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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: OVG 1 B 8.04
Rechtsgebiete: BGB, LandeswaldG, GVG, VwGO, BerlStrG 1957, BerlStrG 1985, StrVO DDR 1957, StrVO DDR 1974


Vorschriften:

BGB § 917
LandeswaldG § 14 Abs. 4
LandeswaldG § 14 Abs. 6
BerlStrG § 2 Abs. 1
BerlStrG § 3
BerlStrG § 3 Abs. 1
BerlStrG § 3 Abs. 2
BerlStrG § 3 Abs. 4 Satz 1
BerlStrG § 3 Abs. 7
GVG § 17 a Abs. 5
VwGO § 42 Abs. 2
BerlStrG 1957 § 3 Abs. 2
BerlStrG 1957 § 6 Abs. 3
BerlStrG 1985 § 3 Abs. 5
StrVO DDR 1957 § 3 Abs. 4
StrVO DDR 1957 § 4
StrVO DDR 1974 § 3 Abs. 1
StrVO DDR 1974 § 3 Abs. 1 Satz 1
StrVO DDR 1974 § 3 Abs. 1 Satz 2
StrVO DDR 1974 § 3 Abs. 3
StrVO DDR 1974 § 4 Abs. 1
StrVO DDR 1974 § 4 Abs. 1 Satz 1
StrVO DDR 1974 § 4 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 1 B 8.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter des Oberverwaltungsgericht Monjé und die Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler und Fieting sowie den ehrenamtlichen Richter Zacharias und die ehrenamtliche Richterin Albrecht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Februar 2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind als Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümer eines in Berlin, R. (früher: W.), gelegenen ca. 5 000 m² großen Grundstücks. Das mit einem Wohnhaus und einer Reitanlage bebaute und an einen Reitsportverein verpachtete Grundstück ist über einen ca. 200 m langen unbefestigten Weg zu erreichen, der die bis dahin unstreitig als öffentliche Straße anzusehende R. fortsetzt. Dieser Weg verläuft über Flurstücke, die in der früheren DDR jedenfalls seit 1962 als Eigentum des Volkes in der Rechtsträgerschaft des Forstwirtschaftsbetriebs Berlin standen und dem Land Berlin nach der Wiedervereinigung durch die Präsidentin der Treuhandanstalt als forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke zurückübertragen worden sind.

Im April 1997 sperrten die Berliner Forsten den genannten Weg mittels eines Schildes mit der Aufschrift "Privatweg" für Kraftfahrzeuge aller Art sowie für Reiter und Gespanne. Durch Schreiben vom 16. Mai 1997 teilten sie den Klägern mit, dass wegen des hohen Verkehrsaufkommens auf den forsteigenen Wegen in dem betreffenden, teilweise im Trinkwasserschutzgebiet liegenden Bereich entsprechende Sperrschilder hätten aufgestellt werden müssen, die Zufahrt zum Reitstall jedoch durch ein entgeltpflichtiges Notwegerecht im Sinne des § 917 BGB gewährleistet werde. Auf den unter dem 12. November 1997 gegen die Beschilderung erhobenen Widerspruch der Kläger erwiderte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie unter dem 25. Februar 1998, dass die entsprechend § 14 Abs. 4 und 6 Landeswaldgesetz aufgestellten Sperrschilder privatrechtliche Maßnahmen des Waldbesitzers seien. Mangels angreifbaren Verwaltungsakts sei ein Widerspruchsbescheid daher nicht zu erlassen.

Mit ihrer am 26. Januar 1998 erhobenen Klage haben die Kläger die Feststellung begehrt, dass die Verlängerung der R. bis zu ihrem Grundstück öffentliches Straßenland ist. Zur Begründung haben sie vorgetragen, der bezeichnete Weg sei seit unvordenklicher Zeit als öffentliche Straße genutzt worden und gleichzeitig die einzige Straße, die ihr Grundstück erschließe. Auf dem Grundstück habe sich seit jedenfalls 1934 bis in die 60er Jahre hinein eine Gärtnerei befunden. Die Straße sei in alten Karten als Fahrstraße ausgewiesen und werde in Heimatberichten als Verbindungsstraße nach "H." bezeichnet. Der Beklagte hat an seiner Auffassung festgehalten, dass es sich um einen privaten Waldweg und nicht um eine öffentliche Straße handele. Dem stehe nicht entgegen, dass der Waldweg in der früheren DDR für den öffentlichen Verkehr nicht gesperrt gewesen sei.

