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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 18.09.2002
Aktenzeichen: 2 A 86/02
Rechtsgebiete: BremLVO, Richtlinie 76/207/EWG, Richtlinie 97/80/EG, GG, BremLGG


Vorschriften:

BremLVO § 17 Abs. 5
Richtlinie 76/207/EWG
Richtlinie 97/80/EG
GG Art. 3 Abs. 3
BremLGG § 4 Abs. 3
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BremLVO sind Qualifikationsanforderungen, die einer richtlinienkonformen Auslegung nicht zugänglich sind.
Im Namen des Volkes! Urteil

OVG: 2 A 86/02

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch die Richterin Dreger, die Richter Nokel und Dr. Grundmann sowie die ehrenamtliche Richterin M. Schulz und den ehrenamtlichen Richter H. Wonnenberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 6.Kammer - vom 11.09.2001 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1951 geborene Klägerin begehrt, zum prüfungsfreien Aufstieg in den gehobenen Dienst zugelassen zu werden.

Die Klägerin ist Beamtin auf Lebenszeit im mittleren Dienst der Beklagten. Schon 1976 wurde sie zur Amtsinspektorin ernannt. Vom 01.08.1974 bis zum 19.05.1982 sowie vom 20.05.1984 bis zum 09.11.1984 war sie beim Finanzamt ... als Sachbearbeiterin im Bewertungsbezirk (intern bewertet nach BesGr. A 10) tätig. In der Zeit vom 11.10.1981 bis zum 14.02.1982 wurde der Klägerin Mutterschaftsurlaub gewährt. Vom 20.05.1982 bis zum 19.05.1984, sowie 10.12.1984 bis zum 30.11.1988 war die Klägerin ohne Dienstbezüge gemäß § 78 a Abs.1 Zif.2 BremBG a.F. beurlaubt (sog. Erziehungsurlaub).

Nach der letzten Beurlaubung war die Klägerin vom 01.12.1988 bis zum 30.06.2000 als Mitarbeiterin im Teilbezirk 126 tätig (intern bewertet nach der BesGr. A 9 S + Z). Eine Zulage wurde der Klägerin nicht gewährt. Seit dem 01.07.2000 wird die Klägerin wieder als Sachbearbeiterin in der Bewertungsstelle eingesetzt (intern bewertet nach BesGr. A 10).

Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens betreffend den Einsatz der Klägerin in der Bewertungsstelle sicherte der Vorsteher des Finanzamts ... der Klägerin mit Schreiben vom 23.12.1999 zu, daß hinsichtlich des Einsatzdatums in der Bewertungsstelle eine Aufnahme in zukünftige Beförderungslisten mit dem fiktiven Datum 01.11.1999 erfolge.

Am 01.02.2000 beantragte die Klägerin die Anrechnung ihrer früheren Bewährungszeiten als Sachbearbeiterin der Bewertungsstelle auf die nach § 17 Abs.5 Nr.2 BremLVO geforderte Bewährungszeit von 3 Jahren. Sie erfülle die Anforderungen für einen prüfungsfreien Aufstieg. Daß sie nach Rückkehr aus ihrer Beurlaubung am 01.12.1988 nicht mehr als Sachbearbeiterin in der Bewertungsstelle sondern als Mitarbeiterin im Teilbezirk 126 eingesetzt worden sei, habe daran gelegen, daß in der Bewertungsstelle kein Dienstposten zur Verfügung gestanden habe. Die seither über 11 Jahre im Teilbezirk 126 wahrgenommene und nach A 9 S + Z bewertete Tätigkeit sei "fast A 10 wertig". Würde ihre frühere Tätigkeit in der Bewertungsstelle nicht auf die für den prüfungsfreien Aufstieg geforderderte Bewährungszeit angerechnet, würde dies bedeuten, daß sie sich erneut mindestens 3 Jahre bewähren müsse, um diese Voraussetzung für den Bewährungsaufstieg zu erfüllen. Dies sei mit der Richtlinie zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst bzw. mit dem Landesgleichstellungsgesetz nicht vereinbar.

Mit Bescheid vom 04.05.2000 lehnte das Finanzamt ... den Antrag ab: Die Klägerin erfülle die Anforderungen des § 17 Abs.5 S.1 Nr. 2 BremLVO nicht, da sie nicht mindestens die letzten drei Jahre ununterbrochen Aufgaben der höheren Laufbahn wahrgenommen und sich dabei bewährt habe. Sie erfülle auch nicht die Voraussetzung der sog. Härtefallregelung, wonach ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der dreijährigen zusammenhängenden Tätigkeit und dem Aufstieg ausreiche. Ein solcher Zusammenhang fehle hinsichtlich der früheren Dienstpostenwahrnehmung im Bewertungsbezirk.

