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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: OVG 4 B 39.02
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 B 39.02

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Günther, die Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl und Nebe sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Behlig und Drischel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (noch) um die Rechtmäßigkeit der Entlassung des Klägers aus dem Probebeamtenverhältnis.

Der 1962 geborene Kläger war im Anschluss an seinen Wehrdienst (vom 6. Mai 1980 bis zum 30. April 1983, nach entsprechender Ausbildung: als Unteroffizier) seit dem 1. Mai 1983 bei der Volkspolizei beschäftigt. Dort war er zuletzt im Range eines Obermeisters der Volkspolizei als Stellvertreter des Diensthabenden beim Volkspolizeirevier 101 eingesetzt.

Ab dem 3. Oktober 1990 wurde er - zunächst als Angestellter - im Dienst der Berliner Polizei weiterverwendet. Im "Personalfragebogen für die Angehörigen der unteren und mittleren Dienstlaufbahn ... der ehemaligen Volkspolizei Berlin" verneinte er die Tätigkeiten für das MfS, eine Verpflichtungserklärung hierfür, Kontaktierung durch das MfS betreffenden Fragen 59 und 60 und ließ die diesbezüglichen Zusatzfragebögen (A, B und C) unausgefüllt. Zugleich nahm er "Kenntnis" davon, die Behörde werde beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) eine Auskunft darüber einholen, ob, gegebenenfalls auf welche Weise, er für das MfS tätig war (16. Februar 1991). Die in dem Fragebogen gegebenen Antworten legte der Beklagte - wie seinerzeit üblich - der am 18. Februar 1992 durchgeführten (vorläufigen) Überprüfung der Frage zu Grunde, ob Anhaltspunkte für eine Verflechtung des Klägers mit dem MfS bestanden hatten, die einer Übernahme in das Beamtenverhältnis entgegenstehen könnten, und ernannte ihn am 30. März 1992 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeimeister. Im Bescheid vom 21. Juli 1993 wies der Beklagte den Kläger u.a. darauf hin, dass die Probezeit regelmäßig drei Jahre, in seinem Falle bis zum Ablauf des 31. März 1995 dauere und er außer bei Nichtbewährung auch dann entlassen werden könne, wenn sich ergeben sollte, dass die Voraussetzungen des an frühere Tätigkeiten für das MfS anknüpfenden Sonderkündigungstatbestandes des Einigungsvertrages vorliegen; seine Weiterbeschäftigung werde voraussichtlich nicht möglich sein, wenn die noch ausstehende Auskunft des BStU Nachteiliges über ihn ergeben sollte. - Letztere erbat der Beklagte unter dem 10. Januar 1994.

Bei einer am 13. Juni 1994 vorgenommenen formblattmäßigen Überprüfung hinsichtlich der Bewährung in der Probezeit gelangte der Beklagte zu dem Ergebnis, dass die laufbahnrechtliche Probezeit des Klägers auf den Ablauf des 31. März 1994 verkürzt werden könne, wenn seine Leistungen dies rechtfertigen sollten. Zugleich leitete er das Verfahren für dessen Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit ein. Mit Schreiben vom selben Tage forderte er ihn (weil die Nachricht des BStU noch fehle) auf, innerhalb von 14 Tagen den (beigefügten) Vordruck einer Erklärung unterschrieben zurückzusenden, dass er nicht Mitarbeiter des MfS gewesen sei.

Der Kläger gab die von ihm geforderte Erklärung nicht ab. In der irrigen Annahme, dass sie vorliege, verfügte der Beklagte am 30. Juni 1994 die Ernennung des Klägers zum Beamten auf Lebenszeit unter gleichzeitiger Beförderung zum Polizeiobermeister, die er am 16. Juli 1994 vollzog.

Ein ebenfalls am 30. Juni 1994 verfügter Bescheid über die Feststellung erfolgreicher Beendigung der Probezeit mit Ablauf des 31. März 1994 wurde dem Kläger am 21. Juli 1994 zugestellt.

