Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 06.05.2004
Aktenzeichen: 2 A 178/02.Z
Rechtsgebiete: VwGO, AO, KAG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 a Abs. 4 S. 1
VwGO § 124 a Abs. 4 S. 4
AO § 77 Abs. 2 S. 1
AO § 191
KAG § 8 Abs. 10
KAG § 12 Abs. 1 Nr. 2 d
KAG § 12 Abs. 1 Nr. 4 b
Zum Prüfungsumfang einer Anfechtungsklage gegen einen Duldungsbescheid wegen eines Anschlussbeitrages gehört die Frage, ob der Beitrag als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, in das die Vollstreckung geduldet werden soll. Die Prüfung schließt die Gültigkeit der Voraussetzungen für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ein, insbesondere die Gültigkeit der Beitragssatzung.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

2 A 178/02.Z

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Duldungsbescheides bezüglich Wasserversorgungsbeitrages;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung,

hat der 2. Senat am 6. Mai 2004 durch

den Vorsitzenden Richter am ..., den Richter am ... und den Richter am ...

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2002 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 418,52 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der Zulassungsantrag dürfte schon nicht den sich aus § 124 a Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ergebenden Anforderungen an die Darlegung der damit geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 - nicht wie in der Begründungsschrift: Abs. 1 - Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) genügen, jedenfalls liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe aber der Sache nach nicht vor.

Das Zulassungsvorbringen wendet sich im Kern dagegen, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung des gegen die Kläger als aktuelle Grundstückseigentümer gerichteten Duldungsbescheides das Merkmal des Bestehens der sachlichen Beitragspflicht als Voraussetzung des Beitrages als öffentliche Last in der Sache geprüft und mangels gültiger Beitragssatzung verneint hat, anstatt den Klägern die Bestandskraft des gegenüber der Voreigentümerin erlassenen bestandskräftigen Festsetzungsbescheides wegen dessen dinglicher Wirkung entgegenzuhalten.

Die Beurteilung dieser Frage rechtfertigt die Zulassung der Berufung indessen aus keinem der vom Beklagten geltend gemachten Gründe. Sie ist vom Verwaltungsgericht zutreffend behandelt worden, was schon im Zulassungsverfahren auch ohne weiteres nach der Gesetzeslage und ohne besondere Schwierigkeiten oder die Notwendigkeit grundsätzlicher Klärung erst in einem Berufungsverfahren festgestellt werden kann.

