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Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: 4 A 783/01.A
Rechtsgebiete: AuslG, AufenthG, AsylVfG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 53
AuslG § 53 Abs. 6 Satz 1
AufenthG § 23 a
AufenthG § 59
AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 1 Satz 1
AufenthG § 60 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 6
AufenthG § 60 Abs. 7
AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 1
AsylVfG § 27 Abs. 1
AsylVfG § 27 Abs. 3
AsylVfG § 28
AsylVfG § 34
AsylVfG § 77 Abs. 1
AsylVfG § 83 b Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 154 Abs. 1
VwGO § 167 Satz 1
ZPO § 708 Nr. 10,
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 A 783/01.A

verkündet am 14. April 2005

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Asylverfahrensrechts;

hier: Berufung

hat der 4. Senat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am ..., die Richterin am ..., den Richter am ..., den ehrenamtlichen Richter ... und die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1964 in Addis Abeba geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger amharischer Volkszugehörigkeit und christlicher Religionszugehörigkeit. Er verließ sein Heimatland mit einem am 30. August 1985 vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten ausgestellten Reisepass im September 1985, hielt sich danach für ein Studium in der ehemaligen Sowjetunion auf und reiste von dort am 13. November 1991 über die deutsch-polnische Grenze in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 18. November 1991 bei dem Landeseinwohneramt Berlin seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragte.

In einem schriftlichen Statement vom selben Tage erklärte er, wegen eines Problems, welches er habe, könne er nicht in seine Heimat zurückkehren. In einer am 22. November 1991 durchgeführten Anhörung vor der Ausländerbehörde trug er vor, zur Zeit herrsche in Äthiopien Chaos. Bei der alten Regierung sei er im kulturellen Bereich politisch tätig gewesen. Er habe Propagandaveranstaltungen organisiert und daran auch mitgewirkt. Aufgrund seiner Aktivitäten fühle er sich politisch verfolgt und sehe sein Leben in Gefahr. Er habe auch Schwierigkeiten gehabt, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erhalten und sei wegen Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit den Zielen von Propagandaveranstaltungen drei Tage in Haft genommen worden.

Nachdem der Asylantrag des Klägers zwischenzeitlich als zurückgenommen behandelt und das Asylverfahren deshalb eingestellt, der dahin gehende Bescheid vom 3. September 1993 jedoch aufgehoben worden war, wurde der Kläger durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 4. März 1996 angehört. Er machte im Wesentlichen geltend, er habe im Jahr 1982 sein Abitur in Addis Abeba abgelegt. Danach habe er bis zum Jahr 1983 die Abendschule besucht. Bis 1985 habe er keine Arbeit gefunden und sei im September 1985 zum Studium in die damalige Sowjetunion gefahren. Ein Jahr habe er sich in Minsk aufgehalten, um die russische Sprache zu erlernen, dann habe er fünf Jahre Bauingenieurwesen in Nowopolotzk studiert. Nach dem Abschluss seines Studiums im November 1991 sei er über Polen nach Deutschland gereist, weil er von den politischen Veränderungen in seinem Heimatland erfahren habe.

In Äthiopien sei er nicht Mitglied in einer politischen Partei, von 1979 bis 1985 aber Mitglied der Revolutionären Äthiopischen Jugendorganisation, der REYA, gewesen. Eine besondere Funktion habe er dort nicht gehabt. Er habe aber an der Alphabetisierungskampagne 1981/82 als Lehrender teilgenommen. Von 1980 bis 1985 habe er einer Musikgruppe auf der Ebene der Keftegna angehört, wo er Elektrogitarre gespielt habe. Es habe sich um die in seinem Land berühmte Gruppe "Keftegna 07, Kinet Buden" gehandelt, die in der ideologischen und politischen Struktur der führenden Regierungspartei unterstellt gewesen sei und bei großen Veranstaltungen der Regierungspartei Musik gemacht, dabei auch 'revolutionäre' Lieder gesungen habe. Aus persönlichen Gründen habe er in dieser Musikgruppe nicht mehr mitspielen wollen, und sei deswegen zu einer Gruppe der Keftegna 6 gegangen. Die Gruppe "Keftegna 07" sei damit nicht einverstanden gewesen und habe gewissermaßen veranlasst, dass er deswegen verhaftet worden sei. Diese Differenzen über seine musikalischen Aktivitäten seien eigentlich mit den in seiner ersten Befragung erwähnten Zielen der Propagandaveranstaltungen gemeint gewesen. Dies habe sich im August 1984 zugetragen.

Mit den im Zeitpunkt der Anhörung in seinem Lande herrschenden staatlichen Behörden habe er selbst keine Schwierigkeiten gehabt, da er seit deren Machtübernahme nicht in seinem Heimatland gewesen sei. Jedoch wisse er, dass durch die gegenwärtige Regierung Mitglieder von Oppositionsparteien gefoltert und getötet worden seien. Außerdem habe er nach Abschluss seines Studiums im Juni 1991 und vor seiner beabsichtigten Rückreise nach Äthiopien in Telefongesprächen vom Juni und September erfahren, dass Mitglieder seiner Musikgruppe nach Kenia und nach Dschibuti geflohen seien. Aus einem Telefongespräch mit der Frau seines Halbbruders im März 1992 wisse er, dass dieser im Februar 1992 verhaftet worden sei. Er sei in das Militärgefängnis Holeta gekommen und für die Dauer vom 17. Februar 1992 bis zum 6. Mai 1993 in Haft gewesen. Danach sei er gegen Zahlung einer Kaution freigelassen worden. Sein Halbbruder sei Angehöriger der Volkssicherheit gewesen. Dabei handle es sich um eine Organisation, die mit der Staatssicherheit der DDR vergleichbar sei.

Ferner befürchte er eine Verfolgung durch die gegenwärtige Regierung wegen seiner Tätigkeit für die Medhin-Partei, für die er als Schriftführer in der Leitung der Partei für Brandenburg und Berlin tätig sei. Er habe Berichte über die monatlichen Versammlungen der Partei geschrieben und Informationen über die Parteigliederung im Land Brandenburg/Berlin an die Leitung der Organisation für ganz Deutschland weitergegeben. Im Januar 1993 habe seine Organisation an einer Demonstration wegen der Tötung von Studenten an der Universität in Addis Abeba teilgenommen, im April 1995 sei in Bonn gegen die geplanten Wahlen in Äthiopien demonstriert worden. Er selbst habe keine Rede gehalten, sondern als Demonstrant mitgewirkt. Am 26. November 1994 habe er als Delegierter des Landes Brandenburg/Berlin in Frankfurt am Main an einer Versammlung seiner Vereinigung für ganz Deutschland teilgenommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20. März 1996, dem Kläger zugestellt am 1. April 1996, wurde sein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und zugleich festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) nicht gegeben seien; ferner verneinte das Bundesamt das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Schließlich wurde der Kläger unter gleichzeitiger Androhung der Abschiebung nach Äthiopien aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger bei einer Rückkehr mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müsse.

Hiergegen hat der Kläger am 3. April 1996 Klage erhoben. Er hat geltend gemacht: Ihm drohe im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien eine politische Verfolgung. Er sei in einer exponierten Stellung für das alte Mengistu-Regime tätig gewesen. So sei er als Mitglied der folkloristischen, circa 25 bis 30 Musiker umfassenden Musikgruppe "Kinet Buden" bei Veranstaltungen aufgetreten, die von den damaligen Machthabern zu propagandistischen Zwecken benutzt worden sei. Wegen seines regimetreuen Verhaltens habe er auch im Ausland studieren können. Außerdem sei er keineswegs ein kleines unscheinbares Mitglied der REYA gewesen. In dieser habe er keine besondere Funktion ausgeübt, jedoch habe er bei der Alphabetisierung als Sprachlehrer mitgewirkt und unter anderem Lehrmaterial ausgeteilt. Es komme hinzu, dass sein Halbbruder für das alte Regime in einer sehr unpopulären Weise tätig gewesen sei. Seiner Erinnerung nach sei er nach äthiopischer Zeitrechnung circa im Jahr 1966/67 in den Inlandsgeheimdienst "Volkssicherheit" berufen worden. Welche Tätigkeit er dort ausgeübt habe, wisse er, der Kläger, nicht; die Tätigkeit sei geheim gewesen. Dafür sei sein Bruder belangt worden. Schließlich begründe seine exilpolitische Tätigkeit für die Medhin-Partei für sich allein, jedoch auch im Zusammenhang mit den anderen Umständen, die Gefahr einer politisch motivierten Verfolgung. Er sei seit dem 2. Oktober 1994 Mitglied dieser Partei und seit September 1995 Schriftführer der Sektion Brandenburg/Berlin. Diese Abteilung umfasse circa 19 oder 20 Mitglieder. Seine Funktion als Schriftführer bestehe darin, Tätigkeitsberichte für die Bundespartei und Briefe an Mitglieder zu verfassen. Außerdem wirke er an der Organisation von Versammlungen zusammen mit anderen exilpolitischen Gruppierungen mit. Beispielsweise wähle er Themen aus, bearbeite die Tagesordnung, verfasse Einladungen für die Parteimitglieder, suche passende Versammlungsräume aus und sorge für Referenten zu den jeweiligen Themenbereichen. Unter dem 20. Juli 2001 teilte er mit, er habe auch selbst an Versammlungen und Demonstrationen gegen das Regime in Äthiopien teilgenommen, zuletzt am 14. August 1999 in Nürnberg. In der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2001 hat er ferner auf die Teilnahme an einer Demonstration hingewiesen, die anlässlich von Studentenunruhen in Addis Abeba im März/April 2001 stattgefunden habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. März 1996 (Gz.: ...), zugestellt am 1. April 1996, zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz sowie Abschiebehindernisse gemäß § 53 Ausländergesetz vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. August 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger drohe keine politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Seine amharische Volkszugehörigkeit, seine frühere Mitgliedschaft in der REYA, also der Jugendorganisation der Regierungspartei WPE des Mengistu-Regimes und die Ermöglichung eines Auslandsstudiums kämen nicht als objektive Nachfluchtgründe in Betracht. Gefährdet seien nur Personen, denen schwere Straftaten in der Zeit des Mengistu-Regimes angelastet würden. Das sei beim Kläger seinem eigenen Vortrag zufolge nicht der Fall. Deshalb drohe ihm auch keine Verfolgung wegen der Tätigkeit seines Bruders in der so genannten "Volkssicherheit". Außerdem folge daraus, dass seine Mitwirkung in der Musikgruppe "Keftegna 07, Kinet Buden" selbst dann keine asylerhebliche Bedeutung habe erlangen können, wenn diese einen größeren Bekanntheitsgrad gehabt habe und von der Regierung propagandistisch gesteuert worden sei. Asylerhebliche subjektive Nachfluchtgründe seien ebenfalls nicht gegeben. Die exilpolitische Betätigung des Klägers sei erst in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen worden; die Stellung eines Asylantrages begründe die Gefahr einer politischen Verfolgung durch äthiopische Stellen von vornherein nicht. Dem Kläger könne wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten auch nicht der ausländerrechtliche Abschiebungsschutz für politisch Verfolgte nach § 51 Abs. 1 AuslG gewährt werden. Bei einer Würdigung der Auskunftslage sei davon auszugehen, dass einfache Anhänger und Mitglieder der Medhin-Partei bei einer Rückkehr nach Äthiopien in aller Regel nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten hätten, auch wenn sie im Ausland für die Partei in Erscheinung getreten seien. Asylrelevante Maßnahmen des äthiopischen Staates seien nur gegenüber Personen bekannt geworden, die sich in herausgehobener Funktion öffentlich oppositionell betätigt und dabei insbesondere den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele bejaht hätten. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Schließlich stünden ihm auch keine Rechte nach § 53 AuslG zu.