Zur Begründung seines stattgebenden Urteils vom 19. Februar 2003 hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Feststellungsklage sei begründet, denn bei dem streitigen Wegeabschnitt handele es sich um öffentliches Straßenland. Zwar habe der Weg diese Eigenschaft nicht durch eine förmliche Widmung im Sinne des § 3 BerlStrG erhalten. Jedoch sei der Weg in der früheren DDR eine öffentliche Straße gewesen. Dieser Zustand bestehe nach § 3 Abs. 7 BerlStrG fort. Danach werde bei Straßen, Wegen und Plätzen, die vor In-Kraft-Treten des BerlStrG in das Straßenverzeichnis eingetragen worden sind, vermutet, dass sie öffentliche Straßen seien. Da das BerlStrG für die im Ostteil der Stadt liegenden, im dortigen Straßenverzeichnis eingetragenen Straßen erst 1992 in Kraft getreten sei, sei die Regelung auf sie entsprechend anzuwenden. Allerdings treffe die Widmungsfiktion des § 3 Abs. 7 BerlStrG keine Bestimmung zum Umfang der öffentlichen Straße. Insoweit sei es sachgerecht, auf die tatsächliche Nutzung der betreffenden Straße vor dem 3. Oktober 1990 abzustellen. Denn nach § 3 Abs. 1 der Straßenverordnung der DDR vom 22. August 1974 seien öffentliche Straßen u.a. alle Straßen und Wege gewesen, die der öffentlichen Nutzung durch den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr gedient hätten. Eine förmliche Widmung der Straßen sei dagegen zu DDR-Zeiten nicht erforderlich gewesen. Als so genannte betrieblich-öffentliche Straßen seien Straßen auch dann öffentlich gewesen, wenn sie überwiegend den Interessen ihrer Rechtsträger oder Eigentümer und daneben der öffentlichen Nutzung gedient hätten. Hiernach sei die in Rede stehende Verlängerung der R. als ehemals betrieblich-öffentliche Straße anzusehen. Zum einen sei sie in die Straßenverzeichnisse der DDR vom 1. Juni 1957 und vom 31. Juli 1990 eingetragen gewesen. Zum anderen habe der Weg vor dem 3. Oktober 1990 dem öffentlichen Verkehr gedient. Sowohl aus dem Vortrag der Beteiligten als auch aus den Aussagen der von der Kammer informatorisch befragten Zeugen ergebe sich, dass der Weg auch durch Kraftfahrzeuge genutzt worden und damit faktisch gewidmet gewesen sei. Unstreitig sei der Weg zu DDR-Zeiten in keiner Weise für die Öffentlichkeit gesperrt gewesen. Eine öffentliche Nutzung - auch mittels Kraftfahrzeugen - sei vielmehr geduldet worden. Der Zeuge K., ehemals Leiter des Forstamts F., habe angegeben, dass das Grundstück der Kläger und die dort befindliche Reitsportanlage mit Kraftfahrzeugen angefahren worden sei. Obwohl ein Befahren von Waldwegen ohne - entgeltfrei erteilte - Genehmigung nicht gestattet gewesen sei, sei das Befahren der Waldwege, jedenfalls auf der verlängerten R., kulant gehandhabt worden. Soweit bei Kontrollen angegeben worden sei, dass der Fahrzeugführer zur Reitsportanlage fahren wolle, sei dies akzeptiert worden.

Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend: Das Verwaltungsgericht verkenne, dass eine so genannte faktische Widmung von vormals nicht-öffentlichem Straßenland zu öffentlichem Straßenland voraussetze, dass die zu einer faktischen Widmung führenden Umstände rechtmäßig seien. Tatsächlich habe aber die informatorische Befragung des Zeugen K. ergeben, dass das Befahren von Waldwegen mit Kraftfahrzeugen auch zu DDR-Zeiten ohne eine entsprechende behördliche Genehmigung verboten gewesen sei. Die von dem Zeugen K. angegebene kulante Handhabung habe sich auf die Nutzer des Grundstücks der Kläger beschränkt. Die Eigenschaft der Öffentlichkeit eines Weges setze indessen voraus, dass sein Gebrauch jedermann offen stehe. Schließlich sei die Klage auch deshalb abzuweisen, weil zwischen den Beteiligten kein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis bestehe. Der Beklagte sei in Bezug auf den streitbefangenen Waldweg ausschließlich als privater Waldbesitzer tätig geworden und den Klägern nicht als Hoheitsträger gegenüber getreten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Februar 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil. Im Übrigen machen sie geltend, dass an der Stelle, an der sich nunmehr das Sperrschild des Beklagten befindet, zu DDR-Zeiten und lange über die Wende hinaus ein Verkehrszeichen gestanden habe, das die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt habe. Schließlich berufen sie sich auf eine von ihnen eingereichte schriftliche Erklärung der Anwohner des Grundstücks Wi. in der Kolonie E. vom 11. Juni 2003, aus der sich ergebe, dass der in Rede stehende Weg in der früheren DDR ohne weitere behördliche Einschränkung als öffentlicher Fahrweg angesehen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte, der Streitakte zum Verfahren VG 1 A 46.98 sowie des dazu eingereichten Verwaltungsvorgangs des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat mit Recht festgestellt, dass der in Rede stehende Wegeabschnitt öffentliches Straßenland ist.

Die Feststellungsklage ist zulässig. Gemäß § 17 a Abs. 5 GVG ist vom Verwaltungsrechtsweg auszugehen, obgleich der Vortrag des Beklagten, die Benutzung des Weges nicht als Hoheitsträger, sondern als Eigentümer der Wegefläche reglementiert zu haben, für ein privatrechtliches Rechtsverhältnis spricht.

Die Kläger begehren die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses.

Ihr erstinstanzlich formulierter Antrag ist keiner weitergehenden Konkretisierung zugänglich, weil sie erreichen wollen, dass auch andere, insbesondere die Mitglieder und Besucher des Reitsportvereins, ihr Grundstück in Ausübung straßenrechtlichen Gemeingebrauchs über den in Rede stehenden Wegabschnitt anfahren dürfen. Auch insoweit sind sie analog § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil sie das Grundstück durch den Pachtvertrag mit dem Reitsportverein wirtschaftlich verwerten. Schließlich ist die Feststellungsklage nicht gemäß § 43 Abs. 2 VwGO gegenüber einer Anfechtungsklage gegen die Beschilderung subsidiär.

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Der zum Grundstück der Kläger führende Teil der Verlängerung der R. ist öffentliches Straßenland.

Zwar folgt die Öffentlichkeit nicht aus § 2 Abs. 1 des Berliner Straßengesetzes vom 13. Juli 1999 (GVBl. S. 380) - BerlStrG -, wonach öffentlich im Sinne dieses Gesetzes Straßen, Wege und Plätze sind, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Denn an einer solchen Widmung fehlt es hier. Sie wäre gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BerlStrG (zuvor gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 des Berliner Straßengesetzes vom 28. Februar 1985 [GVBl. S. 518] - BerlStrG 1985 -) , im Amtsblatt für Berlin bekannt zu machen gewesen, was unstreitig nicht geschehen ist. Öffentlich im Sinne des Berliner Straßengesetzes sind aber auch diejenigen Straßen im Ostteil Berlins, die bereits in der früheren DDR öffentliche Straßen waren.

In den östlichen Bezirken Berlins ist das Berliner Straßengesetz spätestens durch § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m.d. Anlage Nr. 36, 37 und 58 des Vierten Gesetzes zur Aufhebung von Rechtsvorschriften vom 25. Juni 1992 (GVBl. S. 204) - 4. Aufhebungsgesetz - mit Wirkung vom 3. Juli 1992 in Kraft getreten. Anders als die Straßengesetze der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt (vgl. dazu zusammenfassend Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, RdNrn. 479 - 481) enthält das Berliner Straßengesetz allerdings keine die Sacheigenschaft früherer DDR-Straßen regelnden Überleitungsvorschriften. § 3 Abs. 7 BerlStrG, wonach bei Straßen, Wegen und Plätzen, die vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes in das Straßenverzeichnis eingetragen worden sind, vermutet wird, dass sie öffentliche Straßen sind, hat nicht die Funktion einer solchen Überleitungsvorschrift. Das ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 7 BerlStrG.

