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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 11.12.2002
Aktenzeichen: 2 B 308/02
Rechtsgebiete: SGB VIII, BremABOG


Vorschriften:

SGB VIII § 24
BremABOG § 6
BremABOG § 9
1. §§ 9, 6 BremABOG, die als Teil der Ausführungsbestimmungen zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) die Aufnahme von Grundschulkindern in Horte regeln, begründen für Kinder keinen unmittelbaren Anspruch gegen Träger der freien Jugendhilfe sondern lediglich Ansprüche gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

2. Nach § 3 Abs.2 SGB VIII werden Leistungen der Jugendhilfe von Trägern der freien Jugendhilfe und Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Leistungsverpflichtungen, die durch das SGB VIII begründet werden, richten sich ausschließlich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dies gilt auch hinsichtlich des Angebots von Horten für Kinder im schulpflichtigen Alter.


OVG: 2 B 308/02

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Dreger, Richter Nokel und Richter Alexy am 11.12.2002 beschlossen:

Tenor:

Die Stadtgemeinde Bremen wird zu dem Verfahren beigeladen.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 7. Kammer - vom 31.07.2002 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten die Verfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist im Januar 1994 geboren. Er ist das einzige Kind seiner Eltern, die beide berufstätig sind. Der Vater ist Hochschullehrer in Bremen, die Mutter seit dem vierten Lebensmonat des Antragstellers Hochschullehrerin in München. Der Antragsteller lebt bei seinem Vater. Die Mutter des Antragstellers kommt nach dem Vortrag des Antragstellers etwa jedes zweite verlängerte Wochenende nach Bremen zu ihrer Familie.

Der Antragsteller wurde zum Schuljahr 2000/2001 eingeschult. Während der ersten beiden Schuljahre wurde er nach Schulschluss bis 17 Uhr im Hort / Kindertagesheimder Antragsgegnerin betreut. Der Antragsteller hatte vor seiner Einschulung bereits den Kindergarten der Antragsgegnerin besucht.

Laut Schreiben des Kinder- und Schularztes E. vom Gesundheitsamt Bremen, Sozialpädiatrische Abteilung, Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, vom 13. Mai 2002, ist bei der Schuleingangsuntersuchung des Antragstellers im Februar 2000 seinen Eltern die Weiterführung einer wegen Sprachauffälligkeiten (Stammelfehler) begonnenen logopädischen Therapie empfohlen worden. Zudem hatte der Schularzt angeregt, nach Rücksprache mit dem behandelnden Kinderarzt wegen des Gesamtverhaltens des Antragstellers die Notwendigkeit einer Kinderpsychotherapie, z.B. in Form einer Spieltherapie, zu erörtern.

Am 15.01.2002 beantragte der Vater des Antragstellers, diesen für das Schuljahr 2002/2003 erneut in den Hort der Antragsgegnerin aufzunehmen. Auf dem Antragsformular hatte der Vater des Antragstellers unter dem Punkt "Soziale/wirtschaftliche Benachteiligung" vermerkt, dass bei seinem Sohn "gewisse kleine Reste sprachlicher 'Behinderung' (sch, st ...) und Schreibschwierigkeiten vorlägen. Von einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die erneute Aufnahme seines Sohnes in den Hort nicht gesichert sei, fügte der Vater des Antragstellers in das Antragsformular später ergänzend ein "Für P. ist der Hort 'die Familie' und der Mittelpunkt. Nicht die Schule. Eine 'Familie' zu Hause hat er nicht. Von daher ist ein weiteres Jahr für ihn eine wesentliche Brücke ins Leben !".

Mit Schreiben vom 18. März 2002 lehnte das Kindertagesheim der Antragsgegnerin den Antrag ab: Es seien mehr Aufnahmeanträge gestellt worden als freie Plätze vorhanden seien. Deshalb hätten bei gleichgelagerten Aufnahmegründen im Hort die jüngeren Kinder vorrangig berücksichtigt werden müssen. Kinder mit besonderen Aufnahmegründen seien bevorzugt aufgenommen worden.

Dagegen erhoben die Eltern des Antragstellers mit Schreiben vom 25. März 2002 Widerspruch, zu dem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19.04.2002 mitteilte, daß trotz des Widerspruches eine Aufnahme des Antragstellers abgelehnt werden müsse. Die zur Verfügung stehenden 20 Plätze seien entsprechend den Vorgaben des bremischen Aufnahme- und Betreuungszeitenortsgesetzes v. 04.12.2001 (BremABOG - BremGBl S.377) besetzt worden. Der Antragsteller sei als sog. Regelkind in den Hort aufgenommen und als solches auch in den letzten zwei Jahren behandelt worden. Bei dem Kindertagesheim der Antragstellerin handle es sich im übrigen um eine freiwillige Einrichtung der Gemeinde, der gegenüber ein Rechtsanspruch auf Gewährung eines Hortplatzes nicht bestehe.

