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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 2 B 165/03
Rechtsgebiete: VwGO, BekanntmV, KAG


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1
BekanntmV § 1 Abs. 1 Satz 2
BekanntmV § 1 Abs. 3 Satz 2
BekanntmV § 1 Abs. 3 Satz 3
BekanntmV § 5 Abs. 2 Satz 1
BekanntmV § 5 Abs. 2 Satz 3
KAG § 2 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

2 B 165/03

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für die Jahre 1999 - 2002;

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat

am 30. September 2003

durch

den Vorsitzenden Richter am ..., die Richterin am ... und den Richter am ...

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. Mai 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 113,20 EURO festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 1 und Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides im Ergebnis zu Recht angeordnet.

1. Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO überprüft das Oberverwaltungsgericht in den Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nur die dargelegten Gründe. Soweit es danach - in einer ersten Prüfungsstufe - um die Frage geht, ob die Begründung des Verwaltungsgerichtes geeignet ist, das Beschlussergebnis zu tragen, ist demnach die Prüfung des Oberverwaltungsgerichtes auf die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe beschränkt. Wird die Begründung des angefochtenen Beschlusses entscheidungserheblich erschüttert, ist der Beschwerde allerdings nicht ohne weiteres stattzugeben. Es ist dann - in einer weiteren Prüfungsstufe - von Amts wegen zu prüfen, ob der Beschluss des Verwaltungsgerichtes aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist; nur wenn dies ausscheidet, darf der Beschwerde stattgegeben werden. Die Entscheidung darüber, ob der angefochtene Beschluss im Ergebnis aufrecht erhalten bleiben kann, ist dann auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens zu beurteilen. Dies entspricht der Aufgabe des Rechtsmittelsverfahrens, den Erkenntniswert des Verfahrens zu verbessern und die Richtigkeitsgewähr der Entscheidung zu erhöhen, was ausschließt, den Blickwinkel des Beschwerdegerichtes von vornherein zu Lasten des Beschwerdegegners zu verengen (vgl. näher Beschluss des Senats vom 1. Juli 2003 - 2 B 13/03 - Entscheidungsumdruck S. 2 f. m. w. N.; Laudemann, LKV 2003, 66 [70]).

Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO bei der Zweitwohnungssteuer als öffentliche Abgabe entfallende aufschiebende Wirkung des Widerspruches und der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (analog) auf Antrag vom Gericht nur angeordnet werden kann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Dies gilt auch für das Beschwerdeverfahren. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Beschlüsse vom 23. September 1996 - 2 B 53/96 -, Mitt. StGB Bbg 11-12/1997, S. 22 (23), vom 10. Juni 1998 - 2 B 26/98 -, Mitt. StGB Bbg 7/1997, 285 [286 f.] und vom 10. Oktober 2000 - 2 B 82/00.Z -, Mitt. StGB Bbg 3-4/2001,122 [123]; siehe auch OVG NW, Beschluss vom 3. September 1992 - 14 B 684/92 -, NVwZ-RR 1993, 269 [270 f.]) ist das Verwaltungsgericht im Entscheidungsmaßstab zu Recht davon ausgegangen, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO erst dann bestehen, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg. Dabei wird im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der Umfang der gerichtlichen Überprüfung durch die Gegebenheiten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt. Deshalb ist regelmäßig von der Gültigkeit der der Abgabenerhebung zugrunde liegenden Satzungsvorschriften auszugehen, es sei denn, sie wären offensichtlich rechtswidrig. Das Gericht hat sich auf die (summarische) Kontrolle der äußeren Gültigkeit der Norm und sich ersichtlich aufdrängender materieller Satzungsfehler sowie die Prüfung spezieller substanziierter Einwände der Antragsteller gegen das Satzungsrecht und die sonstigen Voraussetzungen der Abgabenerhebung zu beschränken, wobei die Prüfung der Einwendungen des Antragstellers dort ihre Grenze findet, wo es um die Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen geht. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners schließt diese Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, bei dem wirksamer Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) vor allem Rechtschutz innerhalb angemessener Zeit bedeutet (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2003 -2 BvR 153/03 -, NVwZ 2003, 859 [860]), bei sachgerechter Handhabung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte der Prozessökonomie und der Gewaltenteilung (vgl. BVerwG Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188 (197); vgl. dazu u. a. Sendler, DVBl. 2002, 1412 ff.; J. Schmidt, LKV 2003, 71 ff.) sowie der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) regelmäßig nicht aus, dass sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle auch ohne diesbezügliche Einwände des Antragstellers auf die formelle Gültigkeit der Abgabensatzung (insbesondere im Hinblick auf den Satzungsbeschluss, die Ausfertigung, die Bekanntmachung sowie bei Steuersatzungen deren Genehmigung [vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG]) erstrecken kann, wobei auch diese Prüfung dort ihre Grenze findet, wo es um die Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen geht.

