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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 02.03.2004
Aktenzeichen: 1 B 79/04
Rechtsgebiete: BremLV, Gesetz über das Verfahren beim Bürgerantrag


Vorschriften:

BremLV Art. 87 Abs. 2
Gesetz über das Verfahren beim Bürgerantrag
1. Der Streit um Rechte aus einem Bürgerantrag in der Stadtgemeinde ist ein Kommunalverfassungsstreit

2. Das Recht und die Pflicht der Stadtbürgerschaft, eine Sachentscheidung über den Bürgerantrag zu treffen, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass andere Organe der Stadtgemeinde vor der Sachentscheidung vollendete Tatsachen schaffen. Diese sind vielmehr verpflichtet, auf das Verfahren über den Bürgerantrag Rücksicht zu nehmen.

3. Überweist die Stadtbürgerschaft einen Bürgerantrag zum Zweck der Anhörung der Vertrauensperson an eine Deputation, ist der Antrag in der Deputation auch dann zügig zu behandeln, wenn die Stadtbürgerschaft der Deputation keine Frist gesetzt hat.

4. Ein Anspruch auf Unterlassung von Bauarbeiten, die einen Teil des Bürgerantrags betreffen, kann entfallen, wenn die Stadtbürgerschaft einen Stopp der Bauarbeiten auf einen Dringlichkeitsantrag hin ablehnt.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen OVG: 1 B 79/04

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 02.03.2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 1. Kammer - vom 26.02.2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Stadtgemeinde Bremen.

Der Streitwert wird unter entsprechender Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses für beide Instanzen auf jeweils 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

A.

1.

Die Antragstellerin ist Vertrauensperson des Bürgerantrags "Flächen-, Verkehrs- und Baupolitik".

Der Antrag begehrt von der Stadtbürgerschaft der Stadtgemeinde Bremen die Beschlussfassung über fünf Grundsätze zur Flächen-, Verkehrs- und Wohnungsbaupolitik und über zehn Einzelpunkte hinsichtlich konkreter Planungen. Zu den letzteren gehört auch der Antrag, "das urwüchsig und naturbelassene Gelände westlich des Kuhgrabens, die so genannte Uniwildnis, ....als Naherholungsgebiet zu erhalten und die Erweiterung des Bürgerparks über den Stadtwald hinaus als zusammenhängendes Biotop durchzusetzen". Der Bürgerantrag war von mehr als 11.000 Einwohnern unterzeichnet worden. Nachdem der Präsident der Bürgerschaft seine Zulässigkeit geprüft und bejaht hatte, legte er ihn am 16.05.2003 der Stadtbürgerschaft vor (Drs. 15/732 S). In ihrer erster Sitzung vom 03.07.2003 überwies die am 25. 05.2003 neu gewählte 16. Stadtbürgerschaft den Antrag zur Beratung und Berichterstattung an die städtischen Deputationen für Bau und Verkehr (federführend), Umwelt und Energie sowie Wirtschaft und Häfen (Beschlußprotokoll Nr. 16/22 S). In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Deputation für Bau und Verkehr setzte der Antragsgegner den Bürgerantrag zunächst auf die Tagesordnung der Deputationssitzung vom 12.02.2004. Die Beratung dieses Tagesordnungspunktes wurde jedoch ausgesetzt. Eine Behandlung des Bürgerantrags und eine Anhörung der Antragstellerin ist nunmehr für die nächste Sitzung der Deputation am 11.03.2004 geplant.

2.

Der Antragsgegner möchte, gestützt auf entsprechende Beschlüsse des Senats, das Gebiet westlich des Kuhgrabens und östlich des Naturschutzgebiets "Uniwildnis" einschließlich des dort befindlichen Camping-Platzes für die Erweiterung des Technologieparks Universität nutzen.

Dazu ist die Aufstellung eines Bebauungsplans (2310) beschlossen worden. Das Naturschutzgebiet "Uniwildnis" soll erhalten bleiben. Die zwischen der nordwestlichen Grenze des Naturschutzgebiets, dem Stadtwaldsee und dem Hochschulring gelegene Fläche, die durch eine waldartige Vegetation geprägt, Lebensstätte mehrerer geschützter Arten von Vögeln und Amphibien ist und als Erholungsfläche dient, soll durch den Bebauungsplan 2311 als "Sondergebiet (Camping)" ausgewiesen werden und den von seinem bisherigen Standort verdrängten Campingplatz aufnehmen. In ihrer Sitzung vom 12.02.2003 beschloss die Deputation für Bau und Verkehr, den Entwurf des Bebauungsplans 2311 und den Entwurf der entsprechenden Änderung des Flächennutzungsplans öffentlich auszulegen. Mit Bescheid vom 12.02.2004 erteilte der Antragsgegner der WfG Bremer Wirtschaftsförderung GmbH, die für die Stadtgemeinde die Verlegung des Campingplatzes betreibt, eine Befreiung von den Verboten des Bundesnaturschutzgesetzes zum Fällen und Roden von Bäumen im Gebiet des künftigen Bebauungsplans 2311.