Am 9. Februar 1998 ging dem Beklagten die Auskunft des BStU (vom 2. Februar 1998) zu, aus der sich ergab, dass der Kläger vom 24. August 1981 bis zum 9. Mai 1987 auf der Grundlage einer von ihm mit Klarnamen und Decknamen unterzeichneten "Berufung" als GMS erfasst gewesen sei und die ihn betreffende GMS-Akte 17 Treffberichte des Führungsoffiziers bzw. des FIM sowie eine Reihe von ihm gelieferter Berichte mit Informationen über Soldaten und Unteroffiziere seiner Einheit enthalte. Treff- und Berichtstätigkeit hätten nach dem Inhalt der Akte (gleichzeitig mit dem Wehrdienst) im April 1983 geendet.

Das Rechercheergebnis wurde dem Kläger am 23. Februar 1998 eröffnet. Zugleich wurde ihm die Weiterführung seiner Dienstgeschäfte untersagt und Rücknahme der letzten Ernennungen sowie Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis angekündigt.

Beide, Rücknahme und Entlassung, ordnete der Polizeipräsident mit Zustimmung des Personalrats (dem dafür der Verfügungsentwurf vorgelegen hatte) durch Bescheid vom 19. Mai 1998 an: Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit unter gleichzeitiger Beförderung werde zurückgenommen, weil der Kläger sie durch wiederholt unwahre Angaben herbeigeführt habe. Er habe bewusst einen Irrtum über seine persönliche Eignung für eine Verwendung im Beamtenverhältnis hervorgerufen, arglistig getäuscht. - Aus dem Probebeamtenverhältnis werde er entlassen. Weiteres Festhalten an diesem sei angesichts der Schwere der durch die BStU-Auskunft zu Tage getretenen Belastung sowie der Falschangaben im Personalfragebogen und der vor der Ernennung auf Lebenszeit unrichtig abgegebenen besonderen Erklärung im Sinne des übergangsrechtlichen Sonderentlassungstatbestandes nicht zumutbar. - Den Widerspruch des Klägers wies die Senatsverwaltung für Inneres durch Bescheid vom 29. September 1999 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. - Im Laufe des Klageverfahrens (am 5. November 2001) änderte der Beklagte seinen Bescheid dahin, dass die Entlassung (statt fristlos) "zum 30. September 1998" erfolge.

Den Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht (VG 28 A 213.98) durch Beschluss vom 26. November 1998 ab; der Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen diese Entscheidung blieb erfolglos (Senatsbeschluss vom 12. Mai 1999 - OVG 4 SN 160.98). Einen Antrag, jenen Beschluss zu ändern (§ 80 Abs. 7 VwGO), nahm der Kläger zurück (VG 28 A 250.99).