Mit der durch Beschluss des Senats vom 28. März 2002 zugelassenen Berufung macht der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens vor dem Bundesamt sowie aus dem erstinstanzlichen Verfahren geltend, ihm drohe politische Verfolgung. Er sei Mitglied der Musikgruppe "Kinet Buden" gewesen. Diese habe sich in ihren Liedern für die Politik Mengistus eingesetzt und sei von diesem auch protegiert worden. Sein Bruder sei als Angehöriger der Volkssicherheit unter dem Mengistu-Regime von den neuen Machthabern inhaftiert worden. Außerdem sei er, der Kläger, exilpolitisch für die Medhin-Partei tätig. Amnesty international gehe davon aus, dass die Medhin-Partei in strikter Opposition zu der in Äthiopien herrschenden EPRDF stehe und diese keinerlei Opposition dulde. Neben Mitgliedern der Partei, die in der Öffentlichkeit bekannt seien, stünden auch einfache Anhänger und sogar deren Familienangehörige bei ihrer Rückkehr aus dem Exil in der Gefahr, inhaftiert und unter dem Vorwurf der Befürwortung von Gewalt vor Gericht gestellt zu werden, wenn sie der äthiopischen Auslandsvertretung namentlich bekannt geworden seien. Ähnlich sei die Einschätzung des Instituts für Afrikakunde, welches eine Verfolgung von Mitgliedern der Partei als möglich ansehe. Diese Position habe ursprünglich auch das Auswärtige Amt eingenommen, habe sie jedoch aufgegeben. Das sei nicht überzeugend. Einerseits fehle eine Erklärung, warum die anders lautenden früheren Aussagen nicht mehr aufrechterhalten würden, andererseits schließe das Auswärtige Amt eine Verfolgung von Mitgliedern der Medhin-Partei auch nicht aus. Die Schlussfolgerung, dass die geringe Zahl von Fällen, in denen eine Verfolgung von Medhin-Anhängern belegt sei, gegen die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung spreche, sei jedenfalls nicht tragfähig, weil keine Fälle von Rückkehrern bekannt seien, die dieser Partei angehört hätten. Er, der Kläger, sei in der Position des Schriftführers beziehungsweise Sekretärs Vorstandsmitglied der Medhin-Partei, Abteilung Brandenburg/Berlin, habe Veranstaltungen organisiert und sei auch nach außen hin aufgetreten. Am 1. September 2001 und am 27. September 2003 habe er jeweils an der Generalversammlung der Medhin-Partei in Frankfurt am Main, an einer weltweiten Versammlung habe er im Jahr 2004 per Telefonkonferenz teilgenommen. Schließlich beteilige er sich an der Herausgabe der Zeitschrift "Medhin News Letter" für Deutschland. Darin werde berichtet, was es Neues in der Partei und in Äthiopien gebe und was die Parteimitglieder in Deutschland und anderen Ländern machten. Auch leiste er Beiträge für das Radio "Voice of Medhin", in denen er schreibe, was er gehört und gesehen habe, und er äußere seine Meinung zu bestimmten Themen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. August 2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. März 1996 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,

hilfsweise

festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil sowie den Bescheid des Bundesamtes vom 20. März 1996 und meint, insbesondere die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers seien nicht geeignet, die Gefahr einer politischen Verfolgung zu begründen. Es sei nicht zu erkennen, dass er für seine Partei eine exponierte Position eingenommen habe.

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch zu seinen Asylgründen befragt worden; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Ausländerbehörde des Landkreises Oder-Spree Bezug genommen sowie auf die Auskünfte und Erkenntnisse verwiesen, auf die die Beteiligten durch das Gericht hingewiesen worden sind. Diese Unterlagen waren - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten und des Beteiligten im Termin verhandeln und entscheiden, weil sie auf diese Möglichkeit mit den ihnen ordnungsgemäß zugestellten Ladungen ausdrücklich hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten; dieser hat in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (hierzu unter A) und auch nicht den hilfsweise geltend gemachten Anspruch (hierzu unter B) auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

A. I. Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 -1 BvR 147/80 -, BVerfGE 54, 341). Nach den insoweit anzuwendenden Grundsätzen ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn dem Einzelnen wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 -, BVerfGE 76, 143; BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach ihrem erkennbaren Zweck, nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 -, BVerfGE 80, 315).

Bei der Prüfung der Frage, ob ein Kläger als Asylberechtigter anzuerkennen ist, ist wesentlich, ob er vor Verlassen seines Heimatlandes politische Verfolgung erlitten oder ihm eine solche unmittelbar gedroht hat. Ferner setzt das Asylgrundrecht von seinem Tatbestand her grundsätzlich den kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus (BVerfG, Beschluss vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann ihm die Asylberechtigung nur dann versagt werden, wenn eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 -, BVerfGE 54, 341 [361 f.]; BVerwG, Urteil vom 27. April 1982 - 9 C 308.81 -, BVerwGE 65, 250 [251 f.]).

Fehlt es dagegen an Vorfluchtgründen oder an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht, so kommt eine Anerkennung des Asylsuchenden nur dann in Betracht, wenn ihm im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland politische Verfolgung mit sogenannter beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Urteile vom 29. November 1977 - 1 C 33.71 -, BVerwGE 55, 82 [83], und vom 23. Juli 1991 - 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, 367 [377]). Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Asylsuchenden Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne begründete Furcht vor einem Ereignis kann deshalb auch dann vorliegen, wenn auf Grund einer "quantitativen" oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50 % Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162 [169 f.]).

Bei der Prüfung, ob der Kläger als vorverfolgt anzusehen ist, hat sich das Gericht die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene Überzeugungsgewissheit zu verschaffen. Dies bedeutet, dass das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit - und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit - des behaupteten individuellen Schicksals erlangen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180, 181). Allerdings genügt wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich der Asylbewerber insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland vielfach befindet, für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung. Dies bedeutet, dass das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen darf, sondern sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen muss, der den Zweifeln schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Darüber hinaus ist die besondere Beweisnot des nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsprozessrechts mit der materiellen Beweislast hinsichtlich der guten Gründe für seine Verfolgungsfurcht beschwerten Asylsuchenden zu berücksichtigten, was bedeutet, dass den eigenen Erklärungen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen ist, als dies meist sonst in der Prozesspraxis bei Bekundungen einer Partei der Fall ist. Im Hinblick auf das weitgehende Fehlen der üblichen Beweismittel über Vorgänge im Heimatland und den Umstand, dass in der Regel unmittelbare Beweise dort nicht erhoben werden können, kommt dem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu. Zur Asylanerkennung kann schon allein der Tatsachenvortrag des Asylsuchenden führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne "glaubhaft" sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann (vgl. Beschluss des Senats vom 14. November 1997 - 4 A 197/95.A -). Es kommt mithin darauf an, ob der Vortrag des Klägers zu seinen Vorfluchtgründen - ungeachtet möglicher Ungenauigkeiten im Randbereich des geschilderten Geschehens - im Wesentlichen in sich stimmig, schlüssig und mitvollziehbar ist, oder ob er im Kern der geschilderten Verfolgung unauflösbare Widersprüche, Unstimmigkeiten oder erkennbare Steigerungen enthält, die ihn insgesamt als unglaubhaft erscheinen lassen.

II. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung i. S. d. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind hinsichtlich der Verfolgungshandlung, des geschützten Rechtsgutes, des politischen Charakters der Verfolgung und des Prognosemaßstabes für die Verfolgungsgefahr, mit denjenigen des Art. 16 a Abs. 1 GG deckungsgleich (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1994 - 9 C 48.92 -, InfAuslR 1994, 196 [198]; Urteil des erkennenden Senats vom 29. Mai 1997 - 4 A 139/96.A - zu der insoweit übereinstimmenden Vorschrift des § 51 Abs. 1 AuslG); die Flüchtlingsanerkennung unterliegt indes nicht den Beschränkungen, wie sie sich für die Asylanerkennung etwa aus einer anderweitigen Verfolgungssicherheit (§ 27 AsylVfG) oder im Hinblick auf selbst geschaffene Nachfluchtgründe (§ 28 AsylVfG) ergeben. Maßgeblich ist danach auch hinsichtlich § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG der Begriff der "politischen Verfolgung".

III. An diesen Grundsätzen gemessen hat der Kläger weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.

1. Es kann offen bleiben, ob dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter bereits § 27 Abs. 1 und Abs. 3 AsylVfG entgegensteht. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift wird ein Ausländer, der bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war, nicht als Asylberechtigter anerkannt. Hat sich ein Ausländer in einem sonstigen Drittstaat, in dem ihm keine politische Verfolgung droht, vor der Einreise in das Bundesgebiet länger als drei Monate aufgehalten, so wird vermutet, dass er dort vor politischer Verfolgung sicher war; das gilt nicht, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass eine Abschiebung in einen anderen Staat, in dem ihm politische Verfolgung droht, nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen war (§ 27 Abs. 3 AsylVfG).

Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger während der Dauer seines Studiums von 1985 bis 1991 erlaubt in Minsk beziehungsweise Nowopolotzk, also der heutigen Ukraine, aufgehalten. Ob er dort trotz der inzwischen erfolgten Beendigung seines Studiums sicher vor einer Abschiebung nach Äthiopien war, bedarf hier keiner weiteren Aufklärung. Der Kläger hat die geltend gemachten Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigter beziehungsweise Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jedenfalls deshalb nicht, weil ihm keine politische Verfolgung droht.

