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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 28.10.2003
Aktenzeichen: OVG 4 B 3.03
Rechtsgebiete: BhV, VwGO, LBG, SGB V, BRRG


Vorschriften:

BhV § 6
BhV § 6 Abs. 1
BhV § 6 Abs. 1 Nr. 1
BhV § 6 Abs. 3
VwGO § 70
VwGO § 132 Abs. 2
VwGO § 154 Abs. 2
LBG § 44 Abs. 1
SGB V § 27 a Abs. 3
BRRG § 127 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 B 3.03

Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Günther, die Richter am Oberverwaltungsgericht Nebe und Lehmkuhl sowie die ehrenamtlichen Richter Schmerse und Scharfschwerdt

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. November 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen, die der Klägerin für ärztliche Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Wege heterologer In-vitro-Fertilisation (im Folgenden: IVF) entstanden waren.

Die am 28. Dezember 1962 geborene und (seinerzeit zunächst im Amt einer Polizeikommissarin, seit Februar 1998 einer Polizeioberkommissarin) im Dienst des Beklagten stehende ledige, nach ihren Angaben in fester Beziehung lebende Klägerin unterzog sich seit August 1997 mehrfach Behandlungszyklen einer IVF. Dessen bedurfte es zur Erfüllung ihres Wunsches, mit ihrem Lebenspartner ein Kind zu haben. Bei diesem bestand eine hochgradige Subfertilität in Gestalt unzureichender Produktion normaler, gut beweglicher Spermien. Eine Schwangerschaft ließ sich deshalb nur im Wege künstlicher Befruchtung mittels Injektion von Samenzellen in Eizellen (Intracytoplasmatische Spermieninjektion - ICSI) herbeiführen, was nur außerhalb des Körpers (In-vitro) möglich ist.

Für eine Behandlung dieser Art wird vorbereitend durch Stimulation bei der Frau ein gleichzeitiger vielfacher Eisprung bewirkt. Mittels anschließender Punktion werden mehrere dieser reifen, befruchtungsfähigen Eizellen entnommen, von denen im Regelfalle mehrere durch Injektion jeweils einer Samenzelle befruchtet werden. Nach Ablauf mehrerer Zellteilungen wird einer (oder werden einige) der so gewonnenen Embryonen in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt in der Erwartung, dass die Schwangerschaft eintritt.

Bei der Stimulationsbehandlung der Klägerin fiel auf, dass sehr hohe Medikamentendosen eingesetzt werden mussten, um hinreichend Eizellen zu produzieren.

Die Klägerin beantragte erstmals unter dem 19. September 1997 die Gewährung einer Beihilfe für Behandlungskosten, die im Zusammenhang mit einem derartigen Behandlungszyklus (August 1997) entstanden waren. Diesen Antrag lehnte der Polizeipräsident in Berlin durch Bescheid vom 24. September 1997 mit der Begründung ab, die heterologe Insemination und IVF sei gemäß § 6 der Beihilfevorschriften nicht beihilfefähig.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 18. Oktober 1997 Widerspruch u.a. mit Hinweis darauf, ihre private Krankenkasse habe 50 v.H. der Kosten übernommen. Die Benachrichtigung der Klägerin, dass dem Widerspruch aus Rechtsgründen nicht abgeholfen werde, verband der Beklagte mit der Bitte um Mitteilung, ob der Widerspruch unter diesen Umständen aufrechterhalten werde oder aber als zurückgezogen betrachtet werden könne. Durch Schreiben vom 9. Dezember 1997 erinnerte der Beklagte die Klägerin an die erbetene Antwort. Auf der beim Verwaltungsvorgang befindlichen Kopie dieses Schreibens ist vom Sachbearbeiter mit Datum vom 13. Januar 1998 vermerkt: "Telefonische Rücknahme". Zum Erlass eines Widerspruchsbescheides kam es nicht.

Auf weitere, von der Klägerin zwischen dem 1. Oktober 1997 und dem 11. April 1998 gestellte Anträge, mit denen sie u.a. wiederum Beihilfe zu Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung begehrte, gewährte der Beklagte die beantragten Leistungen.