Die gegen Ernennungsrücknahme und Entlassung gerichtete Klage hatte teilweise Erfolg. Durch im Wege schriftlicher Entscheidung ergangenes Urteil vom 14. Januar 2002, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11., dem Beklagten am 15. April 2002 zugestellt, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit und der Beförderung gerichtet hatte, hat aber die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Rücknahme sei rechtmäßig. Die Ernennung (16. Juli 1994) sei durch arglistige Täuschung herbeigeführt worden. Sie beruhe auf dem durch bewusst wahrheitswidrige Angaben im Personalfragebogen erregten Irrtum des Beklagten, der Kläger sei nicht für das MfS tätig gewesen. Den im Ernennungszeitpunkt fortbestehenden Irrtum habe der Kläger entgegen seiner durch die vorangegangene aktive Täuschungshandlung begründeten Offenbarungspflicht nicht korrigiert, obwohl ihm spätestens auf Grund des Schreibens vom 13. Juni 1994 bewusst gewesen sei, dass seine Angaben über eine Tätigkeit für das MfS für die geplante Ernennung Bedeutung gehabt hätten. Durch Nichtzurücksenden des Erklärungsformulars habe er wiederum wesentliche Informationen zurückgehalten. - Die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis sei allerdings rechtswidrig, denn sie finde im Sonderentlassungstatbestand des Übergangsrechts keine Grundlage; die Vorschrift sei zum 1. Januar 1997 außer Kraft getreten gewesen. Umdeutung des Bescheides in Entlassung wegen mangelnder Bewährung (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG) sei ausgeschlossen, weil es an einem in die laufbahnrechtliche Probezeit des Klägers fallenden Verhalten fehle, das Anknüpfungspunkt für die Feststellung mangelnder Bewährung sein könne. Die erste Täuschungshandlung habe der Kläger noch vor seiner Übernahme in das Probebeamtenverhältnis begangen, das Nichtzurücksenden der von ihm (mit Schreiben vom 14. Juni 1994) verlangten weiteren Erklärung habe ebenfalls außerhalb der laufbahnrechtlichen Probezeit gelegen, die mit Rücksicht auf ihre Abkürzung bereits mit dem 31. März 1994 abgeschlossen gewesen sei. Die Nichtabgabe der geforderten Erklärung könne auch nicht als Bestätigung eines bereits während der Probezeit aufgetretenen Eignungsmangels gewertet werden, weil während ihres Laufes ein charakterliches Fehlverhalten des Klägers nicht zu Tage getreten sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene (Beschluss vom 31. Oktober 2002, dem Beklagten zugestellt am 8. November 2002), am 6. Dezember 2002 begründete Berufung des Beklagten, mit der er die vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Er hält seinen Bescheid vom 19. Mai 1998 in seiner geänderten Fassung für rechtmäßig: Die Entlassung könne in eine solche wegen Eignungsmangels umgedeutet werden, weil der Kläger wegen seiner bewusst wahrheitswidrigen Angaben im Personalfragebogen nach der hierauf beruhenden Übernahme ins Probebeamtenverhältnis von dessen Beginn an verpflichtet gewesen sei, seine früheren Verbindungen zum MfS zu offenbaren. Das Verschweigen relevanter Tatsachen sei als arglistige Täuschung nicht nur zu werten, wenn nach ihnen gefragt worden sei, sondern gleichermaßen dann, wenn dem Schweigenden aus anderen Gründen bekannt sei (oder er es billigend in Kauf nehme), dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung des Dienstherrn über eine Weiterbeschäftigung von erheblicher Bedeutung sein würden. Letzteres sei dem Kläger während der laufbahnrechtlichen Probezeit bewusst gewesen. Die Nichtbeantwortung des zweiten Fragebogens lasse Rückschlüsse auf den in der Probezeit aufgetretenen Eignungsmangel zu. Nichtoffenlegen der MfS-Verstrickung sei ein Verstoß gegen die beamtenrechtliche Wahrheitspflicht und in gleicher Weise als schweres Dienstvergehen zu werten wie eine aktive Täuschungshandlung, so dass die Einschätzungsprärogative des Dienstherrn bezüglich der Bewährung auf die allein rechtmäßige Entscheidung eingeschränkt gewesen sei, Bewährung in der Probezeit habe nicht festgestellt werden können.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2002 zu ändern und die Klage vollen Umfangs abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil hinsichtlich des der Klage stattgebenden Teils für richtig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. Februar 2001 - 2 C 3.00 -, Buchholz 111, Art. 20 EV Nr. 13) könne eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung nicht auf Mängel bezogen werden, die in der Vergangenheit liegende, vor Beginn der Probezeit abgeschlossene Sachverhalte beträfen. Die ihm anzulastende Täuschung habe sich auf ein vor Begründung des Beamtenverhältnisses bestehendes Arbeitsverhältnis bezogen, sei ohne beamtenrechtlichen Gehalt gewesen. Eine allgemeine Offenbarungspflicht, dem Dienstherrn Sachverhalte mitteilen zu müssen, die zur Entlassung führen könnten, bestehe nicht. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. Es sei Sache des Dienstherrn, die Eignung zu prüfen, nicht die des Beamten, potenzielle Eignungsmängel zu offenbaren. Nur im Falle rechtlich geschuldeter "aktiver Aufklärung" wäre deren Unterlassen relevant. Da er, der Kläger, sich in Zukunft mit voller Hingabe seinen dienstlichen Pflichten habe widmen wollen, fehle es zudem am subjektiven Tatbestand der Täuschung über seine Eignung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Streitakte, die den Kläger betreffende Personalakte (Teile A, B und C) und einen diese ergänzenden Verwaltungsvorgang, den Widerspruchsvorgang, die vom BStU vorgelegte Ablichtung der über den Kläger geführten GMS-Akte sowie auf die Akten VG 28 A 213.98/OVG 4 SN 160.98 und VG 28 A 250.99 verwiesen, die vorgelegen haben und deren Inhalt - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist auf Grund der durch den Senat ausgesprochenen Zulassung statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist rechtzeitig, innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO) begründet worden.

