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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: OVG 4 N 85.04
Rechtsgebiete: VwGO, BeamtVG, BBG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
BeamtVG § 35
BeamtVG § 35 Abs. 1
BeamtVG § 35 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG § 35 Abs. 1 Satz 2
BBG § 139 Abs. 1 a.F.
BBG § 139 Abs. 1 Satz 1
BBG § 139 Abs. 1 Satz 2
BBG § 139 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 N 85.04

Berlin, den 8. Juni 2005

In der Verwaltungsstreitsache

Tenor:

wird der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2004 zuzulassen, abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Gegenstandswert dieses Verfahrens wird auf 1 167,95 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen, soweit sie hinreichend dargelegt sind (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), nicht vor.

1. Mit den vom Beklagten angeführten und hier allein zu prüfenden Gründen sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht aufgezeigt. Gemessen an den geltend gemachten Aspekten hat das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit richtig entschieden.

Der Rechtsbehelf wendet sich weder gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzungen für die Gewährung von Unfallausgleich seien erfüllt, noch beanstandet er, dass das Urteil die im polizeiärztlichen Bericht vom 5. Juni 1998 festgelegten Stufen der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zugrunde gelegt hat. Die nach dem rechtlichen Ansatz der Antragsbegründung ausdrücklich allein erörterte Frage, ob Unfallausgleich für die ersten sechs Monate nach dem Dienstunfall entsprechend dem jeweils festgestellten Grad der MdE oder nach dem am Ende dieser Frist verbleibenden Wert festzusetzen ist, hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 25, 46 [51]) zutreffend dahin beantwortet, dass sich die Höhe des Unfallausgleichs nach dem jeweiligen Grad der MdE richtet. Die hiergegen erhobenen Einwände des Rechtsbehelfs überzeugen nicht.

Der Hinweis des Beklagten, der Gesetzgeber habe mit der 6-Monats-Frist des § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG deutlich gemacht, dass Unfallausgleich nicht einen vorübergehenden Schaden, sondern nur einen Schaden von gewisser Dauer abgelten solle, ist im vorbezeichneten Zusammenhang unergiebig. Seine Behauptung, dieser Gedanke beanspruche auch für die Höhe des Ausgleichs Geltung, hat der Beklagte nicht belegt. Wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O., dort noch unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit) entschieden hat, betrifft die zeitliche Komponente allein die Gewährung des Unfallausgleichs dem Grunde nach; bei Anwendung des Satzes 2 des § 35 Abs. 1 BeamtVG, der die Höhe des Unfallausgleichs regelt, scheidet ein Rückgriff auf Satz 1 der Vorschrift aus.

Soweit sich der Rechtsbehelf mit den Kriterien für die Bemessung der MdE befasst und dabei geltend macht, ein Krankenhausaufenthalt sei nicht schlechthin mit 100 %-iger MdE gleichzusetzen, fehlt es an näherer Darlegung, inwieweit dieser Aspekt für die hier maßgebliche Rechtsfrage relevant sein könnte. Der Umstand, dass dem Begriff der Erwerbsunfähigkeit das Element der Dauer anhaftet, mag für die konkrete Festlegung der MdE erheblich sein, nicht aber für den Zeitpunkt, auf den bei der Bemessung des Unfallausgleichs abzustellen ist. Insbesondere ergeben sich hieraus keine Anhaltspunkte dafür, dass es insoweit gerade auf das Ende des 6-Monats-Zeitraums ankommen könnte.

Der Einwand, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. September 1966 (BVerwGE 25, 46 ff.) sei angesichts des heutigen Rechts nicht mehr von maßgeblicher Aussagekraft, ist nicht berechtigt. Die vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegte Regelung des § 139 Abs. 1 BBG (a.F.) ist - soweit hier relevant - durch die Aufnahme der Norm in das am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Beamtenversorgungsgesetz und spätere Gesetzesänderungen unberührt geblieben.