Mit Antrag vom 22. Mai 1998 beantragte die Klägerin neuerlich Beihilfe für Rechnungen im Zusammenhang mit einer (Ende Februar 1998 durchgeführten) IVF über insgesamt 3 198,43 DM. Diesen Antrag lehnte der Polizeipräsident mit Bescheid vom 28. Mai 1998 wegen fehlender Beihilfefähigkeit der Aufwendungen ab und wies darauf hin, es sei aufgefallen, dass in der Vergangenheit fünf nach Rechnungsdatum und -betrag näher bezeichnete Rechnungen fälschlich als beihilfefähig anerkannt worden seien, weshalb zurückzufordern sei. Zur Vermeidung eines zu hohen Rückforderungsbetrages verband er damit die Bitte, jene Rechnungen nochmals vorzulegen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin unter dem 26. Juni 1998 Widerspruch ein.

Weitere Anträge auf Gewährung von Beihilfe für Rechnungen im Zusammenhang mit einer IVF vom 11. Juli 1998 (838,33 DM) und vom 14. Juli 1998 (insoweit über zusammen 12 565,44 DM) lehnte der Beklagte durch Bescheide des Polizeipräsidenten in Berlin vom 24. Juli bzw. 20. Juli 1998 ab. Auch gegen diese Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1999, zugestellt am 20. Oktober 1999, wies die Senatsverwaltung für Inneres die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 28. Mai, 20. sowie 24. Juli 1998 aus den Gründen der Ausgangsbescheide zurück, verwies ergänzend darauf, dass die einschlägigen Beihilfevorschriften den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (§ 27 a Abs. 1 SGB V) entsprächen und der Gleichheitssatz durch diese nicht verletzt werde. Die Entscheidung des Polizeipräsidenten in Berlin, bereits gezahlte Leistungen zurückzufordern, sei gleichfalls nicht zu beanstanden, weil die Beihilfegewährung nicht den einschlägigen Bestimmungen entsprochen habe, die gewährenden Bescheide rechtzeitig aufgehoben worden seien und der Rückforderung entgegenstehende Gründe nicht vorlägen.

Der gegen diese Bescheide am 22. November 1999, einem Montag, erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 6. November 2000 insoweit stattgegeben, als sie sich gegen die (allein) im Widerspruchsbescheid verfügte Rückforderung gewährter Beihilfen gerichtet hat: Der Bescheid des Polizeipräsidenten vom 28. Mai 1998 habe keine Rücknahme- und Erstattungsregelung enthalten, sie nur vorbereitet. Der Widerspruchsbehörde habe die Zuständigkeit für einen originären Bescheid dieses Inhalts gefehlt. - Im Übrigen sei die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet: Hinsichtlich des Bescheides vom 24. September 1997 sei sie als Untätigkeitsklage zulässig, weil der Beklagte den Widerspruch nicht beschieden habe. Dieser sei auch nicht mit der Folge, dass jener Bescheid bestandskräftig geworden sei, wirksam zurückgenommen, denn eine telefonisch erklärte Rücknahme des Widerspruchs (sofern es sie überhaupt gegeben habe) wäre mangels entsprechend § 70 VwGO erforderlicher Schriftform unwirksam gewesen. Der auf Gewährung der beantragten Beihilfeleistungen gerichtete Teil der Klage sei (jedoch) unbegründet, weil die die Fürsorgepflicht konkretisierenden und die Beihilfeansprüche grundsätzlich abschließend regelnden Beihilfevorschriften keinen Anspruch auf die begehrten Leistungen gäben. Er bestehe nur für eine homologe IVF mit anschließendem Embryotransfer, Aufwendungen für die entsprechenden heterologen Maßnahmen seien ausdrücklich ausgeschlossen. Damit verstoße der Dienstherr weder gegen das ihm eingeräumte Regelungsermessen, noch verletze der Ausschluss den Wesenskern der Fürsorgepflicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17. März 2003 zugestellten Beschluss zugelassene Berufung, die durch am 15. April 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet worden ist, den an Stelle seines nach Diktat verreisten Verfassers, Rechtsanwalt K., die zur bevollmächtigten Sozietät gehörende Rechtsanwältin B. unterzeichnet hat.

