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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 28.01.2003
Aktenzeichen: OVG 2 B 18.99
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, BauO Bln


Vorschriften:

BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO § 15
BauNVO § 20
BauO Bln § 6
BauO Bln § 55 Abs. 3
Eine in einem Nachbarrechtsstreit vergleichsweise getroffene Einigung zwischen den Nachbarn über die Änderung eines Bauvorhabens, mit der sich auch die Baugenehmigungsbehörde einverstanden erklärt hat, hindert diese nicht, auch ein davon abweichendes, aber ebenfalls mit den baurechtlichen Vorschriften zu vereinbarendes Bauvorhaben zu genehmigen. Hierzu bleibt die Baugenehmigungsbehörde aufgrund ihrer Aufgabe zur präventiven Prüfung von Baugenehmigungsgesuchen gegenüber dem Bauherrn verpflichtet.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen OVG 2 B 18.99

Verkündet am 28. Januar 2003

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Freitag, den Richter am Oberverwaltungsgericht Liermann und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow sowie die ehrenamtliche Richterin Ernst und den ehrenamtlichen Richter Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Der Beigeladene trägt seine Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich im Nachbarrechtsstreit gegen ein Bauvorhaben auf dem Grundstück des Beigeladenen.

Sie ist Eigentümerin des mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks H 20 in Berlin-Lankwitz. Der Beigeladene ist Eigentümer des rechts angrenzenden, südwestlich gelegenen Grundstücks H. Straße 18. Beide Grundstücke liegen in einem durch den Baunutzungsplan 1958/60 als allgemeines Wohngebiet der Baustufe II/3 ausgewiesenen Gebiet.

Am 5. November 1991 erteilte das Bezirksamt Steglitz von Berlin der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines zweigeschossigen Gebäudes mit einem in zwei Ebenen ausgebauten Dachgeschoss für insgesamt sechs Wohnungen. Hierfür wurde eine Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl von 0,6 auf insgesamt 0,86 gemäß § 25 c Abs. 2 BauNVO in der Fassung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 127) genehmigt.

Gegen die ihr nicht bekanntgegebene Baugenehmigung erhob die Klägerin im März 1992 Widerspruch, mit dem sie die Unterschreitung der zulässigen Abstandflächen sowie die Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl und einen dadurch bewirkten Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot rügte.

Im April 1992 beantragte sie beim Verwaltungsgericht Berlin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs (VG 13 A 149.92). Eine daraufhin von der Behörde veranlasste Messung der tatsächlich eingehaltenen Abstandflächen ergab, dass das im Rohbau befindliche Gebäude zur Grenze des Grundstücks der Klägerin hin nur einen Abstand von 3,87 bis 3,88 m einhielt. Das Bauaufsichtsamt verfügte sodann gegenüber der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen am 14./15. Mai 1992 die Einstellung der Bauarbeiten wegen der Unterschreitung der nach dem genehmigten Lageplan einzuhaltenden Abstandfläche von 4 m.

Am 17. Juni 1992 führte das Verwaltungsgericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen Orts- und Verhandlungstermin durch. Hierbei wurden neben der Abstandflächenproblematik auch die weiteren von der Klägerin gegen das Vorhaben geltend gemachten rechtlichen Einwendungen mit dem Ziel einer unstreitigen Beilegung des Rechtsstreits erörtert. Dazu heißt es in dem Sitzungsprotokoll:

"Auf dringende Empfehlung des Gerichts im Hinblick darauf, dass der vorliegende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keine Aussicht auf Erfolg habe und im Blick auf die weitere Problematik des behördlichen Vorgehens (Befreiung von der GFZ) erklärten die Beteiligten sich wie folgt:

1. Herr D erklärte: Wir werden die uns erteilte Baugenehmigung im Bereich des Dachraums lediglich wie folgt ausnutzen: Die rechte Wohnung erstreckt sich weiterhin über beide Dachraumebenen. Die linke Wohnung wird sich nur über den Dachraum Ebene I erstrecken; wir verzichten auf die Aufenthaltsnutzung insoweit im Dachraum II (Spitzboden). In dieser linken Wohnung werden wir Dachflächenfenster nicht anbringen. Den rückwärtigen Balkon, der zu dieser linken Dachraumwohnung gehört, werden wir nicht in voller Tiefe errichten, sondern lediglich in einer Tiefe bis zu der in der Bauzeichnung gestrichelten Querlinie.

2. Wir werden die Abweichung von der Baugenehmigung im Bereich der linken Grundstücksgrenze wie folgt korrigieren: Wir werden die die Abstandfläche nicht einhaltende Außenwand zurückbauen und lediglich wie in der von uns heute zu dem Behördenvorgang überreichten Zeichnung zwei senkrechte vor die Außenwand tretende Stützpfeiler aus statischen Gründen erhalten; die hintere ist durchgehend über die ganze Außenwand; die vordere nur im Obergeschossbereich.

3. Für den Fall der Antrags- und Widerspruchsrücknahme erstatten wir der Antragstellerin die gerichtlichen und anwaltlichen Kosten nach den gesetzlichen Streitwerten.

Sodann erklärten auf Vorschlag des Gerichts die Behördenvertreter:

Wir sind mit dieser Art des Rückbaus einverstanden. ...

Mit der eingeschränkten Ausnutzung der Baugenehmigung im Bereich des Dachraums sind wir aus rechtlichen Gründen einverstanden; selbstverständlich müssen geänderte Bauzeichnungen nachgereicht werden."

Nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und des Widerspruchs stellte das Gericht sodann das Verfahren ein.

Mit Nachtrag vom 13. Oktober 1992 genehmigte das Bauaufsichtsamt aufgrund entsprechender neuer Bauvorlagen eine geänderte Bauausführung. Danach sollte die linke Außenwand um rund 0,15 m zurückgesetzt werden, wobei sowohl die beiden senkrechten Stützpfeiler als auch der die Kellerdecke tragende, bis zu 25 cm hohe und nunmehr 15 bis 20 cm vorkragende Sockel sowie der Dachunterzug und der circa 50 cm tiefe Dachüberstand der ursprünglichen Baugenehmigung entsprechend verblieben. Die bisher im Spitzbodenbereich der linken Dachraumwohnung vorgesehenen vier zum Grundstück der Klägerin ausgerichteten Dachflächenfenster sollten entfallen. Für diese Räumlichkeiten war lediglich noch die Nutzung eines Hobby- und eines Abstellraums anstelle des ursprünglich vorgesehenen Kinderzimmers nebst Bad und Flur vorgesehen. Der zur Dachraumebene I gehörende gartenseitige Balkon sollte verkürzt werden.

Die Klägerin erhob im Oktober 1992 erneut Widerspruch gegen die Baugenehmigung vom 5. November 1991 und im Dezember 1992 auch Widerspruch gegen die ihr nicht bekanntgegebene Nachtragsgenehmigung vom 13. Oktober 1992.

Mit Bescheid vom 6. November 1992 verzichtete das Bauaufsichtsamt gegenüber der Bauherrin auf die Erteilung einer weiteren Baugenehmigung für den Einbau von zwei Dachflächenfenstern im Spitzbodenbereich der linken Dachraumwohnung, die zur Straße und zum Garten ausgerichtet waren.

Durch Bescheide vom 28. Juni 1994 wies die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen die Widersprüche der Klägerin zurück. Der zweite Widerspruch gegen die ursprüngliche Baugenehmigung sei unzulässig, nachdem die Klägerin den ersten Widerspruch im Termin vom 17. Juni 1992 zurückgenommen habe; der Widerspruch gegen die Nachtragsgenehmigung sei unbegründet, weil diese rechtlich nicht zu beanstanden sei.

In der Folgezeit ermittelte das Bezirksamt, dass die Mieter der linken Dachraumwohnung den nur noch als Hobbyraum genehmigten Raum im Spitzbodenbereich als Schlafzimmer nutzten. Durch Bescheid vom 9. April 1998, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 1998, untersagte der Beklagte dem Mieter gemäß § 70 Abs. 1 BauO Bln die Nutzung dieses Raumes zu Aufenthaltszwecken. Das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Juni 1992 (VG 13 A 172.98/OVG 2 N 27.99) wurde rechtskräftig. Eine gleichlautende Anordnung des Bauaufsichtsamts an den Beigeladenen vom 9. April 1998 wurde von diesem nicht angefochten.

Mit ihrer gegen die Baugenehmigung und die Nachtragsgenehmigung erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht: Die Genehmigungen verstießen gegen die im gerichtlichen Termin vom 17. Juni 1992 getroffenen, auch für den Beklagten bindenden Vereinbarungen darüber, in welcher Form und Ausgestaltung die Baugenehmigung für das Wohngebäude, ohne ihre nachbarlichen Rechte zu verletzen, zu ändern sei. So hätten auch der nunmehr überstehende Kellersockel und der auskragende Dachüberstand zurückversetzt werden müssen; die Zulassung eines Hobbyraums stelle eine nach dem Vergleich unzulässige Aufenthaltsnutzung dar; auch Dachflächenfenster hätten für die linke Dachgeschosswohnung nicht mehr zugelassen werden dürfen. Aufgrund dieser Verstöße und der wesentlichen Überschreitung der zulässigen Nutzungsmaße erweise sich das Vorhaben ihr gegenüber als rücksichtslos.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 1997 hat die Klägerin den Beklagten darüber hinaus aufgefordert, die Beseitigung der der Vereinbarung vom 17. Juni 1992 nicht entsprechenden Teile des Gebäudes sowie die Aufenthaltsnutzung der Räumlichkeiten im Spitzboden der linken Wohnung dem Beigeladenen gegenüber anzuordnen. Dieses Begehren hat sie mit dem im Juni 1999 nachträglich gestellten Verpflichtungsantrag weiterverfolgt.

Durch das Urteil vom 17. Juni 1999 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die gegen die Baugenehmigung in der Fassung der Nachtragsgenehmigung erhobene Klage sei nicht begründet. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin durch die Rücknahme ihres Widerspruchs im Verhandlungstermin vom 17. Juni 1992 nicht bereits auf Abwehrrechte gegen die ursprüngliche Baugenehmigung verzichtet habe. Jedenfalls verletze weder die Baugenehmigung noch die Nachtragsgenehmigung die Klägerin in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten. Die genehmigte Nutzung des Spitzbodens für einen Hobbyraum verstoße nicht gegen die in einem Wohngebiet zulässige Art der baulichen Nutzung. Die von der Klägerin gerügte Überschreitung des zulässigen Nutzungsmaßes, insbesondere der Geschossflächenzahl, verletze mangels drittschützender Wirkungen dieser Festsetzungen nicht ihre Rechte. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot sei angesichts der Einhaltung der erforderlichen Abstandfläche und des Fehlens unzumutbarer Einsichtsmöglichkeiten in den hinteren Bereich ihres Grundstücks nicht festzustellen. Der an der Schmalseite des Gebäudes einzuhaltende Mindestabstand sei gewahrt, wobei die nach dem erfolgten Rückbau vorspringenden Bauteile, die zwei Stützpfeiler sowie der Kellersockel und der Dachüberstand, abstandflächenrechtlich zulässig seien. Eine rechtliche Bindung des Beklagten an die im Termin vom 17. Juni 1992 zwischen der Klägerin und dem Beklagten getroffenen Vergleichsabsprachen darüber, in welcher Weise das Vorhaben zu ändern sei, sei nicht gegeben. Die auf eine Beseitigungs- und Unterlassungsanordnung gerichtete Verpflichtungsklage sei mangels Rechtsverstoßes des Bauvorhabens ebenfalls unbegründet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie weiterhin geltend macht:

Die im Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht am 17. Juni 1992 getroffene Vereinbarung enthalte aus der maßgeblichen Sicht der am Termin Beteiligten eine sowohl den Beigeladenen als auch die zustimmende Behörde in Form eines dreiseitigen öffentlich-rechtlichen Vertrages bindende Festlegung darüber, wie das Gebäude des Beigeladenen baulich zu ändern und zu nutzen sei, damit es gegenüber dem Grundstück der Klägerin das Gebot der Rücksichtnahme und die erforderliche Abstandfläche wahre.

Diese Vereinbarung sei schon dadurch unterlaufen worden, dass nicht die Zurücksetzung der gesamten Wand bis auf die beiden senkrechten Stützpfeiler genehmigt, sondern abweichend von. der dem Vergleich zugrunde gelegten - nicht mehr auffindbaren - Zeichnung der Kellersockel sowie der Dachunterzug und der Überstand belassen worden seien. Im Ergebnis werde die Seitenwand praktisch durch diese vorspringenden Bauteile eingerahmt, so dass ihre Verschattungswirkung verstärkt werde, obwohl gerade bei der Inanspruchnahme des Schmalseitenprivilegs vorkragende Bauteile nur zurückhaltend zugelassen werden dürften. Hinzukomme die Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl um fast 45 %, die sich durch die Massivität und die Höhe des Baukörpers sowie die Wohnnutzungsintensität rücksichtslos auf ihr Grundstück auswirke. In Verbindung mit der Verletzung der Nichteinhaltung der Abstandregelung entfalte das fast 11m hohe Gebäude gegenüber ihrem eingeschossigen Haus eine erdrückende Wirkung. Überdies werde durch die Zulassung der Dachflächenfenster in der linken Dachraumwohnung nicht nur die Nutzung des sogenannten Hobbyraums als Aufenthaltsraum begünstigt, sondern es würden auch verstärkte Einsichtsmöglichkeiten in ihren Gartenbereich, auf ihre Terrasse und sogar in ihre Wohnraumfenster ermöglicht. Die genehmigungswidrige Nutzung der ohnehin entgegen der im damaligen Termin getroffenen Absprache unzulässigerweise zu Hobbyzwecken zugelassenen Räumlichkeiten in der oberen linken Dachraumebene als Schlafzimmer und des vergleichswidrig eingebauten Bades werde seit Errichtung des Gebäudes durch verschiedene Mieter bis heute fortgesetzt. Bei einer Gesamtschau dieser Verstöße erweise sich das gesamte Bauvorhaben damit ihr gegenüber als rücksichtslos mit der Folge, dass die entsprechenden Baugenehmigungen aufzuheben seien und der Beklagte zum Erlass der geforderten Beseitigungs- und Unterlassungsanordnungen zu verurteilen sei.

Die Klägerin beantragt,

1. die an den Beigeladenen gerichtete Baugenehmigung vom 5. November 1991 in der Gestalt der Nachtragsgenehmigung vom 13. Oktober 1992 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. Juni 1992 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verpflichten, gegenüber dem Beigeladenen folgende Eingriffsverfügungen zu erlassen:

a) Die Aufenthaltsnutzung einschließlich einer Nutzung als Hobbyraum der im Dachbereich der Nordseite des Gebäudes gelegenen (linken) Wohnung wird im Dachbereich des Dachraums II (Spitzboden) untersagt.

b) Der Beigeladene wird verpflichtet, sämtliche Dachflächenfenster im Bereich dieser Wohnung (drei Dachflächenfenster im Dachraum I, davon zwei an der Westseite und eines an der Ostseite, sowie zwei Dachflächenfenster im Dachraum II, davon eines an der Ostseite und eines an der Westseite) zu beseitigen.

c) Der Beigeladene wird verpflichtet, den im unteren Bereich der nördlichen Gebäudewand vorspringenden Kellersockel zu beseitigen.

d) Der Beigeladene wird verpflichtet, den an der Nordwand unterhalb des Daches waagerecht verlaufenden Wandvorsprung sowie den Dachüberstand über dieser Wand zu beseitigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die erteilten Genehmigungen für rechtmäßig, weshalb auch dem Beseitigungsbegehren nicht zu entsprechen sei. Insbesondere bestreitet er, im Verhandlungstermin vom 17. Juni 1992 sich einer auch ihn bindenden öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen über die zulässige Ausgestaltung des Bauvorhabens des Beigeladenen angeschlossen zu haben. Jedenfalls sei ein Verstoß gegen nachbarrechtliche Vorschriften, namentlich das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, nicht gegeben.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat die Örtlichkeiten besichtigt. Wegen der weiteren Sachdarstellung wird auf das Ortsbesichtigungsprotokoll und auf die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren, in den Verfahren VG 13 A 149.92 und 172.98 sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist unbegründet.

