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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: OVG 9 S 68.06
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, KAG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4
BauGB § 34
BauGB § 35
KAG § 8 Abs. 2 S. 2
KAG § 8 Abs. 6
KAG § 8 Abs. 7 S. 2

Entscheidung wurde am 03.05.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete, ein Orientierungssatz sowie ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Zur Beurteilung sog. durchlaufender Grundstücke nach dem wirtschaftlichen Grundstücksbegriff bei der Veranlagung zu Anschlussbeiträgen.
OVG 9 S 68.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube am 21. Dezember 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.156,38 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss in der Beschwerdebegründung darlegen, warum er die angefochtene Entscheidung in bestimmten Punkten für unrichtig hält und aus welchen Gründen eine andere Entscheidung als die des Verwaltungsgerichtes geboten ist, d. h. aus welchen Gründen eine Änderung des Beschlusses ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in einer ersten Stufe darauf, ob die Beschwerde geeignet ist, die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern; nur wenn dies der Fall ist, ist auf einer zweiten Stufe von Amts wegen zu prüfen, ob sich der Beschluss auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens im Ergebnis als richtig erweist oder geändert werden muss (st. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -).

Nach diesem Prüfungsmaßstab zeigt die Beschwerdebegründung einen Änderungsbedarf hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses im Ergebnis nicht auf. Vor dem Hintergrund des vom Verwaltungsgericht in den Urteilen vom 28. August 2006 selbst eingenommenen Rechtsstandpunkts wirkt die Begründung des Beschlusses allerdings inkonsequent. Maßgeblich für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ist jedoch die vom Antragsteller insoweit auch reklamierte Sichtweise des Beschwerdegerichts. Für den Senat ist es nach Erkenntnissen aus früheren Verfahren, die gleich gelagerte Fälle aus dem Verbandsgebiet des Antragsgegners betrafen, im Rahmen summarischer Überprüfung nicht überwiegend wahrscheinlich, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte einer Veranlagung sog. altangeschlossener Grundstücke entgegenstehen, vielmehr handelt es sich insoweit um eine offene Frage, was angesichts des geltenden Prüfungsmaßstabs im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (dazu Beschluss vom 1. August 2005 a.a.O.) zu Lasten des Antragstellers geht (vgl. Beschluss vom 15. November 2006 - OVG 9 S 64.06 -, ferner OVG Bbg., Beschluss vom 8. September 2004 - 2 B 112/04 - MittStGB Bbg. 2004, 356).

Soweit sich die Beschwerde auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 b des Kommunalabgabengesetzes - KAG - i.V.m. § 169 f. AO und zur näheren Begründung auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg zur Fixierung des Zeitpunkts der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht bereits mit dem ersten Versuch, eine Beitragssatzung in Kraft zu setzen (Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE - LKV 2001, 132), beruft, fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss. Dieser stellt nämlich auf die durch das Zweite Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294) eingetretene Rechtsänderung ab, wonach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG jedenfalls für die Zukunft dahin neu gefasst worden ist, dass es nunmehr auch für die bloße Fixierung des Zeitpunkts, in dem die sachliche Beitragspflicht bei Anschlussbeiträgen entsteht, bei bestehender Anschlussmöglichkeit einer rechtswirksamen ersten Beitragssatzung bedarf. Das Beschwerdevorbringen legt nicht hinreichend dar, weshalb trotz dieser Änderung im Fall des Antragstellers ein Vertrauen auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtslage begründet und schutzwürdig sein könnte. Es verkennt darüber hinaus, dass allein die bisherige Rechtslage nach den obwaltenden Umständen im Bereich des Antragsgegners nicht zum Eintritt der Festsetzungsverjährung führt. Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 169 AO mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist; unabhängig von der geschilderten Rechtsänderung bedarf es hierzu einer gültigen Beitragssatzung. Die alte Rechtslage hätte insoweit nur dazu geführt, dass eine im Falle der Unwirksamkeit der ersten Satzung zur Heilung dieses Mangels nachfolgend erlassene Satzung einer Rückwirkungsanordnung auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der unwirksamen Vorgängersatzung bedurft hätte (vgl. OVG Bbg, Urteil vom 5. Dezember 2001 - 2 A 611/00 - MittStGB Bbg. 2002, 126). Ist jedoch bis zum In-Kraft-Treten der Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG eine wirksame Satzung nicht (rückwirkend) in Kraft getreten, ist auch die sachliche Beitragspflicht für bereits angeschlossene oder über eine Anschlussmöglichkeit verfügende Grundstücke noch nicht entstanden mit der Folge, dass auch die Festsetzungsfrist noch nicht zu laufen begonnen hat.