2. Vorfluchtgründe, die bei der Prüfung der mit dem Hauptantrag geltend gemachten Ansprüche zur Anwendung eines herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes führen würden, stehen dem Kläger nicht zur Seite. Er selbst behauptet nicht, dass er vor seiner Ausreise aus seinem Heimatland politischer Verfolgung ausgesetzt war oder ihm eine solche gedroht hätte. Seine angeblichen Schwierigkeiten beim Verlassen der Musikgruppe "Keftegna 07, Kinet Buden" waren ersichtlich nicht Ausdruck einer dem äthiopischen Staat zurechenbaren, an asylerhebliche Merkmale anknüpfenden politischen Verfolgung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass er in seiner Befragung vor der Ausländerbehörde noch erklärt hat, er sei wegen Unstimmigkeiten mit den Zielen der Propagandaveranstaltungen in Haft genommen worden. In seiner Anhörung vor dem Bundesamt hat er dies dahin präzisiert, er habe die Musikgruppe aus persönlichen - also nicht politischen - Gründen verlassen wollen, womit diese nicht einverstanden gewesen sei und deshalb veranlasst habe, dass er verhaftet worden sei. Diese Differenzen über seine musikalischen Aktivitäten seien eigentlich mit den in der Befragung vor der Ausländerbehörde erwähnten Zielen der Propagandaveranstaltungen gemeint gewesen.

Zudem fehlt es bei einer Entlassung aus der Haft nach lediglich drei Tagen an der für die Annahme eines asylerheblichen Eingriffs erforderlichen Schwere des Eingriffs. Schließlich wäre auch der für eine Asylanerkennung erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht nicht gegeben; der Kläger hat nach diesen Geschehnissen im August 1984 noch bis zum September 1985 in seinem Heimatland gelebt und hat sich in dieser Zeit der Musikgruppe Keftegna 6 angeschlossen. Ersichtlich war er dabei keinen weiteren Beeinträchtigungen ausgesetzt. Vielmehr konnte er unbeeinträchtigt aus Äthiopien ausreisen und ein Studium in der ehemaligen Sowjetunion aufnehmen.

3. Der hiernach unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereiste Kläger kann seine Asylanerkennung oder die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch nicht aufgrund eines Nachfluchtgrundes verlangen. Ein Nachfluchtgrund setzt voraus, dass dem Asylbewerber aufgrund von Umständen, die nach seiner Ausreise aus seinem Heimatland eingetreten sind, für den Fall seiner Rückkehr gegenwärtig beziehungsweise in absehbarer Zeit mit der insoweit erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht.

Im Hinblick auf die Vorschrift des § 28 AsylVfG ist dabei zu unterscheiden zwischen objektiven Nachfluchtgründen, die durch Vorgänge im Heimatland des Asylbewerbers unabhängig von seiner Person ausgelöst wurden, und subjektiven Nachfluchtgründen, die der Asylbewerber nach Verlassen des Heimatstaates aus eigenem Entschluss geschaffen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51). Nach der genannten Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Heimatlandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Fehlt es hieran, kommt lediglich die Gewährung der durch § 60 Abs. 1 AufenthG vermittelten Rechtsposition in Betracht.

Im Falle des Klägers fehlt es indes an jeglichen die Gefahr einer politischen Verfolgung auslösenden Nachfluchtgründen. Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der in Äthiopien nach der Ausreise des Klägers stattgefundene Regimewechsel bei den sich daraus für die politische Lage ergebenden Konsequenzen (dazu a]) objektive Nachfluchtgründe in seiner Person weder im Hinblick auf seine amharische Volkszugehörigkeit (dazu b] aa]) noch insbesondere im Hinblick auf seine vermeintliche oder wirkliche Nähe zu dem früheren Mengistu-Regime in Äthiopien (dazu b] bb]) begründet. Aus der von ihm in den Vordergrund seines Vorbringens gestellten exilpolitischen Betätigung für die Medhin-Partei in der Bundesrepublik Deutschland und der Stellung eines Asylantrages ergeben sich auch keine für die geltend gemachten Ansprüche erheblichen subjektiven Nachfluchtgründe (dazu c]).

a) Die politische Entwicklung in Äthiopien stellt sich für den Senat wie folgt dar: Nach bürgerkriegsähnlichen Kämpfen um die Ausübung der staatlichen Gewalt in Äthiopien wurde das kommunistisch geprägte Derg-Regime unter Mengistu Haile Mariam Mitte 1991 abgelöst. Seither übt die "Tigray Peoples Liberation Front" (TPLF) und die zusammen mit verbündeten Regionalparteien gebildete "Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front" (EPRDF) die Macht in Äthiopien aus. Die infolge einer Nationalkonferenz, die mit Beteiligung unterschiedlicher oppositioneller Gruppen im Juli 1991 stattgefunden hatte, gebildete Übergangsregierung wurde aus einer 87 Sitze umfassenden Nationalversammlung gebildet, in der 32 Sitze von der EPRDF gehalten und 6 Sitze für den späteren Beitritt weiterer politischer Gruppierungen offen gehalten wurden. Im Übrigen wurde eine Reihe kleinerer ethnischer Gruppen aufgenommen. Als Übergangsverfassung wurde eine Nationalcharta verabschiedet, die freie Wahlen in spätestens zwei Jahren vorsah und die Garantie demokratischer Freiheitsrechte des Individuums, einer künftigen Pressefreiheit und der Möglichkeit eines Zugangs zu unabhängigen Gerichten enthielt. Die in Opposition zur EPRDF stehenden Gruppierungen waren von der Nationalkonferenz ausgeschlossen. Zum Staatspräsidenten wurde der Führer der EPRDF, ..., gewählt. Ab August 1991 regierte ein Ministerrat mit dem Premierminister ... und Ressortministern (vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 16. Juli 1991, 26. November 1991, 18. August 1992, 26. Oktober 1993 und 13. Mai 2004; Jahresberichte von amnesty international 1992, S. 89 ff., 1993, S. 89 ff.).

Im Dezember 1994 schloss die im Juni d. J. im Wesentlichen ohne Beteiligung der oppositionellen Kräfte gewählte verfassunggebende Versammlung ihre Beratungen über den Entwurf einer neuen Verfassung ab, und die neue Verfassung, die auf einem föderativen Viel-Parteien-System beruht und die grundlegenden Menschenrechte garantiert, wurde von der verfassunggebenden Versammlung angenommen und ratifiziert. Sie teilte das Land nach einem föderativen System auf ethnischer Basis in neun Regionen mit jeweils einem Regionalparlament ein (Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 20. Dezember 1994 und 4. April 1996; amnesty international, Länderbericht Äthiopien vom April 1995). Am 7. Mai 1995 fanden die Parlaments- und Regionalwahlen technisch überwiegend korrekt statt, allerdings wiederum ohne die wesentlichen Oppositionsparteien. Im August 1995 wurde nach den Parlamentswahlen die Übergangsregierung durch die neue Regierung unter Premierminister ... abgelöst. Diese löste das Innenministerium auf, unterstellte die Polizei dem Sicherheitsministerium und schuf eine neue Behörde für Sicherheit, Einwanderung und Flüchtlinge unter dem Premierminister (Auswärtiges Amt, Lageberichte Äthiopien vom 10. Juli 1995 und 4. April 1996). Mit der Einführung der neuen Verfassung, den Parlamentswahlen, der Bildung gewählter Parlamente auf zentralstaatlicher und regionaler Ebene und der neuen Regierung endete 1995 die Übergangsperiode, die mit der Machtübernahme der EPRDF 1991 begonnen hatte.

Die politischen Strukturen haben sich seitdem weiter konsolidiert. Laut Verfassung ist Äthiopien eine parlamentarische Demokratie. Wahlen finden unter Beteiligung registrierter Oppositionsparteien im Fünfjahresrhythmus statt, der nächste Wahltermin wird im Mai 2005 sein. Dennoch sind die TPLF/EPRDF und die mit ihnen verbundenen Regionalparteien mit einer Ausnahme auf der Stadtbezirks- beziehungsweise Kreisebene die dominierende Kraft in Politik und allen Bereichen des öffentlichen Lebens geblieben. Jedoch traten innerhalb der Regierungspartei EPRDF durch die Beendigung des äthiopisch-eritreischen Konflikts mit dem Friedensvertrag von Algier vom 12. Dezember 2000 bisher verdeckte Spannungen zu Tage. Sie entluden sich Anfang 2001 in ideologischen Richtungskämpfen, aus denen Ministerpräsident Meles als Sieger hervorging. Es gelang ihm im Oktober 2001, mit der Durchsetzung der "Revolutionären Demokratie" als Ideologie und einer Kabinettsumbildung sowie einer programmatischen Regierungserklärung seine Macht zu festigen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 20. Februar 2002).

Die parlamentarische Opposition hat nur geringe politische Bedeutung. Sie ist zwar im Bundesparlament seit den Wahlen im Jahre 2000 mit 17 von 547 Abgeordneten sowie in einigen Regionalparlamenten vertreten; politische Gestaltungsmöglichkeiten sind jedoch nicht vorhanden, weil das Quorum für eigene Initiativen und Geschäftsordnungsanträge nicht erfüllt wird. Hinzu kommen eigene Schwächen wie Zersplitterung, personelle, finanzielle und programmatische Defizite, interne Richtungskämpfe und Behinderungen durch Regierung und Regierungsparteien (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Mai 2004). In jüngster Zeit zeichnen sich Anhaltspunkte ab, die dafür sprechen, dass die bisherigen Oppositionsparteien in Zukunft eine stärkere Rolle in der äthiopischen Politik spielen könnten. So haben Teile der zersplitterten Opposition unter dem Namen United Ethiopian Democratic Forces eine Verbindung aus 15 Gruppierungen gebildet, die zuvor innerhalb und außerhalb Äthiopiens aktiv gewesen waren. Die Koalition hat zusammen mit anderen Oppositionsparteien gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um freie und faire Wahlen sicherzustellen (amnesty international, Jahresbericht 2004).

