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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: OVG 4 S 77.03
Rechtsgebiete: BlnRi, LfbG, BGB, GG


Vorschriften:

BlnRiG § 7
LfbG § 3 Abs. 1 Satz 1
BGB § 839 Abs. 3
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberverwaltungsgericht Berlin 4. Senat

Berlin, den 15. Januar 2004

OVG 4 S 77.03

Beschluss

In der Verwaltungsstreitsache

Tenor:

wird die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2003 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Antragsgegner die Beförderung der Beigeladenen bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung einer Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid der Senatsverwaltung für Justiz vom 12. September 2003 untersagt wird.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist (von der Maßgabe zum Tenor abgesehen) nicht begründet.

I. Nach dem im Beschwerdeverfahren relevanten Prüfungsstoff (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) hat das Verwaltungsgericht in der Sache zutreffend entschieden. Die vom Antragsgegner dargelegten und hier allein zu prüfenden Gründe rechtfertigen keine andere Beurteilung. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner zu Recht im Wege einstweiliger Anordnung untersagt, die Beigeladene in das Amt einer Vorsitzenden Richterin am Oberverwaltungsgericht unter Einweisung in die Planstelle zu befördern.

1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die dienstliche Beurteilung der Antragstellerin vom 18. August 2003 die richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG, Art. 79 Abs. 1 VvB, §§ 25 f. DRiG) verletzt, soweit darin ausgeführt ist, sie bevorzuge für das gerichtliche Verfahren deutlich die Schriftlichkeit des Umgangs mit den Prozessbeteiligten, weshalb ein verstärkter Einsatz des Mündlichkeitsprinzips wünschenswert erscheinen könnte.

a) Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde gegen die Wertung des Verwaltungsgerichts, mit dieser Formulierung werde der - unzulässige - Versuch unternommen, die Antragstellerin für die Zukunft zu einer veränderten Bearbeitungsweise zu bewegen.

Die Argumentation, jene Bemerkung sei "einzig und allein als Befähigungsbeschreibung und retrospektive Leistungsbewertung zu verstehen", nicht aber als unzulässige mittelbare Anweisung, geht deswegen fehl, weil die Aspekte in der auch von der Beschwerde ausdrücklich zu Grunde gelegten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Dienstgericht des Bundes) nicht in einen Gegensatz gebracht werden. Bei der Prüfung, ob die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt wird, stellt der BGH (letzthin NJW-RR 2003, 492 [493]; NJW 2002, 359 [360 f.] m.w.N.) nicht darauf ab, ob die richterliche Amtsführung und spezifisch richterliche Fähigkeiten bewertet wurden, sondern darauf, ob diese Bewertung mit der sachlichen Unabhängigkeit, die in erster Linie Weisungsfreiheit bedeutet, vereinbar ist: Diese ist verletzt, wenn die Beurteilung auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter in Zukunft verfahren oder entscheiden soll. Insoweit muss sich die Beurteilung auch jeder psychologischen Einflussnahme enthalten. Sie ist unzulässig, wenn der Richter durch die in ihr enthaltene Kritik veranlasst werden könnte, eine Verfahrens- oder Sachentscheidung in einem anderen Sinne als ohne diese Kritik zu treffen (BGH a.a.O.).

Ebenfalls zu Recht hat das Verwaltungsgericht die fraglichen Formulierungen als Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Antragstellerin angesehen. Die Rüge, allein aus dem Gebrauch des Wortes "wünschenswert" könne nicht auf eine mittelbare Anweisung geschlossen werden, lässt unberücksichtigt, dass das Verwaltungsgericht zugleich auf die Eignung der Äußerungen (insgesamt) zu mental-psychischer Einflussnahme auf die Antragstellerin abgestellt hat. Mit ihrer Bemerkung, die Leistungen der Antragstellerin wären noch um eine Nuance höher zu würdigen, wenn sie sich in geeigneten Fällen des Grundsatzes der Mündlichkeit bedient hätte, räumt die Beschwerde der Sache nach ein, dass die dienstliche Beurteilung insoweit Kritik an der Arbeitsweise übt. Würde die Antragstellerin diese Kritik anerkennen, könnte sie veranlasst werden, mit den Prozessbeteiligten weniger häufig schriftlich umzugehen. Verstärkt wird diese Wirkung dadurch, dass über bloße Kritik hinaus eine Änderung des Verhaltens als "wünschenswert" bezeichnet wird. Eine solche Einflussnahme, die die Dispositionsfreiheit des Richters einengt, ihn auf eine bestimmte Arbeitsweise festzulegen versucht, ist dem Dienstvorgesetzten verwehrt (vgl. zum rechtlichen Ansatz BGHZ 57, 344 [350]; BGH NJW 1988, 421 [423]; DRiZ 1995, 352 [353]; Kissel, GVG, 3. Auflage 2001, § 1 Rdnr. 94).

