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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.02.2004
Aktenzeichen: OVG 2 N 121.04
Rechtsgebiete: AuslG, AuslG-VwV, DVAuslG, VwGO


Vorschriften:

AuslG § 8 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 30 Abs. 3
AuslG § 30 Abs. 4
AuslG § 55 Abs. 2
AuslG-VwV § 63 Abs. 3
AuslG-VwV Nr. 63.3.1
DVAuslG § 9
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 N 121.04

Beschluss

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin am 6. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Juni 2003 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens werden mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt, dem Kläger auferlegt.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 4 000 € festgesetzt.

Gründe:

Der Zulassungsantrag ist unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO) sind nicht dargelegt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des bereits am 15. Dezember 2002 in das Bundesgebiet zum Zwecke der Familienzusammenführung mit seiner hier lebenden Mutter eingereisten Klägers mit dem Ziel, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Konsulates in Temesvar vom 14. Mai 2002 zu verpflichten, ihm ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung mit seiner Mutter zu erteilen, im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Für den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel sind zumindest gewichtige Gesichtspunkte erforderlich, die eine dem Kläger günstige Erfolgsprognose erlauben. Danach liegen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis wahrscheinlich nicht standhalten wird, wenn also ein Erfolg der Angriffe gegen die erstinstanzliche Entscheidung wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Das ist nicht der Fall.

Es kann offen bleiben, ob die Begründung des Zulassungsantrages ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Begründung des erstinanzlichen Urteils dargelegt hat, dem Begehren des Klägers stehe, soweit es um eine Aufenthaltserlaubnis gehe, der zwingende Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG entgegen; auch eine Aufenthaltsbefugnis komme mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 AuslG nicht in Betracht. Denn eine zugelassene Berufung müsste allein deshalb erfolglos bleiben, weil die Klage aus anderen, schon im Zulassungsverfahren offen zu Tage liegenden Gründen keinen Erfolg haben könnte, so dass eventuell gegebenen Zweifeln an der vorinstanzlichen Begründung von vornherein die für eine Zulassung erforderliche Ergebnisrelevanz fehlt. Ob das Begehren des Klägers, ihm ein Visum zum Familiennachzug zu seiner bereits im Bundesgebiet lebenden Mutter zu erteilen, sich dadurch erledigt hat, dass er im Dezember 2003 in das Bundesgebiet eingereist ist und hier unstreitig auf Dauer bleiben will, was der alsbald nach der Einreise gestellte Aufenthaltsgenehmigungsantrag und begonnene Schulbesuch zusätzlich belegen, und deshalb (vgl. dazu Beschluss des OVG Berlin vom 10. September 2003 - OVG 8 N 73.03 -) das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist (vgl. dazu Beschluss des OVG Berlin vom 10. September 2003 - OVG 8 N 73.03 -), mag dahinstehen. Mit der Einreise und der Begründung eines Daueraufenthaltes im Bundesgebiet ist dem Anspruch auf Ausstellung eines Visums zum Daueraufenthalt jedenfalls die materiellrechtliche Grundlage nachträglich entzogen worden. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Das Visum, eine nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung vor der Einreise einzuholende besondere Form der Aufenthaltsgenehmigung (§ 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG), ist nicht für das Aufenthaltsgenehmigungsbegehren von Ausländern vorgesehen, die bereits ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet begründet haben (OVG NW, Urteile vom 13. Oktober 1993 - 17 A 1283.92 - InfAuslR 1994, 49 [50]). Ihnen darf eine Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr von der Auslandsvertretung erteilt werden, weil deren sachliche Zuständigkeit gemäß § 63 Abs. 3 i.V.m. Nr. 63.3.1 AuslG-VwV entfallen ist (vgl. OVG NW, Urteil vom 25. Oktober 1995 - 17 A 58.93 - zitiert nach Juris). Die Bundesrepublik Deutschland könnte daher auch gerichtlich nicht mehr zur Visumserteilung verpflichtet werden. Sachlich zuständig geworden für die erforderliche Genehmigung solchen Aufenthaltsbegehrens ist nach der Einreise zum Daueraufenthalt allein die nach Landesrecht örtlich zuständige inländische Ausländerbehörde (§ 63 Abs. 1 AuslG i.V.m. Nr. 63.1.2.1 AuslG-VwV), hier die des gewöhnlichen Aufenthalts (Nr. 63.1.2.2 AuslG-VwV), also das Landeseinwohneramt Berlin, bei dem der Kläger bereits am 27. Dezember 2002 eine Aufenthaltserlaubnis und hilfsweise eine Aufenthaltsbefugnis beantragt hat. Die Verpflichtung der Beklagten zur Visumserteilung scheiterte aber nicht nur an deren mangelnder sachlicher und örtlicher Zuständigkeit, sondern es würden auch die mit dem Visumsverfahren verfolgten Zwecke verfehlt. Zum einen soll das Visum die Einreise gestatten, die bei einem Inlandsaufenthalt bereits erfolgt ist, sodass dieser Teilzweck nicht mehr erreichbar ist. Zum anderen soll das vom Ausland her zu betreibende Visumsverfahren den Zuzug von Ausländern kontrollieren und steuern, was bei der vorliegenden Sachlage ebenfalls entfällt. Es gehört nicht zu den mit dem Visumsverfahren verfolgten Zwecken, den Aufenthalt nach bereits erfolgter Einreise nachträglich zu legitimieren (Teipel, ZAR 1995, 162 [165]). Das ist nur der inländischen Ausländerbehörde im Wege der Aufenthaltserlaubnis unter den Voraussetzungen des § 9 DVAuslG oder durch eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Abs. 3 und 4 AuslG möglich.

