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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 18.02.2004
Aktenzeichen: 1 B 454/03
Rechtsgebiete: KapVO, LVVO, HRG


Vorschriften:

KapVO § 9
LVVO § 4
HRG § 57 a ff.
1. Die Lehrverpflichtung befristet angestellter wissenschaftlicher Mitarbeiter ist auch nach der Neuregelung des § 57 a ff. HRG grundsätzlich mit höchstens 4 SWS in die Kapazitätsberechnung einzustellen.

2. Zur Kapazitätsberechnung für den Studiengang Psychologie an der Universität Bremen im WS 03/04.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen OVG: 1 B 454/03

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 18.02.2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 6. Kammer - vom 26.11.2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren ebenfalls auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erstrebt die Zulassung zum Studienfach Psychologie an der Universität Bremen. Für dieses Studienfach ist die Aufnahmezahl zum Wintersemester 03/04 durch Rechtsverordnung auf 172 Studienanfänger festgelegt worden. 3 Studienplätze sind von der Universität im Nachherein zusätzlich vergeben worden (1 aufgrund einer von der Universität im September 2003 durchgeführten Neuberechnung der Ausbildungskapazität; 2 aufgrund der Nichtannahme von Studienplätzen in dem Studiengang Pflegewissenschaft).

Auf die Eilanträge von 99 abgewiesenen Studienbewerbern - darunter die Antragstellerin - hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Aufnahmekapazität des Studiengangs sich auf 182 Studienplätze belaufe. Bei der Verlosung der 7 noch freien Studienplätze blieb die Antragstellerin erfolglos. Ihre Beschwerde begründet sie damit, dass auch mit 182 Studienplätzen die Kapazität des Studiengangs noch nicht ausgeschöpft sei.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die in der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich das OVG zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass über die vom Verwaltungsgericht festgestellten Studienplätze hinaus noch weitere Ausbildungskapazität im Studiengang Psychologie vorhanden ist.

1. Die Antragstellerin macht geltend, das Lehrdeputat der wissenschaftlichen Mitarbeiter des Studiengangs sei insgesamt zu niedrig in die Kapazitätsberechnung eingestellt worden, deshalb sei die Aufnahmekapazität in Wahrheit höher als vom Verwaltungsgericht angenommen.

Dieser Ansicht vermag das OVG nicht zu folgen.

Für die Lehrverpflichtung wissenschaftlicher Mitarbeiter enthält § 4 Nr. 3 der Lehrverpflichtungsverordnung vom 22.07.2002 (BremGBl. S. 321) - LVVO - Richtwerte. Die Verordnung unterscheidet danach, ob die wissenschaftlichen Mitarbeiter in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen (Lehrverpflichtung von höchstens 8 Semesterwochenstunden) oder in befristeten Beschäftigungsverhältnissen (Lehrverpflichtung von höchstens 4 Semesterwochenstunden) stehen. Es handelt sich jeweils um Obergrenzen, von denen im Einzelfall nach Maßgabe des jeweiligen Anstellungsvertrages abgewichen werden kann (vgl. OVG Bremen, B. v. 23.02.2001 - 1 B 46/01 - NvWZ RR 2002, S. 749). Die genannten Richtwerte entsprechen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, der Vereinbarung der Kultusminister und -senatoren über die Lehrverpflichtung an Hochschulen (Beschluss v. 12.06.2003). Sie knüpfen zudem an den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben zur kapazitätsrechtlichen Einstufung von wissenschaftlichen Mitarbeitern an (vgl. dazu Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, S. 71 f. m. w. N.). Dabei leuchtet die unterschiedliche Behandlung von unbefristet und befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern unmittelbar ein. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass letztere sich typischerweise noch in der Phase weiterer wissenschaftlicher Qualifizierung befinden, woraus ein besonderes Bedürfnis nach Fort- und Weiterbildung resultiert. Die Differenzierung findet zudem in § 23 Abs. 4 BremHG eine gesetzliche Grundlage.

Das dem § 4 Nr. 3 LVVO zugrundeliegende Konzept wird nicht durch die Neuregelung der §§ 57 a ff. HRG (Gesetz vom 16.02.2002, BGBl. I, S. 693) in Frage gestellt. Die Neuregelung erleichtert im Hinblick auf die erforderliche sachliche Begründung den Abschluss befristeter Anstellungsverträge mit wissenschaftlichen Mitarbeitern, beschränkt andererseits aber in Bezug auf die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses den Spielraum der Hochschulen.

Sie verfolgt u. a. den Zweck, die Anstellung enger an die Qualifizierungsphase des Betreffenden zu knüpfen. Den neuen Vorschriften kann nicht entnommen werden, dass der Aufgabenbereich befristet angestellter wissenschaftlicher Mitarbeiter - im Sinne einer stärkeren Heranziehung zur Lehre - neu geregelt werden sollte.

