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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 24.10.2003
Aktenzeichen: 4 B 329/03
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt.
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
AuslG § 17
AuslG § 19
AuslG § 19 Abs. 1
AuslG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AuslG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2
AuslG § 19 Abs. 1 Satz 2
AuslG § 23 Abs. 2
AuslG § 25 Abs. 3
AuslG § 49
AuslG § 50
AsylVfG § 55 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

4 B 329/03

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Ausländerrecht;

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat

am 24. Oktober 2003

durch

den Vorsitzenden Richter am ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ... und den Richter am Verwaltungsgericht ...

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 28. August 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat auf der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Grundlage dessen, was der Antragsteller hierzu in der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geforderten Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, keinen Erfolg. Auf dieser Grundlage ist der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat den vorläufigen Rechtsschutzantrag des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO gegen die sofort vollziehbare Versagung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 17, 19, 23 Abs. 2, 25 Abs. 3 AuslG und die Abschiebungsandrohung gemäß §§ 49, 50 AuslG im Bescheid des Antragsgegners vom 4. Juni 2003 abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung offensichtlich rechtmäßig ist. Es hat hierzu im Einzelnen substantiiert ausgeführt, warum nach seiner Auffassung die Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die am 23. Juni 2000 eingegangene und im Mai 2003 geschiedene Ehe des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen weder befristet noch unbefristet beansprucht werden kann und dem Antragsteller auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AuslG wegen Fehlens eines besonderen Härtefalls zusteht. Hiergegen beruft sich der Antragsteller weiterhin im Beschwerdeverfahren auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht wegen des Vorliegens eines besonderen Härtefalles i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG in seiner Person. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland zu seinem Lebensmittelpunkt nach mehr als 10-jährigem Aufenthalt geworden sei, er der deutschen Sprache mächtig sei, in einem Arbeitsverhältnis als Kellner in der Gaststätte ... in ... gestanden habe, mit zunächst bis zum 31. Dezember 2008 befristeten Vertrag vom 1. August 2003 nunmehr als Geschäftsführer bei einem Bruttolohn von 850 EUR dort tätig sei und auf Grund des Mietvertrages vom 1. Oktober 2002 über eigenen Wohnraum in ... verfüge.

Hieraus ergibt sich im Fall des Antragstellers hingegen, wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend gewürdigt hat, keine besondere Härte i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, die zu einem eigenständigen Aufenthaltsrecht des Antragstellers führen könnte.

Nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG liegt eine besondere Härte insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn ihm - was hier von vornherein nicht einschlägig ist - wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Gemeinschaft lebenden Kindes. Bereits die bis zum 31. Oktober 1997 geltende Fassung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG (BGBl I 1990, 1354) enthielt den zwischenzeitlich durch den Begriff der "außergewöhnlichen Härte" (vgl. ÄndG vom 29. Oktober 1997, BGBL I, 2584) ersetzten Terminus der "besonderen Härte". Das Bundesverwaltungsgericht hatte diesen Begriff mangels einer gesetzlichen Legaldefinition dahin interpretiert, dass eine besondere Härte im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG in der bis zum 31. Oktober 1997 geltenden Fassung nur dann anzunehmen sei, wenn im konkreten Einzelfall besondere Umstände vorlägen, aus denen sich ergäbe, dass die Ausreisepflicht den Ehegatten ungleich härter treffe als andere Ausländer in derselben Situation. Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung der Umstände sei neben den gewachsenen Bindungen und der Integrationsleistung im Bundesgebiet auch zu berücksichtigen, ob dem Ehegatten außerhalb des Bundesgebietes wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erheblicher Nachteile drohten. Daraus folge zugleich, dass andere Nachteile im Heimatland, die nicht wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern wegen der dortigen allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse drohten, nicht zur Begründung einer besonderen Härte herangezogen werden könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. April 1997 - 1 B 118.96 - in DÖV 1997,835f. = AuAS 1997, 206f.).

Auf diese höchstrichterliche Definition einer besonderen Härte kann mit Blick auf die hier maßgebliche Gesetzesfassung vom 25. Mai 2000 (BGBl I, 742) nicht mehr uneingeschränkt zurückgegriffen werden. Denn nunmehr liegt mit dem Satz 2 des § 19 Abs. 1 AuslG eine vorrangig zu berücksichtigende beispielhafte Umschreibung des Begriffs der besonderen Härte vor. Der Gesetzgeber knüpft nach dem Wortlaut der ersten Alternative des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG und der darin zum Ausdruck kommenden bewussten Abkehr von den zuvor geltenden und offensichtlich als zu eng bzw. unklar empfundenen Fassung des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ausländergesetzes, BT-Drucks. 14/2368, Begründung zu Artikel 1, Begründung zu Art. 1 Nr. 3) nunmehr eindeutig nur noch an die Rückkehrverpflichtung selbst an und verlangt somit insbesondere nicht mehr, dass die außerhalb des Bundesgebietes beruhenden erheblichen Beeinträchtigungen auf den Umstand der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft zurückzuführen sind. Von Bedeutung können somit alle aus der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland infolge der Beendigung des Ehe bedingten Aufenthaltsrechts resultierenden Beeinträchtigungen seien. Die gewählte Formulierung "wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung" bedeutet lediglich, dass die Rückkehrverpflichtung im Zusammenhang mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft stehen muss (vgl. hierzu auch VGH Mannheim, InfAuslR, 2003, 190, 192 ff.; OVG Münster, NVwZ 2001, Beilage Nr. I 7, 83, 84 f.).