Mit ihr verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Teil ihres Klagebegehrens weiter. Sie vertritt die Auffassung: Kinderlosigkeit sei Krankheit, wenn einer der Partner einer Lebensgemeinschaft körperlich bedingt steril sei. Deshalb müssten die Aufwendungen für die dem Herbeiführen der Schwangerschaft dienende Behandlung beihilfefähig sein. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, es gehe nicht um Heilung, Besserung oder Linderung eines krankhaften Körperzustandes, gehe fehl. Soweit die Sterilität ein krankhafter Körperzustand sei, werde dieser jedenfalls gelindert. Die Unfähigkeit, auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen, werde durch ärztliche Maßnahmen dergestalt überwunden, dass eine künstliche Befruchtung stattfinde und im Erfolgsfall eine Schwangerschaft ausgetragen werden könne. Die Auffassung, Heilung, Besserung oder Linderung sei nur die Wiederherstellung der Zeugungsfähigkeit selbst, verkürze diese Begriffe in unzutreffender Weise. - Die Differenzierung nach dem Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Partnern widerspreche Artikel 3 Abs. 1 GG. Die Verfassung verbiete die Ungleichbehandlung ehelicher und nicht ehelicher Kinder. Ebenso wenig dürfe der Kinderwunsch verheirateter und unverheirateter Frauen unterschiedlich behandelt werden. Die aus Artikel 6 Abs. 1 GG vorgenommene Differenzierung trage nicht. Seelische Beeinträchtigung durch Sterilität sei nicht auf die eheliche Situation beschränkt. Soweit Artikel 6 Abs. 1 GG von Familie spreche, gehöre dazu auch die Gemeinschaft mit nicht ehelichen Kindern. Damit er nicht leer laufe, könne sich der durch die Verfassungsnorm gebotene Schutz nicht auf die bestehende Familie beschränken, sondern müsse auch die Möglichkeit umfassen, eine Familie zu gründen. Eine die Familiengründung (finanziell) erschwerende Differenzierung verletze deshalb das Gebot, die Familie zu schützen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. November 2000 zu ändern soweit es die Klage abgewiesen hat, und den Beklagten unter teilweiser Änderung des Bescheides des Polizeipräsidenten in Berlin vom 24. September 1997, ferner der Aufhebung seiner Bescheide vom 28. Mai 1998 und vom 24. Juli 1998 und teilweiser Änderung seines Bescheides vom 20. Juli 1998, dieser Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Inneres vom 19. Oktober 1999 zu verpflichten, der Klägerin die beantragten Beihilfen zu ihren Aufwendungen bei Maßnahmen der In-vitro-Fertilisation zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend: Die Förderung des Kinderwunsches zum Vermeiden partnerschaftlicher Konflikte sei grundgesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben. Kinderlosigkeit sei nicht Krankheit, Förderung komme lediglich aus Artikel 6 Abs. 1 GG bei verheirateten Beamten in Betracht. Bei zulässigerweise generalisierender Betrachtung habe der nicht erfüllte Kinderwunsch von Eheleuten wegen des daraus resultierenden Konfliktpotenzials für die Ehe Krankheitswert. Für unverheiratete Paare seien so gesehen die Auswirkungen ungewollter Kinderlosigkeit nicht so gravierend. Sie würden nicht als Lebensentwurf mit dem ausdrücklichen Ziel der Verwirklichung partnerschaftlichen Kinderwunsches betrachtet. Empirische Untersuchungsergebnisse für das von der Klägerin behauptete Gegenteil seien nicht beigebracht. Generalisierende Differenzierung sei auch im Hinblick auf die Praxistauglichkeit der Regelung erforderlich. - Der grundrechtlich gewährleistete Schutz der Familie setze ihr Bestehen voraus. Ein Anspruch auf Schutz der Familienbildung sei aus ihm nicht ableitbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten sowie die Personalakte der Klägerin (Teil A, B und C nebst 2 Heften Beihilfevorgängen) und den Widerspruchsvorgang verwiesen, die vorgelegen haben und deren Inhalt - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist zulässig. Die Frist für die Berufungsbegründung (§ 124 a Abs. 6 VwGO) ist gewahrt. Dafür genügte es, dass der (rechtzeitig eingegangene) Begründungsschriftsatz statt von dem innerhalb der bevollmächtigten Sozietät sachbearbeitenden Rechtsanwalt (K.) von einer Sozia (Rechtsanwältin B.) mit dem Hinweis unterschrieben worden ist, ersterer sei nach Diktat verreist. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass es der Berufungsbegründung an der gebotenen anwaltlichen Durcharbeitung gefehlt und Rechtsanwältin B. es unterlassen hätte, den von ihrem Sozius entworfenen Schriftsatz vor Unterzeichnung zu prüfen (BVerwGE 68, 241 [242]).