Am 21. Mai 2002 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Bremen Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf erneute Aufnahme in den Hort der Antragsgegnerin für das Schuljahr 2002/2003 weiterverfolgt. Zugleich hat er beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in den Hort aufzunehmen. Dazu hat er u.a. darauf verwiesen, daß er im Verhaltnis zu mehrenen von der Antragsgegnerin aufgenommenen Kindern (Nummer 5, 6, 7, 8, 10, 11, 13, 14, 15, 17, 18 und 19 der von der Antragsgegnerin im Eilverfahren vorgelegten Aufnahmeliste) eine größere Bedürftigkeit aufweise. Auch sei bei den unter den Nummern 11, 14, 15 und 18 der Liste aufgeführten Schulanfängern offensichtlich allein auf ihr geringeres Alter abgestellt worden, wobei bei den unter den Nummern 11 und 15 genannten Kindern eine geringere Berufstätigkeit der Eltern als in seinem Falle und bei dem unter der Nummer 14 aufgeführten Kind anscheinend gar keine Berufstätigkeit der Eltern vorliege.

Die Antragsgegnerin ist dem Eilantrag entgegengetreten: Der Antrag sei unzulässig, da die Antragsgegnerin nicht passivlegitimiert sei. Ein etwa bestehender Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Aufnahmeantrag sei gegen die Stadtgemeinde Bremen zu richten. Zumindest aber sei der Antrag unbegründet. Die Auswahlentscheidung sei nicht zu beanstanden.

Das Verwaltungsgericht Bremen - 7.Kammer - hat dem Eilantrag mit Beschluß vom 31.07.2002 - der Antragsgegnerin zugestellt am 06.08.2002 - mit der Maßgabe stattgegeben, daß der Antragsteller in den Hort der Antragstellerin vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluß oder einer anderweitigen Erledigung des Hauptsacheverfahrens aufzunehmen sei. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sei sie selbst und nicht die Stadtgemeinde zu der von dem Antragsteller begehrten Leistung verpflichtet. Der Antragsteller habe nach §§ 6 u. 9 BremABOG einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, der sich zu einem Aufnahmeanspruch verdichtet habe. Die Antragsgegnerin hätte dem Antragsteller anstelle des unter Nr.14 der Aufnahmeliste genannten Schulanfängers einen Hortplatz zuteilen müssen. Der Antragsteller erfülle offensichtlich das Aufnahmekriterium des § 6 Abs.1 Nr 2 BremABOG (regelmäßige Abwesenheit beider Elternteile). Die Regelung des § 9 Abs.1 S.2 BremABOG, wonach bei Anmeldeüberhängen jüngere Kinder den älteren vorzuziehen seien, sei nachrangig. Ein Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung sei dem Antragsteller nicht zuzumuten.

Die Antragsgegnerin hat gegen den Beschluß am 16.08.2002 Beschwerde eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 29.08.2002 - bei Gericht eingegangen am 06.09.2002 - begründet hat. Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

1.

Gemäß § 65 Abs.1 VwGO ist zu dem Verfahren die Stadtgemeinde Bremen als Träger der öffentlichen Jugendhilfe beizuladen, da durch das Verfahren ihre Interessen berührt werden.

2.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat dem Eilbegehren des Antragstellers zu Unrecht entsprochen. Die Vorraussetzungen der §§ 123 Abs.1 S.2, Abs.3 iVm. § 920 ZPO für den Erlaß einer Regelungsanordnung, die hier allein in Betracht kommt, sind nicht erfüllt.

Zwar ist der Eilantrag mit den Einschränkungen des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs.1 S.1 VwGO gegeben. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Dies folgt schon daraus, daß die Streitigkeit nach Normen aus dem Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts zu beurteilen ist, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind.