Dass die vom Beklagten angesprochene Einführung der 6-Monats-Grenze durch § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG für die Bemessung der Ausgleichshöhe von Bedeutung sein könnte, ist weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Die Frist betrifft allein den Grund des Anspruchs und knüpft an frühere Rechtsprechung zum BBG an. Bereits zu § 139 Abs. 1 Satz 1 BBG war geklärt, dass die Beschränkung der Erwerbsfähigkeit nur dann - wie vom Gesetz gefordert - wesentlich war, wenn die Minderung während einer nicht nur vorübergehenden Zeitspanne angehalten hat (BVerwGE 15, 51 [53 f.]; 25, 46 [48]). Die Festlegung einer Mindestfrist von sechs Monaten durch den Gesetzgeber greift lediglich diese Judikatur zum Grund des Anspruchs - unter Verschärfung der zeitlichen Anforderungen gegenüber BVerwGE 32, 323 ff. - auf; die Gesetzgebungsmaterialien sprechen insoweit von einer Klarstellung (BT-Drucksache 7/2505 S. 51; vgl. auch VGH Kassel ZBR 1990, 189). Die Regelung zur Höhe des Unfallausgleichs wurde demgegenüber unverändert aus § 139 Abs. 1 Satz 2 BBG in § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG übernommen.

Ebenso wenig ist die "Abschaffung" des § 139 Abs. 4 BBG, der Unfallausgleich während einer Krankenhausbehandlung oder Heilanstaltspflege ausschloss, für den hier streitigen Berechnungszeitpunkt von Bedeutung. Dass Beamte nach Inkrafttreten des BeamtVG nunmehr Unfallausgleich auch für die Zeit eines Krankenhausaufenthalts beanspruchen konnten, besagt zur Höhe des Ausgleichs während der ersten sechs Monate nach dem Unfall nichts.

Gleichfalls ohne Erfolg wendet sich der Beklagte gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, seine Handhabung führe zu nicht sachgerechten Ergebnissen. Mit seinem Vergleich von Beamten, die die zeitlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Unfallausgleich erfüllen, mit solchen, die vor Ablauf von sechs Monaten genesen, vermengt der Rechtsbehelf die Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtVG. Wie ausgeführt, ist die Höhe des Unfallsausgleichs unabhängig von den Anspruchsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zu bestimmen. Die Berücksichtigung einer sich innerhalb des 6-Monats-Zeitraums ändernden Minderung der Erwerbsfähigkeit führt entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht ohne weiteres zu einer "Honorierung des Krankenhausaufenthalts und der Heilbehandlung".

Schließlich ergeben sich ernstliche Richtigkeitszweifel nicht mit Blick auf die in den VwV zu § 35 BeamtVG (35.0.2) vorgesehene Möglichkeit, Unfallausgleich tageweise zu berechnen. Diese Regelung hat das Verwaltungsgericht nicht als Argument für eine gestaffelte Festsetzung herangezogen, sondern allein als Beleg dafür, dass eine solche Rechtsanwendung in der praktischen Umsetzung keine Schwierigkeiten aufwerfe.

2. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Die aufgeworfene Rechtsfrage, ob bei fortschreitendem Heilbehandlungsprozess die MdE während des 6-Monats-Zeitraums gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG gleichbleibend in Höhe des bei seiner Beendigung festzustellenden Wertes oder gestaffelt nach Heilungsfortschritt festzusetzen ist, ist höchstrichterlich dahin geklärt, dass es unabhängig von dieser Frist allein auf den jeweiligen Grad der Beschränkung der Erwerbsfähigkeit ankommt (vgl. BVerwGE 25, 46 [51]). Neue Gründe, die die bisherige Rechtsprechung nicht berücksichtigt hat, sind - wie zu 1. ausgeführt - nicht vorgetragen.

3. Von weiterer Begründung wird abgesehen (vgl. § 124 a Abs. 5 Satz 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Wertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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