Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 03.09.2009
Aktenzeichen: 1 B 215/09
Rechtsgebiete: BremPolG, OG Öffentliche Ordnung


Vorschriften:

BremPolG § 23
OG Öffentliche Ordnung § 6 Abs. 1b
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Hund, der wegen seines Bellens unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen verursacht, sichergestellt werden darf.
OVG: 1 B 215/09 OVG: 1 B 216/09

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssachen

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Göbel, Prof. Alexy und Dr. Bauer am 03.09.2009 beschlossen:

Tenor:

Die Verfahren 1 B 215/09 und 1 B 216/09 werden verbunden und unter dem Aktenzeichen 1 B 215/09 fortgeführt.

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der unter dem Aktenzeichen 5 V 626/09 ergangene Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 5. Kammer - vom 26.06.2009 aufgehoben.

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den unter dem Aktenzeichen 5 V 669/09 ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 5. Kammer - vom 26.06.2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller jeweils zur Hälfte. Das gilt auch für die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

Die Streitwertfestsetzung wird für beide Instanzen auf 5.000,00 Euro festgelegt; insoweit wird die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts abgeändert.

Gründe:

1.

Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 93 S. 1 VwGO.

2.

Hinsichtlich des unter dem Aktenzeichen 5 V 626/09 ergangenen Beschlusses vom 26.06.2009 ist die Beschwerde der Antragsteller erfolgreich.

Mit diesem Beschluss hat das Verwaltungsgericht den am 13.05.2009 von den Antragstellern gestellten, auf Herausgabe der am 04.05.2009 von der Antragsgegnerin sichergestellten beiden Dobermannhunde gerichteten Eilantrag als unzulässig abgewiesen. Bei diesem Antrag handele es sich, so das Verwaltungsgericht, entgegen seiner ausdrücklichen Bezeichnung nicht um einen Antrag nach § 123 VwGO, sondern um einen Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO auf Aufhebung der Vollziehung. Für diesen Antrag sei das Rechtschutzbedürfnis entfallen, nachdem die Antragsgegnerin mit Bescheiden vom 26.05.2009 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gegenüber den Antragstellern die Sicherstellung bestätigt habe und die Antragsteller hiergegen am 27.05.2009 einen weiteren Eilantrag gestellt hätten, der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche sowie erneut auf die Herausgabe der Hunde gerichtet sei.

...

Dieser Beschluss kann keinen Bestand haben. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts haben die Antragsteller nicht nacheinander zwei selbstständig zu betrachtende Eilanträge gestellt. Sie haben vielmehr jeweils nur einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes anhängig gemacht.

Sollte es sich, wie das Verwaltungsgericht meint, wegen einer am 04.05.2009 getroffenen - und als Verwaltungsakt zu qualifizierenden - Anordnung der Sicherstellung bereits bei den Anträgen vom 13.05.2009 um Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gehandelt haben, besteht kein vernünftiger Grund dafür, die am 27.05.2009 nach Erlass der Bestätigungsbescheide gestellten Aussetzungsanträge als eigenständige, neue Rechtschutzbegehren zu qualifizieren. Die Antragsteller haben insoweit lediglich darauf reagiert, dass die Antragsgegnerin ihnen gegenüber nachträglich unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Sicherstellung bestätigt hatte. Sie haben den ursprünglichen Antrag entsprechend ergänzt.

Sollten die am 13.05.2009 gestellten Anträge demgegenüber entsprechend ihrer ausdrücklichen Bezeichnung als Anträge nach § 123 VwGO zu qualifizieren sein, würde nicht anderes gelten. In diesem Fall wäre davon auszugehen, dass die Antragsteller ihr ursprüngliches Anordnungsbegehren nach Erlass der genannten Bestätigungsbescheide auf das nunmehr allein statthafte Aussetzungsbegehren umgestellt haben.

3.

Hinsichtlich des unter dem Aktenzeichen 5 V 669/09 ergangenen Beschlusses vom 26.06.2009 bleibt die Beschwerde der Antragsteller erfolglos. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss abzuändern.

a) Zwar teilt das Oberverwaltungsgericht nicht die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass der Aussetzungsantrag des Antragstellers zu 2. unzulässig ist. Er ist bereits deshalb zulässig, weil der Antragsteller zu 2. sich gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt wehrt, nämlich den am 26.05.2009 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ergangenen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem die Sicherstellung des Dobermannhundes mit der Hundesteuermarke 2... bestätigt und zudem die Fortdauer der Sicherstellung angeordnet wurde. Bereits dieser Umstand begründet eine ausreichende Beschwer für das Aussetzungsverfahren.

Unabhängig davon sieht das Oberverwaltungsgericht auch bislang keinen hinreichenden Anlass, an der Behauptung des Antragstellers zu 2. zu zweifeln, er habe mit Kaufvertrag vom 07.03.2009 den genannten Hund erworben. Der Antragsteller zu 2. hat unter Berufung auf diesen Kaufvertrag nach der Sicherstellung gegenüber der Antragsgegnerin die Herausgabe des Hundes an sich verlangt. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller dementsprechend, wie der Bescheid vom 26.05.2009 verdeutlicht, als eine für den Hund nach § 6 Abs. 2 S. 1 BremPolG polizeilich verantwortliche Person angesehen. Auch unter diesem Gesichtspunkt lässt sich die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2. schwerlich verneinen. Ob daneben noch weitere Personen zustandsverantwortlich nach § 6 Abs. 1 BremPolG sind - etwa der Inhaber der Gaststätte, in deren Hof die Tiere gehalten wurden, oder dessen Bruder - mag hier dahinstehen.

b) Der Aussetzungsantrag ist aber - sowohl im Hinblick auf den Antragsteller zu 1. als auch auf den Antragsteller zu 2. - unbegründet. Beim derzeitigen Sachstand drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass die am 04.05.2009 erfolgte Sicherstellung der beiden Hunde zu Recht erfolgt ist und die amtliche Verwahrung der Tiere auch zu Recht fortdauert. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung das gegenläufige Interesse der Antragsteller.