Die Klägerin erhob dagegen mit Schreiben vom 11.05.2000 Widerspruch, zu dessen Begündung sie ausführte, daß die Nichtberücksichtigung der früheren Tätigkeit in der Bewertungsstelle durchaus eine unverhältnismäßige Härte darstelle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2000 - der Klägerin ausgehändigt am 13.07.2000 - wies der Senator für Finanzen den Widerspruch als unbegründet zurück: Nach den von der Klägerin wahrgenommenen Tätigkeiten könne nicht festgestellt werden, daß sie in den letzten drei Jahren ununterbrochen Aufgaben der Laufbahn des gehobenen Dienstes wahrgenommen habe. Ein Verstoß gegen die Richtlinie zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst bzw. das Landesgleichstellungsgesetz sei nicht erkennbar.

Die Klägerin hat am 07.08.2000 beim Verwaltungsgericht Bremen Klage erhoben:

Die Auslegung der Härtefallregelung durch die Beklagte verstoße gegen Art. 141 n.F. (Art. 119 a.F.) EG-Vertrag i.V.m. der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG. Gemäß Art. 10 n.F. (Art. 5 a.F.) EG-Vertrag hätten die mitgliedstaatlichen Gerichte die Pflicht, alle zur Erfüllung des Richtlinienziels geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehöre auch die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts. Die Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG regele u.a. den Aufstieg im Beruf, so dass der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle. Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG dürfe keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen. In § 4 Abs. 3 Bremisches Landesgleichstellungsgesetz (BremLGG) sei u.a. geregelt, daß unbeschadet dienstrechtlicher Regelungen bei Bewerbungen um eine andere Stelle den Bediensteten keine Nachteile aus einer Beurlaubung, Ermäßigung der Arbeitszeit oder Teilzeitbeschäftigung erwachsen dürften.

Eine Auslegung der Härteregelung zu § 17 Abs. 5 S.1 Nr. 2 BremLV im Lichte der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG könne deshalb nur dahin gehen, daß die dreijährige Bewährungsfrist als erfüllt angesehen werden müsse. Bis zu ihrer Beurlaubung wegen Mutterschaft habe die Klägerin mehr als 8 Jahre ununterbrochen als Sachbearbeiterin in der Bewertungsstelle Aufgaben der höheren Laufbahn (A 10) mit Erfolg wahrgenommen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der dreijährigen zusammenhängenden Tätigkeit und dem Aufstieg sei nur deshalb nicht gegeben, weil sie nach ihrer Rückkehr aus der Beurlaubung wegen Mutterschaft am 1.12.1988 nicht mehr als Sachbearbeiterin in der Bewertungsstelle sondern als Mitarbeiterin im Teilbezirk 126 eingesetzt worden sei. Erst 1999 habe eine Bewerbung nach wiederholten aber vergeblichen Bemühungen um einen Dienstposten in der Bewertungsstelle Erfolg gehabt.

Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes sei eine solche Auslegung notwendig. Die innerstaatlichen Gerichte hätten nicht nur die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie und der ihrer Durchführung dienenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften wirksam zu kontrollieren. Sie hätten auch sicherzustellen, daß im Falle eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot eine geeignete Sanktionierung erfolge, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährleiste.

In der Bewertungsstelle habe sich das anzuwendende Steuerrecht seit den 70er Jahren nicht geändert. Sie habe nach der Übertragung des A 10 wertigen Dienstpostens im November 1999 bereits zum 01.11.2000 das Zeichnungsrecht erhalten, was belege, daß sie sich auf dem A 10 wertigen Dienstposten bewährt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Bescheid vom 04.05.2000 und den Widerspruchsbescheid vom 06.07.2000 aufzuheben.

2. festzustellen, daß die Voraussetzungen nach § 17 Abs. 5 S.1 Nr. 2 der bremischen Laufbahnverordnung im Fall der Klägerin gegenwärtig vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, der zur Erfüllung der Härtefallregelung des § 17 Abs. 5 Nr. 2 BremLVO erforderliche zeitliche Zusammenhang sei nicht gegeben. Die Klägerin sei nach der Beendigung der Beurlaubung seit dem 01.12.1988 bis zum 30.06.2000 bzw. bis zum fiktiven Einsatz am 01.11.1999, also über einen Zeitraum von mehr als elf Jahren auf einem Dienstposten eingesetzt gewesen, der seiner Wertigkeit nach nicht dem gehobenen Dienst zugeordnet sei, so daß die Voraussetzungen eines prüfungsfreien Aufstieges nicht erfüllt seien. Angesichts der langjährigen Unterbrechung seit dem letzten Einsatz auf einem solchen Dienstposten könne ein zeitlicher Zusammenhang nicht mehr angenommen werden.