Dass die Verjährungsfolge nicht durch die Satzungsgebungsversuche im März und April 2004 ausgelöst worden ist, die auf den 1. Januar 2001, also in einen Zeitraum zurückwirken sollten, in dem überwiegend wahrscheinlich noch die alte Rechtslage galt (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 1. September 2005 - OVG 9 S 33.05 -), hat das Verwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 28. August 2006, auf die es sich bezogen hat, ausgeführt. Denn in beiden Satzungen war die Regelung zum Beitragsmaßstab insofern unvollständig und mit der Folge der Gesamtnichtigkeit der Satzung wegen fehlenden Mindestgehalts nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG, als darin ein Artzuschlag für zugelassene industrielle Nutzungen nicht geregelt war, dessen es wegen der Ausweisung von Industriegebieten in der Stadt Fürstenwalde durch Bebauungsplan bedurfte (vgl. dazu konkret OVG Bbg., Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -, allgemein zur Erforderlichkeit eines Zuschlages für die Art der baulichen Nutzung: Urteil des Senats vom 6. September 2006 - OVG 9 B 24.05 -). Deshalb kann dem Verjährungseinwand der Beschwerde mit dem bloßen Hinweis auf diese Satzungen kein Erfolg beschieden sein.

Dass nachfolgend noch ein Wille des Antragsgegners bestanden haben sollte, eine Beitragssatzung mit einer Rückwirkungsanordnung über den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der neuen Rechtslage hinaus zu erlassen, vermag der Senat entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht zu erkennen. Vielmehr sieht die Beitragssatzung des Antragsgegners vom 2. November 2004 nur noch eine entsprechende Rückwirkung zum 1. April 2004 vor. Warum diese Satzung infolge Änderungen von ihrerseits unbedenklichen materiellen Vorschriften ungültig sein sollte, wird mit der Beschwerdebegründung nicht näher ausgeführt. Die einzige - im Konjunktiv beschriebene - Möglichkeit einer solchen Änderung, die darin gesehen wird, dass anstelle von Verbesserungsbeiträgen nunmehr Herstellungsbeiträge erhoben werden, gibt für die vom Antragsteller daran geknüpften rechtlichen Folgen nichts her, weil beim Antragsgegner für eine Erhebung von Verbesserungsbeiträgen im Hinblick auf den Ausbau der Kläranlage kein Raum war (vgl. OVG Bbg, Urteile vom 3. Dezember 2003 - 2 A 733/03 und 734/03 - zitiert nach KAG-Rechtsprechungsübersicht, S. 38, zu Becker/Benedens/Deppe/Düwel/Kluge/Liedtke/Schmidt, KAG Bbg, Kommentar, Stand Juli 2006).

Auch die Vorstellung des Antragstellers, er habe allenfalls mit Verbesserungsbeiträgen rechnen müssen, ist verfehlt. Vielmehr sind die kommunalen öffentlichen Einrichtungen erst mit der Zuordnung des zuvor in der Rechtsträgerschaft der staatlichen Versorgungsbetriebe befindlichen Anlagevermögens entstanden (vgl. zum Entstehen neuer kommunaler Einrichtungen OVG Bbg, Urteil vom 12. April 2001 - 2 D 73/00.NE -). Mit einer Beitragserhebung (Herstellungsbeiträge) musste insoweit aber schon ab In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes vom 27. Juni 1991 (9. Juli 1991) gerechnet werden, während die Möglichkeit, Verbesserungsbeiträge zu erheben, erst durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 27. Juni 1995 (GVBl. I S. 145) zum 1. Juli 1995 geschaffen wurde.

