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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.09.2004
Aktenzeichen: OVG 4 S 64.03
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 55 Abs. 4 Satz 1
BeamtVG § 55 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 S 64.03

Berlin, den 7. September 2004

In der Verwaltungsstreitsache

Tenor:

wird die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2003 zurückgewiesen.

Gründe:

Dem Rechtsbehelf kann nicht stattgegeben werden. Er ist (soweit dem Darlegungsgebot [§ 146 Abs. 4 Sätze 3, 4 VwGO] genügt wird) unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) unzulässig ist, dass hier, nach Lage des Falles, Umdeutung (Begehren entsprechend § 80 Abs. 1, 5 VwGO) nicht möglich war (1). Im Übrigen würde die Beschwerde auch erfolglos bleiben, wenn, wie im angefochtenen Beschluss kumulativ erörtert, von einstweiliger Anordnung als einschlägigem Rechtsbehelf auszugehen wäre, speziell wenn materielles Recht (Kontext Anordnungsanspruch) inmitten stünde (2).

1. Zum ersten selbstständig tragenden Aspekt des Beschlusses:

1.1 Der Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnung, den die Beschwerde erklärtermaßen prinzipiell weiterverfolgt (zumal Antragsänderung im Beschwerdeverfahren durchweg ausscheidet [Senatsbeschluss vom 11. April 2003 OVG 4 S 38.02]), scheitert an der Subsidiarität des entsprechenden Instituts gegenüber dem vorläufigen Rechtsschutz auf Anordnung, Wiederherstellung, Feststellung der sog. aufschiebenden Wirkung von Widerspruch/Klage (arg. §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 1, 5 VwGO).

Ruhensregelungen (§ 55 BeamtVG) als solche stellen, wie der Rechtsbehelf sieht und voraussetzt, Verwaltungsakte (§ 35 Satz 1 VwVfG) dar; das bedarf keiner Begründung.

Vorläufiger Rechtsschutz gegen solche Regelung (um einstweilen etwaige Vollziehbarkeit zu beseitigen, die Behörde entsprechend zu hindern, Schlüsse aus der Ruhensregelung zu ziehen) wird im Verfahren zwecks aufschiebender Wirkung gesucht (vgl. statt anderer OVG Hamburg NVwZ 1984, 256 und DÖD 1986, 179 f.; VGH Kassel NVwZ 1983, 747; OVG Lüneburg NVwZ 1983, 109 f.; offen, "ob stattdessen oder zusätzlich" einstweilige Anordnung in Betracht kommt, VGH Mannheim Beschluss vom 8. März 1990 4 S 3337/89 [zitiert nach juris]). Das stellt der Rechtsbehelf abstrakt nicht in Zweifel; es gibt auch keinen Grund, warum jene Figur (und damit insoweit das Prinzip des § 123 Abs. 5 VwGO) hier nicht valent sein sollte.

Für die danach maßgebende Frage, ob ein Bescheid, speziell ein "Versorgungsfestsetzungsbescheid" (der [ebenfalls "unstrittig"] Verwaltungsaktqualität hat [statt wohl aller Plog/Wiedow, BBG, BeamtVG § 49 Rdnr. 9]), eine selbstständig anfechtbare, negative Teilregelung (in concreto eben Ruhensregelung) enthält, sind die vom Rechtsbehelf (zunächst) angestellten allgemeinen Erwägungen nicht (unmittelbar) erheblich. Weder kommt es (per se) darauf an, ob solch Bescheid "atypisch" ist, ob eine Ruhensregelung in dem Sinne "nach" der Festsetzung hätte "erlassen werden" bzw. ob zwei gesonderte Verwaltungsakte hätten vorgenommen werden "müssen" (wofür sich der Rechtsbehelf im Übrigen nicht auf Stegmüller pp., BeamtVG berufen kann [vgl. dort aktuell Erl. 2 zu § 49 Anm. 2 - 3.2, Seite 1 sowie Erl 1 zu § 55 Anm. 8), noch darauf, ob etwaige selbstständige Teilregelung für sofort vollziehbar erklärt ist (weshalb die Rüge, das Verwaltungsgericht "übersehe" entsprechendes Detail von ihm herangezogener Judikate, unbehelflich ist).

Die (Haupt-) Argumentation des Rechtsbehelfs aber, der (partiell) strittige "Versorgungsfestsetzungsbescheid" (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) enthalte keine solche Teilregelung (um Nebenbestimmung [§ 36 VwVfG], Figur, die der Rechtsbehelf wohl auch nur abgrenzend, der Vollständigkeit halber zitiert, geht es ohnehin nicht), jene Argumentation also überzeugt nicht.

Zwar mag (wie der Senat offen lässt) die Regel bilden, dass Versorgung und Ruhen gesondert verfügt werden (vgl. OVG Münster NVwZ-RR 2003, 130, 132). Jedoch kommt Festsetzung in einem "einzigen" Bescheid durchaus vor (siehe etwa Brockhaus in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht § 49 BeamtVG Rdnrn. 22, 24; Stegmüller etc. a.a.O. Erl. 2 zu § 49 Anm. 5.1) und die Handlungsvariante ist hier realisiert.