Die Justiz ist das schwächste Glied in der bisher nur nominell rechtsstaatlichen Ordnung. Das Gerichtswesen musste nach dem Ende des Mengistu-Regimes von Grund auf neu aufgebaut werden; es hat sich hinsichtlich Ausbildungsstand der Richter und personeller Ausstattung der Gerichte noch nicht von damaligen massenhaften Entlassungen von Richtern erholt. Das Problem wurde dadurch noch verschärft, dass die Regierung in jüngerer Zeit erneut eine große Zahl von Richtern entlassen und dafür wiederum unerfahrene, schlecht ausgebildete Richter eingestellt hat. Es kommt auch immer wieder vor, dass sich Regionalregierungen und Verwaltungen über Gerichtsurteile hinwegsetzen (Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 3. April 2000 und 13. Mai 2004). Die Regierung hat sich die Schwäche des Justizsystems zunutze gemacht, indem sie missliebige Oppositionelle unter teilweise fingierten Anklagen in Untersuchungshaft genommen hat, um sie damit für Jahre zum Schweigen zu bringen (amnesty international, Auskunft vom 9. Februar 1999 an den Hessischen VGH zum Az. 3 UE 2606/97.A). Allerdings ist seit Anfang 2001 bei anhaltender organisatorischer Schwäche und Überlastung der Justiz eine Tendenz zu größerer Unabhängigkeit zu erkennen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Mai 2004). Auch amnesty international berichtet, die äthiopische Regierung sei mit internationaler Unterstützung eine Reihe von Gesetzesreformen und anderen Maßnahmen angegangen, um das Justizwesen zu verbessern. Jedoch sei es nach wie vor vorgekommen, dass Personen willkürlich und auf unbestimmte Zeit ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Gewahrsam gehalten, Gefangene gefoltert und misshandelt und Regierungsgegner unter dem Verdacht verhaftet worden seien, Gruppen der bewaffneten Opposition zu unterstützen (Jahresbericht 2004).

Angesichts der Bekundungen und Absichtserklärungen der neuen Machthaber waren westliche Beobachter davon ausgegangen, dass sich die Menschenrechtssituation in Äthiopien mit dem Sturz des Mengistu-Regimes deutlich verbessern werde (vgl. etwa die Einschätzung des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 16. Juli 1991). Tatsächlich jedoch verschärften sich in der Folgezeit zunächst die Spannungen zwischen der EPRDF und den in Opposition zu ihr stehenden Gruppierungen (vergleiche insoweit die Darstellung im Urteil des Senats vom 10. August 2000 - 4 A 219/95.A -, Seite 13 des Entscheidungsumdrucks).

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass die Umsetzung der Menschenrechtsverpflichtungen uneinheitlich und häufig unbefriedigend bleibt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Mai 2004). Politische Gruppierungen und Organisationen, die aus der Sicht der Regierung ein Bedrohungspotenzial darstellen, werden von der staatlichen Verwaltung und den Sicherheitsbehörden in ihrem Wirken behindert oder sogar offen bekämpft. Mit einer Strafverfolgung wegen terroristischer Aktivität muss rechnen, wer in führender oder verantwortlicher Stellung in einer jener Organisationen tätig war oder ist, die den bewaffneten Kampf oder Terrorismus als Mittel gewählt haben oder dessen verdächtigt werden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Mai 2004). Nach Ansicht des Auswärtigen Amtes gilt das vor allem für die Oromo Liberation Front, die Ogaden National Liberation Front und Al-Ittihad Al-Islamia. Amnesty international weist im Jahresbericht 2004 darauf hin, dass Äthiopien sich weiterhin mit bewaffneten oppositionellen Aktivitäten konfrontiert gesehen habe und benennt ebenfalls insoweit die drei genannten Organisationen. Jedoch werden auch die legalen Oppositionsparteien in ihrer Arbeit behindert, ihre Anhänger und Kandidaten durch Bedrohungen, Verhaftungen und wirtschaftliche Benachteiligung eingeschüchtert. Das Auswärtige Amt führt hierzu aus (Lagebericht vom 13. Mai 2004), zu den Behinderungen gehörten auch die Schließung beziehungsweise Nichtbewilligung von lokalen Parteibüros, die Ermordung, Verhaftung und Einschüchterung von Funktionären und Kandidaten, die Benachteiligung von Oppositionsanhängern bei der Vergabe von Wohnungen, Arbeitsplätzen, Agrarland und Düngemitteln. Die jeweiligen Schritte würden regelmäßig mit strafrechtlichen Bestimmungen wie zum Beispiel jenen zur Verhinderung terroristischer Aktivitäten oder der Nichtzahlung von Steuern begründet.

b) aa) Die amharische Volkszugehörigkeit des Klägers ist, wie bereits das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt hat, nicht geeignet, einen objektiven Nachfluchtgrund mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu begründen.

Zwar kann unter bestimmten Voraussetzungen angenommen werden, dass sich asylrelevante politische Verfolgung in einer Weise gegen eine durch gemeinsame Merkmale verbundene Gruppe von Menschen richtet, dass jedes Gruppenmitglied als von dem Gruppenschicksal mitbetroffen und deshalb als politisch verfolgt anzusehen ist (BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 -, BVerfGE 54, 341, und vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/95 -, BVerfGE 83, 216). Die Annahme einer solchen Gruppenverfolgung setzt freilich hinsichtlich der Verfolgungsdichte eine so große Vielzahl von Eingriffshandlungen voraus, dass ohne weiteres von einer aktuellen Gefahr eigener Betroffenheit jedes einzelnen Gruppenmitgliedes gesprochen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1989 - 9 C 33.87 -, NVwZ-RR 1989, 502; Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 -, NVwZ 1995, 175).

Für eine derartige Gruppenverfolgung der amharischen Volkszugehörigen in Äthiopien bestehen aber keine Anhaltspunkte. Aus den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich nichts Hinreichendes dafür, dass die heute regierende EPRDF-Regierung die Bürger amharischer Volkszugehörigkeit zielgerichtet verfolgt, sie aus ihrer Heimat vertreibt oder gar umbringt. Den Auskünften des Auswärtigen Amtes (vgl. etwa Lagebericht vom 14. Oktober 2003, S. 13) und den Berichten des Institutes für Afrika-Kunde (vgl. etwa Berichte vom 7. Januar 1999 an das VG Wiesbaden zum Az. 5 E 6992/91.A(2) sowie vom 5. Dezember 2000 an den Hessischen VGH zum Az. 9 UE 1358/00.A) lässt sich lediglich entnehmen, dass die gegenwärtige EPRDF-Regierung die von den Amharen, die etwa 20 % der Bevölkerung Äthiopiens ausmachen, in früheren Zeiten - also insbesondere unter dem Mengistu-Regime - erlangte Dominanz in Staat und Verwaltung abzubauen versucht. Dies führt dazu, dass heutzutage nicht mehr nur Amharen, sondern auch alle übrigen (etwa 80) äthiopischen Ethnien Zugang zu öffentlichen Ämtern haben. So bestand die im August 1995 gebildete Regierung aus 17 Ministern, darunter vier Minister amharischer Volkszugehörigkeit. Von einer politischen Verfolgung oder einer sonstigen generell asylrelevanten Benachteiligung auf Grund der Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe kann deshalb nicht gesprochen werden (ebenso: Bayerischer VGH, Beschluss vom 21. Februar 2000 - 9 BA 96.31664 -, S. 13 des Entscheidungsumdrucks; Hessischer VGH, Urteile vom 12. November 2002 - 9 UE 1665/98.A -, S. 10 des Entscheidungsumdrucks; vom 12. November 2002 - 9 UE 1652/98.A -, S. 10 des Entscheidungsumdrucks; vom 28. Februar 2002 - 9 UE 1653/98.A -, Juris; vom 27. Mai 1999- 3 UE 2606/97.A -, S. 29 f. des Entscheidungsumdrucks; OVG Thüringen, Urteil vom 13. April 2000 - 3 KO 987/97 -, juris).

b) bb) Soweit das Leben des Klägers in seinem Heimatland vor der Aufnahme seines Studiums in der ehemaligen Sowjetunion auf eine gewisse Nähe zu dem Mengistu-Regime schließen lassen könnte, ergeben sich daraus ebenfalls keine Anknüpfungspunkte für die Annahme einer ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden politischen Verfolgung.

Personen, die in der Zeit der sozialistischen Derg-Diktatur von 1974 bis 1991 öffentliche Ämter bekleidet hatten oder sonst besonders begünstigt waren, etwa durch Stipendien, sind keinen Repressionen ausgesetzt. Strafrechtlich verfolgt werden indes auch heute noch Repräsentanten der früheren Regierung, denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angelastet werden. Mitläufer des früheren Regimes werden nicht belangt, jedoch werden Denunziationen, die zu Folter und Tötung geführt haben, zumindest teilweise strafrechtlich geahndet (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Mai 2004). Amnesty international berichtet, die seit langem anhängigen Prozesse gegen rund 40 hohe Beamte des früheren Regimes dauerten an. Die Anklage laute auf Völkermord, Mord, Folterungen und andere Verbrechen. Prozesse gegen ungefähr 1.000 Beamte der nachgeordneten Verwaltungsebenen würden ebenfalls fortgesetzt. Die Anklage lege ihnen zur Last, während der Regierungskampagne "Roter Terror" in den Jahren 1977 und 1978 Tausende von "Antirevolutionären" ermordet zu haben (Jahresbericht 2004). Diese Einschätzung, wonach eine Verfolgung wegen einer früheren Nähe zum Mengistu-Regime nur jenen Personen droht, die in Menschenrechtsverletzungen oder vergleichbare Aktionen verwickelt waren, wird auch sonst in der obergerichtlichen Rechtsprechung geteilt (vgl. etwa Hessischer VGH, Urteil vom 31. Mai 2002 - 9 UE 1444/98.A -). So begründet etwa allein die Zugehörigkeit zur Armee des Mengistu-Regimes oder die Mitgliedschaft eines Äthiopiers in der in der Zeit des Mengistu-Regimes herrschenden Worker's Party of Ethiopia (WPE) keine Gefahr einer politischen Verfolgung (ebenso: Hessischer VGH, Urteile vom 12. November 2002 - 9 UE 1665/98.A -, S. 25 des Entscheidungsumdrucks; vom 12. November 2002 - 9 UE 1652/98.A -, S. 26 des Entscheidungsumdrucks; vom 31. Mai 2002 - 9 UE 1444/98.A -, S. 22 des Entscheidungsumdrucks; vom 28. Februar 2002 - 9 UE 1653/98.A -, Juris).

Dass der Kläger in einer hiernach für eine Strafverfolgung relevanten Weise tätig geworden wäre, wird von ihm nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.