Von diesem Verständnis ist auch zu Recht das Verwaltungsgericht ausgegangen. Zu der hiernach zum einen geforderten Betrachtung der Folgen der Rückkehrverpflichtung mit Blick auf das Herkunftsland hat der Antragsteller mit der Beschwerdebegründung keinerlei substantiierte Angaben gemacht (vgl. dazu auch die hier offensichtlich nicht einschlägigen Beispielsfälle in der Begründung BT-Drucks. 14/2368 zu Art 1 Nr. 3 wie der gesellschaftlichen Diskriminierung wegen der Eheauflösung, der drohenden Zwangsabtreibung, besonderer das Wohl eines in der Ehe lebenden Kindes betreffende Umstände oder der Gefahr für den Kontakt zu einem ehelichen Kind).

Soweit gewachsene Bindungen und Integrationsleistungen im Bundesgebiet zu berücksichtigen sind, erreichen entgegen der Auffassung des Antragsstellers die für ihn einzustellenden Umstände nicht das Maß, das die Annahme einer besonderen Härte im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat rechtfertigen könnte. Der Antragsteller ist zwar bereits im Januar 1992 - ohne einen Sichtvermerk - in das Bundesgebiet eingereist, hat aber seinen Aufenthalt zunächst lediglich auf Grund des erfolglosen Betreibens eines Asylverfahrens (Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11. Oktober 1994, bestandskräftig ab 13. September 2000) erreichen können. Nach § 55 Abs. 3 AsylVfG ist jedoch die Zeit eines Aufenthaltes während des Asylverfahrens für den Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder eine Vergünstigung, die von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist, nur anzurechnen, wenn der Ausländer unanfechtbar anerkennt worden ist. Diese gesetzliche Wertung beansprucht auch im vorliegenden Zusammenhang Beachtung, so dass der Aufenthalt des Antragstellers bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis von vornherein nicht mit Gewicht einzustellen ist. Eine Aufenthaltserlaubnis wurde dem Antragsteller jedoch erst auf Grund der Eheschließung vom 23. Juni 2000 mit einer deutschen Staatsangehörigen entsprechend seinem Antrag vom 28. Juni 2000 am 8. August 2000 zunächst befristet bis zum 07. August 2001, dann verlängert zum 6. August 2003 erteilt. Nach Angaben seiner Ehefrau, die ihn am 13. August 2002 bereits zum 1. Februar 2001 von der Ehewohnung abgemeldet hatte, wurde die Wohnung im Februar 2002 aufgelöst und die eheliche Lebensgemeinschaft spätestens zu diesem Zeitpunkt, nach Angaben des Antragstellers im Anhörungsprotokoll vom 14. Januar 2003 im April 2002 aufgelöst. Auch hatte der Antragsteller eine eigene Erwerbstätigkeit bis zur Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht nachgewiesen. Vielmehr legte er mit dem weiteren Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis Lohn- und Gehaltsabrechnungen des Arbeitgebers Ristorante ... mit Eintrittsdatum vom 1. Dezember 2002 für eine Tätigkeit als Kellner bei einem Bruttogehalt von 850 EUR monatlich vor. Nunmehr beruft er sich weiterhin auf den Geschäftsführervertrag mit dem selben Arbeitgeber vom 1. August 2003 zu dem gleichen Bruttolohn. Diese erst kurzfristige, seit Dezember 2002 beginnende wirtschaftliche Integration des Antragstellers in das hiesige Erwerbsleben kann bereits als solche nicht annähernd als besondere Integrationsleistung gewertet werden, welche die Rückkehrverpflichtung des Antragstellers im Vergleich zu anderen Ausländern als besonders hart erscheinen ließe. Im Übrigen dürfte diese Integrationsleistung auch schon deshalb unbeachtlich sein, weil mit der Gewährung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 Abs. 1 AuslG ersichtlich ein Vertrauensschutz in ein Aufenthaltsrecht mit Blick auf die geführte eheliche Lebensgemeinschaft honoriert werden soll. Dieser Gedanke kommt aber letztlich für solche Integrationsleistungen nicht mehr zum Tragen, die erst nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erbracht werden, also zu einer Zeit, zu der ein Vertrauen auf einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr zu rechtfertigen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes aus §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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