Der Antrag ist jedoch unbegründet, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft ist.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann der Antragsteller überwiegend wahrscheinlich nicht von der Antragsgegnerin beanspruchen, erneut in ihren Hort aufgenommen zu werden. Im Einzelnen gilt folgendes:

Die §§ 9, 6 BremABOG, die als Teil der Ausführungsbestimmungen zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) die Aufnahme von Grundschulkindern in Horte regeln, begründen für Kinder keinen unmittelbaren Anspruch gegen Träger der freien Jugendhilfe, sondern lediglich Ansprüche gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist im stadtbremischen Bereich die Stadtgemeinde Bremen, die die Aufgaben der Jugendhilfe als Selbstverwaltungsangelegenheit durchführt (vgl. § 1 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes v. 17.09.1991- BremGBl. S.318 - BremAGKJHG).

Nach § 3 Abs.2 SGB VIII werden Leistungen der Jugendhilfe von Trägern der freien Jugendhilfe und Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht; Leistungsverpflichtungen, die durch das SGB VIII begründet werden, richten sich ausschließlich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Schellhorn/Fischer (2.), SGB VIII, § 3 Rndnr.13). Dies gilt auch hinsichtlich des Angebots von Horten für Kinder im schulpflichtigen Alter (vgl. Schellhorn/Fischer, SGB VIII/KJHG, § 24 Rnd. 20, 27,29;Wiesner/Struck (2.), SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, § 24 Rnd.33; OVG Hamburg, B.v. 05.09.1995 - Bs IV 126/95, NVwZ-RR 1996,716). Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist nach § 24 SGB VIII verpflichtet, ein bedarfsgerechtes Angebot vorzuhalten. Dies geschieht im Lande Bremen u.a. durch Förderung der freien Jugendhilfe gemäß § 74 SGB VIII iVm.§ 6 BremAGKJHG u. § 18 des Bremischen Tageseinrichtung- und Tagespflegegesetz vom 19.12.2000 - (BremGBl. S.49 - BremKTG -). Soweit nach § 8 Abs.3 u. 4 BremKTG freie Träger, die aus öffentlichen Haushalten gefördert werden, Pflichten auferlegt werden, kann es sich im Hinblick auf die bundesrechtlichen Vorgaben im SGB VIII nur um Pflichten gegenüber den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe im Lande Bremen, d.h. gegenüber den Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven handeln. Unmittelbare Pflichten gegenüber den Leistungsberechtigten werden durch diese Vorschriften nicht begründet. Nach dem Inhalt der unter § 8 Abs.4 Zif.1 -3 BremTKG getroffenen Regelungen kann dies auch nicht ernstlich zweifelhaft sein. Zif.1 betrifft die Vorhaltung von Tageseinrichtungen i.R. der Angebotsplanung der Stadtgemeinden, Zif.2 die notwendige Datenerfassung und Berichterstattung gegenüber den Stadtgemeinden und auch die Verpflichtung zu Zif.3, die Aufnahme von Kindern in die Tageseinrichtungen an den jeweils geltenden Ausführungsbestimmungen zu § 11 BremKTG zu orientieren, bezeichnet eine mit der öffentlichen Förderung korrespondierende Pflicht gegenüber den Stadtgemeinden (vgl. § 18 Abs.2 BremKTG).

Soweit der Landesgesetzgeber in § 11 Abs.2 BremKTG die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven ermächtigt, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung (vgl. § 1 BremAGKJHG) und in Abstimmung mit den freien Trägern, soweit diese betroffen sind, für die Aufnahme in Tageseinrichtungen die Aufnahmekriterien, die Aufnahmezeitpunkte, das Anmelde- und Aufnahmeverfahren für die einzelnen Angebotsarten und Organisationsformen festzulegen, ändert dies an dieser Zuordnung nichts. Die Pflicht zur Leistungserfüllung verbleibt allein beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Wählt der Leistungsberechtigte in Ausübung des ihm insoweit nach § 5 Abs.1 S.1 SGB VIII zustehenden Wahlrechts das (privatrechtlich zu begründende und abzuwickelnde) Angebot eines freien Trägers der öffentlichen Jugendhilfe an, so entsteht ein so genanntes jugendhilferechtliches Dreiecksverhältnis, in dem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe seine öffentlich-rechtliche Leistungsverpflichtung durch Kostenübernahme, hier durch Zuwendungen im Rahmen der jeweiligen Angebots- und Finanzplanung erfüllt (vgl. OVG Münster, B.v. 21.08.2001 -12 B 582/01, NVwZ-RR 2002,583 mwN.). Für den freien Träger ergeben sich aus der Förderung lediglich Pflichten gegenüber dem öffentlichen Träger (vgl. § 18 Abs.2 BremKTG).