Auch unter dem Gesichtspunkt einer richtlinienkonformen Auslegung ergebe sich nichts anderes. Der langjährige Einsatz der Klägerin als Mitarbeiterin in einem Teilbezirk mit einer Wertigkeit nach Besoldungsgruppe A 9 S + Z könne nicht hinweggedacht werden. Ein Beamter habe nach der Rückkehr aus einer Beurlaubung grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Einsatz auf den gleichen Dienstposten, den er vor der Beurlaubung inne gehabt habe. Sein Einsatz liege im Organisationsermessen des Dienstherrn, der lediglich sicherzustellen habe, daß der Einsatz auf einem Dienstposten erfolge, der statusamtsbezogen angemessen dem mittleren Dienst zugeordnet sei.

Im übrigen sei die Auffassung unzutreffend, das aus § 4 Abs. 3 BremLGG folgende Benachteiligungsverbot könne richtlinienkonform nur derart ausgelegt werden, daß auch im Fall des Laufbahnaufstiegs jegliche nachteilige Folge einer Beurlaubung ausgeschlossen sei. Der Einsatz der Klägerin nach Beendigung der Beurlaubung stelle keine geschlechtsbezogene Diskriminierung dar.

Schließlich gebe es entgegen der bisherigen Darstellung der Beklagten keine "Härtefallregelung" zu § 17 Abs.5 S.2 BremLVO. Es gebe lediglich den Fall einer Amtsinspektorin, die 1995 zur Verwaltungsinspektorin befördert worden sei und 7 Jahre (1974 bis 1981) vor ihrer (13 jährigen) Beurlaubung aus familienpolitischen Gründen und unmittelbar nach Ihrer Rückkehr aus dem Urlaub im Jahre 1994 einen Dienstposten des gehobenen Dienstes wahrgenommen hatte. Damit sei der Fall der Klägerin aber nicht vergleichbar, da sie nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub von 1988 bis 2000 ausschließlich auf Dienstposten des mittleren Dienstes eingesetzt worden sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 11.09.2001 stattgegegeben: Die Klägerin habe einen Anspruch auf die Feststellung, daß sie die Voraussetzungen des § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO erfülle. Sie habe in den letzten drei Jahren ununterbrochen Aufgaben der höheren Laufbahn wahrgenommen und sich dabei bewährt. Auf die geforderte Bewährungszeit sei ihre unstreitige langjährige Bewährung auf dem A 9 S + Z -wertigen Dienstposten im Teilbezirk 126 anzurechnen. Nur so werde eine mittelbare Diskriminierung vermieden, die sich daraus ergebe, daß Frauen die Anforderung an die Bewährungszeit infolge einer Beurlaubung wegen Mutterschaft oder Kindererziehung häufiger nicht erfüllen könnten. Die Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG und die Beweislastrichtlinie 97/80/EG erforderten eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung. Ohne eine solche erführe die Klägerin eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung. Zwar solle die Voraussetzung der Bewährung bei der dreijährigen Wahrnehmung von Aufgaben der höheren Laufbahn sicherstellen, daß der Beamte durch ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung in einem fest bestimmten Zeitraum den Anforderungen der nächsthöheren Laufbahn gewachsen sei. Dieses Ziel rechtfertige es im Falle der Klägerin aber nicht, die auf einem nach A 9 S + Z bewertenen Dienstposten absolvierten früheren Zeiten unberücksichtigt zu lassen. Es gebe keine nachvollziehbaren Unterschiede zwischen den Anforderungen eines nach A 9 S + Z bewerteten Dienstpostens (Spitzenamt des mittleren Dienstes) und einem nach A 9 E bewerteten Dienstposten (Eingangsamt des gehobenenen Dienstes). Zwischen den Anforderungen der beiden Dienstposten unterscheiden zu wollen, käme einer reinen Förmelei gleich. Daß es in Bremen keine nach A 9 E bewerteten Dienstposten gebe, sei unerheblich. Entscheidend sei, daß im Bereich der bremischen Steuer- und Finanzverwaltung entsprechende Planstellen ausgewiesen seien. Offen bleiben könne deshalb, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO auch zu einer Anrechnung der vor der Beurlaubung wahrgenommenen Tätigkeiten auf dem Dienstposten der Sachbearbeiterin in der Bewertungsstelle führen müsse. Offenbleiben könne deshalb ferner, ob man hinsichtlich des Zeitraums, in dem die Klägerin einen A 10 - wertigen Dienstposten wahrgenommen habe, von einer Bewährungsfeststellung der Beklagten ausgehen könne.

Der Senat hat die Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluß vom 15.02.2002 - zugelassen.