2. Nach diesen Grundsätzen bestehen in diesem Beschwerdeverfahren ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, weil der Erfolg der Klage in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg.

a. Der Antragsgegner hat wohl unter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss entsprechend § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO hinreichende Gründe dargelegt, wonach die Begründung des Verwaltungsgerichtes, dass die Satzung über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer der Gemeinde P vom 14. Mai 2001 ungültig sei, weil in der Bekanntmachung der Satzung nicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Bekanntmachungsverordnung - BekanntmV - vom 1. Dezember 2000 (GVBl. II S. 435) auf die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigung hingewiesen worden sei und ein entsprechender Hinweis auf die Genehmigung in der Bekanntmachung der Bekanntmachungsanordnung nicht ausreiche, aus ihrer Sicht im Hinblick auf den Zweck des § 1 Abs. 1 Satz 2 BekanntmV nicht tragfähig ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BekanntmV ist "in der Bekanntmachung" auf eine aufsichtsbehördliche Genehmigung unter Angabe der genehmigenden Behörde und des Datums hinzuweisen. Hier war der Hinweis auf die Genehmigung zwar in der Bekanntmachung der Bekanntmachungsanordnung (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3 BekanntmV) enthalten, die nach den Angaben des Antragsgegners direkt neben der Bekanntmachung der Satzung durch Aushang in dem selben Bekanntmachungskasten veröffentlicht wurde. Ob dies nach den Umständen des Falles als Hinweis auf die aufsichtsbehördliche Genehmigung ausreichen könnte, ist aber eine schwierige Frage, deren Klärung nach den o.g. Prüfungsmaßstäben des vorliegenden Verfahrens offen bleiben muss. Die Frage, ob mit der Formulierung "in der Bekanntmachung" (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BekanntmV) das Erfordernis aufgestellt wurde, dass der Hinweis auf eine aufsichtsbehördliche Genehmigung in der Bekanntmachung der Satzung selber (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BekanntmV), d.h. durch einen Hinweis auf der ausgefertigten Satzungsurkunde, deren Text bekannt zu machen ist, zu erfolgen hat oder ob unter Berücksichtigung des Zwecks der Norm (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 24. September 1997 - 2 D 34/96.NE -, Entscheidungsumdruck S. 6) die Regelung in einem weiteren Sinne zu verstehen ist, wonach es jedenfalls bei Aushängen in Bekanntmachungskästen ausreicht, dass der Hinweis auf die aufsichtsbehördliche Genehmigung in einem engen inhaltlich-räumlichen Zusammenhang mit der Bekanntmachung der Satzung bekannt gemacht wird, ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weder in der einen noch in der anderen Richtung zu beantworten.

b. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts, die aufschiebende Wirkung der Klage in der Hauptsache anzuordnen, erweist sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheides, weil bei der öffentlichen Bekanntmachung der der Steuererhebung zugrunde liegenden Satzung der Gemeinde P vom 14. Mai 2001 durch Aushang in Bekanntmachungskästen der nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BekanntmV erforderliche Vermerk über den Tag des Anschlages und den Tag der Abnahme nicht hinreichend bestimmt dokumentiert, auf welche Standorte der Bekanntmachungskästen er sich bezieht.