b) Ebenso wenig ist der Einwand berechtigt, die Frage des Einsatzes von Schriftlichkeit oder Mündlichkeit gehöre nicht zum Kernbereich der Rechtsprechung, sondern zum äußeren Rahmen der Leistungserbringung.

Soweit die Beschwerde zur Abgrenzung von der eigentlichen Rechtsfindung darauf abstellen will, dass die Frage des Richterbildes und der Akzeptanz der Rechtsprechung betroffen sei, überzeugt das nach dem in der Rechtsprechung entwickelten und von der Beschwerde als Prinzip nicht in Zweifel gezogenen Maßstab nicht.

Danach ist abzugrenzen zwischen der eigentlichen Rechtsfindung und dem äußeren Ordnungsbereich (vgl. BGHZ 90, 41 [45] m.w.N.; BGH DRiZ 1997, 467 [468]). Erstere ist der Dienstaufsicht (und damit auch der dienstlichen Beurteilung) entzogen, wobei allerdings im Interesse eines wirksamen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit eine großzügige Grenzziehung geboten ist und deshalb alle der Rechtsfindung auch nur mittelbar dienenden - sie vorbereitenden und ihr nachfolgenden - Sach- und Verfahrensentscheidungen in den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit einzubeziehen sind. Die richterliche Amtsführung unterliegt dagegen der Dienstaufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs und die äußere Form der Erledigung der Amtsgeschäfte oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der eigentlichen Rechtsprechung so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig anzusehen sind (BGHZ 90, 41 [45]).

Hiervon ausgehend ist die Frage, ob der Richter mit den Prozessbeteiligten mündlich oder schriftlich umgeht, der Rechtsfindung zuzuordnen. Wie die Stellungnahme des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts vom 24. August 2003 zu den von der Antragstellerin gegen ihre Beurteilung erhobenen Einwänden verdeutlicht, zielt die strittige Bemerkung auf die Verfahrensgestaltung bei der gütlichen Beilegung von Rechtsstreiten, und zwar hinsichtlich der Alternativen, Vergleiche entweder (wie von der Antragstellerin praktiziert) durch schriftliche Hinweise an die Beteiligten bzw. durch in der Form eines Beschlusses ergehende Vorschläge oder aber im Rahmen von Erörterungsterminen anzuregen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass das gütliche Beilegen ebenso wie die Sachentscheidung selbst zum Kernbereich richterlicher Tätigkeit gehört (BGHZ 47, 275 [287]; 57, 344 [350]; 90, 41 [47]; vgl. auch Kissel a.a.O. Rdnr. 65; Schmidt-Räntsch, DRiG, 5. Auflage 1995, § 26 Rdnr. 24). Das Gericht hat in richterlicher Unabhängigkeit zu prüfen und zu entscheiden, ob ein Vergleich überhaupt anzustreben ist, welche Vorbereitungen für die Einigung der Parteien getroffen werden sollen und in welcher Weise dies geschehen soll (BGHZ 47, 275 [287]). Die hier in Rede stehende Entschließung, eine vergleichsweise Regelung schriftlich oder im Rahmen eines Erörterungstermins anzustreben, steht in so engem Zusammenhang mit den richterlichen Aufgaben, dass sie nicht mehr dem Bereich der äußeren Ordnung zugerechnet werden kann. Sie setzt Durchdringung des Streitstoffs sowie darauf aufbauende Prüfung der als geeignet angesehenen Verfahrensweise voraus. Hierüber hat der Richter in eigener Verantwortung unbeeinflusst von der Dienstaufsicht zu entscheiden.