Gegenstand des Anfechtungsbegehrens ist die Baugenehmigung vom 5. November 1991 in der Gestalt, die sie durch die Nachtragsgenehmigung vom 13. Oktober 1992 erfahren hat; hinzu kommt der bauaufsichtlich geprüfte Einbau der beiden Dachflächenfenster an der Garten- und Straßenseite in der zweiten Dachebene der linken Wohnung, bei dem das Bauaufsichtsamt gemäß § 55 Abs. 3 BauO Bln von der Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens abgesehen hat. Diese nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. das Urteil vom 31. Juli 1992 - BRS 54 Nr. 191 - und vom 22. April 1993 - BRS 55 Nr. 179 - = NVwZ-RR 1994, S. 141) wie eine Baugenehmigung anfechtbare Entscheidung der Behörde hat die Klägerin zwar nicht ausdrücklich mit dem Widerspruch angefochten, sondern sie nur im Laufe des Klageverfahrens rechtlich beanstandet. Nach der gegebenen verfahrensrechtlichen Situation wäre die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens prozessökonomisch überflüssig. Diese auf das Bauvorhaben des Beigeladenen bezogenen bauaufsichtlichen Entscheidungen bilden eine untrennbare rechtliche Einheit; eine isolierte verfahrensrechtliche Beurteilung, wie sie der Beklagte im Widerspruchsverfahren hinsichtlich der ursprünglichen Baugenehmigung vorgenommen hat, ist damit ausgeschlossen.

Das hiergegen gerichtete Anfechtungsbegehren ist mangels Rechtsverletzung der Klägerin unbegründet. Eine Rechtsverletzung der Klägerin ergibt sich - entgegen ihrer Auffassung - nicht unmittelbar bereits daraus, dass die Genehmigung des geänderten Bauvorhabens einer in dem Termin vor dem Verwaltungsgericht vom 17. Juni 1992 in Form eines dreiseitigen öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sinne von § 54 ff. VwVfG eingegangenen Verpflichtung des Beklagten widerspricht, ausschließlich die dabei in allen Einzelheiten zwischen den Beteiligten vereinbarten Änderungen zu genehmigen. Es kann dahinstehen, ob bei verständiger Würdigung der gegebenen Verfahrens- und Rechtslage die von der Klägerin behauptete Diskrepanz zwischen der abgesprochenen und der sodann genehmigten Änderung tatsächlich gegeben ist. Jedenfalls fehlt es an einer entsprechenden zwingenden rechtliche Bindung des Beklagten. Dies würde voraussetzen, dass sich der Beklagte aufgrund der in jenem Termin von seinem Vertreter abgegebenen Erklärungen aus der Sicht der Beteiligten erkennbar in diesem Sinne zwingend rechtlich binden wollte und dass er hierzu auch rechtlich befugt war. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden.

Zwar ist dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen, dass sich auf Drängen des Gerichts auch der Beklagte zusammen mit der Klägerin und der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen um eine unstreitige Beendigung des anhängigen Rechtsstreits auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und darüber hinaus eine endgültige Beilegung des Nachbarstreits bemüht hat. Zu vertraglich bindenden Absprachen ist es in diesem Termin jedoch nur zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen in der Weise gekommen, dass im gegenseitigen Nachgeben die Bauherrin sich zu einem Rückbau der seitlichen Gebäudewand mit Ausnahme der beiden senkrechten Stützpfeiler, zum Verzicht auf Dachflächenfenster in der linken Dachwohnung und auf die aufenthaltsförmige Nutzung der zweiten Dachebene der linken Wohnung sowie auf eine Verkürzung des gartenseitigen Balkons der linken Dachwohnung bereit gefunden hat, während die Klägerin ihrerseits diese Form des Rückbaus der Außenwand akzeptieren und im Übrigen von der prozessualen Durchsetzung ihrer weitergehenden baurechtlichen Beanstandungen des Vorhabens Abstand nehmen wollte. Der Beitrag des Vertreters des Beklagten zu der danach vorgesehenen unstreitigen Beendigung des Verfahrens blieb laut Protokoll darauf beschränkt, dass er mit dieser Form des Rückbaus der Außenwand und aus rechtlichen Gründen auch mit der eingeschränkten Ausnutzung der Baugenehmigung im Dachraum einverstanden sei und dass die Baueinstellungsverfügung bei Rücknahme des Antrags nicht mehr gelte.