(1) Insbesondere trägt er selbst nicht vor, dass er als Mitglied der Musikgruppe "Keftegna 07, Kinet Buden" an derartigen Verbrechen mitgewirkt hätte oder ihm dies vorgeworfen werden könnte. Er macht nur geltend, diese Musikgruppe sei in der ideologischen und politischen Struktur der führenden Regierungspartei unterstellt gewesen und habe bei großen Veranstaltungen der Regierungspartei Musik gemacht und dabei auch 'revolutionäre' Lieder gesungen; auch habe sie sich in ihren Liedern für die Politik Mengistus eingesetzt und sei von diesem protegiert worden. Im Übrigen hat er sich von dieser Musikgruppe etwa im August 1994 aus persönlichen Gründen gelöst.

(2) Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Mitgliedschaft des Klägers in der Revolutionary Ethiopian Youth Organisation (REYA). Hierbei handelte es sich um eine der Massenorganisationen der WPE, nämlich den Jugendverband (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 19. September 2002 an VG Aachen zum Az. 7 K 670/96.A). Dieser auf der Ebene der kommunalen Verwaltungseinheiten bestehende Verband war nicht bewaffnet und trug keine Uniformen. Inhaltlich war er insbesondere mit dem Alphabetisierungsprogramm, dem Verbreiten von marxistisch-leninistischer Propaganda und der Gestaltung sowie Durchführung von Kulturprogrammen für Jugendliche befasst (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 9. Februar 1996 an das VG Würzburg zum Az. W 1 K 93.33704 und vom 11. März 1996 an das VG Schleswig zum Az. 15 A 859/94). Hinweise darauf, dass die bloße Mitgliedschaft in der REYA für sich betrachtet die Gefahr einer politischen Verfolgung begründen könnte, sind den vorliegenden Auskünften nicht zu entnehmen (ebenso OVG Thüringen, Urteil vom 13. April 2000, a. a. O.). Dass der Kläger sich als Mitglied dieser Organisation in einer Weise betätigt hat, die nach den oben dargestellten Maßstäben die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung wegen der Mitwirkung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit begründen könnte, behauptet er selbst nicht. Er hat nur angegeben, er habe an der Alphabetisierungskampagne als Sprachlehrer teilgenommen und u. a. Lehrmaterial ausgeteilt.

(3) Nach der übereinstimmenden Auskunftslage löst auch hiervon abgesehen die Teilnahme des Klägers an der Alphabetisierungskampagne die Gefahr einer Strafverfolgung nicht aus, da es dabei nicht zu den nach den oben gemachten Ausführungen maßgebenden schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 16. November 1998 und amnesty international, Auskunft vom 27. August 1998, jeweils an den Hessischen VGH zum Az. 3 UE 2717/95).

(4) Der Umstand, dass dem Kläger zur Zeit des Mengistu-Regimes ein Auslandsstudium ermöglicht wurde, kann wohl als Hinweis auf eine in seiner Person bestehende gewisse Systemnähe gedeutet werden. Bei Studenten, die unter dem Mengistu-Regime ein solches Studium aufnehmen konnten, handelte es sich in aller Regel um privilegierte Personen, die zumindest nach außen in Übereinstimmung mit der Regierungspolitik standen. Gleichwohl haben zurückkehrende Studenten allein auf Grund ihrer früheren Privilegierung nach der Auskunftslage keine Verfolgung durch die EPRDF zu befürchten (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 24. April 1997, S. 5 und Auskunft vom 29. November 2000 an den Hessischen VGH zum Az. 9 UE 1358/00.A; amnesty international, Auskunft vom 9. Februar 1999 an den Hessischen VGH zum Az. 3 UE 2606/97.A; vgl. auch Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 7. Januar 1999 an das VG Wiesbaden zum Az. 5 E 6992/91.A(2); ebenso Hessischer VGH, Urteile vom 12. November 2002 - 9 UE 1665/98.A -, S. 25 des Entscheidungsumdrucks; vom 12. November 2002 - 9 UE 1652/98.A -, S. 26 des Entscheidungsumdrucks; vom 28. Februar 2002 - 9 UE 1653/98.A -, a. a. O.; OVG Thüringen, Urteil vom 13. April 2000, a. a. O.).

(5) Soweit der Kläger eine politische Verfolgung deshalb befürchtet, weil sein Halbbruder für die damalige "Volkssicherheit" gearbeitet haben und deshalb in Haft gewesen sein soll, ergibt sich für ihn selbst eine dahin gehende Gefahr ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Amnesty international hat sogar für solche Personen, die selbst für die "Volkssicherheit" - den äthiopischen Sicherheitsdienst in der Zeit des Mengistu-Regimes - gearbeitet haben, ausgeführt (Auskunft vom 10. August 1999 an das VG Gießen zum Az. 4 E 14175/93), die strafrechtliche Verfolgung wegen zu jener Zeit begangener Taten solle in erster Linie beschränkt sein auf die politischen Verantwortungsträger sowie hochrangige Militärs, zivile und militärische Befehlshaber, die Strukturen zur Durchführung von Verbrechen geleitet hätten und Personen, die als einzelne Täter Verbrechen ausgeführt hätten. Derartige Voraussetzungen sind in der Person des Klägers ersichtlich nicht gegeben, da er eine eigene Betätigung für die "Volkssicherheit" nicht behauptet. Eine Strafverfolgung wegen der Tätigkeit seines Halbbruders ist ebenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich, da in Äthiopien eine Sippenhaft nicht praktiziert wird (Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 19. September 2002 an das VG Aachen zum Az. 7 K 1826/96.A).

(6) Die exilpolitische Betätigung des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland käme als asylerheblicher objektiver Nachfluchtgrund nach den oben gemachten Ausführungen gemäß § 28 AsylVfG nur dann in Betracht, wenn sie sich als Ausdruck einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung darstellen würde. Bei dieser Prüfung ist mit Blick auf die grundsätzliche Unbeachtlichkeit selbstgeschaffener Nachfluchtgründe sowohl in materieller Hinsicht als für die Darlegungs- und Beweisanforderungen ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. November 1986, a.a.O.). Danach fehlt es hier an den Voraussetzungen des § 28 AsylVfG schon deshalb, weil der Kläger selbst nicht behauptet, sich in Äthiopien in einer in diesem Sinne maßgebenden Weise politisch betätigt zu haben.

c) Dem Kläger stehen auch keine subjektiven Nachfluchtgründe zur Seite.

aa) Zunächst begründet seine exilpolitische Betätigung für die Ethiopian Medhin Democratic Party (im Folgenden: Medhin-Partei) keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung in seinem Heimatland.

Im Hinblick auf eine Betätigung für exilpolitisch aktive Organisationen geht der Senat davon aus, dass ein derartiges Verhalten von äthiopischen Staatsangehörigen der Beobachtung durch den äthiopischen Geheimdienst unterliegen kann (Auskunft von amnesty international vom 9. Februar 1999 an den Hessischen VGH zum Az. 3 UE 2606/97.A; vgl. schon Urteil des Senats vom 10. August 2000 - 4 A 219/95.A -, S. 22 f. des Entscheidungsumdrucks; ebenso Hessischer VGH, Urteil vom 31. Mai 2002 - 9 UE 1444/98.A -, S. 36 f. des Entscheidungsumdrucks). Erleichtert wird dies durch den Umstand, dass die EPRDF-Regierung früheres Geheimdienstpersonal des Derg, welches vom Staatssicherheitsdienst der DDR ausgebildet worden war, übernommen hatte (amnesty international, Auskunft vom 27. August 1998 an den Hessischen VGH zum Az. 3 UE 2717/95). Das Auswärtige Amt hat - zuletzt in seinem Lagebericht vom 13. Mai 2004 (ebenso Auskunft vom 11. September 1998 an das VG München zum Az. M 12 K 96.51457) - ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die führenden Personen in den äthiopischen Exilparteien der Regierung bekannt seien; es gebe aber keine Erkenntnisse, dass die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei der Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führe. Grundsätzlich komme es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen als terroristisch eingestuft werde und welcher Grad exilpolitischer Aktivitäten festgestellt werde. Von Bedeutung sei auch, ob und wie sich eine zurückgeführte Person in Äthiopien politisch betätige. In der Regel unterlägen einfache Mitglieder von Exilgruppen nicht der Verfolgung, sofern ihnen nicht sonstige konkrete strafbare Handlungen zur Last gelegt würden (Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 24. Juli 2002 zum Az. 7 K 2014/97.A).

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes handelt es sich bei der Medhin-Partei um eine im Jahr 1992 von Colonel Geshaw Wolde in den USA nach dem Fall des Mengistu-Regimes gegründete politische Organisation. Die Partei tritt für die Wiederherstellung der Einheit Äthiopiens ein, insbesondere für eine Wiedereingliederung von Eritrea in den äthiopischen Staatsverband (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 24. Juli 2002 an das VG Aachen zum Aktenzeichen 7 K 2014/97.A). Nach der Einschätzung von amnesty international (Auskünfte an den Hessischen VGH vom 9. Februar 1999 zum Az. 3 UE 2606/97.A und an das VG Gelsenkirchen vom 13. Juni 2002 zum Az. 19a K 4136/98.A) steht die Partei in strikter Opposition zur EPRDF-Regierung, da sie hauptsächlich für die territoriale Einheit Äthiopiens eintrete. Ihre Veröffentlichungen enthielten schärfste Regierungskritik. Darin würden den Regierungsparteien TPLF/EPRDF Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen und die Regierungspolitik der Regionalisierung entlang ethnischer Linien für das Wiederaufflammen von Kämpfen unter den verschiedenen Volksgruppen verantwortlich gemacht.