Die Ursprungsfassung des Berliner Straßengesetzes vom 11. Juli 1957 (GVBl. S. 743) enthielt in § 3 Abs. 2 die Überleitungsvorschrift: "Haben Straßen, Wege oder Plätze die Eigenschaft öffentlicher Straßen nach bisherigem Recht erhalten, so bleibt es dabei. Sie sind nachrichtlich in das Straßenverzeichnis einzutragen". Als Straßenverzeichnis definierte § 6 Abs. 1 ein bei jedem Bezirksamt geführtes Verzeichnis der öffentlichen Straße dieses Bezirks mit Ausnahme der Bundesfernstraßen. § 3 Abs. 2 BerlStrG 1957 entfiel mit der Neufassung des Gesetzes vom 28. Februar 1985, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen war, dass die bereits nach früherem Recht öffentlichen Straßen nunmehr sämtlich in das Straßenverzeichnis eingetragen waren (vgl. Abghs.-Drs. 9/1820, S. 6 zu § 3). An ihre Stelle trat die bereits in § 6 Abs. 3 BerlStrG 1957 enthaltene Vermutungsregel des § 3 Abs. 5 BerlStrG 1985 (nunmehr § 3 Abs. 7 BerlStrG). Diese erfasst aber nur Straßen im Westteil Berlins, weil nur solche in das - bei den Bezirksämtern geführte - "Straßenverzeichnis" eingetragen wurden.

Aus diesen Gründen scheidet auch eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 7 BerlStrG aus, wie sie vom Kammergericht (Beschluss vom 3. September 1998 - 2 Ss 119/98 - bei Juris) und ihm folgend von Sauthoff (Straße und Anlieger, 2003, Rz. 478) mit der Begründung angenommen wird, das in der Vorschrift genannte In-Kraft-Treten des Gesetzes sei auf den Zeitpunkt seiner Erstreckung auf den Ostteil Berlins zu beziehen. Im Übrigen fehlte es für den Ostteil Berlins an einer vergleichbaren Grundlage der Vermutungsregel, denn während die Straßenblätter des bei den Bezirksämtern geführten Straßenverzeichnisses auch Angaben zur Lage der Straße und zu ihrer Länge enthalten (vgl. § 1 Abs. 2 der gemäß § 28 Satz 2 Nr. 2 des BerlStrG 1999 erst am 23. Juli 1999 außer Kraft getretenen Verordnung über die Einrichtung und Führung des Straßenverzeichnisses vom 5. April 1958 [GVBl. S. 345]), weisen die vom Beklagten auszugsweise in Kopie eingereichten, aus der ehemaligen DDR stammenden Straßenverzeichnisse von 1957 und 1990 solche Festlegungen nicht aus und lassen die hier interessierende Frage, bis wohin die R. öffentliche Straße ist, gerade unbeantwortet.

Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Erstreckung des Berliner Straßengesetzes auf den Ostteil Berlins auch die dort vorhandenen öffentlichen Straßen erfassen wollte. Hierbei muss mangels abweichender Regelung angenommen werden, dass er hinsichtlich des Merkmals der Öffentlichkeit der Straßen an den dort vorgefundenen Rechtszustand anknüpfen wollte und sich dieses folglich nach dem bis dahin fortgeltenden Straßenrecht der früheren DDR beurteilt.

