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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: 1 A 144/05
Rechtsgebiete: VersammlG, VereinsG


Vorschriften:

VersammlG § 15
VereinsG § 20 Abs. 1
VereinsG § 9
1. Das Zeigen von Bildnissen A. Öcalans bei Versammlungen und Aufzügen ist nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG die Verwendung eines Kennzeichens der von einem Betätigungsverbot betroffenen PKK.

Zu den Rechtsvoraussetzungen der Ausnahmeregelung vom Verwendungsverbot nach §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG.

2. Die Versammlungsbehörde ist nach § 15 Abs. 1 VersammlG befugt, die Verwendung des Kennzeichens durch eine beschränkende Verfügung zu untersagen.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Im Namen des Volkes! Urteil

OVG: 1 A 144/05

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy sowie die ehrenamtlichen Richter G. Beske und G. Schönborn aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit von versammlungsrechtlichen Auflagen, das Bildnis Öcalans, des Gründers der PKK, nicht zu zeigen.

Der Kläger ist ein kurdischer Kulturverein. Er meldete am 09.02.2001 eine für den 14.02.2001 angesetzte Kundgebung auf dem Marktplatz in Bremen zum Thema "Mahnwache anlässlich des 2. Jahrestages der Verschleppung Abdullah Öcalans" an. Sinn der Mahnwache sollte sein, auf die Inhaftierung Öcalans aufmerksam zu machen. Mit Bescheid vom 09.02.2001 erteilte die Beklagte die für sofort vollziehbar erklärte Auflage, dass die Versammlungsteilnehmer keine Kennzeichen, Symbole, Fahnen sowie sonstige Embleme der verbotenen Organisation PKK tragen und mitführen und Parolen der PKK nicht skandiert werden dürften.

Zur Kundgebung am 14.02.2001 wurde von Teilnehmern ein Bildnis Öcalans entrollt, dass dessen Kopf, aber keine weiteren Embleme zeigte. Die anwesenden Polizeibeamten werteten dies als Verstoß gegen die Auflage und forderten die Teilnehmer der Mahnwache auf, die Bilder zu entfernen, anderenfalls die Versammlung aufgelöst werde. Daraufhin lösten die Teilnehmer die Mahnwache schließlich selbst auf.

Der Kläger meldete am 05.03.2001 für den 20.03.2001 eine Versammlung zum kurdischen Newroz-Fest mit Aufzug in Bremen an. Die Beklagte erließ am 15.03.2001 einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid, ebenfalls mit dem Inhalt der oben genannten Auflage. Mit einem Bescheid, der dem Kläger am 19.03.2001 zuging, untersagte die Beklagte dem Kläger schließlich ausdrücklich, während der Versammlung das Bildnis Öcalans zu zeigen. Am 20.03.2001 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und suchte beim Verwaltungsgericht Bremen um einstweiligen Rechtsschutz nach. Das Verwaltungsgericht stellte mit Beschluss vom selben Tag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs insoweit wieder her, als in dem Bescheid das Zeigen von Öcalan-Bildern untersagt worden war (Az. 4 V 526/01).

Am 22.05.2001 hat der Kläger Klage erhoben. Das Verbot der Beklagten vom 14.02.2001, auf der betreffenden Mahnwache Öcalan-Bilder zu zeigen, sei rechtswidrig. Der Zweck der Veranstaltung, die Bevölkerung auf den inhaftierten Öcalan aufmerksam zu machen, sei sinnvoll nur zu erreichen, wenn die Teilnehmer entweder den Namen des Inhaftierten skandierten, auf einem Transparent benennen oder Bildnisse von ihm zeigen dürften. Wenn die Beklagte eine Mahnwache gestatte, müsse sie den Teilnehmern auch gestatten, auf den Sinn der Wache aufmerksam zu machen. Auf der Veranstaltung vom 20.03.2001 seien keine PKK-Parolen skandiert worden; ein Straftatbestand, insbesondere § 86 a StGB, sei nicht verwirklicht worden. Die Beklagte hat auf die Klage erwidert, die Auflage habe der Verhinderung eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG gedient. Öcalan gelte der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten PKK als maßgebliche Symbolfigur. Erfahrungsgemäß seien die Veranstaltungen des Klägers mit denjenigen der PKK gleichzusetzen. Anlässlich des Newroz-Festes seien Taschenbildnisse Öcalans mit dem ebenfalls darauf abgebildeten, verbotenen PKK-Stern durch Teilnehmer des Aufzuges getragen und PKK-Parolen gerufen worden. Das Zeigen des Bildnisses Öcalans stelle eine Straftat nach § 20 VereinsG dar.

Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung einen Polizeibeamten der Beklagten angehört, der die Veranstaltung am 14.02.2001 als Zivilpolizist beobachtete. Er hat bekundet: Es seien zwei Transparente gezeigt worden, auf dem einen habe "Freiheit für Öcalan, Freiheit für Kurdistan", auf dem anderen sinngemäß "Wollen Sie Krieg? Wir nicht" gestanden. Außerdem sei ein großes Öcalan-Bild ausgerollt worden, auf dem sich dessen Kopf, aber keine weiteren Embleme befunden hätten. Daraufhin sei man eingeschritten, worauf sich die Versammlung selbst aufgelöst habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.2.2003 abgewiesen. Das Verbot, auf den beiden Veranstaltungen Bildnisse Öcalans zu zeigen, sei rechtlich nicht zu beanstanden und von § 15 Abs. 1 VersG gedeckt. Die öffentliche Sicherheit sei gefährdet, wenn gegen Strafvorschriften verstoßen werde. Das Zeigen der Öcalan-Bilder sei strafbar nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 VereinsG. Das Bildnis Öcalans sei wegen der besonderen Wirkung und Bedeutung Öcalans für die PKK ein Kennzeichen dieser einem Betätigungsverbot unterliegenden Vereinigung. Etwas Anderes könne dann gelten, wenn gegen die Verhaftung oder die Haftbedingungen Öcalans protestiert werde und dieser nicht als Repräsentant der PKK, sondern als Opfer von Menschenrechtsverletzungen dargestellt werden solle. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen. Es seien nämlich auch Transparente mit allgemein-politischem Inhalt zur Lage Kurdistans gezeigt worden. Der Kläger habe dadurch gezeigt, dass es nicht nur um Öcalan als Gefangenen, sondern auch um seine Rolle als Symbol der PKK und Kurdistans gegangen sei. Dieser Inhalt ergebe sich auch aus dem Bezug zum Newroz-Fest. Auch in seinem Eilantrag habe der Kläger auf eine Symbolkraft Öcalans für Freiheit, Frieden und Demokratie hingewiesen, was auf dessen Position in der PKK hindeute.

Gegen das Urteil hat der Kläger die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung der Berufung vor:

Das Verwaltungsgericht setze die Kritik an den politischen Zuständen in der Türkei zu Unrecht einer Werbung für die Ziele der PKK gleich. Es bestünde ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den politischen Verhältnissen und der Inhaftierung bzw. den Haftbedingungen.

Wenn dem Kläger gestattet sei, sich für Öcalan einzusetzen, gehöre hierher auch, die politischen Verhältnisse in der Türkei anzuprangern.

Auch das Newroz-Fest stehe in politischem Kontext, da es auf die Befreiung des kurdischen Volkes von einem Tyrannen zurückgehe. Wenn die Kurden an diesem Tag eine Versammlung durchführten, liege es nahe, auch auf die aktuelle Lage der Kurden aufmerksam zu machen. Dies habe das Verwaltungsgericht fälschlicherweise als Werbung für die PKK gewertet. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe im übrigen inzwischen den Ablauf des Strafverfahrens Öcalans und seine Haftbedingungen beanstandet. Auf diese Mißstände habe bei den Veranstaltungen am 14.2. und 19.3.2001 aufmerksam gemacht werden sollen. Deshalb habe es sich nicht um Werbung für die PKK gehandelt. Selbst wenn das Bild zugleich auch ein Kennzeichen der PKK wäre, so sei der Kläger gleichwohl berechtigt gewesen, es im Rahmen staatsbürgerlicher Aufklärung im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 2 VereinsG zu zeigen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bremen vom 12.2.2003 - 8 K 956/01 - festzustellen, dass

1. die Verfügung der Beklagten vom 14.2.2001, mit der sie dem Kläger untersagte, anläßlich des zweiten Jahrestages der Verhaftung Öcalans auf einer Mahnwache das Bildnis Öcalans zu zeigen, rechtswidrig ist,

2. die Auflage vom 19.3.2001, mit der die Beklagte dem Kläger untersagt hat, auf der Mahnwache vom 20.3.2001 das Bildnis Öcalans zu zeigen, rechtswidrig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe nicht Kritik an Zuständen in der Türkei mit Werbung für Ziele der PKK gleichgesetzt. Es sei vielmehr um den kommunikativen Kontext des Zeigens der Öcalan-Bilder gegangen. Die Bilder Öcalans seien nicht nur zur Darstellung seiner Haftsituation verwendet worden, sondern in anderer Funktion als PKK-Symbole wahrzunehmen gewesen. Auch im Hinblick auf die Bewertung des Newroz-Festes sei das Urteil zutreffend. Auch hier habe die Feststellung der politischen Ausrichtung nur als Anhaltspunkt für die Überprüfung des Öcalan-Bildes gedient.