In diesen Äußerungen des Behördenvertreters kann die von der Klägerin geltend gemachte Erklärung, dass der Beklagte sich verpflichte, keine andere als die im Detail vereinbarten Änderungen des Vorhabens zu genehmigen und zu garantieren, dass diese Absprache auch künftig eingehalten werde, nicht gesehen werden. Der Behördenvertreter hat diese Erklärung erkennbar vielmehr allein in Wahrnehmung der der Bauaufsichtsbehörde übertragenen Aufgabe abgegeben, die darin besteht, präventiv zu prüfen, ob ein konkretes Bauvorhaben gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Bestimmungen verstößt. Im Rahmen der so umschriebenen Kompetenz ist die Bauaufsichtsbehörde mit Rücksicht auf die dem Grundeigentümer grundsätzlich zustehende Baufreiheit verpflichtet, jede Form der baulichen Ausgestaltung oder Nutzung eines ihr zur Prüfung unterbreiteten Bauvorhabens zu genehmigen, das mit den zu diesem Zeitpunkt geltenden baurechtlichen und sonstigen öffentlichrechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Dementsprechend konnte auch die im Termin vom 17. Juni 1992 von dem Behördenvertreter abgegebene Erklärung nur dahin verstanden werden, dass für die zwischen der Klägerin und der Bauherrin vereinbarten Maßnahmen zur Zurückversetzung der Außenwand, den Verzicht auf die Dachflächenfenster, die Verkürzung des Balkons und die Aufenthaltsnutzung der linken zweiten Dachebene bei Einreichung der erforderlichen Bauvorlagen die Baugenehmigung in Aussicht gestellt werden könne, weil hiergegen öffentlich-rechtliche Bedenken nicht beständen. Für eine darüber hinausgehende Verpflichtungserklärung dahingehend, dass die Genehmigung für eine von der Vereinbarung im Detail abweichende bauliche Änderung versagt werde und gegenüber der Klägerin die Garantie für die Erfüllung und Durchsetzung der Abrede übernommen werde, bestand aus der Sicht des Behördenvertreters, der in dem anhängigen Verfahren die erlassene Stilllegungsanordnung zu vertreten hatte, in dieser verfahrensrechtlichen Situation weder ein plausibler Anlass, noch wäre der Beklagte im Rahmen seiner bauaufsichtlichen Kompetenzen ohne weiteres rechtlich befugt gewesen, eine derartige die baulichen Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten der Bauherren beschneidende Verpflichtung gegenüber der Klägerin einzugehen.

Die Einverständniserklärung des Behördenvertreters konnte allenfalls gegenüber der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen öffentlich-rechtlich bindene Wirkungen insoweit entfalten, als diese die Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung verlangen konnte. Die in jenem Termin zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen getroffene - hinsichtlich ihres Inhalts im Einzelnen streitige - Vereinbarung begründete danach lediglich zwischen diesen Vertragsparteien zivilrechtliche Verbindlichkeiten.

Über den Anfechtungsantrag der Klägerin gegen die Baugenehmigung in der geänderten Form ist somit ohne Bindung an den von der Klägerin mit der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen seinerzeit geschlossenen materiellrechtlichen Vergleich hinsichtlich der Beschaffenheit und Nutzung des Gebäudes allein anhand der einschlägigen Vorschriften des öffentlichen Baurechts nach Maßgabe des durch diese etwa vermittelten Drittschutzes zu entscheiden. Insoweit ist jedoch eine Rechtsverletzung der Klägerin in ihren öffentlichrechtlich geschützten Nachbarrechten nicht festzustellen.

Die nachbarschützenden Vorschriften des bauordnungsrechtlichen Abstandflächenrechts werden durch die Baugenehmigung in ihrer geänderten Gestalt nicht verletzt. Anwendbar als die dem Bauherrn günstigste Regelung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1994, NVwZ-RR 1996, S. 628) ist § 6 Abs. 6 BauO Bln in der seit Oktober 1995 geltenden Fassung des Siebenten Änderungsgesetzes vom 19. Oktober 1995 (GVBl. S. 670). Danach genügen an zwei Gebäudeseiten vor Außenwänden in jeweils nur einem Gebäudeabschnitt von bis zu 16 m Länge eine Tiefe der Abstandfläche von 0,5 H, mindestens jedoch 3 m. Der für diese Berechnung maßgebende mittlere Wandabschnitt zwischen den beiden Rücksprüngen von 2 m beträgt lediglich 15 m. Das Maß von 1/2 H beträgt nach der zur Baugenehmigung vom 5. November 1991 gehörenden Schnittzeichnung und den dortigen Grüneintragungen 3,856 m, während nach dem Lageplan ein Abstand von 4 m genehmigt ist. Auch die von der Klägerin als abstandflächenrechtlich unzulässig gerügten Außenwandvorsprünge, nämlich der bis zu etwa 25 cm hohe und nach dem Rückbau der Wand circa 10 bis 15 cm breite Kellersockel sowie der unter dem Dach verlaufende Unterzug und der circa 50 cm auskragende Dachüberstand, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Bei ihnen handelt es sich, ebenso wie bei den beiden senkrechten Stützpfeilern, um privilegierte, vor die Außenwand vortretende Bauteile gemäß § 6 Abs. 7 BauO Bln, wozu in der beispielhaften Aufzählung unter anderem auch Dachvorsprünge und Gesimse zählen. Das Erfordernis, dass sie sich der Außenwand quantitativ und funktional unterordnen müssen (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 22. Mai 1992 = OVGE 20, 238), ist bei den geringen Maßen des Vortritts dieser Bauteile im Verhältnis zur übrigen Wandfläche erfüllt. Das gilt auch unter Berücksichtigung der im Beschluss des Senats vom 25. März 1993 (BRS 55 Nr. 121) aufgestellten Forderung, dass bei der Inanspruchnahme des Schmalseitenprivilegs der Unterordnung derartiger Bauteile eine besondere Bedeutung zuzumessen sei. Diese Einschätzung hat sich bei der vom Senat durchgeführten Augenscheinseinnahme bestätigt. Der schräg verlaufende zur Straße hin nur bis zu 25 cm herausragende Kellersockel drängt sich selbst einem auf dem Grundstück stehenden Betrachter optisch kaum auf; noch weniger auffällig ist er vom Grundstück der Klägerin her wahrzunehmen, zumal die Grundstücksgrenze durch einen dichten Bewuchs abgeschirmt ist. Auch der Dachunterzug und die überkragende Dachkante wirken nicht unangemessen ausladend und das Gesamterscheinungsbild der Wand beherrschend. Insbesondere konnte auch die von der Klägerin als Hindernis für eine abstandflächenrechtliche Privilegierung geltend gemachte einrahmende und zusätzlich verschattende Wirkung, die durch den Dachüberstand und den Kellersockel zusammen mit den beiden senkrechten Stützpfeilern verursacht werde, bei der Ortsbesichtigung nicht festgestellt werden. Die nur wenige Zentimeter aus der Wand herausragenden Stützpfeiler, von denen einer ohnehin nicht bis zum Kellersockel reicht, können schon aufgrund ihres Verlaufs innerhalb der Wand die von der Klägerin beanstandete Rahmenwirkung nicht hervorrufen und vermögen an der Wirkung dieser Bauteile als bloße untergeordnete wandgliedernde Elemente nichts zu ändern.