Dass der Kernbereich richterlicher Tätigkeit verlassen sein könnte, weil die Antragstellerin sich offensichtlich prozessordnungwidrig verhalten hätte (vgl. BGHZ 90, 41 [47]), macht der Antragsgegner nicht geltend. Das in der Beurteilung angesprochene "Mündlichkeitsprinzip" (vgl. § 101 Abs. 1 VwGO) erfasst die Vorbereitung eines Vergleichs nicht. Das Prozessrecht eröffnet vielmehr unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten, darunter ausdrücklich die eines schriftlichen Vergleichsvorschlages (§ 106 Satz 2 VwGO). Ohnehin geht die Verwaltungsgerichtsordnung für wesentliche Rechtsbehelfe von einem jedenfalls weitgehend schriftlich durchführenden Verfahren zweiter Instanz aus, wenn sie den Rechtsbehelfsführern spezielle Begründungspflichten auferlegt (etwa § 124 a Abs. 4 Satz 4, § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), das Oberverwaltungsgericht auf Prüfung der dargelegten Gründe beschränkt (§ 124 a Abs. 5 Satz 2, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und Entscheidung durch Beschluss vorsieht (§ 150, § 124 a Abs. 5 Satz 1 VwGO mit Konsequenzen gemäß § 122 Abs. 1, § 101 Abs. 3 VwGO). - Die Erwägung des Rechtsbehelfs, der Bundesgesetzgeber sei durch den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit nicht gehindert, das Mündlichkeitsprinzip in der VwGO lückenlos durchzusetzen, ist unergiebig, solange entsprechende Regelungen nicht getroffen sind.

c) Verletzt die fragliche Passage der Beurteilung die richterliche Unabhängigkeit, kommt es nicht darauf an, ob - wie der Rechtsbehelf meint - dem Einsatz von Mündlichkeit gerade in dem von der Antragstellerin federführend bearbeiteten Gebiet des Sozialrechts besondere Bedeutung beizumessen ist. Zu den von der Beschwerde geäußerten Zweifeln, ob die Kläger bzw. Antragsteller in der Lage seien, schriftliche Hinweise und Entscheidungen des Gerichts zu verstehen und zu akzeptieren, sei lediglich am Rande bemerkt, dass auch in jenen Verfahren prinzipiell Anwaltszwang besteht (§ 67 Abs. 1 VwGO).

2. Soweit der Antragsgegner (hilfsweise) geltend macht, es fehle an der Offensichtlichkeit des Verstoßes, muss sein Vorbringen schon deshalb ohne Erfolg bleiben, weil Fehler einer (den Rechtsschutz suchenden Bewerber selbst betreffenden) dienstlichen Beurteilung im Stellenbesetzungsverfahren nicht nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie "offen zutage" treten bzw. "offensichtlich" sind. Mit Blick auf die Rechte des Bewerbers aus Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 BlnRiG, § 3 Abs. 1 Satz 1 LfbG reicht vielmehr aus, dass ein gegen die Beurteilung gerichteter Rechtsbehelf - wie hier - aussichtsreich ist und seine Auswahl nach fehlerfreier Beurteilung möglich erscheint (ebenso OVG Lüneburg NVwZ-RR 2003, 878 [880]; zur gerichtlichen Kontrolle von anlassbezogenen Beurteilungen der Mitbewerber vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - BVerwG 2 C 14.02 - [Abdruck S. 10]). Soweit früheren Entscheidungen des Senats weitergehende Anforderungen zu entnehmen sein sollten, hält er hieran nicht mehr fest.

