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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 2 B 377/05
Rechtsgebiete: BremLV, GG, BremBG


Vorschriften:

BremLV § 17 a
GG Art. 33 Abs. 2
BremBG § 9
1. Von Beurteilungsrichtlinien kann ein Dienstherr aus sachlich vertretbaren Gründen abweichen. Maßgebend ist die tatsächlich geübte Praxis.

2. Die Bevorzugung eines Bewerbers allein deshalb, weil er Leistungen auf einem höherwertigen Dienstposten erbracht hat, stellt eine Verletzung der Pflicht zur Bestenauslese dar (wie Senatsurteil vom 18.11.998 - 2 BA 23/97 -).


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: 2 B 377/05

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Dreger, Richter Nokel und Richter Dr. Grundmann am 15.02.2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 6. Kammer - vom 25.10.2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Zulassung zum Aufstieg in den gehobenen Dienst der Steuerverwaltung.

Der Antragsteller steht als Beamter auf Lebenszeit in den Diensten der Antragsgegnerin. Mit Wirkung vom 01.10.2001 wurde er zum Hauptsteuersekretär befördert.

Im Juli 2005 teilte der Senator für Finanzen den Finanzämtern mit, dass das nächste Aufstiegsverfahren in den gehobenen Dienst für die Steuerverwaltung am 01.10.2005 beginne und bat um Ausschreibung und Mitteilung, wer aus dem jeweiligen Amt am Lehrgang der Finanzanwärter 2005 teilnehmen solle. Für jedes Finanzamt (mit Ausnahme des Finanzamtes für Großbetriebsprüfung) wurde ein Platz zur Verfügung gestellt, insgesamt 5 Plätze.

Der Vorsteher des Finanzamts Bremen-West, bei dem der Antragsteller tätig ist, schlug an erster Stelle die Hauptsteuersekretärin Frau B. und an zweiter Stelle den Antragsteller vor.

Mit Schreiben vom 19.09.2005 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er nicht zum Aufstiegslehrgang zugelassen werde, da der Senator für Finanzen nur die Hauptsteuersekretärin B. zugelassen habe.

Am 07.10.2005 hat der Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht erhoben und außerdem beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller zum Aufstiegslehrgang in den gehobenen Dienst der Steuerverwaltung zuzulassen, beginnend mit dem 01.10.2005.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Das Verwaltungsgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 25.10.2005 im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Antrag des Antragstellers auf Zulassung zum Aufstiegslehrgang für die Laufbahn des gehobenen Dienstes in der Steuerverwaltung neu zu bescheiden. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts verstößt die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers mit der Begründung, für das Finanzamt Bremen-West sei eine andere Bewerberin zugelassen worden, gegen das Prinzip der Bestenauslese, weil die Antragsgegnerin den Antragsteller nicht in den Leistungsvergleich für die anderen 4 Aufstiegsplätze einbezogen, ihm also insoweit gar keine Zugangschance gewährt habe. Es könne allerdings nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller anstelle einer der 5 zugelassenen Bewerber oder zusätzlich an sechster Rangstelle zum Aufstiegen in den gehobenen Dienst hätte zugelassen werden müssen.

Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, soweit sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist.

Nach Einlegung der Beschwerde hat der Senator für Finanzen durch Widerspruchsbescheid vom 02.01.2006 den Widerspruch des Antragstellers gegen die Ablehnung seines Antrags auf Zulassung zum Aufstieg in den gehobenen Dienst zurückgewiesen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Antragsteller hat einen Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Aufstieg in den gehobenen Dienst der Steuerverwaltung nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

1.

Gemäß § 6 Abs. 1 Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz (vom 29.10.1996, BGBl. I 1996 S. 1577 ff., zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2002, BGBl. I 2002 S. 2715) richtet sich der Aufstieg von Beamten des einfachen und des mittleren Dienstes in die nächsthöhere Laufbahn nach landesrechtlichen Vorschriften.

Nach § 17 a Abs. 1 BremLV können Beamte des mittleren Dienstes, die

1. geeignet sind und

2. sich in einer Dienstzeit von 5 Jahren, davon mindestens zwei Jahre in einem Amt der Besoldungsgruppe A 7 bewährt haben,

zum Aufstieg in eine Laufbahn des gehobenen Dienstes derselben Fachrichtung zugelassen werden. Die Entscheidung über die Zulassung trifft die oberste Dienstbehörde.

Bei der Entscheidung über die Zulassung sind nach § 1 BremLV die Grundsätze des § 9 BremBG zu beachten, d. h. die Auslese ist nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (sog. Leistungsprinzip) vorzunehmen.

Die Entscheidung über die Zulassung zum Aufstieg steht hiernach im pflichtgemäßem Ermessen der obersten Dienstbehörde.

Der Beamte hat keinen Anspruch auf Zulassung zum Aufstieg. Er kann jedoch verlangen, dass die Behörde nicht zu seinem Nachteil vom Leistungsprinzip und von praktizierten ermessensbindenden Richtlinien grundlos abweicht (vgl. auch BVerwGE 80, 224 m. w. N.).

2.