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 24. September 1997 nicht unanfechtbar geworden ist, die Klage insoweit als Untätigkeitsklage zulässig ist, weil es jedenfalls an einer formgültigen Rücknahme des gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruchs fehlt. Zu Recht hat es die Klage jedoch als unbegründet angesehen, denn der Klägerin stehen die mit dem genannten Bescheid und denen vom 28. Mai 1998 sowie vom 20. und vom 24. Juli 1998 abgelehnten Beihilfen zu Aufwendungen für eine IVF nicht zu.

Beihilfen werden Berliner Landesbeamten nach der durch § 44 Abs. 1 LBG (mit hier nicht interessierenden Maßgaben) in ihrer jeweils geltenden Fassung für anwendbar erklärten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundes über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (BhV) gewährt. Dies ist für die hier in Rede stehenden Behandlungen (maßgeblicher Zeitpunkt: § 5 Abs. 2 Satz 2 BhV) die vom 10. Juli 1995 (ABl. Bln S. 3513 [die danach ergangenen Änderungen betrafen nicht die hier einschlägigen Bestimmungen]). Sie konkretisiert die Fürsorgepflicht (§ 42 Abs. 1 LBG) für die in ihr geregelten Bereiche grundsätzlich abschließend und ist trotz ihres Charakters als Verwaltungsvorschrift im Hinblick auf ihre besondere rechtliche Form und ihre ungewöhnliche rechtliche Bedeutung wie eine Rechtsvorschrift auszulegen (st. Rspr., letzthin BVerwG, ZBR 2000, S. 46 m.Nachw.).

2.1 Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV sind die Aufwendungen für ärztliche Leistungen aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig, d.h. Aufwendungen für die Behandlung einer bei ihm, dem Beihilfeberechtigten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BhV) selbst bestehenden Krankheit oder die eines berücksichtigungsfähigen Angehörigen (§ 3 Abs. 1 BhV).

2.1.1 Die Aufwendungen der Klägerin für die IVF sind nicht aus Anlass einer bei ihr bestehenden Krankheit entstanden. Behandelt wurde nicht eine Krankheit, die sie hatte.

Kinderlosigkeit an sich, auch ungewollte, ist keine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BhV (vgl. dazu, bezogen auf das Recht der privaten Krankenversicherung: BGHZ 99, 228 [230]).

Was als Krankheit von dieser Vorschrift erfasst wird, muss mangels eigenständiger Definition im Beihilferecht durch Auslegung ermittelt werden und ist dem sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff zu entnehmen, an den jenes anknüpft (BVerwGE 65, 87 [91]). Danach ist Krankheit ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, dessen Eintritt die Notwendigkeit einer Heilbehandlung zur Folge hat (der [weitere] Aspekt der Arbeitsunfähigkeit spielt für das Beihilferecht keine Rolle). Regelwidrig ist die Abweichung von der durch das Leitbild des gesunden Menschen geprägten "Norm" (BSGE 26, 240 [242]). Behandlungsbedürftig ist ein derartiger Zustand, wenn er nach den Regeln der ärztlichen Kunst eine Heilbehandlung mit dem Ziel der Heilung, zumindest der Besserung oder Verhütung der Verschlimmerung des anomalen Zustandes oder der Linderung von Schmerzen zugänglich ist (BSG a.a.O. S. 243).