Die Berufungsklägerin und Beklagte hat die Berufung am 12.03.2002 begründet:

Die Klägerin erfülle die Anforderungen des § 17 Abs.5 S.1 Nr. 2 BremLVO offensichtlich nicht, da ihr erst (fiktiv) zum 01.11.1999 Aufgaben des gehobenen Dienstes übertragen worden seien. Ein anderes Ergebnis lasse sich weder im Wege einer Anrechnung noch im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung erzielen. Der im Teilbezirk 126 wahrgenommene Dienstposten sei nach A 9 S + Z bewertet und nicht dem gehobenen Dienst zugeordnet. Diese Bewertung war und sei bindend. Sie könne durch die Gerichte weder ersetzt noch inhaltlich verändert werden. Indem das Verwaltungsgericht die Anforderungen dieses Dienstpostens mit denen eines Dienstpostens nach A 9 E (gehobener Dienst) gleichgesetzt habe, habe es die ausschließlich dem Dienstherrn obliegende Dienstpostenbewertung durch eine eigene ersetzt. Dies sei, da ein Mißbrauchsfall unstreitig nicht vorliege, offensichtlich unzulässig. Zu einer eigenen Bewertung seien die Verwaltungsgerichte auch nicht aufgrund der Richtlinien 76/207/EWG und 97/80/EG befugt.

Aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO könne ebensowenig wie aus § 4 Abs.3 BremLGG gefolgert werden, daß bezüglich des Laufbahnaufstiegs jegliche nachteilige Folge einer Beurlaubung ausgeschlossen sei. Das Tatbestandsmerkmal der dreijährigen ununterbrochenen Wahrnehmung, das auf § 6 Abs.4 StABG zurückgehe, stelle eine sachgemäße Voraussetzung für die Festststellung der Bewährung dar. Ein Beamter habe grundsätzlich seine Eignung für einen höherbewerteten Dienstposten in einer Erprobungszeit nachzuweisen. Das in einer Bewährungszeit angesammelte Erfahrungswissen mache nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Tätigkeit des Arbeitnehmers wertvoller und rechtfertige so die höhere Eingruppierung.

Auch eine richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs "ununterbrochen" in § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO orientiert am Regelungszweck der Richtlinie 76/207/EWG führe nicht dazu, daß die Wahrnehmung des Dienstpostens des mittleren Dienstes bewertet nach A 9 S + Z im Anschluß an den Erziehungsurlaub für die geforderte ununterbrochene Bewährungszeit außer Betracht zu bleiben habe, so daß die früheren Zeiten auf dem Dienstposten des gehobenen Dienstes - einschließlich des Erziehungsurlaubs - auf die Bewährungszeit anrechenbar wären. Es fehle insoweit bereits an einer mittelbaren Diskriminierung i.S. der Gleichstellungs- und Beweislastrichtlinie. Es bestehe weder nach der Rechtsprechung des BVerwGs noch des EuGHs ein Anspruch, nach einer mehrjährigen Beurlaubung erneut und unmittelbar anschließend wieder auf einem höherwertigen Dienstposten eingesetzt zu werden. Es bestehe lediglich ein Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Etwaige sich ergebende Nachteile seien deshalb nicht geschlechtsspezifischer Natur, sondern durch die Reichweite des Organisationsermessens des Dienstherrn begründet. Anderenfalls ergäbe sich eine Bevorzugung aufgrund des Geschlechts gegenüber allen anderen Beamtinnen und Beamten, die aufgrund organisatorischer Entscheidungen umgesetzt werden.

Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 6 K 1601/01 vom 11.09.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Berufungsbeklagte und Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stellt klar, daß es ihr mit der Klage darum gehe, zum 01.10.2002 zum prüfungsfreien Aufstieg zu gelassen zu werden. Sie beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin am 01.10.2002 zum prüfungsfreien Aufstieg zuzulassen.

Im übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend: Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene richtlinienkonforme Auslegung der Härteregelung von 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO sei nicht nur rechtlich zulässig. Sie sei auch notwendig, um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Denn die innerstaatlichen Gerichte hätten nicht nur die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinien und der ihrer Durchführung dienendenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften wirksam zu kontrollieren. Sie hätten auch sicherzustellen, daß im Falle eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot eine geeignete Sanktionierung erfolge, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährleiste.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Akte der Beklagten betr. das Vorverfahren und die die Klägerin betreffenden Personalhauptakten verwiesen. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, soweit er in diesem Urteil verwertet worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Daß die Klage zunächst als Feststellungsklage verfolgt wurde, ist unschädlich. Die Umstellung des Klagantrags auf einen Verpflichtungsantrag ist als bloße Erweiterung des Antrags keine Klageänderung i.S. des § 91 VwGO. Selbst wenn dies anderes zu sehen wäre, wäre die Umstellung des Antrags zulässig, weil sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat und die Änderung zudem sachdienlich ist.