Einer Stellungnahme an das VG Würzburg zufolge (...vom 10. Juni 2004 zum Az. ...) wurde die Medhin-Partei (von ihm als Ethiopian Democratic Salvation Party bezeichnet) bereits während des letzten Jahres des Mengistu-Regimes, im Jahre 1991, von dem ehemaligen Außenminister des Regimes (in der Schreibweise des Autors Goshu Woldu) gegründet. Die Partei habe seinerzeit noch eine Strategie des bewaffneten Kampfes zum Sturz der EPRDF-Regierung vertreten und in den frühen 90er Jahren mehrere Versuche unternommen, innerhalb Äthiopiens eine aktive Guerillabewegung aufzubauen. Dies sei an den schnellen und harten Gegenmaßnahmen der äthiopischen Regierung gescheitert. Beginnend mit dem Jahr 1998 habe in Teilen der Medhin-Partei ein Prozess des Umdenkens eingesetzt, als dessen Resultat Geshaw Wolde und weitere Parteiführer sich vom Konzept des bewaffneten Kampfes verabschiedet und seither darauf hingearbeitet hätten, die Erlaubnis der äthiopischen Regierung zu bekommen, als politische Organisation nach Äthiopien zurückzukehren und dort mit friedlichen Mitteln für ihre politischen Ziele werben zu können. Dieser Versuch sei auf erbitterten Widerstand einer innerparteilichen Gruppierung um den äthiopischen Ingenieur ...gestoßen, die am Konzept des bewaffneten Kampfes zum Sturz der EPRDF-Regierung habe festhalten wollen. Im Hinblick auf diese Differenzen sei es im Jahr 2001 zur Spaltung gekommen, bei der die Fraktion um Geshaw Wolde den bisherigen Organisationsnamen Medhin beibehalten habe, obwohl eine Mehrheit der bisherigen Parteimitglieder ...gefolgt sei und sich der von diesem gegründeten ENUF angeschlossen habe. Es sei bekannt, dass die ungeteilte Medhin-Partei in Äthiopien über eine klandestine Anhängerschaft und in begrenztem Umfang auch über eine aktive klandestine Organisationsstruktur verfügt habe. Nach dem Scheitern der verschiedenen Anläufe, Guerillaaktivitäten einzuleiten, sei durch diese im Verborgenen arbeitende Struktur in Addis Abeba und anderen großen Städten Propagandaarbeit vornehmlich unter Oberschülern, Studenten und Ex-Militärs betrieben worden. Es sei davon auszugehen, dass bei der Spaltung der Medhin-Partei zumindest ein Teil, wenn nicht sogar die Mehrheit der klandestinen Struktur sich der ENUF angeschlossen habe.

Zunächst verfügte die Partei nur außerhalb Äthiopiens über Niederlassungen, insbesondere in Europa und ihrem Gründungsland, den Vereinigten Staaten von Amerika. In Äthiopien selbst trat die Medhin-Partei demgegenüber nicht öffentlich in Erscheinung und wurde weder durch Parteimitglieder offiziell vertreten noch besaß sie dort ein eigenes Büro (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 24. Juli 2002 an das VG Aachen zum Aktenzeichen 7 K 2014/97.A). In einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. November 2000 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (zum Aktenzeichen 9 UE 1358/00.A) wird ausgeführt, Untergrundaktivitäten der Partei seien nicht bekannt geworden. Parteivertreter hätten erklärt, in den größten äthiopischen Städten präsent zu sein, Aktionen jedoch bewusst zu unterlassen, um inhaftierte Parteimitglieder nicht zu gefährden. Erkenntnissen von amnesty international zufolge (Auskunft an das VG Gelsenkirchen vom 13. Juni 2002 zum Aktenzeichen 19a K 4136/98.A) war die Partei in Äthiopien verboten und daher nur im Untergrund tätig. Auch das Institut für Afrika-Kunde hat in einer Auskunft vom 5. Dezember 2000 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Aktenzeichen 9 UE 1358/00.A) erklärt, die Partei sei in Äthiopien nicht registriert, es sei daher anzunehmen, dass Aktivitäten im Verborgenen geschähen, um einer Verfolgung zu entgehen.

Diese Lage hat sich mittlerweile geändert. Bei der Medhin-Partei handelt es sich inzwischen um eine in Äthiopien zugelassene Partei. Sie gibt in ihrem Internet-Auftritt (www.Medhin.com; in englischer Sprache) eine Mitteilung vom 24. Februar 2004 wieder, die Partei sei offiziell registriert als eine legale politische Partei in Äthiopien und habe die Registrierungsbescheinigung am 28. Februar 2004 von dem Nationalen Wahlkomitee erhalten. In einer weiteren Mitteilung vom 1. Oktober 2004 heißt es, die Ethiopian Medhin Demokratic Party sei glücklich, die erfolgreiche Vollendung ihres Zusammenschlusses mit der United Ethiopian Democratic Party (UEDP) am 30. September 2004 in Addis Abeba, Äthiopien zu verkünden.

Bei der Beurteilung der Frage, ob Anhängern der Medhin-Partei im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien politische Verfolgung droht, ergeben die vorliegenden Erkenntnisse folgendes Bild:

Das Auswärtige Amt hat (Auskunft vom 29. November 2000 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof) ausgeführt, es lägen keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, dass über bekannte Führungspersönlichkeiten und Funktionäre der Medhin-Partei hinaus auch Anhängern allein wegen ihrer Mitgliedschaft staatliche Maßnahmen drohten. Allerdings seien solche auch nicht grundsätzlich auszuschließen; dem Auswärtigen Amt sei jedoch kein Fall bekannt, in dem ein Mitglied der Medhin-Partei nach Äthiopien zurückgekehrt sei und dort allein wegen dieser Parteimitgliedschaft politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre.

Amnesty international ging in der letzten diesbezüglichen Auskunft vom 13. Juni 2002 an das VG Gelsenkirchen - 19a K 4163/98.A - davon aus, Parteimitglieder und sogar deren Familienangehörige seien in der Vergangenheit bereits Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden. Soweit ein Beleg für diese Einschätzung gegeben wird, handelt es sich einerseits um einen Vorfall aus dem Jahr 1997 (Auskünfte an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 13. Februar 2001 zum Az. 9 UE 1358/00.A und vom 9. Februar 1999 zum Az. 3 UE 2606/97.A). So wird ausgeführt, in jenem Jahr seien Familienangehörige des im Exil in Brüssel lebenden Repräsentanten des belgischen Zweiges der Medhin-Partei von Sicherheitskräften in ihrer Heimat, in Lalibela in Äthiopien, angegriffen und beschossen worden. Ein jüngerer Bruder sei verwundet und von der Familie ins Krankenhaus gebracht worden. Dort seien sie erneut beschossen, ein weiterer Bruder sei verwundet worden. Anschließend seien sämtliche Familienangehörige verhaftet worden. Amnesty international berichtet ferner (Stellungnahme vom 27. August 1998 an den Hessischen VGH zum Az. 3 UE 2717/95), ..., ein Vertreter der Medhin-Partei, und andere Oppositionspolitiker, die aus dem Exil heimgekehrt seien, um an einer im Dezember 1993 in Addis Abeba unter Beteiligung der Medhin-Partei tagenden Konferenz teilzunehmen, seien bei ihrer Ankunft verhaftet worden, obwohl sie im Besitz gültiger äthiopischer Einreisevisa gewesen seien. Zusammen mit vier anderen Exilpolitikern sei er beschuldigt worden, zur bewaffneten Rebellion gegen die Regierung angestiftet, falsche Gerüchte verbreitet und die Regierung diffamiert zu haben. Die Gefangenen hätten mehrfach vor Gericht erscheinen müssen. Erst nach internationalen Protesten sei ... am 17. Februar 1994 freigelassen worden.

Das Institut für Afrika-Kunde hat ausgeführt (vgl. die zitierte Auskunft an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 5. Dezember 2000), von Verfolgung bedroht seien in Äthiopien besonders Mitglieder der illegalen militanten Opposition, exponierte Mitglieder der legalen Opposition, führende Mitglieder zivilgesellschaftlicher Gruppen sowie Journalisten. Es könne aber nicht bestätigt werden, dass Mitglieder der Medhin-Partei in besonderem Maße von Verfolgung betroffen seien, da ihre Aktivitäten im Wesentlichen im Exil stattfänden. Es lägen keine Informationen über Inhaftierungen oder das Verschwinden von einfachen Medhin-Angehörigen in Äthiopien vor. Die Partei habe zwar 1997 von der Verhaftung von Familienangehörigen eines Exilmitgliedes der Medhin-Partei in Lalibela berichtet, die zuvor beschossen worden seien; in einer Presseerklärung des US-Büros vom 15. Juni 1999, die sich mit Menschenrechtsverletzungen der Regierung auseinander setze, sei jedoch nicht explizit über Repressalien gegen Parteianhänger berichtet worden. Gleichzeitig wird vom Institut für Afrika-Kunde jedoch für denkbar gehalten, dass im Hinblick auf die scharfe Kritik der Medhin-Partei an der EPRDF-Regierung Parteimitglieder bei einer Rückkehr nach Äthiopien von Haft oder Misshandlung bedroht sein könnten. In einer Auskunft vom 24. November 1998 an den Hessischen VGH (Az. 3 UE 2606/97.A) wird ausgeführt, es seien keine Fälle bekannt geworden, in denen Anklage wegen politischer, publizistischer oder anderer öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten außerhalb Äthiopiens erhoben worden sei.

Eine Würdigung dieser Auskunftslage ergibt, dass selbst in der Vergangenheit, also unter Außerachtlassung des Umstandes, dass die Partei, der der Kläger angehört, inzwischen in Äthiopien zugelassen ist, die Gefahr einer politischen Verfolgung wegen einer exilpolitischen Betätigung für die Medhin-Partei allenfalls für jene Personen beachtlich wahrscheinlich war, die für die Partei in exponierter Weise in Erscheinung getreten waren und deren öffentlichkeitswirksame Betätigung geeignet war, das Interesse äthiopischer Stellen zu wecken. Für diese konnte die Gefahr einer politischen Verfolgung im Hinblick insbesondere auf die Auskünfte des Auswärtigen Amtes und des Instituts für Afrika-Kunde bejaht werden, wonach staatliche Maßnahmen gegen bekannte Führungspersönlichkeiten und Funktionäre in Betracht kamen. Für einfache Mitglieder der Medhin-Partei bestand dagegen die Gefahr asylrechtlich relevanter Verfolgungsmaßnahmen seitens der äthiopischen Staatsorgane ebenso wenig wie für bloße Teilnehmer an Demonstrationen oder sonstigen Veranstaltungen dieser Gruppe sowie für Funktionäre auf untergeordneter (regionaler) Ebene, sofern diese nicht durch ihre Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen und Demonstrationen etc. eine gewisse Öffentlichkeitswirksamkeit entfaltet hatten, die sie allein deswegen derart aus ihrer Organisation heraushob, dass sie dadurch das besondere Interesse äthiopischer Stellen hervorgerufen haben konnten (ebenso: Hessischer VGH, Urteile vom 12. November 2002 - 9 UE 1652/98.A -, S. 30 ff. des Entscheidungsumdrucks; vom 12. November 2002 - 9 UE 1665/98.A -, S. 30 ff. des Entscheidungsumdrucks; vom 31. Mai 2002 - 9 UE 1444/98.A -, S. 26 ff., 37 f. des Entscheidungsumdrucks; vom 4. November 1999 - 3 UE 2717/95.A -; Bayerischer VGH, Urteil vom 20. April 2000 - 9 B 98.34535 -, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 2000 - 9 B 426/00 -).

Für eine Gefährdung auch solcher, nicht herausgehobener Parteifunktionäre und -mitglieder fehlte es an Anhaltspunkten.

Von den genannten Auskunftsstellen hat lediglich amnesty international unter Hinweis auf die beiden Vorfälle von 1993 und 1997 die Auffassung vertreten, Parteimitglieder und sogar deren Familienangehörige seien in der Vergangenheit bereits Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden. Das Institut für Afrika-Kunde hat den 1997 stattgefundenen Vorfall zwar erwähnt, in dem Familienangehörige eines Exilmitgliedes der Medhin-Partei beschossen worden sein sollen, hat eine allgemeine Gefährdung jedoch unter Hinweis auf eine Presseerklärung des US-Büros der Partei in Zweifel gezogen, in der nicht explizit von Repressalien gegen Parteimitglieder berichtet worden ist.

Diese beiden Vorfälle liegen indes nunmehr bereits längere Zeit zurück, der eine inzwischen circa zwölf, der andere circa acht Jahre. Von den beiden Vorkommnissen erscheint das Letztere aus dem Jahr 1997 als Belegfall für die Gefahr einer politischen Verfolgung von Medhin-Anhängern schon deshalb nicht ohne weiteres geeignet, weil einerseits die insoweit zu Grunde liegenden Erkenntnisse soweit ersichtlich nicht auf eigenen Erhebungen von amnesty international beruhen; es ist ungeklärt, ob sich diese Geschehnisse wie geschildert zugetragen haben. Denn ausweislich der Auskunft des Instituts für Afrika-Kunde vom 5. Dezember 2000 ist in einer Presseerklärung des US-Büros der Medhin-Partei vom 15. Juni 1999 nicht explizit über Repressalien gegen Parteianhänger berichtet worden, obwohl sich der Bericht ansonsten mit Menschenrechtsverletzungen der Regierung auseinander gesetzt hat. Andererseits werden keinerlei Anhaltspunkte vorgebracht, die die Schlussfolgerung darauf zulassen oder immerhin nahe legen, dass der dargestellte Anschlag seine Ursache gerade in der exilpolitischen Betätigung des in Brüssel lebenden Repräsentanten des belgischen Zweiges der Partei und nicht in anderen Gründen hatte. Das Ereignis aus dem Jahr 1993 lässt eine Schlussfolgerung auf die Gefahr einer politischen Verfolgung auch für einfache Mitglieder und sonst nicht weiter hervortretende Funktionsträger der Partei schon deshalb nicht zu, weil es sich um eine solche Person bei dem seinerzeit verhafteten ... ersichtlich nicht gehandelt hat. Auch ohne weitere Aufklärung, welche genaue Funktion er in der Medhin-Partei seinerzeit eingenommen hat, liegt im Hinblick auf seine Teilnahme an einer nicht nur von Vertretern dieser Partei, sondern auch von anderen Oppositionspolitikern besuchten Konferenz und seine Anreise aus dem Ausland auf der Hand, dass er eine hervorgehobene Stellung in der Partei bekleidet hat.

Die zwei Belegfälle, die zur Behauptung einer vermeintlichen oder wirklichen politischen Verfolgung von amnesty international herangezogen werden, sind hiernach ohne oder nur von stark geminderter Aussagekraft und können daher bezogen auf einen Betrachtungszeitraum von inzwischen 14 Jahren seit der Machtübernahme der EPRDF im Jahr 1991 eine diesbezügliche beachtliche Wahrscheinlichkeit für einfache Parteimitglieder und nicht hervorgehobene Parteifunktionäre nicht begründen.

Das Auswärtige Amt und das Institut für Afrika-Kunden haben staatliche Maßnahmen gegenüber einfachen Mitgliedern seinerzeit zwar nicht ausgeschlossen; konkrete Indizien lagen insoweit jedoch nicht vor. Vielmehr wurde diese Einschätzung, wie das Fehlen jeglicher diesbezüglicher Belege deutlich macht, ersichtlich aus der allgemeinen politischen Lage in Äthiopien und den von der Medhin-Partei vertretenen Positionen abgeleitet. Auch dies vermag in Anbetracht des Zeitraumes seit Gründung der Partei, in dem es an Belegfällen für eine vorgekommene politische Verfolgung auch einfacher Parteifunktionäre und sonstiger Parteimitglieder fehlt, eine dahin gehende beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht darzutun.

Aus den einzigen beiden hiernach überhaupt in Rede stehenden Belegfällen einer vermeintlichen politischen Verfolgung kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Gefahr einer Verfolgung durch staatliche Stellen in Äthiopien zudem auch dann nicht mehr hergeleitet werden, wenn berücksichtigt wird, was nach den Angaben der zitierten Auskunftsstellen eine solche Gefahr auslösen oder beeinflussen soll. Maßgeblich sind insoweit nach den Angaben des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 13. Mai 2004) die Fragen, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen als terroristisch eingestuft werde, welcher Grad exilpolitischer Aktivitäten festgestellt worden sei und ob den jeweiligen Personen sonstige konkrete strafbare Handlungen zur Last gelegt würden (Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 24. Juli 2002 zum Az. 7 K 2014/97.A). Die beiden von amnesty international angeführten Belegfälle für eine politische Verfolgung von Anhängern der Medhin-Partei datieren aber aus den Jahren 1993 und 1997, mithin aus einer Zeit, in der die Partei ihre Abkehr vom Konzept des bewaffneten Kampfes noch nicht vollzogen hatte; dieser Strategiewechsel hat erst im Jahr 1998 stattgefunden (Auskunft des ...an das VG Würzburg vom 10. Juni 2004). Danach hat sich die Medhin-Partei beginnend mit dem Jahr 1998 von diesem früher verfolgten Konzept gelöst, was spätestens durch die Spaltung der Organisation im Jahr 2001 auch nach außen hin erkennbar geworden ist.

Hiernach befindet sich der Kläger nicht in einer beachtlich wahrscheinlichen Gefahr einer politischen Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Betätigung für die Medhin-Partei.

Bereits dann, wenn bei der zu treffenden Beurteilung die zuvor dargestellte Erkenntnislage zu Grunde gelegt wird, die die zwischenzeitliche Zulassung der Medhin-Partei in Äthiopien noch nicht berücksichtigt, fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger im Hinblick auf seine exilpolitische Betätigung mit einer Gefährdung zu rechnen hat, falls er in sein Heimatland zurückkehrt. Insoweit ist zunächst die von ihm eingenommene Funktion in seiner Partei ohne durchgreifende Bedeutung; maßgebend ist den oben gemachten Ausführungen zufolge nach Auffassung des Senats gerade die Öffentlichkeitswirksamkeit der Betätigung und die Frage, ob diese geeignet war, das Interesse äthiopischer Stellen herauszufordern.

An einer solchen öffentlichkeitswirksamen Betätigung fehlt es im Falle des Klägers. Seinen Angaben zufolge ist er seit dem 2. Oktober 1994 Mitglied seiner Partei und seit September 1995 als Schriftführer Vorstandsmitglied der Sektion Berlin-Brandenburg. Diese Abteilung bestehe aus circa 19 oder 20 Mitgliedern. Seine Funktion als Schriftführer umfasse insbesondere die Aufgabe, Protokoll zu führen, Tätigkeitsberichte für die Bundespartei und Briefe an Mitglieder zu verfassen. Außerdem wirke er an der Organisation von Versammlungen zusammen mit anderen exilpolitischen Organisationen mit. Beispielsweise wähle er Themen aus, bearbeite die Tagesordnung, verfasse Einladungen für die Parteimitglieder, suche passende Versammlungsräume aus und sorge für Referenten zu den jeweiligen Themenbereichen. Von einer exilpolitisch exponierten Tätigkeit in dem Sinne, dass er selbst öffentlich Positionen bezieht oder durch die eingenommene Funktion in besonderer Weise mit den von der Partei bezogenen Positionen identifiziert werden könnte, oder umgekehrt er gar als einer der maßgeblichen Urheber der Parteipolitik zu vermuten wäre, kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Insgesamt hat der Kläger, zuletzt in der mündlichen Verhandlung, dem Senat das Bild vermittelt, er sei - trotz einer möglicherweise kritischen Haltung zur äthiopischen Regierungspolitik - sehr darauf bedacht, etwaige diesbezügliche Differenzen nicht allzu sehr in der Öffentlichkeit hervortreten zu lassen. Er hat zwar in allgemeiner Form behauptet, er habe für die in Deutschland herausgegebene Zeitschrift der Medhin-Partei "gelegentlich auch Artikel verfasst." Eine exponiert regierungskritische Haltung wird damit, ganz abgesehen davon, dass der Kläger keinerlei konkrete Belege für derartige Zeitschriftenbeiträge vorgelegt oder inhaltlich weiter substantiiert hat und der letzte Artikel von ihm bereits im Jahr 2003 verfasst worden sein soll, nicht vorgetragen. Vielmehr erscheinen seine Hinweise auf den Inhalt dieser Veröffentlichungen als äußerst vage. So gibt er beispielhaft an, die Beiträge beschäftigten sich etwa mit dem Themenkreis, was die Botschaft hier mache, damit meine er, wie hier die äthiopischen Landsleute beobachtet würden. Vor allem aber vermeidet er ersichtlich, mit den Inhalten der von ihm verfassten Zeitschriftenartikel identifiziert zu werden. So hat er dazu im Übrigen erklärt, diese aus Sorge vor einer Gefährdung nie mit seinem eigenen Namen unterzeichnet zu haben. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die angeblich vom Kläger geleisteten Beiträge zu der Radiosendung "Voice of Medhin", für die er sich "früher", jedoch nicht mehr in der letzten Zeit, etwa in der Form wie für die Zeitschrift eingebracht habe. Dass der äthiopische Staat hiernach Veranlassung haben sollte, ihn als zu beachtenden, etwa sogar gefährlichen Regimekritiker einzuschätzen, ist für den Senat nicht erkennbar. Im Hinblick auf die hiernach nach außen hin nur wenig ausgeprägte regierungskritische Betätigung des Klägers kommt es entgegen seiner Auffassung auch nicht darauf an, ob diese Haltung äthiopischen Stellen etwa durch seine langjährige Betätigung als Schriftführer im Vorstand der Medhin-Partei in Brandenburg/Berlin bekannt geworden ist.

Auch seine gelegentliche Teilnahme an Demonstrationen und Versammlungen hebt ihn ersichtlich nicht in der Weise aus der Masse derjenigen Äthiopier heraus, die mit dem in ihrem Heimatland herrschenden Regime unzufrieden sind, dass er damit als ernst zu nehmender Regimekritiker wahrnehmbar würde. Das dargestellte Interesse des Klägers an der Teilnahme an solchen Veranstaltungen war im Laufe der Zeit allenfalls schwankend und nicht ausgeprägt. So sind in seinem Schreiben vom 20. Juli 2001 für die Zeit vom 4. November 1995 bis 14. August 1999 insgesamt sieben Versammlungen beziehungsweise Demonstrationen erwähnt, an denen er teilgenommen habe; der letztgenannten Veranstaltung sind jedoch weitere Teilnahmen bis zum Datum des Schreibens, also für fast zwei Jahre, nicht nachgefolgt, jedenfalls hat er insoweit zunächst nichts vorgetragen. Erst später hat er behauptet, an einer Demonstration aus Anlass von Studentenunruhen im März/April 2001 und an weiteren Demonstrationen am 1. September 2001 und 27. September 2003 sowie einer weltweiten Versammlung im Jahr 2004 per Telefonkonferenz teilgenommen zu haben.

Erst recht ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Gefahr der politischen Verfolgung für nicht herausgehobene Parteifunktionäre und -mitglieder wie den Kläger nicht gegeben, wenn berücksichtigt wird, dass die Partei inzwischen in Äthiopien zugelassen ist, sich also - falls sie überhaupt zuvor dort aktiv war - nicht mehr aus der Illegalität heraus betätigt. Das ergibt sich aus dem zitierten Internet-Auftritt der Medhin-Partei, wonach die Partei durch das Nationale Wahlkomitee die Zulassung als Partei erhalten hat. Die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer dem Kläger drohenden politischen Verfolgung folgt auch nicht daraus, dass - wovon auch der Senat im Grundsatz ausgeht - nach der oben zitierten Einschätzung des Auswärtigen Amtes und des Instituts für Afrika-Kunde auch die legalen Oppositionsparteien in ihrer Arbeit behindert und Anhänger und Kandidaten eingeschüchtert sowie Funktionäre und Kandidaten sogar ermordet werden. Denn die bloße Möglichkeit derartiger Verfolgungsmaßnahmen lässt bezogen auf die Medhin-Partei angesichts des - jedenfalls - seit dem Jahr 1998 völligen Fehlens von Belegfällen eine diesbezügliche beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht erkennen. Trotz des durch das Internet jederzeit ermöglichten Austausches von Informationen und obwohl der Kläger selbst unter einem Pseudonym Beiträge für das Radio "Voice of Medhin" und die Zeitschrift seiner Partei verfasst haben will, er mithin Zugang zu Informationen über Äthiopien und seine eigene Partei hat, hat er nichts dafür vorgetragen, dass seine Partei seit ihrer Zulassung in seinem Heimatland von derartigen Beeinträchtigungen betroffen gewesen wäre. Hiernach spricht nichts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger, der schon in Deutschland als Funktionär seiner Partei nicht in besonderer Weise hervorgetreten ist, sondern im Vorstand der Parteigliederung für Brandenburg-Berlin eher nach innen gewirkt hat, im Falle einer Rückkehr von Verfolgungsmaßnahmen betroffen sein würde.

bb) Schließlich begründet auch die Asylantragstellung im Bundesgebiet keinen erheblichen (subjektiven) Nachfluchtgrund. Die genannten Auskunftsstellen gehen vielmehr davon aus, dass eine Asylantragstellung oder ein längerer Auslandsaufenthalt nicht zu einer Verfolgung im Heimatland führen (vgl. zuletzt Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Mai 2004, S. 11; amnesty international vom 14. Juni 1999 an VG Wiesbaden, Institut für Afrika-Kunde vom 7. Januar 1999 an VG Wiesbaden; ebenso: OVG Thüringen, Urteil vom 13. April 2000, a. a. O.).

B. Die mit dem Hilfsantrag begehrte Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht.

I. Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter unterworfen zu werden. Auch darf er nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist (§ 60 Abs. 5 AufenthG). Diese Voraussetzungen sind indes aus den oben bereits ausgeführten Gründen im Falle des Klägers nicht gegeben.

II. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach dieser Vorschrift ist Abschiebungsschutz immer - aber auch nur dann - zu gewähren, wenn es sich bei den drohenden Gefahren um solche individueller Art handelt. Denn Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 desselben Gesetzes berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG), wonach die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen kann, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. In derartigen Fällen einer allgemeinen Gefahr dürfen die Verwaltungsgerichte bei Fehlen einer Abschiebestoppregelung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG nur ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung einer Abschiebung in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zusprechen, wenn keine anderen Abschiebungshindernisse gegeben sind, eine Abschiebung aber Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist nur bei extremen Gefahrenlagen der Fall, wenn also von der Ermächtigung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen, kein Gebrauch gemacht worden ist und damit die betreffenden Ausländer im Falle der Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würden (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9/95 -, BVerwGE 99, 324 ff.).

An diesen Voraussetzungen gemessen steht dem Kläger ein Anspruch gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG nicht zu. Insbesondere ergibt er sich nicht aus der in seinem Heimatland herrschenden schlechten ernährungswirtschaftlichen Lage und den sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Allerdings wird im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Mai 2004 ausgeführt, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sei in Äthiopien nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert. So seien die Existenzbedingungen in diesem Land, bei dem es sich um eines der ärmsten Länder der Welt überhaupt handele, für große Teile insbesondere der Landbevölkerung äußerst hart, bei Ernteausfällen sogar potentiell lebensbedrohend. In solchen Fällen sei das Land auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen.

Eine dem Kläger im Falle einer Rückkehr drohende extreme Gefahrenlage, die nach den oben gemachten Ausführungen allein in Betracht käme, ihm in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach dieser Vorschrift zu gewähren, ist indes zu verneinen. Das Auswärtige Amt führt, zuletzt im Lagebericht vom 13. Mai 2004, aus, für Rückkehrer böten sich schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zu einer bescheidenen Existenzgründung. Zwar sei es nach wie vor in Äthiopien schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden, auch ein soziales Sicherungssystem gebe es nicht. Die begrenzte Liberalisierung der Wirtschaft biete aber zumindest denjenigen Rückkehrern, die über Qualifikationen und Sprachkenntnisse verfügten, die Möglichkeit, Arbeit zu finden. Insoweit günstige Voraussetzungen bringt auch der Kläger mit. Er hat sein Studium des Bauingenieurwesens abgeschlossen. Seinen Angaben vor dem Bundesamt zufolge beherrscht er außer der amharischen auch die russische, inzwischen die deutsche Sprache und besitzt Grundkenntnisse in der englischen Sprache.

Ferner könnte der Kläger nach Addis Abeba zurückkehren, wo er geboren ist und die Schule besucht hat, und nicht in eines der von besonderer Nahrungsmittelknappheit betroffenen Gebiete. Auch kann der Kläger gerade in der nach einer Rückkehr besonders schwierigen Anfangsphase soweit ersichtlich auf familiäre Unterstützung vertrauen. Seinen Angaben zufolge leben in Äthiopien noch sein Halbbruder, der ihn schon in Äthiopien unterstützt hatte, und dessen Frau, zu denen er ausweislich seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung noch immer gelegentlichen telefonischen Kontakt hält. Bedenken, warum diese ihn nicht für die Übergangszeit aufnehmen könnten, bis er in der Lage ist, die für seinen Lebensunterhalt notwendigen Mittel selbst zu erwirtschaften, sind nicht ersichtlich.

Soweit in Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in verfassungskonformer Auslegung wegen einer existenzbedrohenden Gefahr für Leib und Leben etwa für jene Fälle bejaht wurde, in denen junge alleinstehende Äthiopier als Jugendliche aus ihrem Heimatland geflohen waren, über kein eigenes Vermögen und über keinen familiären Rückhalt dort verfügten (so in den Urteilen des Hessischen VGH vom 11. März 2003 - 9 UE 1358/00.A -; vom 19. Februar 2003 - 9 UE 1731/98.A -, Juris, Rdnr. 40 ; vom 12. November 2002 - 9 UE 1665/98.A -, S. 47 f. des Entscheidungsumdrucks; vom 28. Januar 2002 - 9 UE 3036/01.A -; anders im Übrigen von vornherein für den Fall einer Rückkehr nach Addis Abeba Urteil des Bayerischen VGH vom 21. Juli 2003 - 9 ZB 03. 30781 -), ist der Fall des Klägers damit aus den angeführten Gründen nicht vergleichbar.

C. Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Diese haben ihre Grundlage in § 34 AsylVfG i. V. m. § 59 AufenthG. Rechtliche Bedenken sind insoweit weder geltend gemacht noch ersichtlich.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.

Abschließend bemerkt der Senat mit Blick auf die mögliche Prüfung der Gewährung eines Aufenthaltsrechts für den Kläger in Deutschland durch die Härtefallkommission des Landes auf der Grundlage von § 23 a AufenthG i. V. m. der Verordnung über die Einrichtung einer Härtefallkommission nach § 23 a des Aufenthaltsgesetzes vom 17. Januar 2005 (GVBl. II Seite 46) - unter besonderer Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Beziehung zu einer äthiopischen Staatsangehörigen mit einem von der Berliner Härtefallkommission erteilten Aufenthaltsrecht -, dass der langjährige Aufenthalt des Klägers hier seit Stellung des Asylantrags im November 1991 ersichtlich nicht durch ein Verzögern des Verfahrens seinerseits verursacht worden ist. Vielmehr beruht die lange Verfahrensdauer zum einen auf Fehlern des Verwaltungsverfahrens, das erst nach fünfjähriger Dauer letztlich zu einem Abschluss gelangte. Auch das erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Verfahren wurde im Hinblick auf die besondere Belastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes erst nach weiteren fünf Jahren im August 2001 durch Urteil entschieden. Dieses litt allerdings an dem vom Kläger beanstandeten und vom Senat mit dem Zulassungsbeschluss vom 28. März 2002 bestätigten Verfahrensmangel des Verstoßes gegen das rechtliche Gehör. Die weitere lange Verfahrensdauer beim Oberverwaltungsgericht bis zum Termin war wiederum der Überlastung des Senats bei fehlender personeller Kontinuität geschuldet und ist dem Kläger ebenfalls nicht anzulasten.

Ende der Entscheidung

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