Schicksalhafte Unfruchtbarkeit einer im gebärfähigen Alter stehenden Frau wäre zwar eine derartige Normabweichung (BSGE 66, 248 [249]). Dass sie steril sei, macht die Klägerin aber nicht geltend. Die vorgenommene IVF diente allein der Überbrückung der hochgradigen andrologischen Subfertilität bei ihrem Partner.

Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellte, der bei ihr während der Behandlung bemerkte sehr hohe medikamentöse Stimulationsbedarf sei Ausdruck einer Ovarialinsuffizienz, ohne deren Behandlung sie (bei uneingeschränkter Zeugungsfähigkeit ihres Partners) nicht hätte schwanger werden können, hätte die vorgenommene künstliche Befruchtung nicht ihrer, der Klägerin, Behandlung gedient. Zur Überwindung ovarialer Insuffizienz bedarf es (wie in der mündlichen Verhandlung des Senats angesprochen) keiner IVF. Sie wird vielmehr durch eine zum Eisprung führende Medikamentengabe behandelt (vgl. Pschyrembel, Therapeutisches Wörterbuch, 2. Aufl. 2001, Stichwort Sterilität der Frau [S. 856 f.]; Berkow/Beers/Fletcher [Hrsg.], MSD Manual, Handbuch Gesundheit, 1999, S. 1112). Die so herbeigeführte Produktion einer befruchtungsfähigen Eizelle ermöglicht es der Frau (vorausgesetzt ihr Partner ist zeugungsfähig), auf im Übrigen natürlichem Wege schwanger zu werden. Hiervon unterscheidet sich die für eine IVF durchgeführte Stimulationsbehandlung wesentlich dadurch, dass ein für das natürliche Herbeiführen einer Schwangerschaft völlig ungeeigneter vielfacher Eisprung ausgelöst wird.

2.1.2 Die danach (allein) zur Überwindung der stark eingeschränkten Zeugungsfähigkeit ihres Lebensgefährten (die bei ihm als Krankheit anzusehen wäre, BSGE 26, 240 [242]) durchgeführte IVF wäre - deren Beihilfefähigkeit im Übrigen einmal vorausgesetzt - für die Klägerin auch nicht als so genannte vikariierende Behandlung, d.h. Behandlung des gesunden Partners anstelle des Erkrankten, beihilfefähig.

Dies setzte voraus, dass ihr Lebensgefährte berücksichtigungsfähig (§ 3 Abs. 1 BhV) wäre (vgl. dazu BVerwGE 65, 87 [92 f.]). Das ist nicht der Fall. Beihilfe ist (ebenso wie Alimentation) auf die Kernfamilie des Beamten, d.h. seinen Ehegatten und die Kinder beschränkt. Der Lebensgefährte gehört nicht dazu, würde auch nach dem derzeitigen Rechtszustand nicht dazu gehören, der den eingetragenen Lebenspartner einem Ehegatten gleichstellt (§ 44 Abs. 2 LBG n.F.).

2.1.3 Ein Beihilfeanspruch ließe sich auch nicht unmittelbar aus Nr. 1 der durch Rundschreiben des Bundesministers des Innern gegebenen Anwendungshinweise zu § 6 Abs. 1 BhV (ABl. Bln 1995 S. 3513 [3530 ff.]) herleiten, sofern man über die dortige Einschränkung hinwegkäme, dass heterologe künstliche Befruchtung von einer Beihilfegewährung ausgeschlossen ist (dort 1.1, Satz 2).

Rundschreiben zu Beihilfevorschriften können diese weder einschränken noch ändern oder authentisch interpretieren (st. Rspr., vgl. BVerwG, ZBR 1995, 148 m.Nachw.; möglicherweise anders: VGH München, ZBR 1993, S. 279 [der beide gleichrangig, als Einheit behandelt]). Eine dem § 27 a Abs. 3 SGB V entsprechende Regelung (Kosten der Maßnahmen zur künstlichen Herbeiführung einer Schwangerschaft [freilich auch dort beschränkt auf solche im homologen System] übernimmt die Krankenkasse desjenigen, bei dem sie durchgeführt wurden) hätte nur in den Beihilfevorschriften selbst getroffen werden können.

