 16.07 - deckt, hat der Antragsteller nichts Durchgreifendes vorgebracht.

Mit der Beschwerde beruft sich der Antragsteller dagegen sinngemäß darauf, dass die Gemeinde inzwischen (am 21. Juni 2007) mit Rückwirkung auf den 12. November 2004 die Straßenausbaubeitragssatzung von 2004 sowie die erste Nachtragssatzung zu dieser Satzung neu und ferner eine weitere Nachtragssatzung beschlossen habe, die alle im Amtsblatt des Amtes Schenkenländchen als dem maßgeblichen Bekanntmachungsorgan am 12. Juli 2007 veröffentlicht worden seien. Nach diesem neuen Satzungsrecht verfüge der streitgegenständliche Beitragsbescheid vom 7. November 2005 nunmehr über eine gültige Rechtsgrundlage. Dies sei als entscheidungserhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen. Die mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Februar 2007 erfolgte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragsgegners gegen den Bescheid vom 7. November 2005 sei nicht mehr gerechtfertigt.

Mit diesem Vorbringen kann der Antragsteller im vorliegenden Verfahren aber nicht gehört werden, wonach offen bleiben kann, ob der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Februar 2007 auf der Grundlage des neuen Satzungsrechts zu ändern wäre.

Zwar trifft es zu, dass Veränderungen der Sach- und Rechtslage, jedenfalls wenn sie - wie hier - innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist geltend gemacht werden, auch im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Bbg, Beschluss vom 12. März 2003 - 1 B 298/02 -, NVwZ-RR 2003, 694). Das gilt wegen der besonderen Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens nach § 146 Abs. 4 VwGO und der damit verfolgten Zielsetzung aber nur, wenn der Gegenstand des Antrages, über den das Verwaltungsgericht entschieden hat, identisch bleibt. Änderungen des Streitgegenstandes analog § 91 VwGO im Beschwerdeverfahren dürften danach ausscheiden (vgl. Kopp/ Schenke, a.a.O., § 146 RNr. 33; OVG NW, Beschluss vom 25. Juli 2002 - 18 B 1136/02 -, NVwZ-RR 2003, 72; OVG Hamburg, Beschluss vom 22. August 2003 - 4 Bs 278/03 -, NVwZ-RR 2004, 621; VGH Bad-Württ., Beschluss vom 1. September 2004 - 12 S 1750/04 -, juris; vgl. auch zur Unterscheidung zwischen Veränderungen der Sach- und Rechtslage durch neue Tatsachen einerseits und (unzulässigen) Änderungen des Streitgegenstandes andererseits im Berufungszulassungsverfahren bei § 124 Abs. 2 Satz 1 VwGO etwa BayVGH, Beschluss vom 30. März 2006 - 11 ZB 05.722 -, juris, m.w.N.). Jedenfalls gilt das, wenn Gegenstand der Beschwerde die Ablehnung eines Antrages nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist. Insoweit ist die enge Bindung der Kompetenz zur Entscheidung über Änderungen im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO an das Gericht der Hauptsache zu berücksichtigen. Über Anträge nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO hat das Gericht der Hauptsache zu entscheiden. Gericht der Hauptsache ist bei einem Beschluss über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs das Verwaltungsgericht. Diese Stellung behält es auch, wenn gegen die Ablehnung eines Antrages nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO Beschwerde eingelegt wird. Mit der Beschwerde erhält das Oberverwaltungsgericht nicht etwa alle Änderungsbefugnisse nach § 80 Abs. 7 VwGO, wie sie dem Gericht der Hauptsache zustehen (vgl. zur fehlenden Abänderungsbefugnis des Beschwerdegerichts nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Februar 1995 - Bs VII 2/95-, NVwZ 1995, 1004). Wird in der Beschwerde der Gegenstand des Änderungsantrages ausgewechselt, wird dieser deshalb nicht ohne weiteres auch zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Eine Antragsänderung analog § 91 VwGO scheidet aus, wenn nicht das Oberverwaltungsgericht selbst inzwischen Gericht der Hauptsache geworden ist. Der neue Antrag müsste stattdessen beim Verwaltungsgericht zur Bescheidung angebracht werden.

Mit dem Vorbringen zum Erlass und Bestehen einer neuen satzungsrechtlichen Grundlage liegt der Sache nach ein neuer Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vor. Zwar ist der Streitgegenstand im Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO insoweit mit dem im vorgehenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO identisch, als über die Frage der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Klage, wie sie Gegen-stand des zu ändernden Beschlusses gewesen ist, wieder (neu) entschieden werden muss (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Januar 1998 - B 2 S 867/97 -, juris; VGH Bad-Württ., Beschluss vom 19. September 1995 - 8 S 2485/95 - , NVwZ-RR 1996, 714; Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 RNr. 196). Zusätzlich wird der Streitgegenstand aber durch den Sachverhalt gekennzeichnet (und begrenzt), der zur Rechtfertigung der Beschlussänderung unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO dargetan wird (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 RNr. 196). Wird dieser Sachverhalt in der Beschwerde nicht nur ergänzt, sondern in seinem wesentlichen Gehalt dergestalt verändert bzw. gleichsam ausgewechselt, dass er durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nicht einmal annäherungsweise erfasst werden konnte, liegt eine Änderung des Streitgegenstandes des in erster Instanz beschiedenen Antrages vor. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn - wie hier - die Beschwerde (allein) auf Satzungsrecht gestützt wird, das erst nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts erlassen worden ist.

Der Beschwerde des Antragstellers wäre indessen auch dann nicht stattzugeben, wenn abweichend von der Auffassung des Senats eine Antragsänderung im Beschwerdeverfahren analog § 91 VwGO zugelassen würde. In diesem Fall wäre die Antragsänderung, auf die der Antragsgegner sich nicht eingelassen hat, nämlich nicht als sachdienlich zuzulassen, weil das Verwaltungsgericht mit dem neuen Satzungsrecht inhaltlich noch nicht befasst gewesen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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