Für den vorliegenden Fall kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller bei Beachtung dieser Grundsätze zum Aufstieg zugelassen werden muss. Nur dann, wenn das Ermessen der Antragsgegnerin auf Null geschrumpft ist und allein die Zulassung des Antragstellers zum Aufstieg als rechtmäßige Maßnahme in Betracht kommt, ist ihm der mit der Beschwerde weiterverfolgte Anspruch auf (vorläufige) Zulassung zum Aufstieg zuzusprechen.

a)

Maßgeblich für die rechtliche Überprüfung ist (nunmehr) der Widerspruchsbescheid (vgl. Senatsbeschluss vom 31.08.2005 - 2 B 206/05 -).

Danach sind 5 Beamte zum Aufstieg zugelassen worden. Hinsichtlich der Anzahl steht der Antragsgegnerin ein Ermessensspielraum zu (vgl. BVerwGE 80, 224). Insoweit werden Einwände vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht.

Bezüglich der Auswahl hat die Antragsgegnerin zunächst für die 5 Ausgewählten wie auch für den Antragsteller festgestellt, dass alle die Voraussetzungen nach § 17 a Abs. 1 Nr. 2 BremLV erfüllen, sich also in einer Dienstzeit von 5 Jahren, davon mindestens 2 Jahre in einem Amt der Besoldungsgruppe A 7 bewährt haben.

Die Entscheidung nach § 17 a Abs. 1 Nr. 1 BremLV über die Eignung für den Aufstieg hat die Antragsgegnerin unter Heranziehung der Richtlinien für die Beurteilung und Beförderung der Beamten und Beamtinnen der Finanzverwaltung des Landes Bremen (BuBR 1998) getroffen. In Tz. 8 BuBR 1998 ist u. a. bestimmt, dass die Eignung zum Aufstieg Beamten und Beamtinnen zuzuerkennen ist, die sich im mittleren Dienst mindestens A 7 befinden, mit der Spitzennote beurteilt werden und diese Spitzennote bei der vorhergehenden Beurteilung, die mindestens 2 Jahre zurückliegen muss, bereits erhalten haben. Bei den Noten "sehr gut" kann die Aufstiegseignung zuerkannt werden.

Von diesen Bestimmungen ist die Antragsgegnerin vorliegend abgewichen und hat zwei Beamte als "geeignet" angesehen, die in der Beurteilung die Note "gut" erhalten haben.

Darauf kann der Antragsteller indes nicht mit Erfolg verweisen. Die Beurteilungsrichtlinien sind keine Rechtsnormen, sondern lediglich Verwaltungsvorschriften, die unmittelbare Bindungswirkungen nur verwaltungsintern erzeugen. Bei gleichmäßiger Anwendung vermögen sie lediglich über den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG rechtliche (Außen-)Wirkungen zu erzeugen. Die Behörde kann aus sachlich vertretbaren Gründen von ihren Beurteilungsrichtlinien abweichen. Maßgebend ist dann die von der Behörde tatsächlich geübte Praxis. Hieran knüpft das Begehren auf Gleichbehandlung an.

Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid sachlich vertretbare Gründe dafür angegeben, dass sie die Beamten W. und G. als zum Aufstieg geeignet angesehen hat, obwohl beide lediglich mit "gut" beurteilt worden waren. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, Beamte die kurz vor einem Beurteilungsstichtag befördert worden seien, fielen nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nach ihrer Beförderung - ohne Rücksicht auf zeitliche Abläufe - aus dem Kreis der vor der Beförderung mit ihnen zu vergleichenden Beamten heraus und träten in den Kreis der nunmehr mit ihnen zu vergleichenden Beamten des Beförderungsamtes ein. Dementsprechend sei für sie nicht nur ein höherer Maßstab anzulegen, sondern auch eine andere Vergleichsgruppe in den Blick zu nehmen, die überwiegend aus im Beförderungsamt schon erfahreneren, leistungsstärkeren Beamten bestehe. Habe der beförderte Beamte seine eigenen Leistungen nicht weiter gesteigert, führe dies regelmäßig dazu, dass die Beurteilung im neuen Amt - bei gleichbleibender Leistung - schlechter ausfalle als im vorangegangenen niedriger eingestuften Amt. Dies führe dazu, dass derjenige Beamte, der erst kürzlich befördert worden sei, nicht als für den Aufstieg "geeignet" anzusehen sei, wohl aber der Beamte, der in der nachgeordneten Besoldungsgruppe verblieben sei, weil man ihn für den "schlechteren" Mitbewerber hielt. Um dieses nach dem Grundgedanken des Art. 33 Abs. 2 GG nicht tragbare Ergebnis zu vermeiden, seien die Beamten bereits im Vorfeld darauf hingewiesen worden, dass sich entgegen dem Wortlaut in Tz. 8 BuBR 1998 auch solche Beamte bewerben könnten, die "frisch befördert wurden und nach der Beurteilungssystematik bei der letzten Beurteilung keine Spitzennoten erhalten haben, wenn sie denn bei den vorhergehenden Beurteilungen die geforderte Beurteilung erhalten haben". Die Beamten W. und G. befänden sich in der Besoldungsgruppe A 9 S (die anderen gehören der Besoldungsgruppe A 8 an), seien aber erst kurze Zeit vor der letzten Regelbeurteilung befördert worden und hätten in ihrem neuen Statusamt lediglich die Note "gut" erreicht. Für beide treffe zu, dass die Vorbeurteilung im Statusamt A 8 im Spitzenbereich lag.