2.2 Auf die begehrte Beihilfe hätte die Klägerin im Übrigen selbst dann keinen Anspruch, wenn die IVF durch bei ihr bestehende Unfruchtbarkeit veranlasst gewesen wäre.

2.2.1 Jedenfalls heterologe IVF (künstliche Befruchtung mit Samenzellen nicht des Ehemannes) ist keine Behandlung einer Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV.

2.2.1.1 Ob der Wortlaut der Vorschrift gegenteilige Auslegung zuließe, bedarf keiner Erörterung. Die engere Interpretation folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift wie deren Ort im Beamtenrechtssystem.

Ein Rückgriff auf das Sozialversicherungsrecht (BVerwGE 65, 87 [91]) ergibt hier für die Interpretation nichts; die für diesen Rechtsbereich in der Vergangenheit ungeklärt gebliebene Frage, ob medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft Krankenbehandlung sind (vgl. dazu Hauck in Hauck/Haines, SGB V, K § 27 a Rdnr. 3), stellt sich dort ohnehin nicht mehr, seit jene kraft spezieller gesetzlicher Regelung (§ 27 a SGB V) als Leistungen der Krankenbehandlung gelten.

Mit den Beihilfen werden dem Beamten in Erfüllung der Fürsorgepflicht (§ 42 LBG [§ 79 BBG]) über die (regelmäßigen) Bezüge hinaus Mittel zur Verfügung gestellt. Der Dienstherr trägt mit ihnen besonderen Bedarfssituationen Rechnung, die durch Krankenbehandlung bedingt sind und von der pauschal bemessenen Alimentation in Gestalt der Besoldung nicht berücksichtigt werden.

Heterologe IVF beseitigt oder behandelt nicht die Infertilität (dient auch sonst nicht zur Linderung von Schmerzen oder die Lebensführung behindernder Folgen körperlicher Ausfälle).

Mag homologe IVF quasi vorbeugende therapeutische Funktion haben (vgl. näher BGHZ 99, 228 [230] zur privaten Krankenversicherung) und von den Beihilfevorschriften im Hinblick auf den im Dienstrecht als Wertungsfaktor erheblichen Aspekt der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) berücksichtigt werden, gilt das hier im Fall heterologer IVF nicht. Der Lebenspartner eines Beamten ist ebenso wenig wie in Alimentation in Fürsorge des Dienstherrn eingeschlossen.

2.2.1.2 Diese Auslegung steht in Einklang mit höherrangigem Recht.

Sie trägt dem Gesichtspunkt Rechnung, dass der Vorschriftengeber bei der ihm überlassenen Konkretisierung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (§ 42 LBG [§ 79 BBG], Art. 33 Abs. 5 GG) einen weiten Gestaltungsspielraum hat (BVerfGE 83, 89 [100 f.]; 106, 225 [232], st. Rspr.).

Er darf bei seinen Regelungen generalisieren, typisierend Fallgruppen bilden, wegen des lediglich alimentationsergänzenden Charakters der Beihilfe bestimmte Aufwendungen von der Beihilfegewährung ausschließen (st. Rspr., vgl. statt aller letzthin Bverw G, Buchholz 270, § 6 BhV Nr. 12), solange der Beamte eben in Krankheits-, Geburts-, Todesfällen nicht mit Kosten belastet bleibt, welche er nicht durch zumutbare Eigenvorsorge decken kann (BVerfGE 83, 89 [101]).

Solch Ausschluss ist insbesondere bei ärztlichen Maßnahmen legitim, die nicht eine Krankheit beheben, sie als solche lindern, zumal nicht quasi existenziell sind (zur IVF vgl. OVG Saarlouis, DÖD 2002, 229 [230]).

Der wie oben interpretierte § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV verstößt auch nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Bei homologer und heterologer IVF handelt es sich um wesentlich ungleiche Sachverhalte.