Aus einer Verletzung bauplanungsrechtlicher Vorschriften kann die Klägerin ebenfalls eine Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Nachbarrechte nicht herleiten.

Ein Verstoß gegen die unmittelbar nachbarschützende Festsetzung der zulässigen Art der baulichen Nutzung ist mit dem genehmigten Gebäude nicht verbunden. Insbesondere gehört zu den im allgemeinen Wohngebiet erlaubten Nutzungsarten auch die Verwendung einzelner Räume innerhalb von Wohngebäuden zu privater Nutzung als Hobbyräume.

Hinsichtlich des in der Baustufe II/3 nach dem Baunutzungsplan 1958/60 zulässigen Maßes der baulichen Nutzung lässt die angefochtene Baugenehmigung allerdings erhebliche Überschreitungen zu. Zwar ist die festgesetzte Vollgeschosszahl von zwei eingehalten, da hierzu nur die beiden Geschosse unter dem Dach zu zählen sind, wobei dieser Beurteilung die im Zeitpunkt der Festsetzung der A-Bebauungspläne geltenden Bestimmungen des § 18 BauNVO in der Fassung von 1968 und dementsprechend die damals geltende bauordnungsrechtliche Definition des Vollgeschossbegriffs des § 2 Abs. 5 BauO Bin 1966 zugrunde zu legen ist (vgl. das Urteil des Senats vom 10. März 1989, GE 1990, S. 201, 205 f., ferner Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer, BauO Bln, 5. Aufl. 1999, Anh., Rdnr. 47). Dagegen ist die zulässige Geschossflächenzahl von 0,6 erheblich überschritten. Nach der maßgebenden Regelung des § 20 Abs. 2 BauNVO 1968 ist die Geschossfläche nach den Außenmaßen des Gebäudes in allen Vollgeschossen zu ermitteln; werden im Dachraum oder in Kellerräumen Aufenthaltsräume zugelassen, so sind deren Flächen mitzurechnen. Unter Einbeziehung aller Räumlichkeiten in den beiden Dachebenen ist hiernach die zulässige GFZ von 0,6 bis zu einem Wert von 0,86 überschritten. Werden die nachträglich nur für eine Nutzung als Hobby- und Abstellräume zugelassenen Räumlichkeiten in der zweiten Dachebene der linken Wohnung abgezogen, ergibt sich noch immer eine GFZ von mindestens 0,84. Ob die Zulassung dieser Maßüberschreitung materiell rechtmäßig war, ist zweifelhaft. Zugelassen wurde sie nach der Bestimmung des § 25 c BauNVO 1990, die eine weitgehende Erleichterung von Dachgeschossausbauten auch in zuvor festgesetzten Plangebieten zuließ, die aber nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 1992 (ZfBR 1992, S. 177) wegen Fehlens der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage für nichtig angesehen wurde. Nachfolgeregelung war insoweit § 4 des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466), wonach die Überschreitung der planerisch festgesetzten Geschossflächenzahl durch Aufenthaltsräume in anderen als Vollgeschossen zugelassen werden konnte, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, wobei die Zulassung nicht auf Einzelfälle beschränkt war. Seit dem Außerkrafttreten dieser Regelung Ende 1997 gelten wiederum die Befreiungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB, nach dem hier jedenfalls eine Ermessensreduzierung auf Null nicht ohne weiteres festgestellt werden könnte.