Dem Oberverwaltungsgericht haben die den Vorgang betreffenden Behördenakten der Beklagten vorgelegen. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, soweit das Urteil darauf beruht.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Die Klage ist - nach Erledigung der dem Kläger erteilten Auflagen - als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig . Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es nicht, die Erledigung ist noch vor Ablauf der Widerspruchsfrist eingetreten. Eine Klagefrist war nicht einzuhalten (BVerwGE 109, 203, 209). Das Verwaltungsgericht hat das besondere Feststellungsinteresse zu Recht in der Wiederholungsgefahr gesehen. Ohne die begehrte Feststellung ist in der Zukunft zu erwarten, dass die Beklagte versammlungsrechtliche Auflagen gegen das Zeigen von Öcalan-Bildern gegenüber dem Kläger erlässt. Unabhängig von der Wiederholungsgefahr ist die Fortsetzungsfeststellungsklage auch wegen des Gewichts des Grundrechtseingriffs zulässig (BVerwG, Urt. v. 23.3.1999 - 1 C 12/97 - NVwZ 1999, 991 m.w.N.).

2.

Das von der Beklagten dem Kläger auferlegte und durchgesetzte Verbot, das Bildnis Öcalans während einer Versammlung zu zeigen, findet seine rechtliche Grundlage in § 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes (VersammlG). Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Auflage erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung ansonsten unmittelbar gefährdet wäre. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, deren Schutzgüter insbesondere durch Strafgesetze und auch durch Ordnungswidrigkeitentatbestände gesichert sind. Die Verbotstatbestände des Vereinsgesetzes gegen eine Betätigung für einen verbotenen oder einen mit Betätigungsverbot belegten Verein unterfallen dem Schutzbereich der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersammlG. Zu diesen Vorschriften gehört § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG, der die Verwendung von Kennzeichen eines mit Betätigungsverbot belegten Vereins unter Strafe stellt.

Kennzeichen sind Organisationsmittel, die durch ihren Symbolwert auf den Vereinszweck hinweisen, den Zusammenhalt der Mitglieder stärken und die Vereinigung von anderen Organisationen unterscheiden (so: Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, V 52, § 9 VereinsG Rn. 3). Dazu zählen insbesondere Symbole oder Erkennungszeichen, deren sich die erfassten Organisationen bedienen oder bedient haben, um propagandistisch auf ihre politischen Ziele hinzuweisen (Rudolphi, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 86 a Rn. 3; auf die zu § 86 a StGB ergangene Rechtsprechung kann zurückgegriffen werden, da die Vorschriften die gleichen Begriffe verwenden und die gleiche Schutzrichtung verfolgen). Auf einen formalen Akt der Kennzeichenbildung durch die Organisation kommt es nicht an (Laufhütte, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 1992, § 86 a Rn. 3). Ein Symbol oder Erkennungszeichen erfüllt den Begriff des Kennzeichens i.S. von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG, wenn es von der Organisation propagandistisch für die Werbung für ihre Ziele eingesetzt und mit ihr identifiziert wird. Das wird in der Regel aufgrund einer häufigeren Verwendung und durch einen eindeutigen sachlichen oder personellen Bezug auf die Organisation eintreten. Ein Kennzeichen ist dadurch geprägt, dass es allgemein und losgelöst von einem einzelnen konkreten Kommunikationszusammenhang als allgemeines Symbol für eine Organisation erkannt und wiedererkannt wird. Auf das Unterbinden dieser Wiedererkennung und damit des Auftretens der Organisation in der Öffentlichkeit zielen die Verbotsnormen des VereinsG. Ob ein Kennzeichen im Sinne des Gesetzes vorliegt, hängt somit entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht von dem kommunikativen Gebrauchs des Bildes in jedem Einzelfall ab, sondern von dessen allgemeiner Kenntlichkeit und Zuordnung zu der Vereinigung.