Es ist nicht zu erkennen, daß das aufgrund der Ermächtigung des § 11 Abs.2 BremKTG erlassene Aufnahme- und Betreuungszeitenortsgesetz - BremABOG -davon Abweichendes regelt. Nach § 5 Abs.1 Zif.2 BremABOG obliegt dem Amt für Soziale Dienste die Verantwortung für die Vergabe von Hortplätzen. Es steuert die gesamtstädtische Platzvergabe und veranlaßt die trägerinternen und stadteilbezogenen Abstimmungen über die Anmeldungen und deren notwendigen Austausch ("koordinierte Aufnahme von Kindern", § 5 Abs.1 Zi.f 4 BremABOG). Die jeweiligen Tageseinrichtungen - auch der freien Träger, § 1 S.2 BremABOG - haben die Aufnahmeanträge entgegenzunehmen (§ 5 Abs.1 Zif.1 BremABOG) und erteilen die Aufnahmezusagen. Im Falle der Versagung eines Hortplatzes kann ein etwaiger Aufnahmeanspruch allein gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe geltend gemacht werden, dessen Verantwortung für die gesamtstädtische Platzvergabe sich auch darauf erstreckt, dass die freien Träger bei der Ermessensentscheidung über die Aufnahme die ortsgesetzlichen Aufnahmekriterien beachten und der ggf. eine letztverbindliche Entscheidung zu treffen hat.

Eine Beleihung der freien Träger der freien Jugendhilfe dahin, daß sie über Aufnahmeanträge für einen Hortplatz alleinverantwortlich, d.h. hoheitlich durch Verwaltungsakt entscheiden können, sieht das Jugendhilferecht, namentlich das bremische Aufnahme- und Betreuungszeitenortsgesetz damit nicht vor.

Sähe man dies anders, wäre das Ortsgesetz mit §§ 24 S.2 u. 3, 3 Abs.2 SGB VIII bzw. § 8 Abs.3 u. 4 Zif.3, 11 Abs.2 BremKTG unvereinbar und infolgedessen nichtig. Auch in diesem Fall könnte aus dem Ortsgesetz ein Anordnungsanspruch nicht hergeleitet werden.

b.

Auch wenn man unterstellt, dass einem Kind im Verfahren um Aufnahme in einen Hort gegen den freien Träger einer Tageseinrichtung ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung zusteht, der sich im Einzelfall zu einem Aufnahmeanspruch verdichten kann, ergäbe sich hier im übrigen nichts anderes. Denn es ist nicht glaubhaft gemacht, dass über die Aufnahme des Antragstellers in dem fraglichen Aufnahme- und Vergabeverfahren ermessensfehlerhaft entschieden worden ist und dem Antragsteller bei fehlerfreier Anwendung der geltenden Aufnahmekriterien zum 01.08.2002 zwingend ein Hortplatz hätte zugeteilt werden müssen. Insoweit neigt der Senat dazu, der Kammer dahin zu folgen, dass bei der Aufnahme von Grundschulkindern in Horten gemäß §§ 6, 9 Abs.1 BremABOG bei einem Anmeldeüberhang für eine Tageseinrichtung die Hortplätze zunächst nach den allgemeinen Kriterien des § 6 BremABOG vorzunehmen ist und der Grundsatz des § 9 Abs.1 S.2 BremOG, dass jüngeren Kindern der Vorzug vor älteren gebührt, erst nachrangig heranzuziehen ist, um eine weitere Auswahl bei einem Bewerberüberhang zu ermöglichen. Dafür sprechen - worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat - der Wortlaut ("auf der Basis"), die Systematik und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (amtl. Begründung zum Entwurf des Ortsgesetzes; Bremische Bürgerschaft, Drucksache 15/399S). Es ist aber nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller, hätte die Antragsgegnerin die Vorschriften in dieser Weise angewandt, der Vorzug vor einem der berücksichtigten Kinder einzuräumen gewesen wäre. Berücksichtigungsfähig können insoweit nur Tatsachen bezüglich solcher Aufnahmekriterien sein, die "im Januar des Aufnahmejahres" (vg. § 5 Abs.1 Zif.1 BremABOG), mithin bis zum 31.01.2002 im Aufnahmeantrag geltend gemacht worden sind.

Im Falles des Antragstellers ist nach dem Inhalt des von seinem Vater am 15.01.2002 unterschriebenen Aufnahmeantrages aber nicht zu erkennen, dass zum Aufnahmestichtag allgemeine Aufnahmekriterien i.S. des § 6 BremABOG erfüllt waren.