Hinsichtlich der Form der Bekanntmachung regelt § 1 Abs. 3 Satz 2 BekanntmV, dass Satzungen in Gemeinden und Ämtern mit bis zu 10.000 Einwohnern anstelle der Veröffentlichung im Bekanntmachungsblatt auch durch Aushang in Bekanntmachungskästen bekannt gemacht werden können. Beim Aushang in Bekanntmachungskästen ist die Aushangsfrist des § 5 Abs. 2 Satz 1 BekanntmV zu wahren. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit regelt § 5 Abs. 2 Satz 3 BekanntmV eine "Vermerkspflicht", wonach dokumentiert werden soll, dass die Satzung durch Aushang in Bekanntmachungskästen während der vollen Dauer der Aushangsfrist den Bürgern förmlich zugänglich gemacht wurde. Danach ist der Tag des Anschlags beim Anschlag, der Tag der Abnahme nach der Abnahme auf dem ausgehängten Schriftstück durch die Unterschrift des jeweiligen Bediensteten zu vermerken. Sind in der Hauptsatzung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 BekanntmV mehrere Standorte von Bekanntmachungskästen bestimmt, in denen die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen zu erfolgen hat, erfordern Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich, dass der Vermerk nach § 5 Abs. 2 Satz 3 BekanntmV den Tag des Anschlages und den Tag der Abnahme des Aushanges im Hinblick auf den jeweiligen durch die Hauptsatzung bestimmten Standort des Bekanntmachungskastens dokumentiert. Nur hierdurch lässt sich hinreichend klar und sicher nachprüfen, ob die Satzung an jedem der in der Hauptsatzung bestimmten Standorte der Bekanntmachungskästen unter Einhaltung der Bekanntmachungsfrist den Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht wurde.

Diesen Anforderung entsprechen die auf dem vorgelegten Aushang der Zweitwohnungssatzung der Gemeinde P vom 14. Mai 2001 aufgebrachten - wie im Übrigen auch die auf der Hauptsatzung vom 10. Dezember 2001 befindlichen - Aushangsvermerke nicht. Dabei lässt der Senat offen, ob die Hauptsatzung der Gemeinde P (HS) vom 10. Dezember 2001 überhaupt hinsichtlich der Regelung über die öffentliche Bekanntmachung an den in § 13 Abs. 2 HS genannten Standorten (P ... Nr. ... und ...) rückwirkend (vgl. § 14 Abs. 1 HS) - und mit Wirkung für die Bekanntmachung der den angegriffenen Bescheiden zugrunde liegenden Zweitwohnungssteuersatzung - in Kraft treten konnte. Jedenfalls dokumentieren die auf den ausgehängten Schriftstücken aufgebrachten Vermerke nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 BekanntmV den Tag des Anschlages und den Tag der Abnahme des Aushanges im Hinblick auf die konkreten in der Hauptsatzung bestimmten Standorte der Bekanntmachungskästen. Die Vermerke lauten nur "ausgehängt" bzw. "abgehängt in der Gemeinde P", ohne zu dokumentieren, an welchem Standort des jeweiligen Bekanntmachungskastens der Aushang erfolgt ist.

Der Tag des Anschlages und der Tag des Abnahme eines Aushanges im Hinblick auf einen bestimmten Standort des Bekanntmachungskastens kann auch nicht später - nachholend - auf dem Schriftstück vermerkt werden. Das folgt aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 3 BekanntmV, der den Beurkundungsvorgang für den Anschlag und die Abnahme des Aushangs zeitlich ausschließlich an den in der Bestimmung jeweils genannten Tag des Anschlages bzw. der Abnahme bindet. Nach dem Verordnungstext hat der Vermerk nämlich vom Bediensteten "beim Anschlag" bzw. "nach der Abnahme" auf dem ausgehängten Schriftstück zu erfolgen. Für eine Nachholung oder Ergänzung des Vermerks zu einem späterem Zeitpunkt bleibt damit kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 13 Abs. 1 und 2, 14 Abs. 1 Satz 1 und 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Anlehnung an I Nr. 7 Satz 1 des Streitwertkataloges (NVwZ 1996, 563).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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