Auch § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG bestätigt, dass für den Kennzeichenbegriff nicht auf den einzelnen Verwendungszusammenhang abzustellen ist. Diese Vorschrift setzt nämlich bereits voraus, dass ein Gegenstand ein Kennzeichen i.S. des Gesetzes ist. Für die grundsätzlich verbotene Verwendung des Kennzeichens begründet das Gesetz lediglich einen Ausnahmetatbestand, wenn die Verwendung im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, zur Abwehr verfassungswidriger Bestrebung oder ähnlicher Zwecke erfolgt.

Grundsätzlich sind auch Bildnisse politischer Persönlichkeiten geeignet, als Kennzeichen für Vereinigungen zu fungieren (BGH, Urt. v. 9.8.1965 - 1 STE 1/65 -, MDR 1965, 923; bestätigt durch BGHSt 29, 73, 83; ebenso OLG Schleswig, Urt. v. 14.12.1977 - 1 Ss 706/77 - MDR 1978, 333). Bilder sind Kennzeichen im Sinne des VereinsG, wenn sie die Identifikation mit der Person und der Organisation zum Ziel haben; dies ist in aller Regel der Fall, wenn die Personen in propagandistischer Weise abgebildet sind, die Bilder also eine positive Identifikation anstreben, indem die Person in Führer- oder Heldenpose oder in vergleichbarer Weise dargestellt wird. Sie können diese Funktion insbesondere bei nach dem Führerprinzip organisierten Vereinigungen erlangen, bei denen die Verehrung der Führerpersönlichkeit wesentliche Bedeutung für den inneren Zusammenhalt und die Außendarstellung hat. Das Bildnis zeigt den Betreffenden deshalb regelmäßig in einer Pose oder Situation, die Führereigenschaften symbolisieren soll. Diese propagandistische Darstellung unterscheidet das Kennzeichen von der schlichten zeitdokumentarischen Abbildung des Betreffenden.

3.1.

Das hier streitige Bildnis Öcalans war in diesem Sinne im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ein Kennzeichen für die PKK. Das folgt aus dessen alleinbeherrschender Stellung in der Partei und der entsprechenden Außendarstellung alleiniger Führer und als Identifikationsperson für die PKK und deren Ziele. Öcalan gründete die PKK und entwickelte sich in den folgenden Jahren zu ihrer unumstrittenen Führungsfigur. In der Öffentlichkeit hat die PKK ihren Führer Öcalan beherrschend und zentral in den Mittelpunkt gestellt. Deshalb ist der Schluss gerechtfertigt, Öcalan verkörpere selbst die PKK und sei eine besondere Symbolfigur, die neben dem "klassischen" Symbol der PKK (fünfzackiger Stern mit Hammer und Sichel, umrandet mit dem Schriftzug der PKK) als Sinnbild für die Ziele der Vereinigung stehe.

Dies gilt auch für die Zeit nach seiner Verhaftung im Jahre 1999 und jedenfalls bis zum hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt (2001). Seine Person und seine Bildnisse wurden weiterhin mit dem Auftreten der PKK identifiziert. Das belegen die mit Schriftsatz der Beklagten vom 27.5.2005 vorgelegten Dokumente. Die Tätigkeit der PKK war auch nach der Inhaftierung Öcalans eng mit seiner Person verbunden, er hat selbst durch persönliche Erklärungen zur Politik der PKK und der Nachfolgeorganisationen seinen engen Bezug zu der Organisation und seinen Einfluss aufrecht erhalten. Er blieb uneingeschränkt Führungspersönlichkeit der PKK.

3.2.

