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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.06.2005
Aktenzeichen: OVG 3 N 85.04
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
AuslG § 19
AuslG § 19 Abs. 1
AuslG § 19 Abs. 2
AuslG § 23 Abs. 2 S. 2
AuslG § 46 Nr. 2
AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 3 N 85.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Fitzner-Steinmann, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Merz und den Richter am Oberverwaltungsgericht Burchards am 17. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Januar 2004 zuzulassen, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Wert des Antragsgegenstandes wird auf 8 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn sie eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage mit fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.

Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, ob § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) ein abstraktes Gefährdungsdelikt sei. Er hat mit dem Zulassungsantrag geltend gemacht, es gebe hierzu unterschiedliche Rechtsprechung der mit Ausländerstreitverfahren befassten Kammern des Verwaltungsgerichts. Auch wenn er die von dem angefochtenen Urteil abweichende Rechtsprechung nicht konkret benannt hat, ergibt sich aus seinem Vorbringen mit hinreichender Klarheit, dass er die in dem Urteil selbst zitierte Rechtsprechung der 21. Kammer des Verwaltungsgerichts meint. Ein Einzelrichter dieser Kammer hat mit Urteil vom 24. Oktober 2002 (InfAuslR 2003, 96) entschieden, dass § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG kein abstraktes Gefährdungsdelikt sei, eine Strafbarkeit nach dieser Norm vielmehr nur bestehe, wenn die unrichtigen Angaben des Ausländers objektiv geeignet seien, diesem eine Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen, die ihm sonst nicht erteilt worden wäre (a.a.O., S. 97). Die 21. Kammer in ihrer vollen Besetzung trägt diese Rechtsprechung nicht mit. Sie hat in ihrem Beschluss vom 30. April 2003 (VG 21 A 813.02) ausgeführt, § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG sei nach seinem Wortlaut und Schutzzweck ein abstraktes Gefährdungsdelikt (BA S. 3). Divergierende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zu der Frage, wie § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG rechtlich zu qualifizieren sei, liegt danach nicht (mehr) vor. Davon geht wohl auch der Kläger in seinem Schriftsatz vom 11. Juni 2005 aus.

Abgesehen davon ist die aufgeworfene Frage in der für die Auslegung von Strafnormen primär berufenen strafrechtlichen Rechtsprechung geklärt. Sowohl das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 27. Januar 1998, NVwZ-RR 1999, 73) als auch das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 21. August 2000, NStZ-RR 2001, 56) und das BayObLG München (Beschluss vom 15. September 2003, juris) sehen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG als abstraktes Gefährdungsdelikt an. Ein Ausländer sei nach dieser Vorschrift auch dann strafbar, wenn er unrichtige Angaben gegenüber der Ausländerbehörde mache, um sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen, ihm aber aufgrund anderer Umstände eine solche zu erteilen sei. Die Norm pönalisiere nach ihrem Wortlaut und Schutzzweck den Rechtsmissbrauch zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung bereits im Vorfeld der Erteilung und verlange eine Eignung zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung nicht. Durch sie solle nicht nur das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Rechtmäßigkeit der Aufenthaltstitel geschützt werden. Sie diene vielmehr insgesamt dem Schutz des formellen ausländerrechtlichen Verfahrens mit dem Ziel, den Erlass materiell richtiger Aufenthaltstitel sicherzustellen. Dieser Schutzzweck komme bereits dann zum Tragen, wenn durch falsche Angaben die abstrakte Gefahr hervorgerufen werde, dass eine materiell unrichtige Entscheidung zum Aufenthaltsrecht ergeht. Dieser strafrechtlichen Rechtsprechung hat sich das OVG Münster (Beschluss vom 22. Juni 2004, AuAS 2004, 267) angeschlossen und den Ausweisungsgrund des § 46 Nr. 2 AuslG bei unrichtigen Angaben des Ausländers als erfüllt angesehen, auch wenn ihm aus anderen Gründen ohnehin eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen gewesen wäre.

2. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen. Die Antragsbegründung zeigt keine gewichtigen Gesichtspunkte auf, die für den Erfolg einer Berufung sprechen könnten.

a) Dies gilt aus den unter 1. genannten Gründen für die auch hier erhobenen Einwände gegen die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG sei ein abstraktes Gefährdungsdelikt.

b) Dies gilt ferner, soweit der Kläger die Rechtmäßigkeit der Ausweisung auch unter der Voraussetzung in Frage stellt, dass § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ein ab-straktes Gefährdungsdelikt sei. Er meint, in diesem Fall sei zu berücksichtigen, dass die falsche Erklärung völlig unnötig abgegeben worden sei, weil die Ausländerbehörde sie verlange, obwohl ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bestehe, auf das er aber nicht hingewiesen worden sei. Zu berücksichtigen sei ferner, dass er durch die Ausweisung rechtmäßig erworbene Rechte verliere. Diese in die Entscheidung einzustellenden Ermessenserwägungen habe die Behörde unterlassen. Das Verwaltungsgericht habe dies in dem angefochtenen Urteil nicht moniert. Ernstliche Zweifel an dessen Richtigkeit ergeben sich hieraus nicht.

Der Kläger verkennt, dass er nicht gezwungen war, sich gegenüber der Ausländerbehörde auf den Fortbestand der Ehe zu berufen, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft bei Abgabe der dahingehenden Erklärung nicht mehr bestand. Es hätte ihm freigestanden, bei der Vorsprache zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis am 16. April 2002 ohne seine Ehefrau auf die Trennung hinzuweisen. In diesem Fall hätte die Ausländerbehörde prüfen müssen, ob ihm ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht zusteht. Solange er sich weiter auf seine Ehe beruft, bestand dazu allerdings kein Anlass, weil eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19 AuslG voraussetzt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht. Dementsprechend war die Ausländerbehörde auch weder gehalten, den Kläger auf § 19 AuslG hinzuweisen noch die Voraussetzungen der Norm von Amts wegen zu prüfen, zumal sich diese auch im Übrigen wesentlich von denen unterscheiden, die bei Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen müssen. Im letzteren Fall wird die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 2 S. 2 AuslG ohne weitere Prüfung befristet verlängert, solange die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis noch nicht vorliegen, wobei die Verlängerung auch für mehr als ein Jahr erfolgen kann. Vor Erteilung einer eheunabhängigen Aufenthaltserlaubnis sind dagegen die Voraussetzungen von § 19 Abs. 1 AuslG zu prüfen. Bei einem positiven Ergebnis wird die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 AuslG um ein Jahr verlängert.

Der mit der Ausweisung verbundene Verlust eventuell erworbener Rechte ist die Folge der aus eigener Entscheidung abgegebenen falschen Ehebestandserklärung. Ein zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führender Ermessensfehlgebrauch liegt demnach nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Verfahrensgegenstandes folgt aus § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3 GKG a.F..

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F. ).

Ende der Entscheidung

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