Gemäß § 23 Nr. 2 BremPolG darf die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Im vorliegenden Fall wurde die öffentliche Sicherheit dadurch verletzt, dass gravierend und andauernd gegen § 6 Abs. 1b des Ortsgesetzes über die öffentliche Ordnung vom 27.09.1994 (BremGBl. Seite 277), zuletzt geändert durch Ortsgesetz vom 26.01.2006 (BremGBl. Seite 51), verstoßen wurde. Nach dieser Vorschrift sind Tiere so zu halten, dass andere Personen durch Geräusche nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Aufgrund des Verhaltens der Beteiligten muss davon ausgegangen werden, dass auch in Zukunft derartige Rechtsverstöße unmittelbar drohen.

aa) Die beiden Dobermannhunde werden seit Frühjahr 2007 zur Bewachung des Grundstücks ... straße ... eingesetzt. Das Grundstück wird mit einer Gaststätte gewerblich genutzt; im hinteren Teil werden in einem Nebengebäude Spielautomaten gelagert. Es grenzt rückwärtig an Wohnbebauung. Seit Mai 2007 ist es zu massiven Anwohnerbeschwerden über das anhaltende Gebell der beiden sich im Hinterhof aufhaltenden Hunde gekommen. Mit Bescheid vom 22.08.2007 untersagte die Antragsgegnerin dem Bruder des Inhabers der Gaststätte die Haltung von Hunden auf dem Grundstück. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Hunde sind im Folgenden nicht entfernt worden, sondern es kam zwischen Januar und Mai 2008 zu weiteren massiven Anwohnerbeschwerden. Im April 2009 wandten sich die Anwohner erneut wegen des von den Hunden verursachten Lärms an die Antragsgegnerin.

Die Anwohnerbeschwerden sind konkret und detailliert. Sie sind in der Behördenakte im Einzelnen dokumentiert. Danach kann kein Zweifel daran bestehen, dass die beiden Hunde über eine lange Zeit hinweg sowohl tags als auch nachts unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen verursacht haben.

Der Vortrag der Antragsteller, im April 2009 sei lediglich "eine einzige Lärmbelästigung" von den Hunden ausgegangen, trifft ersichtlich nicht zu. In der Anwohnerbeschwerde vom 13.04.2009 wird ausgeführt, dass die Tiere, nachdem es im Winter erheblich ruhiger gewesen sei, seit einigen Wochen wieder tagtäglich, auch an Wochenenden, auf dem Hinterhof und der Werkstatt eingesperrt seien und dort, teilweise auch nachts, bellen würden. Für den Zeitraum vom 04.04.2009 bis 12.04.2009 sind die Lärmbeeinträchtigungen im Einzelnen dokumentiert. Am Tage des ersten Sicherstellungsversuchs, am 24.04.2009, wurde von den Mitarbeitern der Antragsgegnerin ebenfalls ein lautes Bellen der Hunde verzeichnet. Gleiches gilt für den 04.05.2009, den Tag der Sicherstellung.

bb) Es muss damit gerechnet werden, dass auch für die Zukunft entsprechende Lärmbeeinträchtigungen unmittelbar drohen. Der Antragsteller zu 1., dem der Dobermannhund mit der Hundesteuermarke 1... gehört und der in der Gaststätte beschäftigt ist, hat in der Vergangenheit nicht verhindert, dass sein Hund im Hof der Gaststätte fortdauernd unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen verursacht hat. Er hat bislang nicht vorgetragen, wie er für die Zukunft verlässlich eine Fortsetzung dieser Lärmbeeinträchtigungen ausschließen will. Das gilt auch für den Antragsteller zu 2., der mit Kaufvertrag vom 07.03.2009 den Dobermannhund mit der Hundesteuermarke 2... vom Bruder des Inhabers der Gaststätte erworben hat, wobei an dieser Stelle dahinstehen mag, in welcher Beziehung er zu diesem bzw. dem Inhaber der Gaststätte steht. Denn der Eigentumswechsel hat jedenfalls nichts an dem weiteren Aufenthalt des Tieres auf dem Gaststättengrundstück geändert; auch hat er die erneuten erheblichen Lärmbelästigungen von April 2009 nicht verhindert. Insoweit fehlt ebenfalls jeglicher konkreter Vortrag dafür, wie eine Fortsetzung der Lärmbeeinträchtigungen ausgeschlossen werden soll.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 S. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung und -abänderung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 63 Abs. 3 S. 1 GKG. Sie orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt bei Kopp / Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, Anh. § 164 Nr. 35.2). Mit Rücksicht darauf, dass es sich vorliegend um ein Verfahren vorläufigen Rechtschutzes handelt, setzt das Oberverwaltungsgericht für jeden Hund die Hälfte des Auffangwertes fest.

Ende der Entscheidung

Zurück