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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 09.09.2003
Aktenzeichen: OVG 1 A 183/03
Rechtsgebiete: BremVwVfG, BGB


Vorschriften:

BremVwVfG § 44
BremVwVfG § 48
BremVwVfG § 49 Abs. 3
BGB § 705
BGB § 714
1. Für die Aufhebung des von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassenen Verwaltungsakts ist nicht diese Behörde zuständig, sondern diejenige, die zum Zeitpunkt der Aufhebung für den Erlass des Verwaltungsakts zuständig wäre (wie BVerwGE 110, 226).

2. Ein an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichteter Bescheid, mit dem die Zuwendung einer Subvention an die Gesellschaft aufgehoben und der zugewendete Betrag von der Gesellschaft zurückgefordert wird, ist nicht schon deshalb nichtig, weil die Gesellschaft inzwischen aufgelöst worden ist.

3. Die Jahresfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2 VwVfG gilt für jeden Widerrufsgrund gesondert.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen

OVG 1 A 183/03

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat- durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 09.09.2003 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers zu 1., die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 2. Kammer - vom 30.01.2003 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger zu 1. trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 1.533,88 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die vom Kläger zu 1. geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

1.

Der Kläger zu 1. wendet sich zu Unrecht gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte sei für die Aufhebung des Zuwendungsbescheides zuständig gewesen.

a)

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen insoweit nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 110, 226ff.), der der beschließende Senat folgt, ist für die Rücknahme eines von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassenen Verwaltungsaktes die Behörde zuständig, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass des Verwaltungsaktes zuständig wäre. Der Einwand des Klägers zu 1., diese Rechtsprechung sei hier nicht einschlägig, weil es sich nicht um die Rücknahme eines (rechtswidrigen) Verwaltungsakts nach § 48 BremVwVfG, sondern den Widerruf eines (rechtmäßigen) Verwaltungsaktes nach § 49 VwVfG handle, geht fehl. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht nämlich die Aufhebung des zugunsten der Kläger ergangenen Zuwendungsbescheids als Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts angesehen und nach § 48 VwVfG beurteilt. Die Rechtswidrigkeit des Zuwendungsbescheids ergibt sich schon daraus, dass er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist. Unerheblich ist, dass sich die Beklagte zur Begründung der Aufhebung auf die Widerrufsgründe des § 49 Abs. 3 BremVwVfG bezogen hat. Auch die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann auf Widerrufsgründe gestützt werden, ohne dass sich dadurch die Rechtsgrundlage für die Aufhebung ändern würde. Trotz der Bezeichnung des Aufhebungsbescheides als "Widerrufsbescheid" handelte es sich also der Sache nach um die Rücknahme eines Verwaltungsakts unter den Voraussetzungen eines Widerrufs (vgl. Meyer, in: Knack <Hg.>, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Rn 33 zu § 48). Im übrigen gelten die Erwägungen, auf die das Bundesverwaltungsgericht seine zitierte Entscheidung gestützt hat, für den Widerruf eines Verwaltungsakts in gleicher Weise wie für die Rücknahme: Das Verfahren zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes ist ein selbstständiges Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 BremVwVfG. Es gibt deshalb keinen Grund, den Verstoß gegen die Zuständigkeitsordnung aus dem Erlassverfahren auch für das Aufhebungsverfahren fortwirken zu lassen. Es widerspräche im Gegenteil dem Zweck der Zuständigkeitsvorschriften, Verwaltungsaufgaben von der Behörde wahrnehmen zu lassen, die sachlich hierfür am besten geeignet ist; wenn die erforderliche Ermessensentscheidung über die Aufhebung des Verwaltungsakts von einer anderen als der sachlich zuständigen Behörde getroffen würde.

b)

Die Rechtssache weist insoweit auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Die angesprochene Rechtsfrage ist nicht so komplex, dass es zu ihrer Klärung eines Berufungsverfahrens bedürfte.

c)

Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage, ob für den Widerruf eines Verwaltungsaktes, der von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, die an sich zuständige Behörde oder die Behörde zuständig ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung, weil sie sich - wie dargelegt - ohne weiteres aufgrund der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten lässt.

2.