Dazu mag hier im Zusammenhang bemerkt werden:

Nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung ist im Rahmen eines Auswahlverfahrens weder der Dienstherr noch das Gericht an eine bestimmte dienstliche Beurteilung "gebunden". Einwendungen gegen die Beurteilung, die als solche kein Verwaltungsakt und deshalb nicht der Bestandskraft fähig ist, können prinzipiell auch unmittelbar im Bewerbungsverfahren wie auch in einem gegebenenfalls anschließenden verwaltungsgerichtlichen "Konkurrentenstreit" geltend gemacht werden (BVerwG NVwZ-RR 2002, 620). Erweist sich eine dienstliche Beurteilung als fehlerhaft, so kann dies Konsequenzen für die Auswahlentscheidung haben: Für den Beförderungsbewerber ergibt sich aus den einfachgesetzlichen Beförderungsregeln in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG ein Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (BVerfG [jeweils Kammer] DVBl. 2002, 1633 = ZBR 2002, 427 und DVBl. 2003, 1524; BVerwGE 101, 112 [114 f.]; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 wie zitiert [S. 5]). Vorrangige Grundlage für die am Leistungsprinzip orientierte Auswahl sind die dienstlichen Beurteilungen des Beamten/Richters, weil und soweit sie maßgebliche und zuverlässige Aussagen über seine Eignung, Befähigung und Leistung enthalten (BVerfG DVBl. 2003, 1524 [1525]). Wird die Beurteilung diesen Anforderungen nicht gerecht, fehlt es an einer tragfähigen, dem Gebot der Bestenauslese entsprechenden Grundlage für die Auswahl (vgl. BVerfG DVBl. 2003, 1524 [1525]). Der unterlegene Bewerber, dessen subjektive Rechte hierdurch verletzt sind, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Aussichten, beim "zweiten Mal" ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG DVBl. 2002, 1633 [1634]; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 wie zitiert [S. 6]).

Prinzipiell derselbe Maßstab ist im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes anzulegen. Der Bewerbungsverfahrensanspruch lässt sich nur vor einer Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung effektiv sichern, weil Beförderung und Besetzung der Stelle nicht mehr rückgängig gemacht werden dürfen (BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 wie zitiert [S. 5 f.] unter Abrücken vom obiter dictum BVerwG 115, 89 [91 f.]; vgl. auch BVerfG DVBl. 2003, 1524). Mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG dürfen die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs jedenfalls nicht über das hinausgehen, was für ein Obsiegen des unterlegenen Bewerbers im Hauptsacheverfahren gefordert werden könnte (BVerfG DVBl. 2002, 1633 [1634]; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 wie zitiert [S. 6]).

Die vom Antragsgegner (nach rechtlichem Hinweis des Senats) erhobenen Bedenken gegen die Heranziehung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. April 2002 (NVwZ-RR 2002, 620 f.) überzeugen nicht. Dessen Aussagen stehen zwar im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz entsprechend § 839 Abs. 3 BGB. Sie beschränken sich jedoch nicht darauf, entsprechende Rechtsbehelfe als nicht aussichtslos zu werten, sondern gehen von der nicht eingeschränkten Überprüfbarkeit dienstlicher Beurteilungen im Bewerbungsverfahren aus. Dieser Ansatz findet, wie die zitierten späteren Beschlüsse des Bundesverfassungsgericht und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 2003 bestätigen, seine Grundlage in Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG. - Mit Blick auf die Ausführungen des Antragsgegners stellt der Senat klar, dass Fehler einer dienstlichen Beurteilung im Stellenbesetzungsverfahren nicht schon dann relevant sind, wenn sie "lediglich möglich, denkbar oder diskutabel" sind. Prüfungsmaßstab sind vielmehr - wie ausgeführt - die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels in der Hauptsache.

3. Auch die weiteren (Hilfs-) Erwägungen, mit denen die Beschwerde die Kausalität des Beurteilungsfehlers für die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen in Frage stellen will, greifen nicht durch.