Nach § 8 Abs. 10 (vorm. Abs. 9) des Kommunalabgabengesetzes - KAG - ruht der Beitrag als öffentliche Last auf dem Grundstück bzw. dem Erbbaurecht mit der Folge, dass der Grundstückseigentümer bzw. Erbbauberechtigte die Vollstreckung in das Grundstück zur Befriedigung der Beitragsforderung dulden muss (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d KAG i. V. m. § 77 Abs. 2 S. 1 AO) und er insoweit durch schriftlichen Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden kann (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 191 Abs. 1 S. 1 AO). Zu vergleichbaren abgabenrechtlichen Vorschriften, nach denen die betreffende Abgabe als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, ist allgemein anerkannt, dass die sich aus der öffentlichen Last ergebende materielle Duldungspflicht des jeweiligen Grundstückseigentümers maßgeblich vom Bestehen eines tatbestandlichen abstrakten Abgabenschuldverhältnisses abhängig ist und dementsprechend (nur) an die sachliche Abgabenpflicht anknüpft (vgl. etwa OVG NW, Urteil vom 10. August 1998 - 22 A 2059/95 - NWVBl. 1999, 100, 101 m. w. N.). Anhaltspunkte, dass bei § 8 Abs. 10 KAG etwas anderes gelten könnte, sind weder dem Wortlaut noch der Systematik oder der Entstehungsgeschichte des § 8 KAG zu entnehmen. Ist danach die materielle Duldungspflicht des Grundstückseigentümers zur Entstehung der sachlichen, von der persönlichen zu trennenden Beitragspflicht akzessorisch, bestimmt sich der Rahmen zulässiger Einwände des Eigentümers vor allem danach, ob die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, weil es anderenfalls an seiner Duldungspflicht fehlen würde. Für diese Frage ist unbeachtlich, ob der persönlich Beitragspflichtige den Beitragsbescheid hat unanfechtbar werden lassen. Dementsprechend wird in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte, soweit sie sich damit befasst hat, einheitlich davon ausgegangen, dass bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides nach § 191 AO auf die Anfechtungsklage des Duldungsadressaten zur Feststellung, ob der Beitrag mit der Folge der Duldungspflicht als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, auch die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht zu prüfen ist und dass sie im Falle der Nichtigkeit der einschlägigen Beitragssatzung unabhängig von der Bestandskraft eines Bescheides über die persönliche Heranziehung eines früheren Grundstückseigentümers zu verneinen ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 15. September 1995 - 9 L 6166/93 - KStZ 1996, 238; OVG NW, Urteil vom 6. Dezember 1991 - 2 A 2161/90 - nicht veröffentl., S. 6 f. des Urteilsabdrucks; HessVGH, Urteil vom 4. Juni 1980 - V OE 23/79 - NJW 1981, 478; bereits im summarischen Verfahren OVG des Saarlands, Beschluss vom 30. März 1993 - 1 W 19/93 - zit. nach juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängt die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides ebenfalls zunächst davon ab, dass zu Lasten des Duldungsadressaten eine materielle Duldungspflicht besteht, d. h. er als Eigentümer des Grundstücks für die rückständige Abgabe des Voreigentümers haftet; die Duldungspflicht ist akzessorisch, sie setzt das Bestehen der Abgabenschuld voraus, sie muss entstanden und darf nicht wieder untergegangen sein (für Grundsteuerschuld BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 - 8 C 25.85 - NJW 1987, 2098). Auch zu dem insoweit mit dem hier vorliegenden Wasseranschlussbeitrag vergleichbaren Erschließungsbeitrag geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass eine öffentliche Last im Sinne des § 134 Abs. 2 BBauG a. F. (schon) von dem Zeitpunkt an auf dem Grundstück ruht, in dem die sachliche Beitragspflicht für dieses Grundstück entstanden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1985 - 8 C 107.83 - NJW 1985, 2658; Urteil vom 31. Januar 1975 - IV C 46.72 - Buchholz 406.11 § 134 BBauG Nr. 2 S. 5). Dass für die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides darüber hinaus erforderlich ist, dass durch die Zustellung eines Erschließungsbeitragsbescheides eine persönliche Beitragspflicht entstanden und (noch) nicht wieder erloschen ist (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1985 a. a. O.), ist für die hier interessierende Fragestellung nicht von Interesse. In jedem Fall impliziert die Akzessorietät der Duldungs- zur sachlichen Beitragspflicht einen Prüfungsumfang der Anfechtungsklage des Duldungsadressaten, der sich auch auf die Gültigkeit der zugrunde liegenden Erschließungsbeitragssatzung erstreckt, weil erst sie die sachliche Beitragspflicht und damit die öffentliche Last für das Grundstück zur Entstehung bringt (BVerwG, Urteile vom 21. September 1973 - IV C 39.72 - DVBl. 1974, 294 und vom 25. November 1981 - 8 C 114.81 - BVerwGE 64, 218). Da die Bestandskraft eines die persönliche Beitragspflicht begründenden Heranziehungbescheides unabhängig davon eintreten kann, ob der festgesetzte Beitrag sachlich entstanden ist, kann der durch einen Duldungsbescheid verpflichtete, persönlich nicht herangezogene Eigentümer sich deshalb darauf berufen, dass die öffentliche Last für das Grundstück trotz Eintritts der Bestandskraft des Beitragsbescheides gegenüber dem Voreigentümer wegen Ungültigkeit der Beitragssatzung nicht entstanden sei (vgl. auch Driehaus zur vergleichbaren Vorschrift in § 8 KAG NW, in Driehaus [Hrsg.], Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Bd. II, Stand März 2004, § 8, Rn. 194 a f.).