Keinen Erfolg hat auch der weitere Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die angefochtenen Bescheide zu Unrecht so ausgelegt, dass mit ihnen die Kläger persönlich und nicht die frühere Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Anspruch genommen werden sollten.

a)

Auch insoweit bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht im Ergebnis richtig entschieden hat. Dies gilt auch dann, wenn das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen hat, der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 21.05.2001 richte sich nicht gegen die "B....... & S........ GbR", sondern gegen die Kläger als deren Gesellschafter. Für die Auffassung des Klägers zu 1., dass mit diesem Bescheid die GbR und nicht deren Gesellschafter in Anspruch genommen werden sollten, spricht hier in der Tat Einiges. Dies mag zwar rechtswidrig gewesen sein, weil die GbR inzwischen aufgelöst war, führt aber nicht, wie der Kläger zu 1. meint, zur Nichtigkeit des Bescheids. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist (§ 44 Abs. 1 BremVwVfG). Davon kann hier aber schon deshalb keine Rede sein, weil die GbR jedenfalls bis zu ihrer Auflösung in Anspruch genommen werden konnte (zur Rechtsfähigkeit der am Rechtsverkehr teilnehmenden <Außen-> GbR vgl. BGHZ 146,341) und die Auflösung nicht ohne weiteres erkennbar war, sondern der Beklagten erst am gleichen Tage, an dem der Aufhebungsbescheid erging, mitgeteilt wurde. Auf die bloße Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheids kommt es nicht, weil dieser Bescheid nicht in seiner ursprünglichen Fassung Gegenstand der Klage ist, sondern in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat gegenüber jedem der Kläger persönlich einen Widerspruchsbescheid erlassen, in dem sie die Rücknahme des Bewilligungsbescheids bestätigte und den bewilligten Betrag in voller Höhe von dem jeweiligen Kläger - einzeln und unabhängig vom anderen -zurückforderte. Danach ist eindeutig, dass die Beklagte jeden der Kläger in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der GbR in Anspruch nehmen wollte. Rechtliche Bedenken dagegen bestehen nicht, denn die einzelnen Gesellschafter haften auch dann persönlich, wenn noch Gesellschaftsvermögen vorhanden sein sollte (vgl. Palandt-Spradau, BGB, 62. Aufl. 2003, Rn 17 zu § 714). Soweit in der persönlichen Inanspruchnahme eine zusätzliche erstmalige Beschwer der Kläger liegt, ist dies unschädlich (vgl. § 79 Abs. 2 VwGO). Die Widerspruchsbescheide beruhen insoweit auch nicht auf einem Verfahrensmangel. Insbesondere bedurfte es keiner gesonderten Anhörung der Kläger (§ 28 Abs. 1 BremVwVfG). Diese hatten Gelegenheit, sich im Widerspruchsverfahren zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Davon haben sie auch Gebrauch gemacht.

b)

Auch insoweit liegen keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten vor, die eine Klärung in einem Berufungsverfahren erfordern.

3.

Schließlich sind auch die Ausführungen des Klägers zu 1. zur Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 BremVwVfG nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils oder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten darzulegen. Die Beklagte zieht im Widerspruchsbescheid den Widerrufsgrund des § 49 Abs. 3 Nr. 1 BremVwVfG als einen ihre Entscheidung selbstständig tragenden Grund heran. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Beklagte habe erst, als sie von der Auflösung der GbR erfahren habe, endgültig Kenntnis davon erlangt, dass die Subvention nicht mehr zweckentsprechend verwendet werde. Erst von diesem Zeitpunkt an war sicher, dass sich der Subventionszweck nicht mehr verwirklichen ließ.

Unerheblich ist, ob die Beklagte bereits zuvor von dem Widerrufsgrund des § 49 Abs. 3 Nr. 2 BremVwfG erfahren hatte und seitdem ein Jahr verstrichen war, denn die Jahresfrist läuft für jeden selbstständigen Widerrufsgrund gesondert (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs <Hg.>, VwVfG, 6. Aufl. 2001, Rn 107 zu § 49 m.w.Nwn.). Zu Unrecht wendet der Kläger zu 1. dagegen ein, in der Sache handele es sich um einen einheitlichen Widerrufsgrund, weil die Zweckverfehlung zu vermuten sei, wenn die Auflage, die zweckentsprechende Verwendung nachzuweisen, nicht fristgerecht erfüllt werde. Eine solche Auffassung findet im Gesetz keine Stütze. Sie würde im übrigen die Möglichkeiten der Verwaltung schmälern, im Falle der Fristversäumnis bei der Vorlage der geforderten Nachweise von ihrem Ermessen flexibel Gebrauch zu machen und dem Zuwendungsempfänger durch großzügige Verlängerung der Frist - wie sie hier zu Gunsten der GbR mehrmals gewährt worden ist - entgegenzukommen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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