Der Rechtsbehelf zieht nicht in Zweifel, dass insoweit - anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (DVBl. 2002, 1633 [1634]) - nur die Ergebnisoffenheit einer künftigen Auswahlrunde darzulegen und glaubhaft zu machen ist. Sein Einwand, das Verwaltungsgericht habe einen "in allen Rechtsgebieten außerhalb des öffentlichen Dienstrechts bereits gesetzlich längst überholt(en)" Prüfungsmaßstab angelegt, indem es jeden Fehler für kausal halte, dessen Wirkung auf die Auswahlentscheidung nicht "mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit" ausgeschlossen werden könne, ist nicht gerechtfertigt. Er lässt die konkrete Grundrechtskonstellation sowie den Umstand außer Acht, dass die Auswahlentscheidung nur begrenzter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Wegen des dem Dienstherrn insoweit zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums ist das Gericht grundsätzlich nicht befugt, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (BVerfG DVBl. 2002, 1633 [1634]). Bei der Beförderung von Richtern ist es dem Gericht darüber hinaus noch verwehrt, dem Vorschlagsrecht des Präsidenten (Art. 82 Abs. 1 Satz 2 VvB) und der Entscheidung des Richterwahlausschusses (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BlnRiG) vorzugreifen. Für die vom Antragsgegner geforderte Prüfung, ob bei Vermeiden des Beurteilungsfehlers vernünftigerweise bezweifelt werden kann, dass gleichwohl die Beigeladene ausgewählt worden wäre, ist hier kein Raum. Es reicht vielmehr aus, dass eine andere Auswahl möglich erscheint (vgl. BVerfG DVBl. 2002, 1633 [1634]; Senatsbeschluss vom 6. Januar 2004 - OVG 4 S 34.03 -).

Vor diesem Hintergrund müssen die Ausführungen des Rechtsbehelfs zur Kausalität im konkreten Fall überwiegend schon deswegen ohne Erfolg bleiben, weil das Verwaltungsgericht aus den dargelegten Gründen gehindert war, selbst darüber zu entscheiden, ob es bei Fortlassen der Bemerkung zur Mündlichkeit zu einer besseren Note in der dienstlichen Beurteilung der Antragstellerin und hieran knüpfend zu einer abweichenden Auswahlentscheidung gekommen wäre. - Soweit der Antragsgegner geltend macht, die "retrospektiven Leistungsbewertungen" hätten für den Ausgang des Bewerbungsverfahrens ersichtlich keine Rolle gespielt, könnten schon Bedenken bestehen ob die gebotene Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts geleistet ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), das in Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. 2.) auf die besondere Bedeutung dienstlicher Beurteilungen für die Auswahlentscheidung abgestellt und im Einzelnen aufgezeigt hat, dass der Besetzungsbericht des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts vom 22. August 2003 auf der fraglichen dienstlichen Beurteilung beruht. Jedenfalls trifft die Argumentation der Beschwerde, in jenem Bericht sei hervorgehoben, die Berichterstatterleistungen der Antragstellerin und der Beigeladenen bewegten sich "auf einem gleich hohen Niveau", so nicht zu. Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts hat vielmehr der Beigeladenen gerade anknüpfend an den Notenvorsprung den Vorzug gegenüber der Antragstellerin gegeben (vgl. Einleitungssatz zu III. 2. b) aa) des Berichts).

4. Ob die dienstliche Beurteilung - wie von der Antragstellerin erstinstanzlich geltend gemacht - unter weiteren Mängeln leidet, die ihrer Heranziehung in einem erneuten Auswahlverfahren entgegenstünden, bedarf keiner Entscheidung, da die erlassene einstweilige Anordnung bereits auf Grund des vom Verwaltungsgericht (zu Recht) festgestellten Fehlers gerechtfertigt ist. Insbesondere ist nicht darauf einzugehen, ob die Beurteilung auch deswegen fehlerhaft erscheinen könnte, weil die im Abschnitt IV. 3. gerügten, von der Antragstellerin bestrittenen Mängel im Umgang mit der Geschäftsstelle sowie in der Zusammenarbeit mit richterlichen Kollegen und der Leitung des Gerichts bislang nicht bzw. nicht im erforderlichen Maße nachvollziehbar sind (vgl. zu den Anforderungen an die Plausibilisierung BVerwGE 60, 245 [251 f.]).

II. Der Senat hat die vom Verwaltungsgericht erlassene einstweilige Anordnung bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung einer Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid der Senatsverwaltung für Justiz vom 12. September 2003 befristet, um dem Antragsgegner Gelegenheit zu geben, den festgestellten (und etwaige weitere) Fehler im Widerspruchsverfahren zu heilen. Dabei geht der Senat davon aus, dass vor Erlass des Widerspruchsbescheides den Mängeln der dienstlichen Beurteilung der Antragstellerin in geeigneter Weise Rechnung zu tragen ist und es nach Änderung der Tatsachengrundlage einer erneuten Befassung des Richterwahlausschusses (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BlnRiG) bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die Wertfestsetzung auf § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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