Die Besserstellung verheirateter Berechtigter gegenüber Unverheirateten findet ihre Legitimation in Artikel 6 Abs. 1 GG (vgl. zum Prinzip: Coester-Waltjen in von Münch/Kunig, Grundgesetz, I, 5. Aufl. 2000, Art. 6 Rdnr. 43; Starck in von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, I, 4. Aufl. 1999, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 276; Stein in Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, Grundgesetz, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 80; der Sache nach Badura in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 6 Abs. 1 Rdnr. 55; s. auch BVerwG, NJW 1997, 3184 [3185]); nicht eheliche Lebensgemeinschaften werden von Artikel 6 Abs. 1 GG nicht erfasst (ganz h.M., vgl. Badura a.a.O.; Burgi in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, I, Art. 6 Rdnrn. 18 f., 20 f., 42; Coester-Waltjen a.a.O., Art. 6 Rdnr. 11; Gröschner in Dreier, Grundgesetz, I, 1996, Art. 6 Rdnr. 29; Pirson in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 6 Rdnr. 25, Art. 6 Abs. 1 Rdnr. 130; Robbers in von Mangoldt u.a., a.a.O., Art. 6 Abs. 1 Rdnrn. 44 und 77; Schmitt-Kammler in Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 6 Rdnr. 43; Umbach in Umbach/Clemens, Grundgesetz, I, 2002, Art. 6 Rdnr. 22). Das Gebot, Ehen zu schützen, ist relevant, weil ungewollte Kinderlosigkeit infolge Sterilität eines Partners potenziell ehegefährdenden Konfliktstoff birgt ( s. BGHZ a.a.O.).

Ein Verbot differenzierender Behandlung lässt sich im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 1 GG (entgegen der Argumentation der Klägerin) nicht daraus herleiten, dass in der gesellschaftlichen Realität die nicht ehelichen Lebensgemeinschaften als Form der Familienbildung gleichrangig neben die Ehe als potenzielle Familie, "Keimzelle" der Gesellschaft, in der Kinder von ihren leiblichen Eltern erzogen werden (vgl. statt aller: BVerfGE 6, 55 [71]), getreten wäre. Abgesehen davon, dass Änderungen der gesellschaftlichen Gegebenheiten, an die eine Verfassungsnorm anknüpft, nicht notwendig deren Geltung tangiert, fehlt es an solchem Wandel: In den Jahren 1997 und 1998 lebten die allermeisten Kinder in den Haushalten von Ehepaaren (Statistisches Jahrbuch 1998, 1999 und 2002 jeweils 3.19 und 3.20), standen z.B. 1997 in Deutschland 10.299.000 Ehepaaren mit Kindern nur 530.000 Lebensgemeinschaften gegenüber, in denen Kinder lebten (wie übrigens auch gegenwärtig noch der Fall ist).

Nichts anderes folgt im Hinblick auf das Verbot, gleiche Sachverhalte verschieden zu behandeln, aus dem Gebot des Familien-Schutzes. Im Gegensatz zum verheirateten ist das unverheiratete Paar als solches nicht Familie (vgl. Burgi a.a.O., Rdnr. 21; Coester-Waltjen a.a.O., Rdnr. 11 am Ende; Robbers a.a.O., Rdnr. 77 am Ende), erst das Hinzutreten eines Kindes würde in Bezug auf die Person, von der es abstammt, zur Familienbildung führen. Auch wenn Artikel 6 Abs. 1 GG im Hinblick auf die Familie nicht nur einem Verbot von Familienbildung entgegensteht, sondern darüber hinausgehend deren Bildung schützt, besteht jedenfalls kein Anspruch, letztere zu fördern, speziell durch Finanzieren ärztlich assistierter Zeugung eines Kindes.

Der Umstand, dass die Beihilfegewährung für eine homologe IVF neben dem Schutz der Ehe auch deren künftige Erweiterung zur Familie fördert, ändert nichts. Die Übereinstimmung des Aspekts "Förderung der Familienbildung" im Falle der Ehe wie dem der nicht ehelichen Gemeinschaft macht beide Lebenssachverhalte nicht "gleich", weil im Falle der homologen IVF die Verwirklichung des Schutzgebotes im Hinblick auf die Förderung der schon bestehenden, positiv sanktionierten Ehe hinzutritt.