Die auch im übrigen zulässige Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen Anspruch darauf, bereits zum 01.10.2002 zum prüfungsfreien Aufstieg in den gehobenen Dienst zugelassen zu werden, da sie die Voraussetzungen des § 17 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BremLVO hinsichtlich der Bewährungszeit noch nicht erfüllt.

Einem Beamten des einfachen oder mittleren Dienstes kann ein Amt der nächsthöheren Laufbahn verliehen werden, wenn der Beamte u.a. mindestens die letzten drei Jahre ununterbrochen Aufgaben der höheren Laufbahn wahrgenommen hat (§ 17 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BremLV).

Orientiert am Wortlaut der Vorschrift erfüllt die Klägerin diese Voraussetzung z.Zt. ganz offensichtlich nicht. Sie war nach Rückkehr aus dem letzten Erziehungsurlaub (10.12.1984 - 30.11.1988) als Amtsinspektorin vom 01.12.1988 bis zum 30.06.2000 auf einem Dienstposten des mittleren Dienstes (Mitarbeiterin des Teilbezirks 126, intern bewertet nach A 9 S + Z) tätig. Seit dem 01.07.2000 nimmt sie wieder die Aufgaben eines Dienstpostens des gehobenen Dienstes (Sachbearbeiterin in der Bewertungsstelle, intern bewertet nach A 10) wahr. Aufgrund einer Zusicherung des Vorstehers des Finanzamts ... soll insoweit eine Aufnahme in zukünftige Beförderungslisten mit dem fiktiven Einsatzdatum 01.11.1999 erfolgen. Die Wirksamkeit dieser Zusicherung unterstellt, erfüllt die Klägerin die Anforderungen an die Bewährungszeit - unbeschadet der Frage, ob dann auch die Bewährung festgestellt werden könnte - frühestens zum 01.11.2002, nicht hingegen zum nächsten Beförderungstermin 01.10.2002.

Etwas anderes ergibt sich weder im Hinblick auf Gemeinschaftsrecht, d.h. auf Art. 141 Abs. 3 EGV i.V.m. den Richtlinen 76/207/EWG (Gleichbehandlungsrichtline) und 97/80/EG (Beweislastrichtlinie) sowie höherrangiges nationales Recht, d.h. das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG und § 4 Abs. 3 BremLGG.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter und mit ihm das Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts ist Teil der grundlegenden allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaft, die vom Europäischen Gerichtshof als bindende Prüfungsmaßstäbe für das hoheitliche Verhalten von Gemeinschaftsorganen entwickelt wurden. Diese Grundrechtsverbürgungen sind vom Europäischen Gerichtshof aus den mitgliedstaatlichen Verfassungen und der Europäischen Menschenrechtskonvention entwickelt worden, haben in dem in Art. 3 Abs.3 GG verankerten Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts eine Entsprechung und entfalten als allgemeine Rechtsgrundsätze Geltung als primäres Gemeinschaftsrecht (BVerfG, B.v. 09.01.2001 - 1 BvR 1036/99, NJW 2001,1267 = DVBl 2001,720 f = DÖV 2001,379 f)

Gemäß Art 3 der Gleichbehandlungsrichtline beinhaltet der Grundsatz der Gleichbehandlung, daß auch beim beruflichen Aufstieg keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgen darf. Eine mittelbare Diskriminierung liegt nach Art.2 Abs.2 der Beweislastrichtlinie vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren einen wesentlich höheren Anteil der Angehörigen eines Geschlechts benachteiligen, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind angemessen und notwendig und sind durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt. Hat der Betroffene bei Gericht Tatsachen glaubhaft gemacht, die das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, obliegt es nach Art. 4 der Beweislastrichtlinie der Beklagten zu beweisen, daß keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.

Sind die Ziele der Richtlinien im nationalen Recht nicht berücksichtigt, obliegt es im Streitfall im Hinblick auf Art.10 EGV den nationalen Gerichten, die streitentscheidende Norm richtlinienkonform, d.h. im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen, um das Ziel der Richtlinie zu erreichen (vgl. EuGHE 1984,1891 [1908 f.], Rechtssache 14/83 "Colson und Kamann"; Bleckmann, Europarecht (6.), Rnd. 452).

Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO ist in diesem Sinne geboten, wenn diese an sich neutral formulierte Vorschrift Frauen mittelbar diskriminiert. Dies ist entgegen der Auffassung der Klägerin und des Verwaltungsgerichts jedoch nicht der Fall:

Die Vorschrift fordert u.a. die ununterbrochene Wahrnehmung von Aufgaben der höheren Laufbahn in mindestens den letzten drei Jahren vor dem Aufstieg. Nimmt ein Beamter/eine Beamtin in den letzten drei Jahren vor dem in Aussicht genommenen prüfungsfreien Aufstieg aus familienpolitischen Gründen Urlaub (Erziehungs- bzw. Elternurlaub) kann er/sie diese Voraussetzung nicht erfüllen und ist deshalb schon aus diesem Grund vom prüfungsfreien Aufstieg ausgeschlossen. Zwar ist es - wie die Beklagte selbst einräumt - allgemeine Erfahrungstatsache, daß Erziehungs-/Elternurlaub hauptsächlich von Frauen nachgefragt wird. Daraus kann aber in diesem Fall noch nicht auf eine geschlechtsbedingte mittelbare Benachteiligung von Beamtinnen beim prüfungsfreien Aufstieg geschlossen werden. Denn nach der Beweislastrichtlinie liegt eine mittelbare Diskriminierung nur vor, wenn ein wesentlich höherer Anteil der Angehörigen eines Geschlechts benachteiligt ist. Im Hinblick auf dieses Kriterium kann nicht außer Betracht bleiben, daß § 17 Abs.5 S.1 Nr.3 BremLVO für den prüfungsfreien Aufstieg die Vollendung des 45. Lebensjahres voraussetzt, die fragliche Bewährungszeit nach Nr.2 der Vorschrift, die durch Mutterschaft und Erziehungsurlaub unterbrochen werden könnte, mithin in aller Regel nach Vollendung des 42. Lebensjahres beginnt. Es kommt sicher vor, daß sich Frauen auch in diesem Alter noch für eine Mutterschaft entscheiden, Dies ist aber eher selten, zumal bei Frauen, die nach ihrem Lebensentwurf noch in fortgeschrittenem Alter einen prüfungsfreien Aufstieg anstreben. Daß ein wesentlich höherer Anteil von Frauen als Männer als Folge von Erziehungs-/Elternurlaub durch diese Regelung beim beruflichen Aufstieg benachteiligt wird, drängt sich deshalb nicht auf. Daß eine Benachteiligung in Einzelfällen vorkommen kann, reicht für eine mittelbare Diskriminierung nicht aus.

