Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.12.2002
Aktenzeichen: OVG 8 N 121.02
Rechtsgebiete: BerlHG, LGBG


Vorschriften:

BerlHG § 4 Abs. 6
BerlHG § 9 Abs. 2
LGBG § 9
§ 9 Abs. 2 BerlHG gibt einem Studenten mit Behinderung keinen Anspruch gegen das Studentenwerk Berlin auf Übernahme der Kosten für ein Kraftfahrzeug mit Behindertenausrüstung einschließlich Kfz-Versicherung.
Oberverwaltungsgericht Berlin 8. Senat

OVG 8 N 121.02

In der Verwaltungsstreitsache

Tenor:

werden die Anträge des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Mai 2002 zuzulassen und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt K. Prozesskostenhilfe zu gewähren, zurückgewiesen. Dabei lässt der Senat offen, ob der Zulassungsantrag den formalen Zulassungsvoraussetzungen des § 124 a Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO genügt. Der Zulassungsantrag ist jedenfalls unbegründet, so dass auch mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden kann (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Für diesen Zulassungsgrund sind zumindest gewichtige Gesichtspunkte erforderlich, die eine dem Kläger günstige Erfolgsprognose erlauben. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wenn also ein Erfolg der Angriffe gegen die erstinstanzliche Entscheidung wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dies ist hier nicht der Fall.

Ein Erfolg der Angriffe des Klägers gegen die klagabweisende Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist ausgeschlossen, weil § 9 Abs. 2 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin - BerlHG - vom 12. Oktober 1990 (GVBl. S. 2165), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Oktober 2001 (GVBl. S. 534) dem Kläger als Studenten mit Behinderung keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme der Kosten für ein Kraftfahrzeug mit Behindertenausrüstung einschließlich Kfz-Versicherung gibt. Nach § 9 Abs. 2 BerlHG soll jedem Studenten mit Behinderung die erforderliche Hilfe zur Integration nach § 4 Abs. 6 BerlHG zur Verfügung gestellt werden. Nach dieser Vorschrift berücksichtigen die Hochschulen die besonderen Bedürfnisse behinderter Studenten und Studentinnen und treffen in allen Bereichen die erforderlichen Maßnahmen zur Integration der behinderten Studenten und Studentinnen. Aus dem Wortlaut der Norm "in allen Bereichen" folgert der Kläger, dass die Hochschulen für die Überwindung behinderungsbedingter Schwierigkeiten von Studierenden umfassend zuständig seien. Dieser Schluss überzeugt nicht. Zwar lässt es der Wortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 1 BerlHG in der Tat zu, den Hochschulen eine weit über ihre sonstigen Aufgaben hinausgehende Zuständigkeit für alle Integrationsmaßnahmen zugunsten Behinderter zuzuschreiben, wenn diese nur Studierende sind. Doch genügt der Wortlaut nicht allein, das vom Kläger vertretene Verständnis der Norm zu begründen. Die Entstehungsgeschichte und die systematische Stellung des § 4 Abs. 6 BerlHG, auf den sich § 9 Abs. 2 BerlHG zur inhaltlichen Umschreibung des mit ihm nunmehr begründeten Anspruchs bezieht, drängt vielmehr zu einer einschränkenden Auslegung; beides widerspricht einem bei wörtlicher Auslegung möglichen Normverständnis, wonach zu den Aufgaben der Hochschule eine alle Lebensbereiche umfassende Integration Behinderter gehöre.