Der Bescheid, der an den bereits damals rechtskundig vertreten gewesenen Antragsteller adressiert war, trennt die Bestandteile der Gesamtregelung nicht formal, trennt sie aber materiell. Gerade nach dem objektivierend zu wertenden sog. Empfängerhorizont (dem eines anwaltlich Vertretenen, Beratenen) war das hinreichend deutlich. So ist die Regelung dem Anschien nach übrigens auch verstanden worden. Denn der Antragsteller hat gegenständlich begrenzt Widerspruch erhoben (Begründung vom 13. September 2002) und im Eilantrag (6. Dezember 2002) wörtlich betont, er habe "(Teil-) Widerspruch" eingelegt (Wertung, für die entgegen jetzigem Vortrag irrelevant ist, dass in Beamtensachen grundsätzlich auch gegen Realakte Widerspruch "obligatorisch" ist [§ 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG]). Der Umstand, dass der Bescheid gegen Ende bestimmte Anlagen als seine "Bestandteile" bezeichnet, steht nicht entgegen, da die entsprechenden Berechnungen ohne weiteres der jeweiligen Teilregelung zuzuordnen sind. Dass die Rechtsbehelfsbelehrung ("Widerspruch") nicht zwischen nur begünstigenden und (auch) belastenden Regelungen trennt, verschlägt nach alledem (zumal wegen des Aspekts Empfängerhorizont) nicht.

1.2 Es bedarf keiner Erörterung, ob die Rüge, das Verwaltungsgericht hätte das Begehren umdeuten müssen (in einen Antrag nach § 80 Abs. 1, 5 VwGO), nicht schon deshalb fehlgeht, weil die Beschwerde ja explizit am Institut einstweilige Anordnung festhält, die Wertung des Beschlusses für unrichtig hält (und gegen wiederholt beteuerte Ansicht eines Rechtsanwalts nicht umzudeuten ist).

Jedenfalls ist das Verwaltungsgericht (nach dem Streitstoff des Senats) korrekt verfahren. Der Kammervorsitzende hat, wie das je nach Sachlage auch gegenüber einem anwaltlich vertretenen Beteiligten geboten sein kann, auf prozessuale Bedenken gegen den Antrag hingewiesen (Eingangsverfügung vom 9. Dezember 2002). Sofern (wie sich nicht aus den Gerichtsakten ergibt, von der Beschwerde nicht glaubhaft gemacht [arg. §§ 173 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO] ist) der Vertreter des Antragstellers mit dem "Berichterstatter" (?) telefoniert und "seine Rechtsauffassung dargelegt", der "Berichterstatter angekündigt (hat), sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen", folgt aus solchem (unterstellten) Gespräch kein Vertrauen, der "Berichterstatter" werde den Anwalt (erneut) um (bis dahin nicht gegebene) schriftliche Äußerung ersuchen, erneuten Hinweis geben; ebenso wenig resultiert daraus etwas für etwaige Umdeutung eben gegen dessen (mit der Beschwerde perpetuierten) Standpunkt.

2. Zum anderen selbstständig tragenden Aspekt des Beschlusses (nämlich, ein etwa doch zulässiger Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnung wäre unbegründet):

Angenommen, es bestehe ein Anordnungsgrund (wozu im Schriftsatz vom 6. Dezember 2002 [Seite 6] plausibel vorgetragen war), könnte der Beschwerde gleichwohl wegen des Defizits am Glaubhaftmachen des ferner nötigen Anordnungsanspruchs (Versorgung ohne Anrechnung oder unter anderer, quasi geringerer Anrechnung von Rentenzahlungen der Versorgungsanstalt der Deutschen Kulturorchester [VddKO]) nicht stattgegeben werden (etwaiges Resultat einer Interessenabwägung beiseite gelassen, in welche entgegen dem zitierten Schriftsatz [a.a.O. Seite 7] sehr wohl der öffentliche Belang etwaiger Rückforderungsgewähr einzustellen gewesen wäre, will doch der Antragsteller, so der Sinn seines nachvollziehbaren Vortrags, die Alimentation gerade im Wesentlichen verbrauchen).

Die vom Oberverwaltungsgericht allein zu prüfenden dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) vermögen den angefochtenen Beschluss nicht zu erschüttern; der Streitstoff des Senats gibt jenen Anordnungsanspruch nicht her - so verständlich die Enttäuschung des Antragstellers im Hinblick auf den erwarteten Effekt der hohen freiwilligen Weiterversicherung auch ist.