Was das Vorbringen des Antragstellers zur Veranlagung seines Grundstücks zu Schmutzwasseranschlussbeiträgen angeht, ist es auch unter Berücksichtigung der weiteren, im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen zur Bebauung nicht geeignet, die Begründung des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen. Die Mehrfacherschließung eines sog. durchlaufenden Grundstücks, das an den jeweils an die öffentliche Straße grenzenden Flächen bebaut ist, kann wegen der Einheitlichkeit der beitragspflichtigen Abwasserentsorgungseinrichtung nach § 8 KAG nur dann bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen Berücksichtigung finden, wenn das Buchgrundstück nach den rechtlichen und tatsächlichen Umständen in zwei wirtschaftliche Einheiten zu zerlegen ist. Von einer "Regelmäßigkeit" des Vorliegens zweier wirtschaftlicher Einheiten kann insoweit für die summarische Beurteilung nicht ausgegangen werden (so aber wohl Becker zu Straßenausbaubeiträgen in Becker/Benedens/Deppe/Düwel/Kluge/Liedtke/Schmidt, a.a.O., § 8 Rn. 123). Maßgeblich für die Beurteilung sind vielmehr die Umstände des konkreten Buchgrundstücks, das bei verbleibenden Zweifeln einheitlich zu veranlagen ist. Hier bestehen keine zureichenden Anhaltspunkte für eine getrennte Veranlagung, weil hier bei summarischer Prüfung eine einheitliche Nutzung des Grundstücks für Wohn- und Geschäftszwecke mit Vorder- und Hinterhaus unter Nutzung des Innenhofs als Stellplatzfläche gegeben ist, ohne dass dem Umstand, dass das Grundstück sowohl an der E_____als auch an der M_____bebaut ist, erkennbar wirtschaftlich trennende Wirkung zukäme. Auf dieser Grundlage wird auch die dem angefochtenen Beitragsbescheid vom 27. Februar 2006 zugrunde gelegte Annahme der Zulässigkeit einer viergeschossigen Bebaubarkeit für das gesamte Grundstück nicht hinreichend in Frage gestellt. Jedenfalls an der E_____ ist das Grundstück mit vier Geschossen genehmigt bebaut, ohne dass eine Befreiung von bauplanerischen Anforderungen hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse ersichtlich wäre. Allein der Hinweis, dass die Bebauung in der Umgebung tatsächlich nicht durchgehend oder überwiegend viergeschossig ist, hat keine hinreichende Aussagekraft, um die Folgerung als überwiegend wahrscheinlich zutreffend ansehen zu können, dass sich eine viergeschossige Bebauung nicht in die Umgebung einfügt. Die beigefügten Lichtbilder jedenfalls vermitteln einen solchen Eindruck nicht, auch wenn ihre Aussagekraft begrenzt ist. Das Verwaltungsgericht durfte die Klärung der Fragen, die mit der Notwendigkeit einer Bildung wirtschaftlicher Einheiten und mit der zulässigen Geschossigkeit einer Bebauung zusammenhängen, dem Hauptsacheverfahren überlassen.

Die gegen die Bestimmtheit des Abgabenbescheides erhobenen Bedenken der Beschwerde teilt der Senat aus den schon in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführten Gründen, die durch die Beschwerdebegründung nicht in einer Weise in Frage gestellt werden, nach der problematisch sein könnte, was mit dem angefochtenen Bescheid inhaltlich gemeint war. Nicht weiter führend ist insbesondere der Hinweis der Beschwerde, dass das Grundstück schon seit der Jahrhundertwende an die Abwasserkanalisation angeschlossen sei. Der Anschluss kennzeichnet einen Dauertatbestand, so dass es für die Frage der Beitragspflicht grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob der Anschluss schon vor Entstehung der Einrichtung des Antragsgegners genommen wurde.

Die unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des OVG Schleswig erhobenen Einwände gegen die Maßstabsregelung der Beitragssatzung vom November 2004 in § 6 Abs. 2 Buchstabe d, wonach bei Grundstücken im Außenbereich (§ 35 BauGB) nur der Teil der Grundfläche anrechenbare Grundstücksfläche ist, der selbständig baulich oder gewerblich genutzt wird, zeigen einen Mangel dieser Regelung und des angefochtenen Beschlusses nicht auf. Nach dem wirtschaftlichen Vorteilsbegriff, wie er § 8 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 6 KAG zugrunde liegt, sind im Außenbereich gelegene, gewerblich oder bauliche nicht genutzte Flächen grundsätzlich nicht bevorteilt, weil Bauen im Außenbereich nur ausnahmsweise zulässig ist und deshalb die abwasserseitige Erschließung im Regelfall keinen Vorteil in Bezug auf die bauliche Ausnutzbarkeit vermitteln kann (st. Rspr. des Senats, zuletzt Beschluss vom 19. Dezember 2006 - OVG 9 S 58.06 -). Damit steht es in Einklang, wenn die vorliegende Beitragssatzung für selbständig baulich genutzte Flächen auf die anrechenbare Grundstücksfläche abstellt. Soweit dem zitierten Urteil des OVG Schleswig vom 26. September 1999 - 2 K 23/97 - NordÖR 1999, 304, das sich aber mit der Frage befasst, ob bei bebauten Grundstücken im Außenbereich nicht schon die Anschlussmöglichkeit für das Entstehen des Vorteils ausreicht, anderes zu entnehmen sein sollte, vermag sich der Senat dem für das Brandenburgische Landesrecht nicht anzuschließen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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