Auch wenn man dem nicht folgt, liegt eine mittelbare Diskriminierung jedenfalls deshalb nicht vor, weil das Kriterium "ununterbrochene Wahrnehmung von Aufgaben der höheren Laufbahn in mindestens den letzten drei Jahren" vor dem Aufstieg als Qualifikationsanforderung angemessen und notwendig und durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt ist (vgl. Art. 2 Abs.2 Beweislastrichtlinie): § 17 Abs.5 BremLVO ist eine Ausnahmeregelung, die im öffentlichen Interesse für Beamte des einfachen und mittleren Dienstes einen prüfungsfreien Aufstieg ermöglicht und in das Ermessen des Dienstherrn stellt. Der Ausnahmecharakter der Vorschrift ist schon dadurch transparent, daß der Zugang zu einer Laufbahn ohne Prüfung eröffnet wird. Er wird auch durch den Wortlaut der Vorschrift unterstrichen. Im Gegensatz zu den Aufstiegsmöglichkeiten nach § 17 Abs.1 BremLVO bzw. 17 a BremLVO wird die Einzelfallbezogenheit des Aufstiegs durch die Worte "einem Beamten....kann verliehen werden", statt "Bedienstete bzw. Beamte....können zugelassen werden", hervorgehoben. Auch die Einschränkung des § 17 Abs.5 S.2 BremLVO, wonach Aufgaben der höheren Laufbahn einem Beamten nur übertragen werden dürfen, wenn ein nach § 11 BremLVO für die Laufbahn ausgebildeter und für die Aufgabe geeigneter Beamter nicht eingesetzt werden kann, unterstreicht die Singularität der Regelung. Zugleich wird dadurch auch verdeutlicht, daß der prüfungsfreie Aufstieg im vorrangigen öffentlichen Interesse liegt, nämlich weil für die Wahrnehmung der Aufgaben der höheren Laufbahn ein Laufbahnbeamter nicht zur Verfügung steht. Aus dem Ausnahmecharakter der Vorschrift folgt, daß die vom Verordnungsgeber für erforderlich gehaltenen Anforderungen an die Qualifikation des Aufstiegsbeamten Ausnahmen nicht dulden, weil sie als Mindestanforderungen gewährleisten sollen, daß der Beamte den Anforderungen der höheren Laufbahn gerecht werden kann. Ein prüfungsfreier Aufstieg läßt sich im Hinblick auf die sonst an Laufbahn- und Aufstiegsbewerber gestellten Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen (vgl. §§ 19,20 BremBG, §§ 11, 17 Abs.1 u 17 a BremLVO) nämlich nur rechtfertigen, wenn in einer zeitlich angemessenen Bewährungszeit eine Bewährung bei der Wahrnehmung von Aufgaben der höheren Laufbahn nachgewiesen und festgestellt worden ist. Dabei geht es um den Nachweis eines speziell durch die Praxis angesammelten Erfahrungswissens, das zeitnah zum Aufstieg erworben ist und deshalb die Weiterverwendung in der nächsthöheren Laufbahn für den Dienstherrn unter Verzicht auf Ausbildung und Prüfung vertretbar erscheinen läßt und empfiehlt. Um dies sicherzustellen, sind in § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO enge zeitliche Vorgaben gemacht, nämlich daß die Aufgabenwahrnehmung in der höheren Laufbahn mindestens in den "letzten" drei Jahren (vor dem Aufstieg) und "ununterbrochen" geschehen sein muß. Diese Anforderungen sind im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift und ihr Ziel, eine sachgerechte Aufgabenerfüllung sicherzustellen, objektiv gerechtfertigt und angemessen. Sie sind erkennbar auch nicht geschlechtsbezogen begründet. Hinsichtlich der zeitlichen Angemessenheit der Bewährungszeit ergibt sich diese schon bei einem Vergleich mit der Dauer der sonst von Laufbahn- und Aufstiegsbeamten zu absolvierenden Ausbildung und Bewährungszeit (vgl. § 20 BremBG,§§ 17 Abs.1 u. 17 a BremLVO): Denkbare Benachteiligungen durch die Inanspruchnahme von Erziehungs-/Elternurlaub haben deshalb hinter der strikten Einhaltung der Anforderungen des § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO zurückzustehen. Der Dienstherr muß die Gewähr dafür haben, daß der/die Aufstiegsbeamte/in künftig die Aufgaben der höheren Laufbahn anforderungsgerecht wahrnehmen wird. Eine mittelbare Diskriminierung kann deshalb durch die Anforderungen des § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO - auch im Zusammenhang mit der bereits angesprochenen Altersanforderung - nicht gesehen werden.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß das Merkmal der dreijährigen ununterbrochenen Aufgabenwahrnehmung aus einer früheren entsprechenden Regelung in § 6 Abs.4 des Steuerbeamtenausbildungsgesetzes (Fassung v. 14.09.1976 (BGBl. I S.2793) -StBAG - ) übernommen worden ist und mit jener Regelung bezweckt wurde, hochqualifizierte Beamte des einfachen und mittleren Dienstes, die aus zwingenden Gründen nicht in der Lage gewesen seien, die Laufbahnprüfung als Aufstiegsprüfung abzulegen, trotzdem die Möglichkeit zum Aufstieg zu geben, weil sie in fortgeschrittenem Alter nicht mehr den zusätzlichen vielfältigen Belastungen eines Studiums und einer Laufbahnprüfung ausreichend gewachsen sind (BVerwG, U.v. 15.03.1984 - 2 C 75/81 -,ZBR 1984,302 f; Buchholz 230 § 12 BRRG Nr.1). Dies stellt weder in Frage, daß nach bremischem Recht der prüfungsfreie Aufstieg nur möglich ist, wenn im Einzelfall ein unabweisbares öffentliches Interesse dafür besteht, und daß die Regelung Ausnahmecharakter hat, die einer weiteren Ausnahme auch im Rahmen einer Auslegung nicht zugänglich ist.

Auch wenn man unterstellt, § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO diskriminiere Beamtinnen im bremischen öffentlichen Dienst aus Gründen des Geschlechts mittelbar, ergäbe sich daraus im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung lediglich, daß Unterbrechungen der dreijährigen, dem Aufstieg unmittelbar vorausgehenden Bewährungszeit durch familienpolitisch begründete Beurlaubungen Bediensteten nicht zum Nachteil gereichen dürfen, d.h. daß sie für die Frage, ob die Bewährungszeit ununterbrochen abgeleistet wurde, außer Betracht zu bleiben hätten. Auf Unterbrechungen des Dreijahreszeitraums durch Wahrnehmung von Dienstposten des mittleren Dienstes - seien sie auch Folge einer familienpolitischen Beurlaubung - erstreckt sich die Pflicht des Gerichts, § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Gleichstellungsrichtlinie auszulegen, nicht. Denn derartige Unterbrechungen beruhen unmittelbar auf Organisationsentscheidungen des Dienstherrn, die sich an dienstlichen Notwendigkeiten orientieren. Dies gilt auch, wenn einer Beamtin nach Rückkehr aus einer familienpolitisch begründeten Beurlaubung mit Rücksicht auf die Gleichbehandlungsrichtlinie das Recht zustehen sollte, wieder auf demselben Dienstposten bzw. wenn dies unmöglich ist, gleichwertig beschäftigt zu werden (vgl. § 5 der Richtlinie 96/34/EG vom 03.06.1996). Denn aus einer individuellen Rechtsverletzung bei der Ausübung des Organisationsermessens kann für die Auslegung des Begriffes "ununterbrochen" in § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO Allgemeingültiges nicht hergeleitet werden.