Diese Begründung für eine Abweichung von den BuBR 1998 ist sachlich vertretbar und steht in Einklang mit dem Leistungsgrundsatz. Sie ist bereits während des laufenden Bewerbungsverfahrens bekannt gemacht worden und stellt keine willkürliche Bevorzugung einzelner Bewerber dar. Der Antragsteller wird somit durch die Zuerkennung der Aufstiegseignung an die Mitbewerber W. und G. nicht in seinen Rechten verletzt.

b)

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller bei der (anschließenden)

Auswahlentscheidung einem der 5 Ausgewählten hätte vorgezogen werden müssen.

Zwar hat der Antragsteller eine bessere Beurteilung erhalten als die Beamten W. und G. (Antragsteller "sehr gut"; W. und G. "gut"). Er ist deshalb jedoch nicht zwingend diesen Mitbewerber vorzuziehen. Denn die Beurteilungen der Beamten W. und G. beziehen sich auf ein (statusrechtliches) Amt der Besoldungsgruppe A 9 S, während der Antragsteller nach einem Amt der Besoldungsgruppe A 8 beurteilt worden ist. Das jeweils übertragene statusrechtliche Amt gibt den verbindlichen Maßstab für die Beurteilung vor, und zu vergleichen sind die Leistungen aller Beamten einer bestimmten Laufbahn und Besoldungsgruppe (vgl. BVerwG, U. v. 26.08.1993 - 2 C 37/91 - = DVBl. 1994, 112).

Die Beklagte zieht hieraus den Schluss, dass die Beamten W. und G. allein deshalb vor den übrigen Ausgewählten und dem Antragsteller einzureihen seien, weil sie als Einzige Beurteilungen in der Besoldungsgruppe A 9 S aufweisen können, während die anderen nur über eine Beurteilung in der Besoldungsgruppe A 8 verfügen. Sie verweist insoweit auch auf Tz. 12.4 BUBR 1998, wonach Beurteilungen in einer niedrigeren Besoldungsgruppe - auch bei besserem Gesamturteil - den Beurteilungen in der höheren Besoldungsgruppe nachgehen (vgl. S. 5 des Widerspruchsbescheids). Dieser uneingeschränkte Vorrang der Beurteilung in einer höheren Besoldungsgruppe dürfte allerdings mit dem Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) schwerlich vereinbar sein. Der Senat hat im Urteil vom 18.11.1998 - Az.: 2 BA 23/97 -; Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil zurückgewiesen durch BVerwG, B. v. 31.03.1999 - 2 B 25.99 -)entschieden, dass die Bevorzugung eines Bewerbers allein deshalb, weil er Leistungen auf einem höherwertigen Dienstposten erbracht hat, eine Verletzung der Pflicht zur Bestenauslese darstellt. Der Dienstherr müsse bei einer Auswahlentscheidung die dienstlichen Beurteilungen der Bewerber auch dann miteinander vergleichen, wenn die Leistungen auf unterschiedlich bewerteten Dienstposten erbracht worden sind.

Dass der Leistungsvergleich zwischen den beiden nach Besoldungsgruppe A 9 S beurteilten Beamten und dem Antragsteller vorliegend nur zu Gunsten des Antragstellers ausfallen kann, lässt sich weder dem Vorbringen des Antragstellers noch dem sonstigen Akteninhalt entnehmen. Dies gilt auch hinsichtlich des Beamten G., mit dem sich der Antragsteller in der Beschwerdeschrift ausdrücklich vergleicht. Zieht man die Beurteilung heran, die Herr G. nach dem Maßstab der Besoldungsgruppe A 8 erhalten hat (Beurteilung vom 14.06.2001), so ergibt sich, dass er in dieser Besoldungsgruppe ebenso wie der Antragsteller mit "sehr gut" beurteilt worden ist. Leistungsunterschiede, die so erheblich sind, dass sie dem Antragsteller zwingend einen Vorrang vor Herrn G. einräumen, sind nicht festzustellen. Der Antragsteller spricht in der Beschwerdebegründung auch selbst davon, dass er mit dem Kollegen G. "gleichwertig" sei.

Hinsichtlich der übrigen drei Bewerber, die wie der Antragsteller in der Besoldungsgruppe A 8 mit "sehr gut" beurteilt worden sind, ist gleichfalls weder substantiiert vorgetragen noch sonst zu erkennen, dass der Antragsteller ihnen nach Leistungsgesichtspunkten hätte vorgezogen werden müssen.

Auch auf den Gleichheitssatz kann der Antragsteller nicht mit Erfolg verweisen. Es ist nicht zu erkennen, dass der Fall des Antragstellers in allen wesentlichen Punkten dem eines zugelassenen Bewerbers - insbesondere des Beamten G. - vergleichbar ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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