Sie zieht jedoch nicht.

Das Verwaltungsgericht hat die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis zu Recht aufgehoben, denn sie ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Jene findet im besonderen Entlassungstatbestand des Überleitungsrechts (Art. 1 § 2, Anlage 2 Abschnitt VI Nr. 10 Buchst. c Satz 1 des Gesetzes über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts i.d.F. des Gesetzes vom 19. Dezember 1991 [GVBl. S. 294]), auf den der Bescheid sich stützt, keine Grundlage. Die an den einigungsvertraglichen Sonderkündigungstatbestand (Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Nr. 2 EV) knüpfende Vorschrift war vor Erlass des Bescheides (vom 19. Mai 1998), seit dem 1. Januar 1997, außer Kraft getreten (vgl. BVerwG, Buchholz 111, Art. 20 EV, Nr. 11).

Der Bescheid kann auch nicht als Entlassung nach den allgemeinen Bestimmungen, hier wegen Nichtbewährung mit Rücksicht auf zu Tage getretenen Eignungsmangel (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG), aufrecht erhalten werden (vgl. dazu BVerwG, a.a.O. [S. 32]).

Dies setzte zum einen voraus, dass der Verfügungssatz des Bescheides, ohne dass sich Wesentliches änderte, durch die andere Rechtsgrundlage gedeckt ist, ferner, dass der im Bescheid bezeichnete Lebenssachverhalt deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt, und schließlich, dass den Verfahrenserfordernissen genügt ist, die für den Erlass eines Bescheides auf der anderen rechtlichen Grundlage bestehen (BVerwG wie zitiert).

Der Entscheidungssatz des Bescheides ist hier (nach der vom Beklagten vorgenommenen Änderung der fristlosen in eine fristwahrende Entlassung) mit dem einer Entlassung wegen Nichtbewährung in der Probezeit identisch.

Der Aufrechterhaltung der Entlassung steht jedoch entgegen, dass einerseits die im Bescheid aufgeführten Tatsachen eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung nicht rechtfertigen, andererseits die tatsächlichen Aspekte, die sie möglicherweise tragen könnten, dort nicht genannt sind.

Entlassung eines Probebeamten wegen mangelnder Bewährung auf Grund von Eignungsmängeln setzt voraus, dass in den Zeitraum der laufbahnrechtlichen Probezeit fallende Vorkommnisse die negative Wertung rechtfertigen.

Die Probezeit begann mit Ernennung des Klägers zum Probebeamten am 30. März 1992 und endete mit Ablauf des 31. März 1994. Dem steht nicht entgegen, dass der inzident die Verkürzung aussprechende Bescheid vom 30. Juni 1994 ihm erst nach seiner Ernennung auf Lebenszeit zugestellt, also erst nach so ohnehin erfolgtem Abschluss der Probezeit äußerlich wirksam wurde. Jener Verwaltungsakt konnte retroaktiv, zum früheren Zeitpunkt, innere Wirksamkeit erlangen. Die Abkürzung der laufbahnrechtlichen Probezeit (§ 13 Abs. 1 Satz 3, Abs. 7 LfbG) ist nachträglich, selbst nach Ablauf der ursprünglich bestimmten Zeit rückwirkend möglich (vgl. BVerwG, RiA 1984 S. 139; VGH München bei Schütz, Beamtenrecht, ES/A II 3.1 Nr. 4; nach Lebenszeiternennung: OVG Münster, DÖD 1986 S. 275 f.).

Die im Bescheid als Gründe der Entlassung genannten Ereignisse lagen außerhalb der laufbahnrechtlichen Probezeit: Die Tätigkeit für das MfS wie die Täuschung des Dienstherrn im Personalfragebogen erfolgten vor der Ernennung des Klägers zum Beamten auf Probe. Das Geschehnis im Zusammenhang mit der (durch Schreiben vom 13. Juni 1994) verlangten Erklärung, nicht für das MfS tätig gewesen zu sein, spielte sich erst danach ab.

Der Senat hat erwogen, ob die allein in die Probezeit fallende Tatsache, dass der Kläger dem Dienstherrn seine Tätigkeit für das MfS weiterhin verschwieg relevant ist, hat das jedoch im Ergebnis verneint.

Zwar dürfte der Kläger die Rechtspflicht gehabt haben, seine Verstrickung offen zu legen.

Ein Beamter ist seinem Dienstherrn gegenüber zur Wahrhaftigkeit verpflichtet, nicht nur in Angelegenheiten der Dienstausübung, sondern auch sein Verhältnis zum Dienstherrn betreffend (vgl. OVG Bautzen, LKV 1994 S. 341 [342]; Arndt in Behnke, BDO, 2. Aufl. 1970, Einführung Rdnr. 125; Lindgen, Handbuch des Disziplinarrechts, I, 1966 S. 518 ff.; siehe ferner Köhler in Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl. 2003, B II 8, Rdnrn. 2 und 6 [Weiß in Fürst, GKÖD II J 970, Rdnr. 1]). Er muss je nach den Umständen über die wahrheitsgemäße Beantwortung für sein Dienstverhältnis relevanter konkreter Fragen des Dienstherrn hinaus, von allein diesbezügliche Irrtümer durch Offenbaren des wahren Sachverhalts korrigieren, wenn er zuvor anlässlich der Einstellung als Beamter oder bei Begründung (oder zur Aufrechterhaltung) eines der Ernennung vorangegangenen Angestelltenverhältnisses getäuscht, den Irrtum erregt hat (vgl. BVerwG, ZBR 1970 S. 87; BDH DokBer 1964, Nr. 1850 [S. 2341 f.]; Lindgen, a.a.O. S. 520; Summer in Fürst, GKÖD I, K § 12, Rdnr. 12; Weiß, a.a.O., Rdnr. 53 a.E.; zum ähnlich gelagerten Fall der Wiederverwendung eines unter das G 131 fallenden früheren Beamten: BVerwG, Buchholz 232 § 12, Nr. 11).

Dass der Kläger sich mit dem Offenbaren des Sachverhalts dem Risiko der Entlassung (der Korrektur arglistig erlangter Ernennung) ausgesetzt hätte, wird ihn (hier) nicht von der Pflicht entbunden haben, die Wahrheit aufzudecken (vgl. BVerwG, ZBR 1970 S. 87 [88]; BDH DokBer 1964 Nr. 1850 [S. 2343]; Weiß, a.a.O., Rdnr. 51 a.E. [zu § 12 Abs. 1 Nr. 1 BGB]; der Sache nach auch Summer a.a.O., K § 12, Rdnr. 12 [S. 6 unten] und in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz, Art. 15, Anm. 3 c [S. 7]).

Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2001 (Buchholz 111, Art. 20 EV, Nr. 13) ergibt sich Gegenteiliges nicht. Im dort entschiedenen Fall war - anders als hier - eine der Übernahme in das Probebeamtenverhältnis vorangegangene Täuschung durch aktives Handeln nicht festgestellt worden.

Aber das kann letztlich ebenso dahinstehen wie bejahendenfalls die Frage, ob der dem Dienstherrn hinsichtlich der Bewährungsfeststellung eingeräumte Beurteilungsspielraum bei pflichtwidrigem Schweigen in gleicher Weise wie bei einer Täuschung durch positives Tun (zu letzterer Konstellation vgl. BVerwG, Buchholz 111, Art. 20 EV, Nr. 11 [S. 32 unten]) auf die allein rechtmäßige Entscheidung reduziert wäre, dass der Kläger sich nicht bewährt habe.

Denn der Beklagte hat die pflichtwidriges Unterlassen substanziierenden Tatsachen in seinem Entlassungsbescheid nicht erwähnt, jene seiner Entscheidung nicht zu Grunde gelegt.

Überdies stände dem Aufrechterhalten als Entlassung wegen Nichtbewährung in der Probezeit entgegen, dass es hier an der gebotenen personalvertretungsrechtlichen Zustimmung (§ 79 Abs. 1 und 2 Satz 1, § 88 Nr. 11 PersVG) für eine Entlassung gerade wegen Nichtbewährung fehlte. Dem Personalrat war nur der Entwurf des Bescheides zugeleitet worden, dem sich die den Bescheid möglicherweise legitimierenden Fakten nicht entnehmen ließen (zum Erfordernis Senatsurteil vom 13. November 2001 OVG 4 B 16.00).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO oder § 127 Nr. 1 BRRG vorgesehenen Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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