Die in der früheren DDR geltende Verordnung über das Straßenwesen vom 18. Juli 1957 (GBl. DDR I S. 377) - StrVO DDR 1957 - bestimmte in § 3 Abs. 1, dass Staatsstraßen (Autobahnen sowie Fernverkehrsstraßen) und Bezirksstraßen (Landstraßen erster und zweiter Ordnung) öffentlich sind, wenn sie bisher dem fließenden, ruhenden und arbeitenden Verkehr gedient haben, und dass sie öffentlich werden, wenn sie in die Kartei der Straßen eingetragen werden. Für die Kreisstraßen und die kommunalen Straßen regelte § 3 Abs. 2 StrVO DDR 1957, dass diese öffentlich sind, wenn bisher ihrer Benutzung durch die Verkehrsteilnehmer seitens der Rechtsträger bzw. Eigentümer nicht widersprochen wurde, und dass sie öffentlich werden, wenn die Räte der Kreise bzw. die Räte der Städte und Gemeinden sie nach Zustimmung der Rechtsträger oder Eigentümer dem öffentlichen Verkehr freigeben. Streitigkeiten über die Öffentlichkeit von Kreisstraßen und kommunalen Straßen waren nach § 4 StrVO DDR 1957 durch näher bestimmte staatliche Stellen zu entscheiden. Die StrVO DDR 1957 wurde abgelöst durch die am 1. Januar 1975 in Kraft getretene Verordnung über die öffentlichen Straßen vom 22. August 1974 (GBl. DDR I S. 515) - StrVO DDR 1974 -. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StrVO DDR 1974 waren öffentliche Straßen alle Straßen, Wege und Plätze einschließlich Parkplätze, die der öffentlichen Nutzung durch den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr dienten. Ergänzend bestimmte § 3 Abs. 3 StrVO DDR 1974, dass öffentlich auch Straßen waren, die überwiegend den Interessen ihrer Rechtsträger oder Eigentümer und daneben der öffentlichen Nutzung dienten. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StrVO DDR 1974 entschied der Rat der Stadt bzw. Gemeinde durch Beschluss über die öffentliche Nutzung und über die Zuordnung zu den Straßen, die ausschließlich der öffentlichen Nutzung dienten, oder zu den betrieblich-öffentlichen Straßen. Derartige Beschlüsse lassen sich praktisch nicht nachweisen. In der Literatur wird ein unveröffentlichter Ministerratsbeschluss vom 24. Mai 1976 - RE 143/76 - zitiert, wonach ein derartiger Beschluss nur dann als erforderlich angesehen wurde, wenn Zweifel daran bestehen konnten, ob für eine betrieblich-öffentliche Straße die Merkmale nach § 3 Abs. 3 StrVO DDR 1974 vorlagen (vgl. Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rz. 498; Jupe, Straßenrecht in Brandenburg, 1996, S. 108; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 8. Dezember 1999 - 2 M 54/99 -, LKV 2000, 542 f., unter Hinweis auf Hammer, Die Straße, 1989, S. 350).