Eigenständig (unabhängig von den - wie dargelegt nicht greifenden - Gleichbehandlungsgesichtspunkten) lassen sich aus dem Gebot, die Familie zu schützen (Art. 6 Abs. 1 GG), keine Ansprüche auf konkrete Förderungsmaßnahmen herleiten (vgl. Pirson a.a.O., Art. 6 Abs. 1 Rdnr. 96).

Ebenso wenig gebietet Artikel 6 Abs. 5 GG hier die Gewährung von Beihilfe. Die Norm ist (entgegen der Argumentation der Berufung) nicht einschlägig. Sie schützt nur das existierende nicht eheliche Kind vor Benachteiligung (womöglich auch schon vor der Geburt den nicht ehelichen Nasciturus).

2.2.2 Folgte man dieser Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV nicht, ginge davon aus, dass die Überbrückung der Sterilität mittels IVF auch bei einer unverheirateten Frau Behandlung einer Krankheit im Sinne dieser Vorschrift ist, wäre die Gewährung von Beihilfe durch die Anwendungshinweise ausgeschlossen.

§ 6 Abs. 3 BhV lässt es zu, die Beihilfefähigkeit bestimmter ärztlicher Leistungen vom Vorliegen einer Indikation abhängig zu machen. Dies ist in 1.1, Satz 2 der Anwendungshinweise zu § 6 Abs. 1 BhV geschehen. Danach ist die Beihilfefähigkeit einer IVF u.a. von der Indikation abhängig, dass die Maßnahme der Überwindung der Unfruchtbarkeit im Rahmen einer Ehe dient. Dass der Anwendungshinweis nicht ausdrücklich auf § 6 Abs. 3 BhV bezogen ist und in seiner ursprünglichen Fassung (Rundschreiben des BMI vom 12. Februar 1988, GMBl. S. 124) erging, bevor der Abs. 3 dem § 6 BhV angefügt wurde (Allgemeine Verwaltungsvorschrift des BMI vom 19. September 1989, ABl. Bln S. 2191), der erst seit dem 1. Januar 1990 gilt, hindert nicht. Jedenfalls in seiner jetzigen Form (Rundschreiben des BMI vom 10. Dezember 1991, GMBl. S. 1050 [1053]) ist der Anwendungshinweis als Bestimmung im Sinne von § 6 Abs. 3 BhV anzusehen (kann § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV modifizieren). Das Rundschreiben ist nach In-Kraft-Treten des § 6 Abs. 3 BhV ergangen, als Regelung gefasst und ausweislich der getroffenen In-Kraft-Tretens-Regelung (1. Januar 1992) auch als solche gemeint. Hätte das Rundschreiben in seinem Hinweis-Teil nur eine Interpretationshilfe für die Beihilfestellen sein sollen, wäre für eine derartige Bestimmung kein Raum (denn eine Auslegungsweisung kann nur inhaltlich richtig oder falsch sein: Weil diese Auslegung schon immer richtig gewesen sein müsste, könnte sie nicht zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden).

Dieser Ausschluss Unverheirateter von Beihilfeleistungen für assistierte Zeugung verstieße nicht gegen höherrangiges Recht. Insoweit gilt gleiches wie für die Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV dahin, dass Beihilfeansprüche nur für derartige Maßnahmen im homologen System, bei miteinander verheirateten Paaren bestehen.

2.2.3 Der Ausschluss der Beihilfeleistungen für die bei der unverheirateten Klägerin durchgeführte IVF kann schließlich nicht durch Rückgriff auf die allgemeine Fürsorgepflicht (§ 42 LBG [Art. 33 Abs. 5 GG]) überwunden werden.

Wie schon vom Verwaltungsgericht ausgeführt, regeln die Beihilfevorschriften derlei Ansprüche grundsätzlich abschließend; nur wenn Versagung von Beihilfe den Wesenskern der Fürsorgepflicht verletzt, können Ansprüche aus Letzterer hergeleitet werden (BVerwG Buchholz 270, § 6 BhV Nr. 12 [S. 3], st. Rspr.). Dass der Wesenskern der Fürsorgepflicht durch Nichtgewähren von Beihilfe für heterologe IVF verletzt wird, ist nicht ersichtlich (wird auch von der Berufung nicht geltend gemacht).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO oder § 127 Nr. 1 BRRG vorgesehenen Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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