Soweit der Beklagte unter II. der Zulassungsschrift darauf hinweist, dass er die vom Verwaltungsgericht gerügten formellen und materiellen Satzungsfehler in Kürze durch den Erlass einer neuen rückwirkenden Beitragssatzung ausräumen werde, vermag das nicht zur Zulassung der Berufung zu führen. Zwar wäre denkbar, sich zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts auf eine Korrektur des einschlägigen Satzungsrechts zu berufen. Letzteres scheidet hier aber schon deshalb aus, weil die Frage der Gültigkeit der Satzungsvorschriften nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten für die Frage der Zulassung der Berufung "nicht entscheidungserheblich" ist. Im Hinblick auf die dem Zulassungsbewerber obliegende Bestimmung des Prüfungsrahmens im Zulassungsverfahren muss der Beklagte sich daran festhalten lassen. Im Übrigen würde die Ankündigung, die vom Verwaltungsgericht gerügten, zur Ungültigkeit der Beitragssatzung führenden Fehlerhaftigkeiten durch eine rückwirkende Satzung heilen zu wollen, auch inhaltlich den Anforderungen an eine berücksichtigungsfähige Rechtsänderung nicht genügen. Insoweit rechtfertigt die innerhalb der Begründungsfrist nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegte Absicht einer irgendwie gearteten künftigen satzungsrechtlichen Rechtsänderung nicht schon die Zulassung der Berufung. Bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung sind zwar vom Rechtsmittelführer innerhalb der Antrags- und der Begründungsfrist (§ 124 a Abs. 1 und 4 VwGO) vorgetragene und nach materiellem Recht entscheidungserhebliche Rechtsänderungen zu berücksichtigen, sofern diese bis zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über den Zulassungsantrag eingetreten sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2003 - 7 AV 2.03 - veröffentl. in juris). Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat der Beklagte den Eintritt einer solchen Rechtsänderung im Hinblick auf die Beitragssatzung aber weder mitgeteilt noch ist er sonst ersichtlich. Das wäre indessen erforderlich gewesen, um ihn bei der Entscheidung des Senats über diesen Zulassungsantrag zu berücksichtigen. Zudem fehlt es schon an einer die Satzungsänderung hinreichend konkretisierenden Beschreibung der neuen Satzungsformulierung und Schilderung eines Sachverhalts, nach dem es auf der Grundlage einer (vor Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist) verabschiedeten Satzung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2003 a. a. O. zum vergleichbaren Stand im Gesetzgebungsverfahren) und unter Berücksichtigung der formellen Satzungsvoraussetzungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer zu erwartenden Rechtsänderung kommen wird; hat sich gerade die formelle Seite der Satzung, wie hier ihre Ausfertigung oder Bekanntmachung, als fehlerhaft erwiesen, bedarf es eines durch entsprechende Urkunden belegten Vertrages, dass das Verfahren zur formgültigen Inkraftsetzung einer verabschiedeten Satzung "ins Werk" gesetzt ist und nach dem gewöhnlichen Verlauf eintreten wird. Denn die geänderte Rechtslage, insbesondere der genaue Inhalt der rückwirkenden Satzungsvorschriften bzw. die Heilung der formellen Fehler, muss rechtzeitig, nämlich innerhalb der Begründungsfrist nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt werden, um eine Beurteilung des Heilungserfolges und einer etwa hieraus resultierenden Unrichtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Ergebnis in gleicher Weise zu ermöglichen, als wäre die Satzungsänderung schon erfolgt. Auch diese Voraussetzung ist hier aber nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2, dessen Anwendung auch in Bezug auf einen Duldungsbescheid geboten ist, § 14 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück