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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 27.02.2004
Aktenzeichen: 4 B 326/03
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 2
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 4
AuslG § 30
AuslG § 32
AsylVfG § 56
AsylVfG § 85 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

4 B 326/03

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Ausländerrechts;

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat am 27. Februar 2004 durch

den Vorsitzenden Richter am ..., den Richter am ... und den Richter am ...

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 19. September 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 8.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1, 4 Sätze 1 bis 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, aber unbegründet. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragsteller ausfalle, weil ihnen bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die beantragte Aufenthaltsgenehmigung nicht zustehe, ist auf der maßgeblichen Grundlage der dargelegten Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) nicht zu beanstanden. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsteller auch nach §§ 30, 32 des Ausländergesetzes (AuslG) i.V. m. den Erlassen des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg 171/99 vom 2. Dezember 1999 und 147/2000 vom 5. Dezember 2000 (sog. "Altfallregelung") sowie dem für deren Anwendung maßgeblichen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 19/99 -, E 112, 63 ff.) keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen haben.

Nach diesen Erlassen des Ministeriums des Innern kann u. a. ehemaligen Asylbewerbern mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht werden, wenn sie vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, seitdem ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet gefunden und sich nach weiteren unter Nr. 1.3 benannten Kriterien in die hiesige wirtschaftliche, soziale und rechtliche Ordnung eingefügt haben. Dabei muss der Begünstigte mit mindestens einem minderjährigen Kind, das sich seit dem 1. Juli 1993 oder seit seiner Geburt im Bundesgebiet aufhält, in häuslicher Gemeinschaft leben (Nr. 1.2.1 des Erlasses 171/99). Hinsichtlich der unter Nr. 1.3 benannten Integrationskriterien sah die Altfallregelung in ihrer ursprünglichen Fassung des Erlasses 171/99 vom 2. Dezember 1999 u.a. zunächst vor, dass bereits zum maßgeblichen Stichtag des 19. November 1999 der Lebensunterhalt der Familie einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert gewesen sein musste. Nach Nr. 1.3.2 hinderte selbst unverschuldete Arbeitslosigkeit die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Der Senat hatte in seinem Beschluss vom 19. Oktober 2000 - 4 B 176/00.Z - (in juris) festgestellt, dass die Bleiberechtsregelung damit an eine auch in wirtschaftlicher Hinsicht bereits erfolgte Integration anknüpft und es nicht ausreicht, dass eine solche möglicherweise prognostisch zu erwarten ist. Grund der humanitär bedingten Altfallregelung sei, dass von der Durchsetzung einer Ausreisepflicht abgesehen werden solle, weil und wenn sich der angesprochene Personenkreis infolge der langen Verweildauer in die hiesigen wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Verhältnisse eingefügt, mithin integriert habe. Die Altfallregelung solle erkennbar nicht erst die Grundlage dafür bieten, sich hier eine - zum maßgeblichen Stichtag noch nicht vorhanden gewesene - Existenz erst aufzubauen. Eine zukunftsbezogene Betrachtungsweise mit Prognoseaussagen über ein erhofftes künftiges Integrationsverhalten sei nicht anzustellen. In Anwendung dessen wären die Antragsteller unstreitig schon aufgrund ihres Bezugs von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungs-gesetz (AsylbLG) zum benannten Stichdatum nicht Begünstigte der Altfallregelung.

Nach dem eine Erweiterung der Altfallregelung beinhaltenden Änderungserlass 147/2000 vom 5. Dezember 2000 kommt es nach der neu gefassten Nr. 1.3 nunmehr zwar auch prognostisch auf die am Stichtag 19. November 1999 zu erwartende Integration an (vgl. dazu bereits Beschlüsse des Senats vom 31. Juli 2002 - 4 B 150/02 -, vom 6. August 2002 - 4 B 110/02 - in EZARO 15 Nr. 30 sowie in juris, vom 13. September 2002 - 4 B 150/02 -, vom 20. September 2002 - 4 A 337/02.Z -, vom 20. Januar 2003 - 4 B 18/03 - und vom 15. Dezember 2003 - 4 B 271/03 -). Nach Nr. 1.3.1.2 ist bei Ersterteilungen die Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes auch dann als erfüllt anzusehen, wenn für die Zeit bis 19. November 1999 Bemühungen um eine Beschäftigung nachgewiesen sind oder am 19. November 1999 ein Arbeitsvertrag oder eine verbindliche Zusage für ein Beschäftigungsverhältnis vorlag, mit dem der Lebensunterhalt (inkl. ausreichenden Krankenversicherungsschutzes) gesichert gewesen wäre und das Arbeitsverhältnis nur auf Grund des fehlenden Aufenthaltsrechts und der damit von der Arbeitsverwaltung verweigerten Arbeitserlaubnis nicht aufgenommen werden konnte. Diese von den Antragstellern für sich in Anspruch genommene Vergünstigung ist jedoch - wie bereits das Verwaltungsgericht in seiner hilfsweisen Begründung auf Seite 7 des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses im Ergebnis zutreffend festgestellt hat und ohne dass es auf die Richtigkeit der erstinstanzlichen Annahme, dass geeignete Bemühungen um ein Beschäftigungsverhältnis nicht hinreichend dargetan seien, ankäme - nach dem zweiten Absatz der Nr. 1.3.1.2 nicht anwendbar, weil es sich bei dem Antragsteller zu 1. um einen im Sinne dieser Regelung straffälligen Ausländer handelt. Der Antragsteller zu 1. ist, nachdem er am 18. Juli 1999 und am 22. August 1999 jeweils in Berlin-Tiergarten am Beusselmarkt angetroffen worden war, durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Cottbus vom 10. April 2000 wegen wiederholten Verstoßes gegen die asylverfahrensrechtliche Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gemäß § 85 Nr. 2 AsylVfG zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt worden. Die in der Nr. 1.3.6 der Erlasse enthaltene Bagatellstrafgrenze ist entgegen der Beschwerdebegründung nicht anwendbar. Dass die Inanspruchnahme der Vergünstigung der Nr. 1.3.1.2 bereits bei jeder Straffälligkeit, insb. auch bei Bagatellstraffälligkeit und bei fahrlässigen Delikten, ausgeschlossen sein soll, hat das Ministerium des Innern auf gerichtliche Anfrage durch Schriftsätze vom 17. Dezember 2003 und 29. Januar 2004 klargestellt. Auch wäre die besondere Regelung in Nr. 1.3.1.2, dass die Vergünstigung bei straffälligen Ausländern nicht anwendbar sein soll, schlicht überflüssig, wenn die Frage der Straffälligkeit entsprechend der Beschwerdebegründung mit der Nr. 1.3.6 als abschließend definiert angesehen würde. Die Bagatellgrenze behält ihre Bedeutung für die Fälle, in denen der Lebensunterhalt der Familie zum Stichtag 19. November 1999 tatsächlich bereits gesichert war. Auf die weiteren strafrechtlich erheblichen und - soweit hier bekannt - bisher noch nicht sanktionierten Verstöße gegen die asylverfahrensrechtliche Aufenthaltsbeschränkung am 1. November 1999 (Regionalexpress Berlin - Cottbus, Nähe Königs- Wusterhausen), 19. November 2000 (Berlin/Beusselstraße) und 11. Mai 2001 (B 169 Richtung Senftenberg) kommt es damit ebenso wenig an wie auf die zwischenzeitlich im Bundeszentralregister getilgte Verurteilung durch Strafbefehl vom 27. Februar 1995 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen.

Diese Beschränkung der Vergünstigung der Nr. 1.3.1.2 des Erlasses 147/2000 vom 5. Dezember 2000 auf nicht straffällig gewordene Ausländer ist auch ihrerseits rechtlich unbedenklich.

Bei dem Erlass solcher Bleiberechtsregelungen aus humanitären Gründen auf der Grundlage von § 32 AuslG handelt es sich um eine politische Grundsatzentscheidung, die im Ermessen der obersten Landesbehörde liegt und als solche grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 19/99 -, E 112, 63, 66). Dem Beschluss der Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 19. November 1999 in Görlitz (abgedruckt z. B. in InfAuslR 2000, 103 f.) war das Land Brandenburg bereits durch Erlass der Altfallregelung in seiner ursprünglichen Fassung vom 2. Dezember 1999 nachgekommen (vgl. dazu wiederum Beschluss des Senats vom 19. Oktober 2000 - 4 B 176/OO.Z -). Nach diesem Beschluss der Innenministerkonferenz sollten nur solche Ausländer von einer Bleiberechtsregelung aus humanitären Gründen erfasst werden, die ausnahmsweise schon faktisch integriert sind und deren Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes bereits durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert ist. Ansonsten bekräftigten die Innenminister und -senatoren nochmals, dass sie auch weiterhin darüber einig seien, dass im Rahmen des geltenden Ausländer- und Asylrechts verfügte Rückführungen konsequent vollzogen werden müssten und dass unbegründete Asylbegehren nicht zur Erlangung eines dauernden Aufenthalts im Bundesgebiet führen dürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 und § 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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