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Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 12.06.2002
Aktenzeichen: 1 A 178/00.Z
Rechtsgebiete: GO, VwGO, LKrO, GKG


Vorschriften:

GO § 63 Abs. 1 e
GO § 67 Abs. 2
GO § 67 Abs. 2 Satz 1
GO § 67 Abs. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 154 Abs. 2
LKrO § 52 Abs. 1 e
LKrO § 56 Abs. 3
GKG § 13 Abs. 1 Satz 1
GKG § 14 Abs. 3
GKG § 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

1 A 178/00.Z

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Kommunalrechts;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat am 12. Juni 2002

durch den ... den ... und den ...

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2000 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 102.258,37 Euro (200.000,00 DM) festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die gerichtliche Überprüfung ist wegen des fristgebundenen Darlegungserfordernisses (§ 124 a Abs. 1 Sätze 1 und 4 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, vgl. § 194 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i. d. F. des Art. 1 Nr. 28 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 - BGBl. I S. 3987 -) auf die von dem Rechtsmittelführer geltend gemachten Zulassungsgründe und die hierzu vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränkt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 30. November 2001 - 1 A 257/OO.Z -, S. 3 des Umdrucks). Danach rechtfertigen die Ausführungen der Klägerin die Zulassung der Berufung nicht.

1. Dies gilt zunächst hinsichtlich der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine bisher obergerichtlich, insbesondere höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die sich im Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts der Klärung bedarf. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung setzt dementsprechend die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich oder jedenfalls obergerichtlich noch ungeklärten und für das Berufungsverfahren erheblichen Rechtsfrage und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 30. November 2001, a. a. O.).

Der Rechtssache kommt eine grundsätzliche Bedeutung wegen der von der Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen aufgeworfenen Frage zu, "ob bei einem befristeten Dauerschuldverhältnis mit einer Gemeinde - etwa bei einem Miet-, Pacht- oder bei einem kommunalen Werbenutzungsvertrag in Gestalt eines sog. Alleinvertretungsvertrages - dessen vertragliche Verlängerung über die ursprünglich vereinbarte Festlaufzeit hinaus dem sog. Vier-Augen-Prinzip des § 67 Abs. 2 [...]GO unterf[ällt], ob es sich hierbei mit anderen Worten um sog. Verpflichtungserklärungen im Sinne dieser Vorschrift handelt."

Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, sondern - soweit sie einer allgemeinen Beantwortung überhaupt zugänglich ist - im Grundsatz ohne weiteres zu bejahen. Das Verwaltungsgericht hat dazu zutreffend darauf abgestellt, dass § 67 Abs. 2 GO seinem Wortlaut nach alle "Erklärungen", durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll", umfasst (Satz 1). Ob durch die Erklärung eine Verpflichtung erstmals begründet werden soll, oder ob durch sie eine Verpflichtung - wie bei der Vertragsverlängerung - für einen bestimmten künftigen Zeitraum neu begründet werden soll, ist danach unerheblich. Dieses dem Wortlaut entsprechende Normverständnis wird auch dem Zweck der Regelung gerecht. Mit dem Erfordernis, die Verpflichtungserklärungen in Schriftform und unterzeichnet vom Amtsdirektor bzw. hauptamtlichen Bürgermeister und zusätzlich vom ehrenamtlichen Bürgermeister bzw. vom Vorsitzenden der Gemeindevertretung oder einem seiner Vertreter abzugeben (§ 67 Abs. 2 Satz 2 GO), "soll erreicht werden, dass für die Gemeinde keine übereilten Erklärungen abgegeben werden, deren Folgen zum Zeitpunkt der Erklärungsabgabe nicht hinreichend bedacht worden sind" (Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drucks. 1/1902, S. 32). Des Schutzes vor Übereilung in diesem Sinne bedarf die Gemeinde im Grundsatz auch in Bezug auf Erklärungen, die auf die Verlängerung eines befristeten Vertragsverhältnisses und insoweit unmittelbar auf die Begründung künftiger neuer Verbindlichkeiten abzielen. Die Folgen eines bestimmten Vertragsverhältnisses mögen sich zwar leichter abschätzen lassen, wenn es um die Entscheidung über die Fortsetzung einer bestehenden vertraglichen Bindung geht. Auch dann bedarf es jedoch - gerade bei der Begründung einer neuen Vertragsbindung für einen längeren Zeitraum und unabhängig von etwa gegenüber der bisherigen Vertragsbindung günstigeren finanziellen Konditionen für die Gemeinde - einer gründlichen Prüfung, ob die neue die Gemeinde verpflichtende Bindung an den Vertragspartner sachgerecht erscheint. Insoweit macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob ein bestehender Vertrag im Wege einer Verlängerungsvereinbarung geändert wird oder ob die Gemeinde entsprechende Pflichten durch einen (gänzlich) neuen Vertrag gegenüber einem Vertragspartner begründet. Erklärungen dieser und jener Art führen zum Entstehen von neuen Verpflichtungen der Gemeinde, weshalb der Zweck von § 67 Abs. 2 GO, vor Übereilung zu schützen, uneingeschränkt zum Tragen kommt. Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung zur Abnahme im Rahmen eines bestehenden Werkvertrages bzw. zu Verfügungsgeschäften (BGH, Urteil vom 6. März 1986 - VII ZR 235/84 -, NJW 1986, 1758) kann auf die Entscheidung über die Verlängerung eines Vertragsverhältnisses grundsätzlich nicht übertragen werden, da es in jenen Fällen gerade nicht um die Begründung einer neuen vertraglichen Bindung geht, sondern um die "Abwicklung" einer bereits bestehenden vertraglichen Bindung.

