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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: OVG 9 S 64.06
Rechtsgebiete: VwGO, KAG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
KAG § 8 Abs. 7 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 9 S 64.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht, den Richter am Oberverwaltungsgericht und die Richterin am Oberverwaltungsgericht am 15. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. September 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 426,39 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) muss die Beschwerde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich insoweit gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in einer ersten Stufe darauf, ob die Beschwerdebegründung geeignet ist, die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern. Ist dies der Fall, ist auf einer zweiten Stufe von Amts wegen zu prüfen, ob sich der Beschluss auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens im Ergebnis als richtig erweist oder geändert werden muss (vgl. Beschluss des Senats vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -).

Nach diesen Grundsätzen greift die Beschwerde nicht durch. Immerhin dürfte (auf der ersten Stufe) der der Antragsablehnung zu Grunde liegende Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts, der Beitragserhebung stehe eine Festsetzungsverjährung nicht entgegen, hinreichend und zutreffend erschüttert worden sein. Zu Recht verweist der Antragsteller auf die Urteile vom 26. August 2006, in denen das Verwaltungsgericht für vergleichbare Fallgestaltungen den gegenteiligen Standpunkt vertritt. Danach hätte das Verwaltungsgericht nach den im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geltenden Maßstäben des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO von seinem Standpunkt aus dem Antrag entsprechen müssen. Hat das Verwaltungsgericht in einem Klageverfahren bestimmte Fragen schon geklärt und hält es - wie offenbar auch hier - an diesem Standpunkt fest, so ist es im Rahmen seiner Unabhängigkeit diesem Standpunkt auch verpflichtet. Danach hätte es auch bei summarischer Prüfung die Erfolgsaussichten der Rechtsbehelfe in der Hauptsache für überwiegend wahrscheinlich bewerten müssen (vgl. zu diesem Maßstab für das Vorliegen ernstlicher Zweifel entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO: OVG Bbg., Beschluss vom 23. September 1996 - 2 B 53/96 MittStGB Bbg. 11-12/1997, S. 22 f.; ferner den zitierten Beschluss des Senats vom 1. August 2005). Der Grundsatz, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig schwierige Rechtsfragen dem Verfahren der Hauptsache (Widerspruchs- bzw. Klageverfahren) vorbehalten bleiben, ist nicht Selbstzweck, sondern steht in Verbindung mit dem Maßstab summarischer Prüfung, der das Gericht im Interesse zügiger Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von Prüfungsaufwand entlasten und eine Umgehung des Hauptverfahrens vermeiden soll. Ist die Frage in anderen Verfahren vom Verwaltungsgericht geklärt und besteht auch noch keine Veranlassung, sich mit entgegenstehender Rechtsprechung des Rechtsmittelgerichts auseinandersetzen zu müssen, ist die Frage im vorstehenden Sinn nicht (mehr) "schwierig". Bei der Beurteilung nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides bestehen oder nicht, geht es nicht etwa darum, dass generell obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht entschiedene Fragen mit der Konsequenz der Antragsablehnung offen zu lassen wären.

Die Beschwerde vermag aber im Ergebnis (auf der zweiten Prüfungsstufe) nicht durch zu dringen.

Für den Senat ist nach Erkenntnissen aus früheren Verfahren, die gleich gelagerte Fälle aus dem Verbandsgebiet des Antragsgegners betrafen, nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die sachliche Beitragspflicht nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Kommunalabgabengesetz - KAG - vor dem In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294), mit dem die genannte Vorschrift durch das Erfordernis der Rechtswirksamkeit der ersten Beitragssatzung ergänzt und damit zur ursprünglichen Fassung ergangene Rechtsprechung (OVG Bbg, Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE - LKV 2001, 132) teilweise überholt worden ist, entstanden sein könnte. Die unter Geltung der bisherigen Rechtslage vom Antragsgegner erlassenen Beitragssatzungen waren nämlich sämtlich unwirksam (vgl. dazu OVG Bbg., Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -) und konnten deshalb - auch unter Berücksichtigung des durch den Erlass der ersten Beitragssatzung festgelegten Zeitpunkts für die Entstehung (vgl. OVG Bbg, Urteil vom 8. Juni 2000, a.a.O.) - die sachliche Beitragspflicht nicht auslösen und mithin auch die Frist für die Festsetzungsverjährung nicht in Lauf setzen (vgl. OVG Bbg., Beschluss vom 8. September 2004 - 2 B 112/04 - MittStGB Bbg. 2004, 356; Beschlüsse des Senats vom 1. September 2005 - OVG 9 S 33.05 - und vom 20. März 2006 - OVG 9 S 81.05 und OVG 9 S 82.05 -). Damit ist es aber zugleich für den Senat eine offene Frage, ob der Antragsteller zu Herstellungsbeiträgen für die Abwasseranlage des Verbandes trotz der Gesetzesänderung nicht herangezogen werden könnte. Bei einer summarischen und in diesem Sinne weder vertieften noch abschließenden Prüfung sind jedenfalls keine durchgreifenden Gesichtspunkte erkennbar, die einen Vertrauensschutz gegenüber einer Beitragserhebung auf der Grundlage einer ersten rechtswirksamen Beitragssatzung nach dem 1. Februar 2004 begründen könnten. Dass ein Betroffener unter der "alten" Rechtslage eine geschützte Position (hier: Eintritt der Festsetzungsverjährung infolge Erlasses einer auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der ersten Beitragssatzung des Antragsgegners zurückwirkenden gültigen Beitragssatzung) hätte erlangen können, könnte bei vorläufiger Betrachtung eher unbeachtlich sein, da er eine solche Position vor der Rechtsänderung (hier: mangels Erlass einer gültigen Beitragssatzung) eben gerade nicht erlangt hat. Letztlich geht es hier um die Frage, ob mit der Gesetzesänderung in schon abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen wurde und - gegebenenfalls - ob das unter Berücksichtigung der zuvor bestehenden Rechtslage zulässig wäre. Wäre von einer "unechten" Rückwirkung auszugehen, wäre im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass mit der Erhebung von Anschlussbeiträgen seit Erlass des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 1991 gerechnet werden musste und muss.

Die Voraussetzungen einer unbilligen Härte sind auch mit dem Beschwerdevorbringen nicht dargetan. Allein die Beschreibung der laufenden Einkünfte des Antragstellers und seiner Ehefrau genügt nicht für die Annahme, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides eine über die reine Zahlung des festgesetzten Betrages hinausgehenden Nachteil bedeuten könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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