Hieraus folgert das Verwaltungsgericht, dass es für das Merkmal der Öffentlichkeit einer Straße nach § 3 Abs. 1 und 3 StrVO DDR 1974 lediglich darauf ankomme, ob sie (auch) der öffentlichen Nutzung durch den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr tatsächlich gedient habe. In diesem Fall sei davon auszugehen, dass die Straße allein auf Grund des stattfindenden Verkehrs "faktisch gewidmet" worden sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das DDR-Straßenrecht sah zwar keine ausdrückliche Widmung von Straßen vor, regelte andererseits aber auch nicht das vom Verwaltungsgericht angenommene Rechtsinstitut einer so genannten faktischen Widmung, das bereits begrifflich ein Widerspruch in sich ist. Aus dem Wort "dienen" in § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StrVO DDR 1974 lässt sich nicht folgern, dass Straßen das rechtliche Merkmal ihrer Öffentlichkeit allein durch die faktische Nutzung zu Verkehrszwecken erhalten haben. Das ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 1 Satz 2 StrVO DDR 1974. Darin ist nach heutiger Begrifflichkeit der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen definiert und ausgeführt, dass ihre Nutzung entsprechend der Zweckbestimmung der öffentlichen Straße und ihrem straßenbau- und verkehrstechnischen Zustand sowie im Rahmen der Rechtsvorschriften allen Verkehrsteilnehmern gestattet ist (öffentliche Nutzung). Eine Zweckbestimmung erfolgt nicht faktisch, sondern durch Willensbekundung. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 3 StrVO DDR 1974 den Umkehrakt des Entzugs der Öffentlichkeit einer Straße ausdrücklich der Entscheidung der jeweils zuständigen staatlichen Organe vorbehalten hat. Soweit der Regelungsgehalt des § 3 Abs. 1 Satz 1 StrVO DDR 1974 über eine bloße Definition der Wesensmerkmale öffentlicher Straßen hinausreicht, ist er darin zu sehen, dass die bereits vorhandenen öffentlichen Straßen weiterhin diesen Status behalten sollten (vgl. OVG Greifswald, a.a.O.; OVG Magdeburg, Beschluss vom 12. Januar 2000 - A 1 S 85/99, LKV 2000 543; Sauthoff, a.a.O., Rz. 496, 501). Im Übrigen sollte es auch unter Geltung der StrVO DDR 1974 dabei bleiben, dass eine Kommunalstraße, soweit sie nicht ohnehin öffentlich war, diese Eigenschaft durch einen staatlichen Akt, nämlich ihre Freigabe erhielt. So wurde in dem maßgeblichen straßenrechtlichen Kommentar (Bönninger/Knobloch: Themenreihe Verwaltungsrecht der DDR, Recht der öffentlichen Straßen, Karl-Marx-Universität Leipzig 1978, S. 11 f., zitiert nach OVG Weimar, Urteil vom 11. Dezember 2001 - 2 KO 730/00, VRS 103, 147) ausgeführt, dass die Straße, die zunächst nur Bauwerk sei, zu einer öffentlichen Straße in dem Zeitpunkt werde, in dem das Bauwerk abgenommen und für die öffentliche Nutzung freigegeben werde. Diese Freigabe ging über die bloße Duldung der wegemäßigen Benutzung der Straße durch Dritte hinaus (vgl. OVG Weimar, a.a.O.; vgl. auch die [jeweils vermögensrechtlichen] Entscheidungen des BVerwG, Urteil vom 30. September 2000 - 8 C 24.01; Urteil vom 12. Dezember 2001 - 8 C 30.00 -, Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 33).

Hieraus ergibt sich zusammenfassend: Existierte eine Kommunalstraße, um die allein es sich bei der R. handeln kann, bereits bei In-Kraft-Treten der StrVO DDR 1957 und wurde sie mit Zustimmung oder jedenfalls ohne Widerspruch ihres Eigentümers bzw. Rechtsträgers durch die Verkehrsteilnehmer benutzt, so war sie kraft Gesetzes öffentlich. Nach In-Kraft-Treten der StrVO DDR 1957 gebaute Kommunalstraßen wurden mit ihrer (die Zustimmung der Rechtsträger oder Eigentümer voraussetzenden) Freigabe für den öffentlichen Verkehr öffentlich. Die in § 4 Abs. 1 StrVO DDR 1974 vorgesehene Entscheidung des Rates der Stadt bzw. Gemeinde hatte lediglich den Zweck, Streitfragen bzw. Unklarheiten hinsichtlich der Öffentlichkeit einer Kommunalstraße bzw. ihrer Zuordnung als betrieblich-öffentlicher Straße zu klären (vgl. OVG Weimar, a.a.O.; vgl. auch Hohlbein in Autorenkollektiv, Kommentar Straßenverordnung, § 4, Erläuterung 2, S. 14).