Die Frage, ob diese Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl sowie die damit einhergehende Überschreitung der regelmäßig einzuhaltenden Gebäudehöhe gemäß § 9 Nr. 5 in Verbindung mit § 8 Nr. 4 BO 58 materiellrechtlich genehmigungsfähig waren oder sind, muss aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits indessen nicht abschließend geklärt werden. Denn nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur sind die Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich nicht unmittelbar nachbarschützend, wenn nicht dem für das Grundstück geltenden Bebauungsplan eine spezifische Schutzwirkung einzelner Festsetzungen zu entnehmen ist (vgl. die Nachweise bei Wilke u.a., BauO Bln, § 3 Rdnr. 34 und BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1995, BauR 1995, S. 823). Das gilt auch für das übergeleitete Berliner Planungsrecht (vgl. Wilke u.a., BauO Bin, Anh., Rdnr. 43). Ein Verstoß kann insoweit nur nach den Grundsätzen zum planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot Nachbarrechte verletzen. Dabei kommt es im Einzelfall darauf an, ob die von dem genehmigten Bauvorhaben und seiner Nutzung ausgehenden, auf die umliegenden Grundstücke einwirkenden Beeinträchtigungen für die davon handgreiflich betroffenen Grundstücksnachbarn unter Berücksichtigung der Gesamtsituation, der Interessenlage und der Schutzwürdigkeit der betroffenen Grundstücke unzumutbar sind. Ist - wie im vorliegenden Fall - eine Maßüberschreitung ohne Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauO Bln zugelassen worden, so kann der Nachbarschutz in entsprechender Anwendung des in § 15 Abs. 1 BauNVO (bzw. § 7 Nr. 5 BO 58 für das übergeleitete Berliner Planungsrecht) verankerten Rücksichtnahmegebots unter Einbeziehung der Interessenwertung des § 31 Abs. 2 BauGB - gewährt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 1989, BVerwGE 82, S. 343, 345 ff. und Urteil vom 26. September 1991, BVerwGE 89, S. 69, 79).

In diesem Sinne rücksichtslose Beeinträchtigungen des Grundstücks der Klägerin durch das die zulässigen baulichen Nutzungsmaße überschreitende Wohngebäude des Beigeladenen lassen sich jedoch nicht feststellen. Insoweit kommt es auf die vom Verwaltungsgericht erörterte Frage, ob durch die im Termin vom 17. Juni 1992 getroffenen Vereinbarungen der Maßstab für die zu wahrende Rücksichtnahme überhaupt eingeschränkt oder festgelegt werden konnte, mangels einer rechtlichen Bindungswirkung dieser Vereinbarung für die hier zu treffende Beurteilung von vornherein nicht an. Es muss auch nicht abschließend geklärt werden, ob die Klägerin im Rahmen des in jenem Termin mit der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen geschlossenen materiellrechtlichen Vergleichsvertrages und der anschließend erklärten Rücknahme ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung wirksam auf Abwehrrechte hinsichtlich der von der Vereinbarung nicht erfassten weitergehenden rechtlichen Beanstandungen, namentlich hinsichtlich der von ihr damit akzeptierten Kubatur des Gebäudes und der teilweisen Nutzung des Dachraums zu Wohnzwecken, verzichtet hat. Dies könnte im Übrigen im Hinblick darauf zweifelhaft sein, dass sich die Klägerin im Verlaufe des weiteren Verfahrens mit ihrem das gesamte nachfolgende Vorgehen des Beklagten und des Beigeladenen beanstandendem Vorbringen einerseits an die vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits nicht mehr gebunden gesehen hat, während sie andererseits mit den im Klageverfahren gestellten Verpflichtungsanträgen nach wie vor eine Änderung des Bauvorhabens nur hinsichtlich der genannten Wandvorsprünge, der Dachflächenfenster und der Nutzung der oberen linken Dachebene erstrebt. Jedenfalls ist ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot auch in Ansehung der gesamten auf die Überschreitung des Nutzungsmaßes zurückzuführenden Auswirkungen des Gebäudes auf das Grundstück der Klägerin nicht gegeben.

Soweit die Klägerin geltend macht, die Überschreitungs der Geschossflächenzahl habe einen ihr Grundstück unzumutbar verschattenden hohen und massiven Baukörper zur Folge, ist eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme grundsätzlich ausgeschlossen, weil das Wohnbauvorhaben die nach Bauordnungsrecht gebotenen Abstandflächen einhält. Denn diese bezwecken nach der ihnen zugedachten Funktion eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung von Nachbargrundstücken sowie die Wahrung einer sozialen Distanz zwischen den Grundstücken und deren Bewohnern, so dass darüber hinaus für ein drittschützendes Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf diese nachbarlichen Belange regelmäßig kein Raum ist (st. Rspr. des BVerwG, z.B. Beschluss vom 22. November 1984 = NVwZ 1985, S. 653 und Urteil vom 11. Januar 1999 = BauR 1999, S. 615, 616, vgl. auch den Beschluss des Senats vom 25. März 1993 = BRS 55 Nr. 121).

Eine im Zusammenhang mit der Überschreitung des zulässigen Nutzungsmaßes eintretende Verletzung des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes kommt darüber hinaus nur in solchen Ausnahmefällen in Betracht, in denen die Schutzfunktion der Abstandflächen die mit dem Bauvorhaben einhergehenden Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks nicht erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 = NVwZ 1987, S. 128 f., Urteil vom 16. September 1993 = DVBl. 1994, S. 285, 287 sowie das Urteil vom 11. Januar 1999, a.a.O.).