Grundsätzlich klärungsbedürftig ist auch nicht die von der Klägerin ferner sinngemäß aufgeworfene Frage, ob § 67 Abs. 2 GO nur den Schutz der Gemeinde vor übereilt eingegangenen finanziellen Verpflichtungen bezweckt. Der bereits zitierte Wortlaut von § 67 Abs. 2 Satz 1 GO spricht eindeutig für die Einbeziehung auch von Verpflichtungen nicht finanzieller Art in den Anwendungsbereich der Vorschrift, da mit diesem ganz allgemein auf (jegliche) Verpflichtungen der Gemeinde abgestellt wird. Die Gemeinde bedarf auch nicht nur in Bezug auf Erklärungen zur unmittelbaren Begründung eigener finanzieller Verpflichtungen des Schutzes vor Übereilung, sondern in gleichem Maße, wenn es etwa darum geht, ob für sie eine eigene sonstige Verpflichtung (z. B. als Verkäuferin oder Vermieterin) zu einer angemessenen Gegenleistung des Vertragspartners eingegangen werden soll (vgl. in diesem Sinne Schumacher, in: Kommunalverfassung des Landes Brandenburg, Kommentare, Stand: Juli 2001, § 67 GO Anm. 3.1: Verpflichtungserklärung ist "jede rechtsgeschäftliche Erklärung, die eine Leistungsverpflichtung der Gemeinde begründet, sie also zu einem Tun [...], Dulden oder Unterlassen verpflichtet."). So stellt beispielsweise auch die Verlängerung einer vertraglichen Vereinbarung über die "werbemäßige Vermarktung jeglicher Art des Territoriums der Gemeinde" mit einem Werbeunternehmen unter Ausschluss von Rechten "Dritter auf werbliche Aktivitäten im Gebiet der Gemeinde" (vgl. § 1 des "Alleinvertretungsvertrages" vom 6. Juli 1990) eine vertragliche Bindung dar, deren (auch finanzielle) Vor- und Nachteile - gerade auch mit Blick auf die allgemeine kommunalpolitische Bedeutung (z. B. hinsichtlich des Erscheinungsbildes der Gemeinde) - es wohl abzuwägen gilt.

Soweit die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen auf Entscheidungen anderer Gerichte zu Sachverhalten hingewiesen hat, in welchen es um die Begründung finanzieller Verpflichtungen der jeweiligen Kommunen ging (so etwa auf BGH, Urteil vom 11. Juni 1992 - VII ZR 110/91 -, ZfBR 1992, 269 f.; HessVGH, Urteil vom 15. Februar 1996 - 5 UE 2836/95 -, NVwZ 1997, 618 ff.), sind diese Entscheidungen nicht erkennbar von einem sonstige - nicht unmittelbar auf finanzielle Leistungen der Gemeinde bezogene - Verpflichtungserklärungen aus dem Schutzbereich der entsprechenden kommunalrechtlichen Bestimmungen ausschließenden Normverständnis getragen. Dies gilt insbesondere auch für das von der Klägerin angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 1995 (- III ZR 176/94 -, NJW 1995, 3389 ff.), welches den Abschluss gerade eines unentgeltlichen Ausstellungsvertrages, der nicht auf eine unmittelbare finanzielle Verpflichtung der Kommune bezogen war, betraf; die Feststellung des Bundesgerichtshofs, das in jenem Fall die - mit § 67 Abs. 2 GO vergleichbare - Regelung für Verpflichtungserklärungen nach nordrhein-westfälischem Landesrecht einschlägig war, stützt daher das nicht auf finanzielle Verpflichtungen der Gemeinde beschränkte Normverständnis. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof - ebenfalls das nordrhein-westfälische Landesrecht betreffend - entschieden, dass für eine (nicht auf eine unmittelbare finanzielle Leistung der Kommune bezogene) privatrechtliche Verpflichtung, keine Genehmigung für die Errichtung einer weiteren Gaststätte im Bereich eines Bebauungsplans zu erteilen, die Formvorschriften für kommunale Verpflichungserklärungen einzuhalten seien (Urteil vom 13. Oktober 1983 - III ZR 158/82 -, NJW 1984, 606). Einer weitergehenden Klärung auch der diesbezüglich von der Klägerin aufgeworfenen Frage in einem Berufungsverfahren bedarf es danach nicht.