Sollte die Beschwerde den erstinstanzlich vertretenen Standpunkt aufrechterhalten wollen, die (nach Übernahme in das Beamtenverhältnis) entrichteten freiwilligen Beiträge zur VddKO seien als Höherversicherung quasi gänzlich auszublenden (§ 55 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, speziell Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG), genügte sie nicht dem Darlegungsgebot (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), überzeugte jedenfalls nicht. Mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses, weshalb (nicht auch) die strittigen Beträge als Beiträge zu einer Höherversicherung qualifiziert werden können (siehe OVG Saarlouis Beschluss vom 24. März 1993 1 R 135/90 [zitiert nach juris]; jüngst BVerwG Urteil vom 28. Januar 2004 2 C 4.03 [zitiert nach juris, dort gegen Ende des Abdrucks]; Schachel in Schütz/Maiwald wie zitiert § 55 Rdnr. 29), befasst der Rechtsbehelf sich gar nicht konkret. Und die Bemerkung, die Vorschrift (des "§ 55 Abs. 4 BeamtVG") wolle "gerade die freiwilligen Beitragsleistungen der Beamten erfassen, die diese zur Sicherung ihres Lebensabends vornehmen", ist hier unbehelflich; jene freiwilligen Beitragszahlungen werden eben (von § 55 Abs. 4 BeamtVG) differenziert (obschon in den Varianten pauschalierend) erfasst, keineswegs allesamt in gleicher Weise "außer Ansatz" (a.a.O. Satz 1) gelassen.

Das eigentliche Begehren des Rechtsbehelfs, die Rentenzahlungen der VddKO nach "Werteinheiten" (§ 55 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. BeamtVG) statt (nur) auf Grund der Relation der (Pflicht-, freiwilligen) Versicherungsjahre (a.a.O. 1. Alt.) in die Ruhensregelung eingehen zu sehen (der Antragsteller hatte exemtionell hohe freiwillige Beiträge entrichtet [der Antragsgegner während dieser Zeit keine Beiträge/Zuschüsse gezahlt, ohnehin keine hälftigen, § 55 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG]), jenes eigentliche Anliegen mithin lässt sich wohl indirekt, auch durch Zitat von BVerfGE 76, 256, 334, nahe legen will) durch das Postulat substanziieren, der im betreffenden Rentenanteil "verkörperte" (BVerfG) Gegenwert freiwilliger Beitragsleistungen müsse (anders als bei mindestens hälftigem Zuschuss des Dienstherrn, § 55 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG) "ungeschmälert" erhalten bleiben. Die Maßgaben solcher Berechnung, solchen "außer Ansatz"-Bleibens des betreffenden "Teils der Rente" enthält das Gesetz (§ 55 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG) und jenes Prinzip wird eben durch alle Normvarianten gleichgewichtig, je nach Sachlage, realisiert, nicht nur durch die vom Antragsteller favorisierte Methode.

Substanziierte Einwände gegen die (mit dem Urteil des VGH Mannheim vom 23. April 1991 4 S 2180/90 [juris] übereinstimmende) Wertung des Beschlusses, das Altersruhegeld der VddKO errechne sich nach ihrer Satzung nicht auf Grund von Werteinheiten oder Entgeltpunkten (§ 55 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2, 3 BeamtVG), erhebt die Beschwerde nicht.

Soweit sie Kritik an der Bezugnahme des Beschlusses auf die Rechtsprechung des BVerwG (DÖD 1996, 69, 70 f. [siehe auch Urteil vom selben Tage: Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 20]) übt, geht sie fehl.

Das BVerwG hat sein Statement, der Gesetzestext (§ 55 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG) sei eindeutig, die Variante Berechnung nach Werteinheiten lasse sich nicht ausdehnend interpretieren (siehe ferner BVerwGE 92, 41, 43), nicht fallgruppenspezifisch eingeschränkt. Die Version des Rechtsbehelfs, das BVerwG lasse "zwischen den Zeilen deutlich erkennen", es halte Sachverhalte wie den hiesigen (freiwillige Versicherung mit erheblich höheren Beiträgen) für "gänzlich atypisch", ist im Urteil nicht nachgewiesen, nicht nachweisbar. Der Notiz des angefochtenen Beschlusses, es sei kein Unterschied zwischen den Varianten hoher Pflichtbeitrag/niedriger freiwilliger Beitrag und niedriger Pflichtbeitrag/hoher freiwilliger Beitrag ersichtlich, widmet sich die Beschwerde nicht.

Endlich geht die Bemerkung zur Relevanz des BAG-Urteils (ZBR 2001, 444 ff.) fehl (sollte sie § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügen), überzeugte (schon in Hinsicht auf § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) nicht. Das BAG hat allenfalls insoweit einen hier potenziell relevanten Rechtssatz zur Ruhensregel fixiert (wie die Beschwerde von vornherein nicht nachweist) als es (a.a.O. Seite 447) annimmt, es genügte (sub specie § 55 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2, 3 BeamtVG), wenn der Versorgungsleistung "Berechnungsfaktoren" zu Grunde lägen, welche Werteinheiten oder Entgeltpunkten im Sinne des gesetzlichen Rentenversicherungsrechts "vergleichbar" seien. Ansonsten hat es (a.a.O. am Ende) Details der Versorgungssatzung interpretiert (siehe übrigens wenigstens ähnlich, Einzelfallentscheidung, im Urteil vom 21. Oktober 2003 3 AZR 60/03 [zitiert nach juris]). Derartige Satzungsinterpretation, entsprechende kritische Auseinandersetzung mit den Beschlussgründen, lässt die Beschwerde vermissen.

Von noch weiterer Erörterung sieht der Senat ab.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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