Das Zeigen der Bildnisse bzw. großformatigen Fotos Öcalans im Rahmen der Versammlungen stellt auch ein "Verwenden" i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VereinsG dar. "Verwenden" ist umfassend zu verstehen als jegliches Gebrauchmachen von einem Kennzeichen, ohne dass es auf die Absicht des Handelnden ankäme (Laufhütte, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 1992, § 86a Rn. 7 m. w. N.; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, V 52, § 9 Rn. 5). Insbesondere ist nicht erforderlich, dass das Kennzeichen unter besonderen Umständen gezeigt wird, die als Bekenntnis zu den Zielen der verbotenen Organisation aufgefasst werden könnten (so Rudolphi, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 86a Rn. 6; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 86a Rn. 6). Das Kennzeichen soll grundsätzlich vollständig aus dem öffentlichen Leben verbannt werden (vg. BGHSt 23, 267, 268; 25, 30, 31: abstraktes Gefährdungsdelikt; hierzu auch Laufhütte, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 1992, § 86 a Rn. 7). Bestraft werden soll die abstrakte Gefahr einer inhaltlichen Identifizierung mit dem Bedeutungsgehalt symbolträchtiger Kennzeichen (Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, § 86a Rn. 2) von Organisationen mit Betätigungsverbot. Eine solche abstrakte Gefahr ist aber auch dann vorhanden, wenn ein Kennzeichen mit dem berechtigten Anliegen gezeigt wird, um auf eine bestimmte Situation aufmerksam zu machen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gebrauch des Kennzeichens den Schutzzwecken des Gesetzes ersichtlich nicht zuwiderläuft (BGHSt 25, 33; vgl. hierzu Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, § 86a Rn. 18; weitere Nachweise bei Laufhütte, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 1992, § 86a Rn. 7). Das hat der BGH mit Bezug auf die Gesetzgebungsgeschichte etwa angenommen bei einer offenkundig bloß scherzhaften Verwendung des Kennzeichens (BGHSt 25, 33 f.). Vergleichbare Umstände liegen hier nicht vor.

3.3.

Die Verwendung des Kennzeichens ist hier auch nicht ausnahmsweise nach §§ 20 Abs. 1 Satz 2; 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG erlaubt gewesen. § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG läßt die Verwendung von Kennzeichen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen und ähnlicher Zwecke zu. Es gestattet damit das Verwenden im Grundsatz verbotener Kennzeichen zu "sozialadäquaten" Zwecken (Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, V 52, § 9 VereinsG Rn. 16). Im "Rahmen staatsbürgerlicher Aufklärung" hält sich eine Verwendung von Kennzeichen, die der Vermittlung von Wissen zur Anregung der politischen Willensbildung und Verantwortungsbereitschaft der Staatsbürger durch Information dient (Laufhütte, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 1992, § 86 Rn. 20). Eine "Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen" wird verfolgt, wenn das Kennzeichen gezielt zur Bekämpfung der verbotenen Vereinigung eingesetzt wird. Die Verwendung muss sich in beiden Fällen in ihrer Äußerungsform von der allgemeinen Verwendung des Bildnisses als politisches Symbol abheben.

§ 9 Abs. 1 S. 2 VereinsG läßt die Verwendung des Kennzeichens darüber hinaus für Zwecke zu, die den ersten beiden Tatbestandsmerkmalen "ähnlich" sind. Das Kennzeichen darf danach über die enge Zweckrichtung einer "aufklärenden Abschreckung" hinaus auch für Zwecke der Kunst, der Wissenschaft, der Forschung und Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens und der Geschichte verwendet werden (Rudolphi, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 86a Rn. 10; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 86a Rn. 6; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, Rn. 20 ff. zu § 86 a m.w.N.). Die Vorschrift ist insoweit mit Blick auf die grundrechtlichen Freiheiten auszulegen (so für § 86 Abs. 3 StGB: Laufhütte, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 1992, § 86 Rn. 19). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zum Grundrecht der Meinungsfreiheit müssen grundrechtsbeschränkende Gesetze "ihrerseits aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden ..." (BVerfGE 7, 198, 208 f.; diese Verknüpfung stellt für § 86 Abs. 3 StGB ausdrücklich her: Laufhütte, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 1992, § 86 Rn. 19). Als Ausprägung dieser Einschränkung für grundrechtsbeschränkende Gesetze ist § 9 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative VereinsG anzusehen. Bei Meinungsäußerungen, die erkennbar keinen Zusammenhang zum Organisationsbereich der betroffenen Vereinigung oder deren Wirken aufweisen, kann die Verwendung von Öcalan-Bildern deshalb im Einzelfall "sozialadäquat" sein. Bei einer Mahnwache, die ohne Zusammenhang zu PKK-nahen Aktivitäten allein die persönliche Situation des Gefangenen Öcalan zum Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung machen will, ist es nicht in jedem Fall verboten, Bilder seiner Person zu zeigen.