Die Klägerin erfüllte danach, auch wenn eine richtlinienkonforme Auslegung des § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO hinsichtlich der ununterbrochenen Bewährungszeit geboten sein sollte, diese Anforderung der Vorschrift nicht. Sie nähme - bezogen auf die letzten drei Jahre vor einer etwaigen Aufstiegsentscheidung - frühestens seit dem 01.07.2000 (fiktiv seit dem 01.11.1999) Aufgaben der höheren Laufbahn wahr. Ihre Beurlaubungen aus familienpolitischen Gründen berührten die Frage der Unterbrechung der Dreijahresfrist nicht, da die Beurlaubungen nicht in eine ansonsten ununterbrochene Wahrnehmung von Aufgaben der höheren Laufbahn eingebettet sind. Insoweit unterscheidet sich der Fall der Klägerin von dem von der Beklagten mitgeteilten "Härtefall" (s.o. S.6).

Die nach der letzten Beurlaubung in der Zeit vom 01.12.1988 bis zum 30.06.2000 wahrgenommene Tätigkeit beim Teilbezirk 126 (bewertet nach A 9 S + Z) ist im übrigen, weil sie dem mittleren Dienst zugeordnet ist, keine Wahrnehmung von Aufgaben der höheren Laufbahn i.S. des § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO und infolgedessen nicht anrechenbar. Die Wahrnehmung dieses Dienstpostens kann wegen der unterschiedlichen Laufbahnzuordnung nicht der Wahrnehmung eines nach A 9 E bewerteten Dienstpostens des gehobenen Dienstes - auch nicht im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung einer laufbahnrechtlichen Vorschrift - gleichgesetzt werden. Der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichts folgt der Senat nicht.

Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf Art. 3 Abs.3 GG stützen. Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs.3 GG reicht über die Ziele der Gleichbehandlungsrichtlinie nicht hinaus. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter und mit ihm das Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts gehören zu den vom EuGH anerkannten ungeschriebenen gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten und entsprechen dem im Grundgesetz verankerten Diiskriminierungsverbot (s. S.11/12). Es ist deshalb auch im Hinblick auf Art.3 Abs.3 GG keine, bzw. jedenfalls keine über den aufgezeigten Rahmen hinausgehende, verfassungskonforme Auslegung geboten.

Schließlich zwingt auch das Bremische Landesgleichstellungsgesetz nicht dazu, § 17 Abs.5 S.1 Nr.2 BremLVO in dem von der Klägerin begehrten Sinne auszulegen. Nach § 4 Abs. 3 BremLGG dürfen unbeschadet dienstrechtlicher Regelungen den bremischen Bediensteten bei Bewerbungen um eine andere Stelle keine Nachteile aus einer Beurlaubung, Ermäßigung der Arbeitszeit oder Teilzeitbeschäftigung erwachsen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist das Benachteiligungsverbot auf Bewerbungen von Bediensteten um eine andere Stelle beschränkt. Die Vorschrift zielt damit auf die Auswahlentscheidung für eine höherbewertete Stelle und beschränkt sich dabei auf den Teilbereich der Personalentscheidungen (Schiek/Buhr/Fritsche/Malzahn, Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder, Rnd. 989). Hinsichtlich der Anforderungen an die Qualifikation enthält die Vorschrift dagegen keine Regelung. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 4 Abs. 4 BremLGG, wonach die Qualifikation ausschließlich an den Anforderungen des Berufes, der zu besetzenden Stelle oder der Laufbahn zu messen ist. Insoweit berührt das Gesetz die Anforderungen der Laufbahnverordnung für den prüfungsfreien Aufstieg, nämlich "Bewährung bei einer ununterbrochenen Wahrnehmung der Aufgaben der höheren Laufbahn in den letzten drei Jahren vor der Entscheidung über den Aufstieg", nicht. Daran, daß aus Gründen der Gleichstellung von Frauen jedenfalls im Hinblick auf Mutterschafts- und Erziehungsurlaube, die nicht unmittelbar zu einer Unterbrechung des Dreijahreszeitraums geführt haben, keine modifizierende Auslegung geboten ist, ist deshalb auch im Hinblick auf die Regelungen des bremischen Landesgleichstellungsgesetzes festzuhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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