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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 16.05.2003
Aktenzeichen: OVG 2 B 1.01
Rechtsgebiete: BauO Bln


Vorschriften:

BauO Bln § 10
BauO Bln § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen OVG 2 B 1.01

Verkündet am 16. Mai 2003

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Freitag, den Richter am Oberverwaltungsgericht Liermann und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow sowie die ehrenamtliche Richterin Balk und den ehrenamtlichen Richter Zander

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin erstrebt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Wechselwerbeanlage, eines sogenannten Billboards, auf der Mittelinsel der B in Höhe der Hausnummern in Berlin-Tiergarten.

Sie errichtet aufgrund eines Vertrages mit dem Beklagten im Stadtgebiet öffentliche Toilettenanlagen; im Gegenzug sollen ihr unter der Voraussetzung der Erteilung erforderlicher Sondernutzungserlaubnisse und Baugenehmigungen vom Beklagten Aufstellungsmöglichkeiten für Werbeanlagen auf öffentlichem Straßenland eingeräumt werden. Für den Standort in der Beusselstraße wurde ihr am 3. Mai 1999 eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis erteilt, woraufhin sie die Anlage errichtete und am 3. Dezember 1999 nachträglich die Erteilung einer Baugenehmigung beantragte. Nachdem am 17. Februar 2000 das Bezirksamt die erteilte Sondernutzungserlaubnis zurückgenommen hatte, versagte es mit Bescheid vom 3. April 2000, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2000, die Erteilung der Baugenehmigung, weil dafür das erforderliche Bescheidungsinteresse fehle und die Anlage gegen das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot verstoße. Durch den Bescheid vom 11. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2000 erließ das Bezirksamt daraufhin eine Beseitigungsanordnung, der die Klägerin nach Zurückweisung der dagegen erhobenen Klage durch das Verwaltungsgericht und Anhängigkeit der hiergegen erhobenen Berufung (VG 19 A 265.00/OVG 2 B 2.01) in der Folgezeit entsprach.

Die gegen die Versagung der Baugenehmigung erhobene Verpflichtungsklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht durch das Urteil vom 18. Oktober 2000 abgewiesen mit der Begründung, die Errichtung der Anlage würde an dem vorgesehenen Standort die dort vorhandene straßenbegleitende Begrünung in verunstaltender Weise beeinträchtigen.

Mit der hiergegen erhobenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Genehmigungsbegehren weiter. Sie ist der Auffassung, in diesem stark gewerblich und durch verkehrsreiche Straßen geprägten Bereich könne die hohen gestalterischen Anforderungen genügende Werbeanlage keine umgebungsverunstaltenden Auswirkungen haben, sondern sie würde im Gegenteil einen positiven Beitrag zur Gestaltung des Straßen- und Ortsbildes leisten. Die mit der Straßenbegrünung durch den Beklagten verfolgten Ziele seien demgegenüber nicht vorrangig.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamts Tiergarten von Berlin vom 3. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 14. Juni 2000 zu verpflichten, eine Baugenehmigung für eine Werbeanlage des Typs "Billboard" (18/1 Format durchleuchtet) gegenüber der B zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts für zutreffend.

Der Senat hat die Örtlichkeiten in Augenschein genommen; insoweit wird auf das Protokoll verwiesen. Wegen der weiteren Sachdarstellung wird auf die Akten des Gerichts und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte die Erteilung der beantragten Baugenehmigung abgelehnt, weil die Werbeanlage öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 62 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln widerspricht. Sie verstößt gegen das gemäß § 11 Abs. 2 BauO Bln für bauliche Anlagen dieser Art geltende Verunstaltungsverbot des § 10 BauO Bln. Nach § 10 Abs. 2 BauO Bln sind bauliche Anlagen, auch wenn sie selbst nicht im Sinne von § 10 Abs. 1 BauO Bln verunstaltet wirken, mit ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten oder deren beabsichtigte Gestaltung nicht stören; auf die erhaltenswerten Eigenarten der Umgebung ist Rücksicht zu nehmen. Die Feststellung einer Verletzung dieser umgebungsbezogenen Anforderungen an bauliche Anlagen setzt danach einen deutlich zu Tage tretenden Widerspruch des Erscheinungsbildes der Anlage zu den für die Umgebung bestimmenden städtebaulichen oder stadtbildlichen Gestaltungsmerkmalen voraus, wobei die Beurteilung nicht ausschließlich anhand des tatsächlich in der Umgebung vorhandenen Bestandes zu treffen ist; vielmehr ist auch die beabsichtigte Gestaltung des Straßen- und Ortsbildes nach Maßgabe der planerischen Vorstellungen und Konzepte der zuständigen Stellen heranzuziehen (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 31. Juli 1992, OVGE 20, 138, 139 f. = BRS 54 Nr. 110).