Ein solcher "ähnlicher Zweck" wurde hier mit der Verwendung des Kennzeichens aber nicht verfolgt. Das Kennzeichen "dient" nur dann den in § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG genannten Zwecken, wenn der sozialadäquate Zweck zumindest überwiegend gefördert wird. Eine Verwendung zur Förderung der verfassungsfeindlichen Ziele der Kennzeichen kann durch den Ausnahmetatbestand nicht legitimiert werden (Laufhütte, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 1992, § 86 Rn. 21). Das Bildnis Öcalans ist hier nicht allein zur Aufklärung der persönlichen Lage Öcalans verwendet worden, sondern im wesentlichen in einem Zusammenhang, der von der Öffentlichkeit als allgemeine Werbung für die PKK verstanden werden kann. Das Verwaltungsgericht sieht eine Werbung für die Ziele der PKK zu Recht in der Verbindung zu allgemein politischen Zielen durch die Transparente "Wollen Sie Krieg? Wir nicht" und "Freiheit für Öcalan - Freiheit für Kurdistan". Diese Transparente treffen eine allgemeinpolitische Aussage zur Lage in Kurdistan; sie haben sich damit von dem Zweck gelöst, zu dem die Verwendung des Öcalan-Bildes ausnahmsweise zugelassen ist. Denn das Verwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass Öcalan in Verbindung damit geradezu klassisch als Symbol der PKK dargestellt wird, die sich als Vertreterin Kurdistans sieht. Die Gesamtausrichtung der Versammlung lässt eine strikten Trennung der Verwendung des Symbols von den allgemeinen Zielen der PKK vermissen und dient letztlich dazu, ihr trotz des Betätigungsverbots das weitere Auftreten in der Öffentlichkeit zu ermöglichen. Das Auftreten in der Öffentlichkeit und eine ungehinderte Wiederbelebung sollen durch das Betätigungsverbot aber gerade unterbunden werden (Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, § 86 a Rn. 2). Im Ergebnis ist der Ausnahmetatbestand des § 9 Abs. 1 S. 2 VereinsG für die "Mahnwache" am 14.02.2001 damit nicht mehr gegeben.

Nach alledem konnte das angegriffene Verbot auf § 15 Abs. 1 VersammlG i. V. m. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VereinsG gestützt werden.

Außerdem findet das Verbot auch in § 15 Abs. 1 VersammlG i. V. m. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 VereinsG eine rechtliche Grundlage. Denn der Bundesminister des Innern hat in seiner Verfügung über das Betätigungsverbot der PKK ausdrücklich auch das Verwenden ihrer Kennzeichen verboten und dies damit in den Rang der Betätigung i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 VereinsG gehoben.

Entsprechendes gilt für die Auflage zur Versammlung am 20.3.2001 anläßlich des kurdischen Newroz-Festes. Der Kläger trägt selbst vor, dass eine enge Verbindung zwischen dem traditionellen kurdischen Neujahrsfest und der allgemeinen politischen Lage der Kurden besteht und die Veranstaltung des Festes durch Umzüge und Versammlungen damit auch Bedeutung für die aktuelle kurdische Unabhängigkeitsbewegung hat. Das belegen im einzelnen auch die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 29.7.2005 vorgelegten Dokumente, die sich mehrfach auf das Newrozfest beziehen und verdeutlichen, das die Aktivitäten zum Newrozfest im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ebenfalls in engem Zusammenhang zur Tätigkeit der PKK standen (Bl. 104 bis 106 der Gerichtsakte). Im Rahmen des Newroz-Festes werden mit dem Verwenden des Öcalan-Bildnisses damit gerade die klassischen Ziele der PKK beworben. Es sind keine anerkennenswerten "Zwecke" i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 2 VereinsG ersichtlich, welchen die Verwendung eines Öcalan-Bildes dienen könnte. Es ist nämlich nicht schon nicht ersichtlich gewesen, unter welchen Umständen der Kläger das Bildnis Öcalans ohne Zusammenhang zu den Zielen der PKK hätte verwenden wollen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs.2 Nr.1 VwGO zuzulassen. Die für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erhebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen die Versammlungsbehörde nach §§ 15 Abs. 1 VersammlG i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG das Zeigen von Bildern von Personen als Kennzeichen eines mit Betätigungsverbot belegten Vereins in Versammlungen und Aufzügen untersagen kann, insbesondere unter welchen Umständen Ausnahmen vom Verwendungsverbot zugelassen sind, ist von allgemeiner Bedeutung und bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 8.000,00 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15.12.1975 -BGBl. I S 3047 - zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12.3.2004 - BGBl. I S. 390 - i.V.m. § 72 Satz 1 Nr. 1 GKG i.d.F. des KostRModG v. 5.5.2004 - BGBl. I S. 718, 731).

Ende der Entscheidung

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