3.

Einen Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (Drs. 16/70 S), "das Verfahren zur Westerweiterung des Technologieparks und die damit verbundenen Konsequenzen wie die Verlagerung des Campingplatzes umgehend zu stoppen und keinerlei Maßnahmen zu ergreifen, die der Intention des Bürgerantrags zuwiderlaufen", lehnte die Stadtbürgerschaft in ihrer Sitzung vom 25.02.2003 ab.

4.

Am 26.02.2004 wurde mit den Fäll- und Rodungsarbeiten begonnen. Einen Antrag der Antragstellerin, der Stadtgemeinde im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Arbeiten zu unterlassen bzw. zu unterbinden, bis die Antragstellerin in den mit der Sache befassten Deputationen angehört worden sei und die Stadtbürgerschaft über den Bürgerantrag inhaltlich entschieden habe, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26.02.2004 abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

B.

Die Beschwerde ist unbegründet.

I.

Gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bestehen keine Bedenken.

Anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat, soll die einstweilige Anordnung aber nicht der Sicherung individueller subjektiver Rechte der Antragstellerin gegenüber der Stadtgemeinde Bremen dienen. Es handelt sich vielmehr um einen Kommunalverfassungsstreit, mit dem die Antragstellerin als Vertrauensperson der Unterzeichner des Bürgerantrags eine Rechtsposition, die den Unterzeichnern im Binnenbereich der Stadtgemeinde gesetzlich zugewiesen ist, gegenüber einem Organ der Stadtgemeinde wahren will.

Eine entsprechende Rechtsdurchsetzungsmacht kommt den Unterzeichnern des Bürgerantrags nicht als Privatpersonen, sondern wie einem Organ der Stadtgemeinde zu, weil sie nach dem Gesetz über das Verfahren beim Bürgerantrag als organisationsrechtlich verselbständigter Funktionsträger des gemeindlichen Binnenbereichs (vgl. zu diesem Merkmal Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn 96 zu § 42 Abs. 2) mit innerorganschaftlichen Kompetenzen ausgestattet sind. Sie sind nämlich hinsichtlich des von ihnen unterzeichneten Antrags befugt, an der Willensbildung und Entscheidungsfindung der Stadtbürgerschaft in vergleichbarer Weise wie deren Mitglieder oder Fraktionen mitzuwirken (Fischer, Rechtsschutz der Bürger bei Einwohneranträgen sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, DöV 1996,181 <189>; vgl. auch den Bericht und Antrag des nichtständigen Ausschusses "Reform der Landesverfassung", Bremische Bürgerschaft <Landtag>, Drs. 13/592, S. 7: "Der Vorschlag des Ausschusses erweitert ... das bisher auf Abgeordnete und den Senat begrenzte Recht, Gegenstände auf die Tagesordnung der Bürgerschaft zu bringen."). Diese - organschaftlichen Kompetenzen vergleichbare - Rechtsstellung verteidigen die Unterzeichner des Bürgerantrags gegenüber einem "Kontrastorgan" der Stadtgemeinde, durch deren Handeln sie das ihnen eingeräumte Recht, eine Sachentscheidung der Stadtbürgerschaft über den Bürgerantrag herbeizuführen, vereitelt sehen (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz NVwZ-RR 1995, 411 <412>).

Die Befugnis der Antragstellerin zur Geltendmachung der Rechtsposition der Unterzeichner des Bürgerantrags ergibt sich aus der Rechtsstellung der Vertrauensperson nach § 6 i.V.m. §§ 3 Abs. 3 , 4 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren beim Bürgerantrag. Zwar gelten diese Vorschriften unmittelbar nur für das Verfahren über die Zulässigkeit des Bürgerantrags. Ihr Sinn und Zweck - zu verhindern, dass alle Unterzeichner des Bürgerantrags an Verfahrenshandlungen und -streitigkeiten zu beteiligen sind (vgl. die Gesetzesbegründung, Bremische Bürgerschaft <Landtag>, Drs. 13/1068, S. 3) - gebietet jedoch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auch auf Streitigkeiten nach der Zulassung des Bürgerantrags durch den Präsidenten der Bürgerschaft. Im übrigen zeigt auch § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über das Verfahren beim Bürgerantrag, dass die Funktion der Vertrauensperson nicht mit der Zulassung des Bürgerantrags erloschen ist. Aufgrund der ihr von Gesetzes wegen zukommenden Rechtsstellung ist die Antragstellerin nicht bloße Vertreterin der Unterzeichner, sondern selbst beteiligungsfähig (vgl. zum Charakter der Vertrauenspersonen beim Volksbegehren als Beteiligte in Verfahren vor dem Staatsgerichtshof zuletzt BremStGHE 6, 203 <210>).

Antragsgegner in dem Verfahren ist nicht die Stadtgemeinde Bremen, sondern der Senator für Bau, Umwelt und Verkehr als das Organ der Stadtgemeinde, von dem die Antragstellerin ein bestimmtes Verhalten begehrt, damit ihre Rechtsposition im Binnenbereich der Stadtgemeinde nicht beeinträchtigt wird.

Die Bezeichnung der Beteiligten ist im Rubrum entsprechend zu ändern.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist aber unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner die hier in Streit stehenden Fäll- und Rodungsarbeiten unterlässt bzw. unterbindet. Einen solchen Anordnungsanspruch hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Grundsätzlich können die Rechte, die sich aus dem Gesetz über das Verfahren beim Bürgerantrag ergeben, auch durch einen Unterlassungsanspruch gegen Organe der Stadtgemeinde gesichert werden (1.). Ein solcher Anspruch ist hier jedoch wegen der Beschlussfassung der Stadtbürgerschaft in der Sitzung vom 25.02.2004 nicht (mehr) gegeben (2.).

1.

Die Verfahrensrechte der Unterzeichner eines Bürgerantrags erschöpfen sich nicht darin, dass die Stadtbürgerschaft den Antrag, nachdem seine Zulässigkeit festgestellt worden ist, auf die Tagesordnung ihrer nächsten Sitzung setzt und die Vertrauens-person oder eine von ihr benannte andere Person auf Antrag in der Deputation gehört wird (§ 5 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren beim Bürgerantrag). Der Bürgerantrag zielt darauf ab, die (Stadt-) Bürgerschaft zu verpflichten, sich mit bestimmten Sachverhalten zu beschäftigen (Bericht und Antrag des nichtständigen Ausschusses "Reform der Landesverfassung", Drs. 13/592, S. 7). Dem genügt eine bloße Kenntnisnahme nicht. Die Unterzeichner haben vielmehr, wie in der Begründung des Gesetzes ausdrücklich hervorgehoben wird, einen "Anspruch auf eine Sachentscheidung" (Drs. 13/1068, S. 3). Die Überweisung des Antrags an eine Deputation wird dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. auch Art. 148 Abs.1 Satz 2, 106 LV i.V.m. § 33 Abs. 1 GO Bürgerschaft); sie ist, wenn ein Antrag auf Anhörung gestellt worden ist, sogar geboten. Die Überweisung hat aber nicht zur Folge, dass der Bürgerantrag seine Erledigung in der Deputation findet. Die Deputation hat vielmehr der (Stadt-) Bürgerschaft zu berichten (§ 33 Abs. 3 GO Bürgerschaft), damit diese sodann ihre Beratungen fortsetzt und nach deren Schluss über den Antrag abstimmt (§ 50 GO-Bürgerschaft).

Das Verfahren über den Bürgerantrag entfaltet keine formelle Sperrwirkung in dem Sinne, dass der Senat und die Verwaltungsbehörden bis zur abschließenden Sachentscheidung gehindert wären, ihrerseits Entscheidungen in Angelegenheiten zu treffen, die Gegenstand des Bürgerantrags sind. Eine solche generelle Entscheidungssperre kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sie u.U. weiterreichende Wirkung hätte als eine positive Beschlussfassung der Stadtbürgerschaft über den Bürgerantrag.

Das Recht und die Pflicht der Stadtbürgerschaft, eine Sachentscheidung über den Bürgerantrag zu treffen, würde aber unterlaufen, wenn es im Belieben anderer Organe der Stadtgemeinde stünde, dem Antrag während des Verfahrens dadurch das sachliche Substrat zu entziehen, dass sie vollendete Tatsachen schaffen könnten. Damit würde nicht nur der Stadtbürgerschaft faktisch die Möglichkeit genommen, auf wesentliche kommunalpolitische Fragen Einfluss zu nehmen, es würden auch die Absichten konterkariert, die den Verfassungsgeber 1994 bewogen haben, den Bürgerantrag in die - für die Stadtgemeinde insoweit entsprechend anzuwendende (Art. 148 Abs. 1 Satz 2 LV) - Landesverfassung (Art. 87 Abs. 2) aufzunehmen.

Mit diesem Instrument soll, wie es das OVG Rheinland-Pfalz für den vergleichbaren Einwohnerantrag nach dortigem Kommunalrecht formuliert hat, "einer um sich greifenden Politikverdrossenheit begegnet werden. Die unmittelbaren Mitwirkungsrechte der Bürger würden nicht gestärkt, sondern es würde zu zusätzlicher Enttäuschung führen, wenn nicht einmal ein Minimum eines fairen Verfahrens garantiert wäre, das die Rechte nicht von vornherein zum Leerlaufen verdammt" (NVwZ-RR DöV 1995,411 <413>).

Die Wahrung der Rechte sowohl der Stadtbürgerschaft als auch der Unterzeichner des Bürgerantrags erfordert daher, dass die anderen Organe der Stadtgemeinde bei der Ausübung ihrer Kompetenzen auf diese Rechte Rücksicht nehmen. Eine solche Rücksichtnahmepflicht ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für das Verhalten der Verfassungsorgane des Bundes untereinander aus dem ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Grundsatz der Organtreue entwickelt worden (BVerfGE 35,193 <199>; 35,275 <262>; 90,286 <337f>). Dieser Gedanke ist auf das bremische Verfassungsrecht, das auf das Verhältnis der Organe der Stadtgemeinde zueinander entsprechend anzuwenden ist, zu übertragen. Danach hat sich jedes Organ gegenüber einem anderen so zu verhalten, dass auch dieses seine (kommunal-) verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten verantwortlich und gewissenhaft, frei von Zeitnot und Pressionen ausüben kann (vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1977, S. 110). Dieser Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme des einen Organs entspricht ein Recht auf Rücksichtnahme des anderen Organs.

Das Rücksichtnahmegebot verpflichtet den Antragsgegner zu einer zügigen Behandlung des Bürgerantrags in der von ihm geleiteten Deputation für Bau und Verkehr. Das gilt auch dann, wenn die Stadtbürgerschaft - wie hier - bei der Überweisung an die Deputation von der Möglichkeit abgesehen hat, dieser eine Frist für die Berichterstattung zu setzen (§ 33 Abs. 3 Satz 3 GO Bürgerschaft). Das Gebot zügiger Behandlung bedeutet nicht in jedem Falle, dass über den Antrag bereits in der nächsten Sitzung der Deputation abschließend zu beraten und zu beschließen wäre. Zwar wird dies in der Regel so sein; die besondere Komplexität eines Antrags kann im Einzelfall aber auch ein solches Maß an fachlicher Vorbereitung erfordern, dass diese Zeitvorgabe nicht einzuhalten ist. Das kann auch dann der Fall sein, wenn in einem Bürgerantrag eine solche Vielzahl von unterschiedlichen Einzelanliegen zusammengefasst ist, dass eine ordnungsgemäße Vorbereitung der Deputationssitzung längere Zeit in Anspruch nimmt. In einem derartigen Fall ist aber zu prüfen, ob sich einzelne Anliegen, wenn sie besonders eilbedürftig sind, nicht abtrennen und vorab in der Deputation behandeln lassen. Zu einer solchen Verfahrensweise besteht insbesondere dann Veranlassung, wenn die Verwaltung selbst die Ursachen für die Eilbedürftigkeit setzt, indem sie die Verwirklichung eines Projekts betreibt, das zu verhindern Gegenstand des Bürgerantrags ist. Das Verfahren der Behandlung des Bürgerantrags in der Deputation ist danach so zu führen, dass die Stadtbürgerschaft - jedenfalls noch vor Schaffung vollendeter Tatsachen - Gelegenheit hat, in der Sache noch über den Bürgerantrag zu beschließen. Dazu bestand hier seit Juli 2003 Gelegenheit. Die Deputation hat bislang aber weder über den Bürgerantrag beraten noch die Antragstellerin angehört.

2.

Gleichwohl begründet im vorliegenden Fall die Verfahrenssicherung für den Bürgerantrag keinen Anspruch auf Unterlassung der Rodungsarbeiten, weil sich die Stadtbürgerschaft insoweit mit dem Bürgerantrag befasst und einen Beschluss gefasst hat, der einer Teilbescheidung des Bürgerantrags gleichkommt. Die Stadtbürgerschaft hat in ihrer Sitzung vom 25.02.2004 einen Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN abgelehnt , mit dem der Senat aufgefordert werden sollte, das Verfahren zur Westerweiterung des Technologieparks und die damit verbundenen Konsequenzen wie die Verlagerung des Campingplatzes umgehend zu stoppen und keinerlei Maßnahmen zu ergreifen, die der Intention des Bürgerantrags zuwiderlaufen.

Die Ablehnung dieses Antrags durch die Stadtbürgerschaft ist nicht nur von verfahrensrechtlicher Bedeutung. Sie geht über einen bloßen Interventionsverzicht zur Wahrung der Rechtspositionen der Stadtbürgerschaft und der Unterzeichner des Bürgerantrags gegenüber dem Senat hinaus. Die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags enthält vielmehr zugleich auch eine inhaltliche Billigung des Beginns der Fäll- und Rodungsarbeiten vor dem Abschluss des Verfahrens über den Bürgerantrag. Die Stadtbürgerschaft hat insoweit eine Sachentscheidung über die Zulassung des vorzeitigen Beginns des hier in Streit stehenden Vorhabens getroffen. Mit dieser Freigabeentscheidung hat sie vorab über einen Teil des Bürgerantrags entschieden, soweit dieser die Uniwildnis betrifft. Eine solche Vorabentscheidung stellt noch keine endgültige Sachentscheidung über den auf die Uniwildnis bezogenen Bürgerantrag dar - dies ist erst nach Durchführung der Anhörung vor der Deputation möglich - , sie ist aber eine vorläufige Entscheidung über den Beginn des umstrittenen Projekts.

An einer solchen Entscheidung war die Stadtbürgerschaft rechtlich nicht gehindert. Durch die Überweisung des Bürgerantrags an die Deputation für Bau und Verkehr hat sie sich nicht der Kompetenz begeben, sich auch weiterhin mit den darin angesprochenen Fragen zu befassen.

Die Verzögerung der Beratung in der Deputation braucht sie sich nicht zurechnen zu lassen, denn die Deputation ist kein Organ der Stadtbürgerschaft, sondern ein gemeinsamer Ausschuss von Senat und Stadtbürgerschaft unter Vorsitz des zuständigen Senators (vgl. Röper, in: Kröning u.a., Handbuch der Bremischen Verfassung, 1991, S. 432). Die Stadtbürgerschaft braucht deshalb nicht hinzunehmen, dass ein von ihr möglicherweise als dringlich angesehenes Projekt nicht oder nicht rechtzeitig zu verwirklicht werden droht, weil das Verfahren über einen entsprechenden Bürgerantrag in der Deputation nicht rechtzeitig abgeschlossen wird.

Durch eine solche vorläufige Entscheidung wird zwar die Rechtsposition der Unterzeichner des Bürgerantrags insoweit geschmälert, als hinsichtlich der Rodung der Uniwildnis schon vor der Anhörung vollendete Tatsachen geschaffen werden können. Auch die Unterzeichner des Bürgerantrags haben aber darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Stadtbürgerschaft ihre Kompetenzen als gemeindliche Volksvertretung ausüben und auf die Verwirklichung von ihr als dringlich angesehener Projekte Einfluss nehmen kann. Unter den besonderen Umständen des hier zu entscheidenden Falles ist es hinzunehmen, wenn die Stadtbürgerschaft bereits vor der Anhörung zu dem gesamten Bürgerantrag eine vorgezogene Sachentscheidung über einen Gegenstand trifft, der nur einen geringen Teil des Antrags insgesamt - es handelt sich nur um einen relativ kleinen Teilbereich eines von insgesamt acht umfänglichen Vorhaben - betrifft. Ein Stopp der Arbeiten wegen der weiteren noch offenen Punkte des Bürgerantrags und der Anhörung müsste sich bei dieser Sachlage über den erklärten Willen der Stadtbürgerschaft hinwegsetzen.

Ein so weitreichendes Recht räumt der Bürgerantrag nicht ein. Dieses beschränkt sich auf eine Sachentscheidung durch die Stadtbürgerschaft, die hier im Ergebnis erfolgt ist.

C.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Stadtgemeinde Bremen. Nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. z.B. NVwZ 1990,1195; NVwZ-RR 1997,247; zuletzt Beschl. v. 19.06.2002 - 1 S 161/02 -) sind in einem Insichprozess zweier Funktionsträger einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft die Verfahrenskosten grundsätzlich der Körperschaft aufzuerlegen, der die streitenden Funktionsträger angehören (ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2003, Rn 1a zu § 154 m.w.Nwn.; a.A. Eyermann-Rennert, VwGO, 11.Aufl. 2000, Rn 10 zu § 154, der auf einen materiellrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch verweist). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Verfahren "ohne vernünftigen Grund" eingeleitet worden ist. Das ist hier aber nicht der Fall.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG.



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