Gemessen an diesen Kriterien würde die Werbeanlage an dem dafür vorgesehenen Aufstellungsort das in dieser Umgebung vorhandene und angestrebte Straßen- und Ortsbild stören und verunstalten. Das gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass in diesem für eine gewerbliche Nutzung ausgewiesenen Bereich Anlagen der Fremdwerbung nicht gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 BauO Bln generell ausgeschlossen sind, sondern grundsätzlich für eine Errichtung offen sind, soweit sie nicht aufgrund der örtlichen Gegebenheiten konkret verunstaltende Auswirkungen haben. Dies ist hier jedoch nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck der Fall.

Die Anlage soll im vorderen, spitz zulaufenden Bereich der am Ende der Brücke beginnenden und sich danach auf circa 20 m verbreiternden Mittelinsel der B errichtet werden. Diese Insel ist durch noch relativ junge Baumanpflanzungen in der Weise begrünt, dass die einzelnen Bäume gegeneinander so versetzt gepflanzt worden sind, dass Passanten sowie Insassen der von der Brücke kommenden Fahrzeuge den Eindruck einer in die Tiefe gestaffelten, geschlossen begrünten und baumbestandenen, parkartig gepflegten Anlage gewinnen. Zusammen mit den an der linken und rechten Fahrbahnseite ebenfalls vorhandenen Baumreihen eröffnet sich aus dieser Richtung ein überwiegend durch straßenbegleitendes Grün geprägter Ausblick. Dies entspricht offensichtlich einem bewussten Straßen- und ortsbildlichen Gestaltungskonzept des Beklagten. Die von der Klägerin beabsichtigte Aufstellung der Werbeanlage am Beginn der Mittelinsel würde aber aufgrund ihrer Höhe und Großflächigkeit und der ihr funktional zukommenden Signalwirkung bereits einen erheblichen Teil der dahinter befindlichen Bäume verdecken und das bisher geschlossene Bild empfindlich durch ein dort als Fremdkörper wirkendes Gestaltungselement unterbrechen und die beschriebene Begrünung der Mittelinsel praktisch der ihr im Straßenbild zugedachten Funktion berauben. Damit würde seine Zulassung den Gestaltungsabsichten des Beklagten für jenen Bereich zuwiderlaufen. Ohne Erfolg leitet die Klägerin aus dem durch hohes Verkehrsaufkommen und gewerbliche Nutzung gekennzeichneten Charakter des umgebenden Bereichs eine Veränderung des Verunstaltungsmaßstabes dahingehend her, dass den Bedürfnissen der werbenden Wirtschaft ein größeres Gewicht gegenüber den Belangen der Straßenbegrünung zuzuerkennen sei. Bei der Einschätzung einer Anlage als umgebungsverunstaltend ist im Gegenteil den Zielen der Behörden, auch in ansonsten unwirtlichen, verkehrslärmbelasteten und gewerblich geprägten Gebieten der Stadt im Interesse der dort Lebenden und Tätigen wenigstens einzelne ansprechend begrünte und zumindest optisch beruhigte Inseln und Zonen herzurichten, Rechnung zu tragen. Dies entspricht dem erörterten Regelungsgehalt des umgebungsbezogenen Verunstaltungsverbots nach § 10 Abs. 2 BauO Bln und im Übrigen auch der gesetzlichen Zielsetzung einer tendenziell eher restriktiven Zulassung von Anlagen der Wirtschaftswerbung in den verschiedenen Gebieten der Stadt, wie sie aus der Regelung des § 11 Abs. 3 und 4 BauO Bln zu ersehen ist. Daraus, dass der Beklagte an der Beusselstraße in Höhe des Bahnhofseinganges ein ähnliches Billboard eines anderen Werbeunternehmens genehmigt hat, kann die Klägerin bereits deshalb nichts zu Gunsten ihres Vorhabens herleiten, weil an diesem Aufstellungsort ein entsprechender Konflikt mit dem straßenbegleitenden Grün nicht besteht.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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