Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.05.2002
Aktenzeichen: OVG 2 S 10.02
Rechtsgebiete: VwGO, BauO Bln, ASOG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 4
BauO Bln § 32 Abs. 9
ASOG § 13
ASOG § 13 Abs. 3
ASOG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 S 10.02

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Freitag und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dageförde und Liermann am 22. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. März 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1 500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung bzw. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage VG 19 A 46.02 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 20. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2001; darin hat der Antragsgegner dem Antragsteller als Verwalter des Wohnhauses T.straße in Charlottenburg-Wilmersdorf sofort vollziehbar aufgegeben, die auf Veranlassung des Eigentümers in die Riegel der Fenster des Treppenhauses eingebauten abschließbaren Druckzylinder zu entfernen und den rechtmäßigen baulichen Zustand wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag durch den Beschluss vom 7. März 2002 zurückgewiesen mit der Begründung, die Verfügung sei rechts- und ermessensfehlerfrei auf die Bestimmung des § 32 Abs. 9 BauO Bln gestützt worden, wonach Treppenräume an Außenwänden in jedem Geschoss Fenster einer bestimmten Mindestgröße haben müssen, die geöffnet werden können; die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei mit Rücksicht auf die brandschutzrechtliche Funktion dieser Vorschrift gerechtfertigt.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob der Antragsteller schriftsätzlich innerhalb der einmonatigen Beschwerdebegründungsfrist einen nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen bestimmten Antrag formuliert hat. Es ist insbesondere fraglich, dass ein dieser Vorschrift genügender Antrag etwa in dem letzten Satz des Beschwerdeschriftsatzes vom 26. März 2002 gesehen werden könnte, in dem der Antragsteller im Zusammenhang mit den von ihm bestrittenen Vollzugsvoraussetzungen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sowie einer Brandgefahr ausführt: "Die Entscheidung hat hingegen Hauptentscheidungscharakter und ist daher unrechtmäßig".

Aber selbst wenn die Beschwerde nicht an dieser Zulässigkeitsvoraussetzung scheitern sollte, hätte sie jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, findet die Anordnung ihre Rechtsgrundlage in § 32 Abs. 9 BauO Bln, die entgegen der Auffassung des Antragstellers auch dem baulichen Brandschutz dient. Der Vorschrift, dass Fenster in Treppenräumen, die an einer Außenwand liegen, zu öffnen sein müssen, ist im Zusammenhang mit der bestimmten Mindestgröße der Fenster von 60 x 90 cm und der vorgeschriebenen maximalen Brüstungshöhe von 1,20 m zu entnehmen, dass die Gesamtregelung aus Gründen des Brandschutzes getroffen wurde. Denn die Fenster sollen im Falle eines Brandes sowohl der Hereinnahme von Lösch- und Brandgeräten durch die Feuerwehr und dem Ruf- und Sichtkontakt von Lösch- und Angriffstrupps und Einsatzfahrzeugen dienen als auch einen weiteren Rettungsweg eröffnen (vgl. Meyer in: Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer, BauO Bln, 5. Aufl. 1999, § 32 Rdnr. 26 und Hahn/Radeisen, BauO Bln, 2. Aufl. 2000, § 32 Rdnr. 17). Das ist aber nur gewährleistet, wenn die Rettungsmannschaften im Brandfall das gesamte Fenster mit dem Rahmen ohne jegliche zeitliche Verzögerung und vermeidbare Verletzungsgefahr sowohl von innen wie auch von außen öffnen können, wobei hingenommen werden kann, dass das Öffnen von außen mit Hilfe der von den Rettungsmannschaften routinemäßig mitgeführten Vierkantschlüssel oder - äußerstenfalls - auch mit Hilfe einer nach Einschlagen des Fensters bestehenden inneren Entriegelungsmöglichkeit bewerkstelligt werden könnte. Keine der vom Antragsteller angebotenen Vorkehrungen - Verteilung von Fensterschlüsseln an die Mieter, Deponierung der Schlüssel in einem verplombten Kasten oder Steckenlassen der Schlüssel in den Zylindern - vermag das diesen Erfordernissen entsprechende Öffnen der Fenster ohne die Gefahr von Zeitverlusten sicherzustellen. Das gilt insbesondere auch für das Steckenlassen der Schlüssel, da nicht die Gewähr besteht, dass die Schlüssel nicht von Hausbewohnern oder in das Treppenhaus gelangenden sonstigen erwachsenen Personen oder Kindern herausgezogen werden, so dass diese im Brandfall nicht bei der Hand sind. Auch die Heranziehung des Antragstellers als Adressat der Anordnung ist ermessensfehlerfrei. Er ist sowohl aufgrund des von ihm veranlassten Einbaus der Fenster mit Druckzylindern Verhaltensstörer gemäß § 13 ASOG als auch in seiner Eigenschaft als Verwalter des Wohnhauses und damit Inhaber der tatsächlichen Gewalt Zustandsstörer im Sinne von § 14 ASOG. Dass er zu dem Einbau von dem Eigentümer beauftragt worden ist, ändert nichts an seiner Qualifikation als Verhaltensstörer, wie sich aus § 13 Abs. 3 ASOG ergibt. Besondere Umstände, die es nahe gelegt hätten, nicht den Antragsteller, sondern den Eigentümer in Anspruch zu nehmen, sind nicht dargetan. Vielmehr bot es sich an, den Antragsteller als verantwortlichen Verwalter des Hauses und Inhaber der unmittelbaren Sachherrschaft heranzuziehen.

Angesichts dieses offensichtlichen Verstoßes der Fensterverriegelungen gegen die genannten Vorschriften und des hohen Ranges der durch die brandschutzrechtlichen Vorschriften zu schützenden Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Eigentum kann von einer unverhältnismäßigen Belastung der Antragsteller durch die angefochtene Verfügung nicht die Rede sein; zudem wäre diese Fehlinvestition zu vermeiden gewesen, wenn sich der Antragsteller oder der Eigentümer vor dem Einbau der Schlösser über die Rechtslage informiert hätte. Die mit dem Vollzug der Anordnung verbundene weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache muss der Antragsteller hinnehmen, weil die angefochtene Verfügung eindeutig rechtmäßig ist. Das Gewicht der im Brandfalle gefährdeten Rechtsgüter gebietet regelmäßig die Anordnung der sofortigen Vollziehung derartiger brandschutzrechtlicher Verfügungen (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 23. August 1996 - OVG 2 S 13.96 - BRS 58 Nr. 205 = UPR 1997, S. 119 = DÖV 1997, S. 551 und Beschluss vom 17. Mai 2000 - OVG 2 S 3.00 - )

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO sowie aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

Zurück