Die Rechtssache hat schließlich auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hinsichtlich der von der Klägerin zum "unbestimmten Gesetzesbegriff des Geschäfts der laufenden Verwaltung im Sinne von §§ 63 Abs. 1 e, 67 Abs. 3 [...]GO und §§ 52 Abs. 1 e, 56 Abs. 3 [...]LKrO" aufgeworfenen Fragen. Die Frage, ob allein der Umstand, dass ein Geschäft höchst selten oder sogar einmalig vorkommt, die Annahme eines Geschäfts der laufenden Verwaltung ausschließt, oder ob es auch bei solchen Geschäften materiell darauf ankommt, ob sie nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind, bedarf keiner grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass einmalige oder seltene Vorgänge, die in ihrem Umfang und in ihrer finanziellen Tragweite von sachlich erheblicher Bedeutung sind, nicht als Geschäfte der laufenden Verwaltung ausgeführt werden können (vgl. dazu etwa OVG NW, Urteil vom 15. Dezember 1969 - III A 1329/66 -, OVGE 25, 186, 193; BGH, Urteil vom 6. Juli 1995 - III ZR 176/94 -, NJW 1995, 3389, 3390 m. w. N.). Um einen solchen Vorgang handelte es sich bei der im Januar 1996 getroffenen Entscheidung über die Verlängerung des "Alleinvertretungsvertrages" auf eine Festlaufzeit bis zum 31. Dezember 2005; denn bei dieser ging es für die Gemeinde nicht nur um erhebliche finanzielle Einnahmen (jährlich 500,00 DM pro errichteter Werbeanlage im Großflächenformat sowie 50 % der Nettoeinnahmen aus weiteren werblichen Aktivitäten wie etwa Litfasssäulenplakatierung), sondern es handelte sich mit Blick auf die Grundentscheidung, dass die für die Errichtung von Werbeanlagen geeigneten Standorte hierfür tatsächlich (weiterhin) zur Verfügung gestellt werden sollten (vgl. § 2 des "Alleinvertretungsvertrages"), auch um eine Angelegenheit von erheblicher kommunalpolitischer Bedeutung, insbesondere hinsichtlich des Erscheinungsbildes der Gemeinde.

2. Auch der Zulassungsgrund des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt auf der Grundlage der Darlegungen der Klägerin nicht vor. Die Klägerin macht insoweit geltend, die von ihr zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung zitierte Rechtsprechung verstehe "unter Verpflichtungserklärungen im Sinne der kommunalrechtlichen Vertretungsregelungen finanzielle Verpflichtungen [...] und [lasse] eine bloße Belastung der Gemeinde in Gestalt einer Bindung an eine Vereinbarung bzw. in Gestalt eines Erfüllungsanspruchs eines Vertragspartners nicht ausreichen". Entgegen diesem Vorbringen werden - wie schon oben zu 1. näher erläutert - Erklärungen, die auf die Begründung einer neuen Verpflichtung der Gemeinde zielen auch dann vom Anwendungsbereich des § 67 Abs. 2 GO umfasst, wenn es sich dabei nicht um finanzielle Verpflichtungen der Gemeinde handelt. Gründe dafür, dass vorliegend aufgrund von Besonderheiten des Vertragsverhältnisses - entgegen der Würdigung des Verwaltungsgerichts - anderes gelten könnte, sind dem Zulassungsvorbringen nicht zu entnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 14 Abs. 3 und 1 i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Senat erachtet das Interesse der Klägerin als mit dem festgesetzten Betrag, der der erstinstanzlichen Wertfestsetzung entspricht, angemessen bewertet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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