Eine regelmäßige Abwesenheit des alleinerziehenden oder beider Elternteile wegen Berufstätigkeit ist nicht geltend gemacht worden und drängt sich aus dem Aufnahmeantrag auch nicht zwingend auf. Zwar kann dem Aufnahmeantrag entnommen werden, daß die Mutter des Antragstellers in München lebt und dort als Professorin voll berufstätig ist, sowie ferner, dass der Vater mit einer Lehrverpflichtung von 8 Wochenstunden an der ....... als Professor tätig ist und der Antragsteller in dessen Haushalt lebt. Daraus läßt sich aber nicht ableiten, dass das Aufnahmekriterium des § 6 Abs.1 Zif.2 BremABOG erfüllt ist. Zwar wird sich die Mutter des Antragstellers wegen ihrer Berufstätigkeit in München um den Antragsteller nach Schulschluß - von den Semesterferien abgesehen - nicht kümmern können. Davon kann aber bei dem Vater im Hinblick auf die Dauer seiner Lehrverpflichtung ohne nähere Darlegung nicht ausgegangen werden. Da nähere Angaben dazu im Aufnahmeantrag nicht gemacht worden sind, kann von einer "regelmäßigen Abwesenheit" - insbesondere nachmittags nach Schulschluß - nicht ausgegangen werden.

Ebenso ist auch nicht glaubhaft, daß zum Abgabestichtag die Voraussetzungen von § 6 Abs.1 Zif. 7 BremABOG dargelegt worden sind. Dieses Aufnahmekriterium ist erfüllt, wenn ein Ausgleich von Benachteiligungen hinsichtlich einer altersentsprechenden Entwicklung der Fähigkeiten und Fertigkeiten des Kindes im Sinne des § 1 Abs.1 S.1 des BremKTG notwendig ist. Nicht ausreichend ist danach, dass solche Benachteiligungen vorliegen. Erforderlich ist darüber hinaus, daß ein Ausgleich der Benachteiligungen gerade durch die Hortunterbringung, d.h. durch eine sozialpädagogische Betreuung (vgl. § 6 Abs.1 S.2 BremKTG) notwendig ist. Dafür ist hier nach dem Inhalt des Aufnahmeantrages jedoch nichts ersichtlich. Zur Rubrk "Soziale/wirtschaftliche Benachteiligung" ist im Antrag lediglich angemerkt "Gewisse (kleine Reste) sprachlicher Behinderung" (sch, st....) und Schreibschwierigkeiten. Daß dies im Hort, in dem eine logopädische Betreuung nicht angeboten wird, ausgeglichen werden könnte, drängt sich nicht auf. Dies gilt auch für die Notwendigkeit einer solchen Betreuung, nachdem lediglich von "kleinen Resten", also einer offenbar nahezu überwundenen sprachlichen Behinderung die Rede ist. Die Schreibschwierigkeiten und damit zugleich die Notwendigkeit eines Ausgleichs im Hort sind ebenfalls nicht näher dargelegt.

Der im Nachhinein in den Aufnahmeantrag aufgenommene Zusatz,

"Für P. ist der Hort 'die Familie' und der Mittelpunkt. Nicht die Schule. Eine 'Familie' zu Hause hat er nicht. Von daher ist ein weiteres Jahr für ihn eine wesentliche Brücke ins Leben !"

erfüllt ebenfalls kein allgemeines Aufnahmekriterium. Er verdeutlicht lediglich, dass für die Entwicklung des Antragstellers die weitere Betreung im Hort nach seiner Familiensituation förderlich sein könnte.

Da der Antragsteller danach allgemeine Aufnahmekriterien nicht erfüllte, hätte er nur aufgenommen werden müssen, wenn von den 20 aufgenommenen Kindern wenigstens ein Kind aufgenommen worden ist, dass ebenfalls kein allgemeines Aufnahmekriterium erfüllt und älter ist als der Antragsteller. So liegt es aber nicht . Von allen aufgenommenen Kindern sind nur 2 älter als der Antragsteller (geb. am 17.01.1994) und zwar zwei sog. Integrationskinder, d.h. Kinder mit einer anerkannten Behinderung (geb. 12/93 bzw. 3/92), bei denen ein allgemeines Aufnahmekriterium des § 6 Abs.1 BremABOG erfüllt ist. Alle anderen Kinder sind jünger, so daß der Antragsteller diesen selbst dann nicht vorzuziehen gewesen wäre, wenn diese am Stichtag kein allgemeines Aufnahmekriterium erfüllt haben sollten, wie offenbar das Kind Nr.14 (geb. 2/96).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert auf §§ 20 Abs.3, 13 Abs.1 S.2 GKG.

Ende der Entscheidung

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