Danach muss angenommen werden, dass das in Rede stehende Teilstück der Verlängerung der R. im Sinne der bis zum In-Kraft-Treten des Berliner Straßengesetzes fortgeltenden straßenrechtlichen Bestimmungen der früheren DDR eine öffentliche Straße war und damit auch geblieben ist. Denn es ist davon auszugehen, dass der Weg bei In-Kraft-Treten der StrVO DDR 1957 bereits existierte und ohne Widerspruch des Rechtsträgers bzw. Eigentümers für den öffentlichen Verkehr genutzt wurde. In dem von den Klägern erstinstanzlich eingereichten Heimatbericht (Streitakte Bd. I, Bl. 42) heißt es, die Grundstücke an der R. seien bereits in den 20er und 30er Jahren angelegt worden. Die R. beginne an der M. im Ortsteil Ravenstein/Dahlwitz-Hoppegarten und setze sich als breiter, ausgefahrener Waldweg entlang der "Kleingartenanlage W.d" und der "Gartensiedlung E. e.V." bis in die Nähe des Bahnhofs Hirschgarten fort. Sie folge damit den Verlauf des alten Weges von der Ravensteiner Mühle nach "Cöpenick", auf welchem die Mehl- und Holzfuhren in die Stadt erfolgt seien. Die R. ist auch in der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Kopie überreichten Karte aus dem Jahr 1926 von der M. zum S-Bahnhof als durchgehende Verbindung eingezeichnet, die sich schon hinsichtlich ihrer Breite und ihrer Wegführung von den sonstigen, netzartig angelegten Waldwegen unterscheidet und vielmehr den sonstigen Straßen gleicht. Die von den Klägern eingereichte schriftliche Erklärung der Eheleute B. vom 11. Juni 2003 spricht ebenfalls dafür, dass der Weg bereits vor In-Kraft-Treten der StrVO DDR 1957 für den öffentlichen Verkehr freistand. Diese haben ausgeführt, seit 1948 das Grundstück Wi. in der Kolonie E. zu nutzen. Als offizielle Zufahrten zu diesem Grundstück diene u.a. der Waldweg in Verlängerung der R. Dieser Weg habe durch sie und alle Ver- und Entsorgungsfahrzeuge ungehindert als öffentlicher Fahrweg genutzt werden können, stelle er doch bereits seit fast einem Jahrhundert auch unter Einbeziehung der inzwischen geschlossenen Bahnschranke die Fuhrwerksverbindung vom Friedrichshagener M. zu den nördlich der Bahn und westlich der Erpe liegenden Gehöften, Wohnhäusern und Wochenendgebieten sowie den ehemals landwirtschaftlich genutzten Erpewiesen dar. Dass die öffentliche Nutzung des Weges bis zum In-Kraft-Treten der StrVO DDR 1957 im erklärten Widerstand der Eigentümer bzw. Rechtsträger der Wegefläche erfolgte, ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht auch die Feststellung des Beklagten, seine Ermittlungen hätten ergeben, dass vor der Wende der Waldweg nie für den öffentlichen Verkehr gesperrt worden sei.

Muss nach alledem davon ausgegangen werden, dass der Weg spätestens mit In-Kraft-Treten der Straßenverordnung DDR 1957 gemäß deren §§ 3 Abs. 2 Satz 1 eine öffentliche Straße war, so hat er diese Eigenschaft auch später nicht wieder verloren. Dazu hätte es sowohl gemäß § 3 Abs. 4 StrVO DDR 1957 als auch gemäß § 4 Abs. 3 StrVO DDR 1974 einer Entscheidung der zuständigen Staatsorgane bedurft, die weder vom Beklagten behauptet wird noch sonst ersichtlich ist. Hiergegen würde wiederum sprechen, dass der Weg in der früheren DDR nie für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrt worden ist. Vielmehr ist auch im Hinblick auf den insoweit unwidersprochenen Vortrag der Kläger, die zulässige Höchstgeschwindigkeit sei durch eine entsprechende Beschilderung auf 30 km/h beschränkt worden, von einer grundsätzlich zulässigen Befahrbarkeit mit Kraftfahrzeugen zumindest insoweit auszugehen, als dies dem Zweck diente, das Grundstück der Kläger aufzusuchen. Dem entsprechen auch die Angaben des vom Verwaltungsgericht informatorisch gehörten früheren Oberförsters K., es akzeptiert zu haben, wenn bei Kontrollen angegeben worden sei, dass der Fahrzeugführer zur Reitsportanlage fahren wolle.

Ob der in Rede stehende Weg (nur) den Charakter einer betrieblich-öffentlichen Straße im Sinne von § 3 Abs. 3 StrVO DDR 1974 hatte, bedarf keiner Entscheidung. Ebenso kann dahinstehen, ob er überdies kraft unvordenklicher Verjährung als öffentlich anzusehen ist. Schließlich kommt es für die wegerechtliche Qualifizierung nicht auf naturschutzrechtliche Belange an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 11, 711 ZPO. Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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