Aus diesem Grunde besteht entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch kein Anlass, während der Dauer des befristeten Beschäftigungsverhältnisses nach dem im Einzelfall erreichten Stand der wissenschaftlichen Weiterbildung zu differenzieren und etwa nach Fertigstellung der Dissertation das Lehrdeputat von 4 SWS "angemessen zu erhöhen".

Nach seinem gruppentypischen Profil, das durch die Neuregelung der §§ 57 a ff. HRG gerade noch unterstrichen worden ist, dient das befristete Beschäftigungsverhältnis vielmehr während seiner gesamten Dauer der wissenschaftlichen Qualifizierung des Betreffenden (vgl. Preis, Die Neuordnung der befristeten Arbeitsverhältnisse im Hochschulbereich, NJW 2002, S. 927). Dass diese Qualifizierung nach dem Anfertigen einer Dissertation im wesentlichen abgeschlossen wäre, kann nicht angenommen werden.

2. Die Einwände, die die Antragstellerin gegen den vom Verwaltungsgericht zugrundegelegten Curikularnormwert (CNW) richtet, dringen nicht durch.

Der CNW für den Studiengang Psychologie ist durch Rechtsverordnung auf 4,0 festgelegt (Verordnung vom 29.04.2003, BremGBl. S. 2003). Das Verwaltungsgericht hat näher ausgeführt, wie dieser Wert abgeleitet worden ist: Er geht auf einen "ZVS-Beispielstundenplan Psychologie Diplom" zurück, der zwischen den Bundesländern abgestimmt worden ist und der Grundlage für die Beschlussfassung im Verwaltungsausschuss der ZVS war, bundeseinheitlich für den Studiengang Psychologie eine CNW von 4,0 anzuwenden. Der Studien- und Prüfungsordnung der Antragsgegnerin für den Studiengang Psychologie liegen - wie das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt hat - die Parameter des ZVS-Beispiel-Stundenplans zugrunde. Damit ist der durchschnittliche Ausbildungsaufwand, der für den einzelnen Studenten bis zu seinem berufsqualifizierenden Abschluss zu erbringen ist, normativ vorgegeben. Anhaltspunkte dafür, dass der tatsächliche Ausbildungsbetrieb dieser Vorgabe nicht genügt, sind nicht ersichtlich.

Den Lehrimport, den der Studiengang Psychologie aus anderen Lehreinheiten bezieht, hat das Verwaltungsgericht mit einem Wert von 0,1333 berücksichtigt. In dem angefochtenen Beschluss wird die Ableitung diese Wertes erläutert. In die abschließende Berechnung des Verwaltungsgerichts zur Eermittlung der Aufnahmekapazität ist aus diesem Grund als Divisor ein Wert von 3,8667 (4,0 minus 0,1333) eingegangen.

3. Keinen rechtlichen Bedenken begegnet die vom Verwaltungsgericht angenommene Schwundquote. Das Verwaltungsgericht hat die Schwundquote auf eine Studienverlaufsstatistik der Studienjahrgänge Wintersemester 96/97, Wintersemester 97/98 und Wintersemester 98/99 gestützt und ist dabei - ebenso wie die Hochschule in einer Neuberechnung - zu einer Quote von 1,1545 gelangt. Dieses Vorgehen kann nicht beanstandet werden.

Bei der Bestimmung der Schwundquote handelt es sich um eine Prognose. Zu verlangen ist, dass die Prognose auf ein empirisch abgesichertes Datenmaterial gestützt wird, das taugliche Aussagen über die zukünftige Entwicklung zulässt.

Die hier vorgenommene Auswertung des Studierverhaltens von drei Studienanfängerjahrgängen genügt diesen Anforderungen. Anhaltspunkte, die die Plausibilität der Prognose - im Sinne eines höheren Schwundes - in Zweifel ziehen könnten, sind nicht ersichtlich.

Auch die Beschwerde zeigt diesbezüglich Ansatzpunkte für eine Korrektur nicht auf.

Die von der Antragsgegnerin vorgelegte Belegungsstatistik ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als eine geeignete Grundlage für eine Auswertung des Studienverlaufs angesehen worden. Diese Belegungsstatistik ist von der Antragsgegnerin in einer - dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin inzwischen vorliegenden - Stellungnahme vom 17.11.2003 erläutert worden. Das Verwaltungsgericht hat das Datenwerk nochmals ausdrücklich in seinem Beschluss zusammengestellt. Es lässt schlüssige Ableitungen für die hier maßgebliche Fragestellung zu. Ebenfalls kann nicht beanstandet werden, dass das Verwaltungsgericht maßgeblich auf die tatsächlichen Einschreibungszahlen für die jeweiligen Semester abgestellt hat. Die gilt schließlich auch für den Ansatz einer Regelstudienzeit von 9 Semestern; denn für die betreffenden Anfängerjahrgänge war dies die vorgeschriebene Studienzeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.



Ende der Entscheidung

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