Dazu reicht jedoch allein die Errichtung eines infolge der Maßüberschreitung im Verhältnis zur Nachbarbebauung wuchtigen Baukörpers nicht aus (vgl. BVerwGE 89, 69, 80 f.). Vielmehr müsste, um die Grenze zur Rücksichtslosigkeit zu überschreiten, von diesem eine gleichsam erdrückende, das Nachbargrundstück unzumutbar beengende Wirkung ausgehen. Davon kann hier trotz des einschließlich des Dachs rund 11 m hohen Hauses des Beigeladenen im Vergleich zu dem nur etwa 7,50 m hohen Wohngebäude der Klägerin nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck nicht die Rede sein (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1986, Buchholz 406.11 § 34 Nr. 116 = NVwZ 1987, S. 128). Entgegen der Auffassung der Klägerin hat auch die Inanspruchnahme des Schmalseitenprivilegs keine Verschärfung dieses Bewertungsmaßstabs zur Folge (vgl. den Beschluss des Senats vom 29. März 1996 = NVwZ-RR 1997, S. 60 = BRS 58 Nr. 169). Soweit die Klägerin zur Unterstützung ihrer Auffassung einwendet, ihr eigenes Wohnhaus sei nur eingeschossig mit ausgebautem Dachraum errichtet worden, ist dem entgegenzuhalten, dass die eigene Zurückhaltung eines Bauherrn bei der Ausnutzung des zulässigen Nutzungsmaßes eine erhöhte Schutzwürdigkeit gegenüber Nachbarbebauung nicht zu vermitteln vermag (vgl. dazu die Beschlüsse des Senats vom 10. Juli 1987 - OVG 2 S 45.87 -, vom 26. März 1991 - OVG 2 S 30.90 - und vom 29. August 1994 - OVG 2 S 93.94 -).

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin ferner darauf, dass die an der Gartenseite des Gebäudes sowohl in der ersten Dachebene wie im Spitzboden eingebauten Dachflächenfenster eine erhöhte und für sie unzumutbare Einsichtsmöglichkeit in ihren Gartenbereich mit Swimmingpool und Terrasse sowie in einige Wohnräume gestatte. Die Schaffung von Einsichtsmöglichkeiten aus Fenstern auf ein benachbartes Grundstück kann in aller Regel - soweit nicht eine speziell die Wohnintimität schützende planerische Festsetzung in Frage steht, so z.B. in dem dem BVerwG im Beschluss vom 20. September 1984, BRS 42 Nr. 123, zugrunde liegenden Fall - das Rücksichtnahmegebot nicht verletzen (BVerwGE 89, S. 69, 80 und BVerwG, Urteil vom 11. Januar 1999, BRS 62 Nr. 102, ferner Urteil des Senats vom 23. September 1988 - OVG 2 B 144.86 -, und Beschluss vom 26. November 1996 - OVG 2 S 18. 96 -). Die Augenscheinseinnahme hat bestätigt, dass durch die jetzt in der linken Seite des Dachraums eingefügten Dachflächenfenster unzumutbar weitgehende Einsichtsmöglichkeiten in das Grundstück der Klägerin und auf das Haus nicht geschaffen worden sind, unabhängig davon, ob die betreffenden Räumlichkeiten genehmigungswidrig als Aufenthaltsräume oder entsprechend der Genehmigung als Hobby- und Abstellraum genutzt werden. Die rückwärtig eingebauten Dachflächenfenster können allenfalls bei außergewöhnlich weitem Hinauslehnen einen teilweisen Einblick in rückwärtige Wohnraumfenster des Hauses der Klägerin ermöglichen, so dass es bei normalem Verhalten der Bewohner des Hauses bei der allgemein hinzunehmenden Einsichtsmöglichkeit in den hinteren Grundstücksbereich des Nachbargrundstücks bleibt. Die Klägerin konnte sich nicht darauf verlassen, dass sie in dem nach ihren individuellen Wünschen und Vorlieben eingerichteten und genutzten Garten auch bei einer neuen Bebauung des Nachbargrundstücks durch Blicke der Bewohner unbehelligt bleiben würde. Dem Gebot der Rücksichtnahme ist hinreichend durch den Verzicht der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen auf die ursprünglich an der dem Grundstück der Klägerin zugewandten Gebäudeseite in der zweiten Dachraumebene vorgesehenen vier Dachflächenfenster sowie durch die Verkürzung des Balkons zur Gartenseite hin Rechnung getragen worden. Für eine Rechtsverletzung der Klägerin durch die straßenseitig eingebauten Fenster in der ersten Dachebene bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte.

Ist sonach eine Rechtsverletzung der Klägerin durch das Bauvorhaben in der genehmigten Gestalt nicht gegeben, so muss auch dem mit den Verpflichtungsanträgen verfolgten Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren der Erfolg versagt bleiben. Das gilt auch, soweit die Klägerin eine nicht der Genehmigung entsprechende Nutzung der oberen linken Dachebene durch ein Schlafzimmer und ein Badezimmer behauptet. Eine solche Nutzung und bauliche Ausgestaltung würde zwar der Baugenehmigung widersprechen. Gleichwohl kann die Klägerin eine Untersagung dieser rechtswidrigen Nutzung nicht im Wege der Nachbarklage durchsetzen. Dem steht bereits entgegen, dass der Beklagte dem Beigeladenen eine derartige Nutzung durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 15. Juli 1998 untersagt hat, so dass ein Rechtsschutzbegehren der Klägerin insoweit von vornherein nicht besteht. Aber auch den Vollzug dieser Anordnung gegenüber dem Beigeladenen kann die Klägerin nicht im Verwaltungsstreitverfahren durchsetzen, weil sie - wie ausgeführt - durch diese rechtswidrige Form der Nutzung nicht in ihren Rechten verletzt wird. Zur Vollstreckung der bestandskräftigen Nutzungsuntersagungsanordnung ist die Bauaufsichtsbehörde vielmehr allein im öffentlichen Interesse befugt und verpflichtet.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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