Nur wenn ein Ausländer, der ein Visum für einen Daueraufenthalt beantragt hat, vor Abschluss dieses Verfahrens mit oder - als sog. Positivstaater -, ohne Besuchsvisum zu einem kurzfristigen Aufenthalt einreist, steht der vorübergehende Aufenthalt der Weiterführung des Visumsverfahrens mangels Identität der in Rede stehenden Einreise- und Aufenthaltszwecke nicht entgegen (Teipel, a.a.O., S. 165). Entsprechendes gilt für die Fälle, die denen eines nur vorübergehenden - legalen - Aufenthaltes vergleichbar sind (vgl. OVG NW, Urteile vom 13. Oktober 1993 - 17 A 1283.92 - InfAuslR 1994, 49 [50] und vom 25. Oktober 1995 - 17 A 58.93 -, a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch offensichtlich nicht vor, weil der Kläger unter Umgehung der visarechtlichen Bestimmungen zum Zwecke des dauernden Aufenthalts eingereist ist.

Die Berufung kann auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden. Diese Anforderungen sind erfüllt, wenn auf Grund des Vorbringens zur Begründung des Zulassungsantrages keine Prognose über den Erfolg des Rechtsmittels getroffen werden kann, dieser vielmehr als offen bezeichnet werden muss (vgl. Uechtritz, NVwZ 2000, 1217 [1219 f.] m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall; die Berufung würde vielmehr - wie ausgeführt - voraussichtlich erfolglos bleiben.

Ebenso wenig kann die Berufung wegen der vom Kläger sinngemäß aufgeworfenen Grundsatzfrage zur Geltung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG für ohne Visum in Begleitung erwachsener Dritter einreisende minderjährige Ausländer zugelassen werden. Diese Rechtsfrage würde sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen, da der Kläger ohnehin mit seinem Begehren abgewiesen werden müsste.

Soweit der Kläger sich dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 AuslG für die mögliche Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis trotz Visumsverstoßes (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) verneint hat, kommt die Zulassung der Berufung schon wegen der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nicht in Betracht. Der Kläger hat im Übrigen schon nicht dargelegt, welcher der eingangs des Antragsbegründungsschriftsatzes benannten drei Zulassungsgründe von ihm in Anspruch genommen werden soll. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass insoweit jedenfalls ernstliche Richtigkeitszweifel geltend gemacht werden sollen, fehlt es an der erforderlichen Darlegung ihrer Ergebnisrelevanz. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung jeweils selbstständig tragend darauf gestützt, dass der Kläger nicht gemäß § 30 Abs. 3 AuslG unanfechtbar ausreisepflichtig sei und zudem die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung nicht vorlägen. Der Kläger, der sich nur gegen diese zweite tragende Erwägung wendet, hat damit seiner Darlegungslast (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht genügt. Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann der Antrag auf Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel nur Erfolg haben, wenn die Richtigkeit sämtlicher Begründungen erfolgreich in Zweifel gezogen wird (st. Senatsrspr.: vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO 13. Aufl. 2003, § 124 Rdnr. 5).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124 a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO).



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