Die Vorschrift des § 4 Abs. 6 BerlHG in der Fassung des Gesetzes vom 13. November 1986 (GVBl. S. 1771) zählte zu den Aufgaben der Hochschulen ursprünglich nur, die besonderen Bedürfnisse der behinderten Studenten zu berücksichtigen. Eine nähere Umschreibung des Berücksichtigungsgebots enthielt das Gesetz nicht. Diese Regelung erweiterte das Berliner Hochschulgesetz in seiner Fassung vom 12. Oktober 1990 (GVBl. S. 2165) um die noch heute geltende Vorschrift "und treffen in allen Bereichen die erforderlichen Maßnahmen zur Integration der behinderten Studenten...". Auch in dieser Fassung enthält das Gesetz noch eine an die Hochschule gerichtete Programmnorm, ohne zugleich behinderten Studenten und Studentinnen ein subjektives Recht auf im Gesetz nicht näher umschriebene erforderliche Maßnahmen zur Integration zu gewähren. Die durch die Neufassung des Gesetzes allerdings erweiterte Aufgabe der Hochschule, die besonderen Bedürfnisse behinderter Studenten nicht nur zu berücksichtigen, sondern "in allen Bereichen" die erforderlichen Integrationsmaßnahmen zu treffen, bezieht sich wegen der Stellung der Vorschrift in § 4 BerlHG, der insgesamt die Aufgaben der Hochschule umschreibt, bei systematischer Betrachtung lediglich auf die von § 4 BerlHG beschriebenen hochschulrechtlichen Aufgabenbereiche. Nur bei der Erfüllung dieser Aufgaben hat die Hochschule die besonderen Bedürfnisse der behinderten Studenten zu berücksichtigen und ggf. im Ergebnis dieser Berücksichtigung die erforderlichen Maßnahmen zur Integration zu treffen. Eine Allzuständigkeit der Hochschule für die umfassende, alle Lebensbereiche abdeckende Versorgung/Betreuung ihrer Studenten und eine Pflicht zu einer derartigen Versorgung lassen sich aus § 4 Abs. 6 BerlHG nicht ableiten. Wäre mit der Änderung des BerlHG im Jahre 1990 beabsichtigt gewesen, die Hochschulen - anders als bis dahin - gleichsam zu einem Träger von Sozialleistungen in Gestalt von Eingliederungshilfen für behinderte Studenten wie etwa die Finanzierung von privat gehaltenen Kraftfahrzeugen umzuformen, hätte es angesichts konkurrierender sozialhilferechtlicher Bestimmungen einer ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers bedurft. Die amtlich veröffentlichten Materialien zur jetzigen Fassung des § 4 Abs. 6 BerlHG (Abgeordnetenhaus von Berlin, Drs. 11/901 und 11/95 sowie Protokoll der 42. Sitzung vom 27. September 1990, S. 2207 ff.) geben jedoch für eine derartige Regelungsabsicht nichts her.

An diesem Rechtszustand hat das Gesetz zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin (Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung) vom 17. Mai 1999 (GVBl. S. 178) nichts geändert. Dessen Artikel IX Nr. 1, mit dem § 9 Abs. 2 BerlHG neu eingefügt wurde, hat nicht die durch § 4 BerlHG normierten Aufgaben der Hochschule neu bestimmt, sondern auf die vorhandene Aufgabenbeschreibung zurückgegriffen und dem in § 4 Abs. 6 BerlHG den Hochschulen auferlegten Berücksichtigungs- und Integrationsgebot ein subjektives öffentliches Recht behinderter Studenten gegenüber gestellt. Unerheblich für das Verständnis des Begriffs "in allen Bereichen" in § 4 Abs. 6 BerlHG ist demgegenüber, dass das Gesetz zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin in Artikel I § 9 (Landesgleichberechtigungsgesetz) eine Regelung zur Sicherung der Mobilität getroffen und die Vorhaltung eines besonderen Fahrdienstes festgelegt hat.

Mit der Beschreibung der Schwierigkeiten, denen behinderte Studenten in ihrem (Studien-) Alltag begegnen, hat der Kläger einen bestimmten Sinn des § 9 Abs. 2 BerlHG nicht dargelegt. Der bloße Verweis auf den Inhalt eines der Begründung des Zulassungsantrags nicht anliegenden Schriftsatzes genügt dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht.

Sollte der Kläger mit seiner Bemerkung, die Rechtssache weise rechtliche Schwierigkeiten auf, den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere rechtliche Schwierigkeiten) geltend gemacht haben, wäre dieser in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen nicht gegeben.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt. Derartige Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine in dem angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage von fallübergreifender Bedeutung aufwirft. Dargelegt sind diese Zulassungsvoraussetzungen, wenn der Antrag eine bestimmte Rechtsfrage formuliert, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lässt und zumindest einen Hinweis auf den Grund enthält, der die Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (Senatsbeschlüsse vom 1. Dezember 1997 - OVG 8 SN 414.97 -; vom 3. April 1998 - OVG 8 N 10.98 - VIZ 1998, 701 und st. Senatsrspr.). Hier fehlt es bereits an der Bezeichnung einer Rechtsfrage. Der Kläger meint lediglich, die grundsätzliche Bedeutung der Sache ergebe sich aus der Tatsache, dass eine Vielzahl von Behinderten in den Zuständigkeitsstreit zwischen Sozialamt und Studentenwerk geraten sei.

Dem Kläger werden die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der dem Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten, die dieser selbst trägt, auferlegt (§§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO).

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4 000 € festgesetzt (§§ 14 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124 a Abs. 5 Satz 2, 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück