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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 02.09.2003
Aktenzeichen: OVG 1 A 445/02
Rechtsgebiete: GG, BremPolG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 13 Abs. 7
BremPolG § 1 Abs. 1
BremPolG § 11 Abs. 1
BremPolG § 21 Abs. 1
BremPolG § 21 Abs. 4
VwGO § 42 Abs. 2
1. Die Polizei darf Betriebs- und Geschäftsräume zum Zwecke der Gefahrenabwehr betreten und besichtigen, wenn aufgrund hinreichend präziser und aktueller Lageerkenntnisse eine Gefährdung nicht nur unerheblicher polizeilicher Schutzgüter droht. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Maßnahme der Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S.v. Art. 13 VII GG dient.

2. Eine öffentlich zugängliche Teestube, die nach Erkenntnissen der Polizei ein Treffpunkt von Ausländern mit illegalem Aufenthalt ist, darf von der Polizei betreten werden.

3. Der Inhaber eines öffentlich zugänglichen Vereinsraums ist gegen die Feststellung der Identität seiner Besucher klagebefugt, wenn die Identitätsfeststellungen geeignet sind, den Betrieb der Einrichtung und ihre Attraktivität für Besucher unmittelbar zu beeinträchtigen.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen

OVG 1 A 445/02

Verkündet am 02.09.2003

Im Namen des Volkes! Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy sowie die ehrenamtlichen Richter C. Göbe und S. Skorsetz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass am 12.03.2002 in seinen Räumen durchgeführte polizeiliche Maßnahmen rechtswidrig waren.

Der Kläger, ein eingetragener Verein, unterhält in der ... in ... unter dem Namen ... einen im Keller gelegenen Gebetsraum. Über dem Gebetsraum liegt ein etwa 10 x 20 m großer Aufenthaltsraum. In diesem Raum betreibt der Kläger eine Teestube, die, wenn sie geöffnet ist, allgemein zugänglich ist und vornehmlich von Kurden besucht wird. Die Teestube und ihre nähere Umgebung waren in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand polizeilicher Überprüfungen. Nach den in der Behördenakte der Beklagten dokumentierten Einsatzberichten handelt es sich dabei um folgende Maßnahmen:

Am 04.07.2000 beobachteten Polizeikräfte in der Nähe der Teestube in der ...Straße zahlreiche Personen, die von dort offenbar mit mehreren Fahrzeugen zur Arbeit gefahren wurden. Die Polizeibeamten vermuteten, dass sich diese Personen in der Teestube trafen. Bei der Kontrolle eines Fahrzeuges wurde eine Person festgenommen, für die eine Abschiebeverfügung bestand.

Am 06.07.2000 wurden vor einem Gebäude in der ...Straße etwa 30 Personen in Bauarbeiterkleidung und mehrere Kleintransporter beobachtet.

Eine für den 10.07.2000 vorgesehene Kontrolle der Teestube wurde abgebrochen, weil ein Zulauf von Personen nicht zu beobachten und die Teestube verschlossen war.

Am 18.07.2000 wurden, nachdem 12 Personen und 4 Kleintransporter in der Nähe der Teestube festgestellt worden waren, Personenkontrollen in der Teestube durchgeführt. Dies geschah offenbar in gereizter Stimmung. Von den etwa 70 Anwesenden wurden die Personalien festgestellt und einer Inpol-Abfrage unterzogen. Drei Personen wurden zu einer abschließenden Identitätsfeststellung zur Polizeiwache verbracht und anschließend wieder freigelassen. In dem polizeilichen Bericht wurde ohne nähere Erläuterung vermerkt, dass "die Mehrzahl der überprüften Personen hinsichtlich ausländerrechtlicher Verstöße bereits in Erscheinung getreten" sei.

Am 05.10.2000 suchten zwei Polizeibeamte die Teestube auf, von der amtsbekannt sei, dass es dort zu vermehrten strafrechtlichen Verstößen insbesondere gegen das Ausländer- und Asylrecht komme. Von den angetroffenen und überprüften sechs Personen konnten sich drei ausweisen, zwei Personen, "die sich nicht ausweisen konnten und bei denen sich der Verdacht des illegalen Aufenthalts erhärtete", wurden festgenommen. Eine von ihnen gab an, vor zwei Tagen ohne Papiere nach Deutschland eingereist zu sein. Gegen die beiden Festgenommenen wurde Strafanzeige erstattet. Eine weitere Person konnte sich der Festnahme durch Flucht entziehen.

Am 09.10.2000 wurden 7 Personen in der Teestube überprüft. Nach dem Einsatzbericht wurden keine "anderweitigen Verstöße" festgestellt. "Man beschwerte sich jedoch über die Kontrolle". Die Polizeibeamten kündigten weitere Kontrollen an.

Am 27.10.2000 fand eine weitere Überprüfung statt. Diese wurde im Einsatzbericht damit begründet, dass "es als polizeibekannt gilt, dass es in dieser Örtlichkeit immer wieder zu diversen, u.a. ausländerrechtlichen, strafrechtlichen Verstößen kommt". Insgesamt fünf Polizeibeamte in Zivil betraten die Teestube und stellten die Personalien der beiden Anwesenden fest. Eine der beiden Personen war den Beamten als Verantwortlicher für die Teestube bekannt. Die andere Person, die sich nach eigenen Angaben illegal in Bremen aufhielt, wurde festgenommen. Ein Datenabgleich, so heißt es im Einsatzbericht, habe ergeben, dass eine Person mit gleichem Nachnamen und Geburtsdatum von der Staatsanwaltschaft München wegen einer Betäubungsmittelstraftat zur Festnahme ausgeschrieben sei und zudem als "PKK-Unterstützer und als Anhänger der zugehörigen militärischen Organisation" gelte; bei dieser Person könne es sich um den Festgenommenen handeln. Außerdem wurde bei dieser Person ein als gestohlen gemeldetes Mobiltelefon sichergestellt. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen ist Gegenstand des Senatsurteil 1 A 445/02 vom heutigen Tage.

Am 08.11.2000 führten 4 Polizeibeamte eine Kontrolle "in der PKK nahen Teestube" statt, "da es auch dort immer wieder zu diversen strafrechtlichen Verstößen" komme. Es seien zwei Personen kontrolliert worden, von denen eine festgenommen worden sei, weil sie sich illegal in Deutschland aufgehalten habe.

Am 01.12.2000 wurde von einer Zivilstreife vor dem Eingang der Teestube ein türkischer Asylbewerber festgestellt, der dem Landkreis Wesermarsch zugewiesen war und keine Genehmigung zum Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsbereichs vorweisen konnte.

Bei einer "Teestubenkontrolle" des Zivilen Einsatzdienstes am 05.01.2001 wurde nur die für die Teestube verantwortliche Person angetroffen.

Bei einer weiteren, als "PKK-Teestubenkontrolle" bezeichneten Überprüfung am 15.02.2001 wurden die Personalien der anwesenden neun Besucher überprüft. Es wurden keinerlei Verstöße festgestellt.

Nach einem anonymen Hinweis, in der ... würden 50 bis 60 eingeschleuste irakische Kurden erwartet, wurde die Umgebung der Teestube am 01.03.2001 ergebnislos überwacht.

Bei einer weiteren Kontrolle der Teestube am 03.04.2001 wurde die Identität der anwesenden fünf Personen überprüft. Verstöße wurden nicht festgestellt.

Am 11.05.2001 wurden in der ...Straße an der Rückseite der Teestube zwei Personen kontrolliert. Eine der Personen wies sich mit einer Aufenthaltsgestaltung aus, die den Eindruck der Fälschung erweckte. Bei ihrer Durchsuchung wurden 0,7 g Kokain entdeckt. Bei der anderen Person wurden mehrere 1000 DM-Schein und bündelweise 100 DM-Scheine gefunden. Die Person entzog sich der Festnahme durch die Flucht in die Teestube. Personen, die sich in der Teestube aufhielten, verhinderten die Festnahme des Flüchtlings und drohten zeitweise, die andere Person zu befreien. Mittlerweile hinzugezogene Unterstützungskräfte der Polizei durchsuchten die Teestube und stellten die Identität von 18 Personen fest; zwei Personen, die zugaben, illegal eingereist zu sein, und eine Person, die sich lediglich mit französischen Asylpapieren ausweisen konnte, wurden festgenommen.

Bei Kontrollen am 03.07.2001 und 15.08.2001 wurden die jeweils anwesenden 8 Personen überprüft, aber keine Verstöße festgestellt.

Bei der Überprüfung von zwei Personen vor dem Eingangsbereich der Teestube am 29.08.2001 wurde eine Person festgenommen, die keine gültigen Ausweispapiere vorlegen konnte und erklärte, vor drei Tagen eingereist zu sein und sich unerlaubt in Deutschland aufzuhalten. Die Person versuchte zu fliehen und widersetzte sich der Festnahme.

Am 17.10.2001 wurden 11 Personen in der Teestube überprüft. Eine der überprüften Personen hielt sich illegal in Deutschland auf, eine andere durfte sich nur im Regierungsbezirk Weser-Ems aufhalten.

Am 24.01.2001 wurde bei einer Personenüberprüfung vor der Teestube ein Asylbewerber festgestellt, dessen Aufenhalt auf den Bereich der Stadt Hamm beschränkt war.

Bei der Überprüfung von zwei Personen am 17.01.2002 vor der Teestube wurde eine Person festgenommen, die sich nur mit einem gefälschten Sozialversicherungsausweis ausweisen konnte.

Im Rahmen einer Teestubenkontrolle am 04.03.2002 wurde die Identität von 10 Personen festgestellt; eine von ihnen wurde wegen illegalen Aufenthalts festgenommen.

Am 12.03.2002 führten zwei Beamte des Zivilen Einsatzdienstes West die hier streitige Überprüfung der Teestube durch, die im Einsatzbericht ebenfalls auf §§ 11 Abs. 1, 21 Abs. 4 BremPolG gestützt und damit begründet wurde, daß "es durch dortige 'Besucher' in und um diese Örtlichkeit herum immer wieder zu diversen strafrechtlichen Verstößen ... (besonders im ausländerrechtlichen-, btm-rechtlichen u. Diebstahlsbereich)" komme. Es seien die Personalien der vier anwesenden Personen, aber keine Verstöße festgestellt worden.

Der Kläger hält diese Überprüfung für rechtswidrig. Am 20.03.2002 hat er eine entsprechende Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Maßnahme sei eine willkürliche Durchsuchung gewesen, bei der die Anwesenden wie Schwerverbrecher behandelt worden seien. Der Vorwurf, Gäste der Teestube hätten Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begangen, sei völlig aus der Luft gegriffen. Keinem Polizeibericht lasse sich entnehmen, dass in der Teestube eine solche Straftat verübt worden sei. Auch Straftaten aus dem Diebstahlsbereich habe es in der Teestube nicht gegeben. Abgesehen von dem Fund eines als gestohlen gemeldeten Mobiltelefons am 27.10.2000, dessen Herkunft nach wie vor unklar sei, gebe es keine entsprechenden Erkenntnisse. Verstöße gegen das Ausländergesetz stünden in keinem besonderen Zusammenhang mit der Teestube, weil der illegale Aufenthalt unabhängig von deren Besuch stattfinde.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die Tatsache, dass der Kläger die polizeiliche Überprüfung als lästig empfinde, ändere nichts an deren Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit. Die Beamten hätten sich höflich und korrekt verhalten; von einer erniedrigenden Behandlung der kontrollierten Personen könne keine Rede sein.

Mit Urteil vom 27.08.2002 hat das Verwaltungsgericht - 8. Kammer - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt:

Das Betreten der Tesstube sei rechtmäßig gewesen, weil es zum Zwecke der Gefahrenabwehr erfolgt sei. Das Ausfindigmachen von Ausländern, die sich illegal in Deutschland aufhielten, sei eine polizeiliche Aufgabe der Gefahrenabwehr. Aufgrund der in den Räumen des Klägers am 04.03.2002, aber auch schon zuvor gemachten Erfahrungen hätten weitere polizeiliche Nachschauen und - beim Antreffen von Personen - Identitätsüberprüfungen gem. § 11 Abs. 1 BremPolG nahegelegen; sie seien auch ermessensfehlerfrei gewesen. Es habe nämlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestanden, dass infolge des illegalen Aufenthalts weiterer Personen unter Zuhilfenahme der Räume des Klägers ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten werde, nämlich das Fortdauern dieses ungesetzlichen Zustandes bei Nichtaufgreifen solcher Personen. Eine unverhältnismäßige Einschränkung der Bestands- und Betätigungsgarantie des Vereins sei mit der Überprüfung - noch - nicht verbunden gewesen.

Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen und fristgerecht begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Über sein erstinstanzliches Vorbringen hinaus trägt er vor:

Das gezielte Betreten von Räumen, um die dort befindlichen Personen zu überprüfen und durchsuchen, sei als Durchsuchung dieser Räume zu werten. Wenn die Polizei angenommen habe, dass sich in der Teestube Personen illegal aufgehalten hätten, habe sie gezielt nach solchen Personen gesucht und nicht bloß zufällig von den anwesenden Personen Kenntnis genommen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Durchsuchung hätten nicht vorgelegen. Die Maßnahmen seien zudem unverhältnismäßig gewesen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt, wenn sämtliche Besucher der Teestube stets damit rechnen müssten, ohne Anlass solange von Kopf bis Fuß durchsucht zu werden, bis die Beamten Hinweise auf eine Straftat gefunden hätten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und festzustellen, dass die polizeilichen Maßnahmen vom 12.03.2002 in den Vereinsräumlichkeiten des Klägers in der ...Straße in Bremen rechtswidrig gewesen sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Klage für unzulässig. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht eine Durchsuchung verneint. Die Polizei habe nicht gezielt nach bestimmten Personen gesucht, sondern nach dem Betreten der Teestube zufällig von den dort angetroffenen Personen Kenntnis genommen. Die Befugnis zum Betreten von öffentlich zugänglichen Geschäftsräumen setze nach § 21 Abs. 4 BremPolG keine konkrete Gefahr im Einzelfall voraus, das Tatbestandsmerkmal "zum Zwecke der Gefahrenabwehr" beziehe sich vielmehr auf die polizeiliche Aufgabe im Sinne des § 1 Abs. 1 BremPolG. Zu den Aufgaben der Polizei gehöre es, auch potentielle bzw. abstrakte Gefahren präventiv zu verhüten; die abstrakte Gefahr sei dabei als eine Art Vorstufe zur konkreten Gefahr zu verstehen.

Es sei deshalb unschädlich, dass die Polizeibeamten am 12.03.2002 keine konkreten Anhaltspunkte über den Aufenthalt einer bestimmten aufzugreifenden Person gehabt hätten. Die Überprüfung sei vielmehr auf der Grundlage des durch das vorherige Antreffen verdächtiger Personen gesicherten und bestätigten Erfahrungssatzes erfolgt, dass sich in der Teestube Personen ohne Aufenthaltserlaubnis träfen; es habe die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestanden, dass sich wiederum Personen in der Teestube illegal aufhielten.

Im übrigen sei es gesicherter Kenntnisstand nicht allein in Bremen, dass insbesondere türkisch/kurdische Einrichtungen - unabhängig davon, ob sie als Teestube, Freundschafts- oder Kulturverein oder Kulturzentrum firmierten - häufig mit dem Phänomen Drogenhandel, SchutzgeldVAbgabenerpressung, illegale Beschäftigung, illegaler Aufenthalt, PKK in Zusammenhang stünden und in Erscheinung träten. Es zähle neben Strafverfolgung und Gefahrenabwehr zu den anerkannten Aufgaben des Zivilen Einsatzdienstes der Polizei, durch Beobachtungen vor Ort Kriminalitätsentwicklungen und Gefahrenschwerpunkte zu erkennen.

Die Betretensbefugnis nach § 21 Abs. 4 BremPolG halte sich im Rahmen der behördlichen Nachschau- und Betretensrechte, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Eingriff im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG darstellten und mit der Verfassung vereinbar seien. Selbst wenn ein Eingriff im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG angenommen werde, sei dieser gerechtfertigt, weil er der Verhütung dringender Gefahren diene. Bei der vorzunehmenden Güterabwägung stehe dem relativ wenig schwer wiegenden Schutz öffentlich zugänglicher Räume nämlich der Schutz der öffentlichen Sicherheit und mit ihr der Schutz der Unverletzlichkeit der Rechtsordnung gegenüber, zu dem das Unterbinden von ausländer- und asylverfahrensrechtlichen Verstößen ebenso gehöre wie die Verhinderung von Straftaten wie Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Körperverletzung.

Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Identitätsfeststellung sei kein Raum, weil sich der Klageantrag des Klägers darauf nicht bezogen habe. Die rechtliche Notwendigkeit und Zulässigkeit einer eigenständigen Erweiterung des Streitgegenstandes durch das Oberverwaltungsgericht sei nicht erkennbar. Im übrigen finde die Identitätsfeststellung ihre Rechtsgrundlage nicht in § 11 Abs. 1 Nr. 2 BremPolG. Die Örtlichkeit der klägerischen Einrichtung sei bislang nicht als Gefahrenort im Sinne dieser Vorschrift ausgewiesen. Trotz verschiedener Informationen und Erkenntnisse über den Verein, seine Besucher und Personen im Umfeld bestehe keine hinreichend gefestigte Beweislage, die Identitätsfeststellungen auf dieser Grundlage als vertretbar erscheinen ließe. Die Feststellungen seien aber zur Abwehr einer Gefahr nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 BremPolG zulässig gewesen. Vor dem Hintergrund der bereits dargestellten Gefahren habe der Besuch der Gewinnung weiterer Erkenntnisse gedient, um ein Lagebild komplementieren und möglicherweise notwendige gefahrenabwehrende Maßnahmen prüfen und einleiten zu können.

Dem Oberverwaltungsgericht hat eine Zusammenstellung der die Teestube des Klägers betreffenden Einsatzberichte und Strafanzeigen vorgelegen; ihr Inhalt war, soweit das Urteil auf ihm beruht, Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig.

Die fristgerecht eingegangene Berufungsbegründung enthält einen bestimmten Antrag sowie eine Darlegung der Berufungsgründe (§ 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Zwar erschöpfen sich diese Gründe in der wörtlichen Wiederholung dessen, was der Kläger bereits zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung vorgetragen hatte. Dies ist indes unschädlich, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 107,117 <121>), der das Oberverwaltungsgericht folgt, reicht bereits die Bezugnahme auf den Zulassungsantrag aus, wenn hinreichend deutlich wird, auf welche Teile der Antragsbegründung Bezug genommen wird. Für die Wiederholung der Antragsbegründung kann nichts Anderes gelten.

B.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts ist die Klage allerdings nicht schon ganz oder teilweise unzulässig.

1.

Die Klage ist unabhängig davon zulässig, ob sie als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zu qualifizieren ist, denn beide Klagen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht voneinander. Die Voraussetzungen der Klage sind unabhängig davon, ob die zur Prüfung gestellten Maßnahmen als mit ihrem Vollzug erledigte Verwaltungsakte zu qualifizieren sind oder nicht, letztlich dem § 43 VwGO zu entnehmen; für ihre Erhebung gilt insbesondere keine Klagefrist (BVerwGE 109,203 <209>).

2.

Gegenstand der Klage sind die polizeilichen Maßnahmen nicht nur insoweit, als sie sich auf die Wahrung der Integrität der dem Kläger gehörenden Räumlichkeiten richten. Zwar mag der Wortlaut der vom Kläger zunächst gestellten Anträge, in denen lediglich von einer Durchsuchung der Räumlichkeiten die Rede ist, ein solches Vorbringen nahe legen. Auf die Formulierung des Klageantrags kommt es aber nicht entscheidend an; maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende erkennbare wirkliche Rechtsschutzziel (BVerwG NVwZ 1993,62.) Dieses ist hier eindeutig auf die Überprüfung der polizeilichen Maßnahmen insgesamt, also einschließlich der in der Teestube durchgeführten Identitätsfeststellungen, gerichtet.

3.

Der Kläger kann auch geltend machen, durch die polizeilichen Maßnahmen in seinen eigenen Rechten verletzt worden zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Das gilt auch für die Kontrolle der Personen, die sich in der Teestube aufhielten. Die Personenüberprüfungen knüpfen nicht nur daran an, dass sich die Personen im Lokal des Klägers aufhielten, das auf diese Weise bei Teilen der Öffentlichkeit als mit einem Makel behaftet erscheint. Sie wirken, zumal sie wiederholt erfolgten, auch auf den Betrieb der Teestube zurück, da deren Besucher damit rechnen müssen, dort nicht ungestört bleiben zu können, sondern Objekt polizeilicher Maßnahmen zu werden. Dadurch beeinträchtigen die Personenüberprüfungen den Betrieb und die Attraktivität der Teestube unmittelbar. Der Kläger kann daher geltend machen, durch sie nicht nur in seinem Hausrecht (vgl. BVerfGE 44,343 <366>), sondern auch in seinem Recht, eine Teestube zu betreiben, verletzt zu werden (vgl. auch VG München NVwZ-RR 2000,154 <155>).

4.

Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die von ihm angegriffenen polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig waren.

Ein solches Interesse ergibt sich hier schon aus der Gefahr, dass die Beklagte ähnliche Maßnahmen auch in Zukunft treffen will. Die Beklagte, die ihre Vorgehensweise für rechtlich unproblematisch hält, hat eine Vielzahl von Maßnahmen wie die hier in Streit stehende Kontrolle durchgeführt und nimmt auch für die Zukunft das Recht für sich in Anspruch, solche Überprüfungen durchzuführen.

Unabhängig davon besteht hier auch ein Rehabilitierungsinteresse des Klägers. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Kläger geltend machen, dass von den polizeilichen Maßnahmen in der Teestube eine ihn diskriminierende Wirkung ausgeht, die fortdauert. Das ergibt sich hier schon daraus, dass die Beklagte ihre Maßnahme ausdrücklich damit begründet hat, es komme in der Teestube des Klägers immer wieder zu diversen Straftaten. Die Überprüfung der auf diese Behauptung gestützten Maßnahme ist geeignet, den Kläger gegenüber seinen Mitgliedern, seinen Besuchern und gegenüber der Öffentlichkeit von einem Makel zu befreien.

Die Klage ist aber nicht begründet. Die angegriffenen polizeilichen Maßnahmen waren rechtmäßig.

1.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Maßnahme nicht an § 21 Abs. 1 BremPolG zu messen. Eine Durchsuchung im Sinne dieser Vorschrift hat, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht vorgelegen.

Der polizeiliche Begriff der Durchsuchung in § 21 Abs. 1 BremPolG hat die gleiche Bedeutung wie die Durchsuchung einer Wohnung in Art. 13 Abs. 2 GG (vgl. für das entsprechende Berliner Polizeirecht BVerwGE 47,31 <36>). Zur Wohnung im Sinne dieser Vorschrift gehören auch Betriebs- und Geschäftsräume, die der Inhaber aus eigenem Entschluss der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat (BVerfGE 32,54 <68ff.>; 97,228 <264> m.w.Nwn.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der das Oberverwaltungsgericht folgt, ist kennzeichend für die Durchsuchung einer Wohnung "das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber einer Wohnung von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will, etwas nicht klar zutage Liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften; mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereiches" (BVerwGE 47,31 <37>). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Definition in der Weise erläutert, dass es zum Durchsuchungsbegriff gehört, "dass der Wohnungsinhaber den Sachverhalt, um dessen Ermittlung es sich handelt, geheim halten möchte" (BVerfGE 75,318 <327>). Das, was aufgespürt werden soll, darf sich nicht, wie bei einer bloßen Besichtigung, der äußerlichen Betrachtung darbieten (Pieroth/Schlink, Grundrechte, 18. Aufl. 2002, Rn 878.)

Dem Auffinden in diesem Sinne verborgener Personen diente die hier angegriffene Maßnahme nicht. Dies gilt unabhängig davon, ob die Maßnahme darauf abzielte, Personen aufzugreifen, die sich illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Allein die Anwesenheit solcher Personen in den Räumlichkeiten des Klägers bedeutet nämlich noch nicht, dass sie sich dort verborgen hielten. Die Tatsache, dass die Personen sich in einer Örtlichkeit bewegten, die von ihrem Inhaber der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war, spricht im Gegenteil dafür, dass sie sich dort nicht verstecken wollten.

Die angegriffene polizeiliche Maßnahme ist daher, soweit sie sich gegen die Räumlichkeiten des Klägers richtete, nicht als Durchsuchung, sondern lediglich als Betreten zu werten.

2.

Das Betreten der Teestube war nach § 21 Abs. 4 BremPolG zulässig. Danach dürfen Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie andere Räume, die öffentlich zugänglich sind oder zugänglich waren und den Anwesenden zum weiteren Aufenthalt zur Verfügung stehen, zum Zwecke der Gefahrenabwehr (§ 1 Abs. 1 BremPolG) während der Arbeits-, Geschäfts- oder Aufenthaltszeit betreten werden.

a)

Einer konkreten Gefahr im Einzelfall bedarf es nach dieser Vorschrift nicht. Das ergibt sich aus der ausdrücklichen Verweisung auf die Aufgabenbeschreibung in § 1 Abs. 1 BremPolG. Danach hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren.

Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestätigt. Die Vorschrift geht auf den "Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes" (ME) der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder in der Fassung vom 25.11.1977 zurück. In der Begründung der gleichlautenden Vorschrift des § 19 Abs. 4 ME heißt es ausdrücklich, dass eine konkrete Gefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 (= § 10 Abs. 1 BremPolG) nicht vorzuliegen brauche (abgedruckt bei Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes mit Begründung und Anmerkungen, 2. Aufl. 1978, S. 79.) Der bremische Gesetzgeber war bei der Verabschiedung des Bremischen Polizeigesetzes von 1983 "bemüht, dem Musterentwurf zu folgen, soweit das aus unserer Sicht vertretbar war" (so für die den Entwurf des BremPolG tragende Mehrheit Abg. Dr. K <SPD> in der 79. Sitzung der Bremischen Bürgerschaft <Landtag>, 10. Wahlperiode, vom 16.3.1983, PlProt S. 6123.) Die Regelung des § 10 Abs. 4 ME hat er unverändert übernommen.

Im Rahmen ihrer Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren, trifft die Polizei auch Vorbereitungen, um künftige Gefahren abwehren zu können (§ 1 Abs. 1 Satz 2). Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit umfasst auch die Verhütung von Straftaten (§ 1 Abs. 1 Satz 3).

b)

Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich auch, dass die Gefahren, deren Abwehr das Betreten dienen soll, in einem Zusammenhang mit dem in den öffentlich zugänglichen Räumen eröffneten Betrieb oder Geschäft stehen und diesem deshalb zurechenbar sein müssen.

Wie in der Begründung des Musterentwurfs (Heise/Riegel, a.a.O., S.79) ausgeführt wird, soll das Betretensrecht "auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Oktober 1971 (BVerfGE 32,54)" geregelt werden. Nach dieser Rechtsprechung, an der das das Bundesverfassungsgericht auch später festgehalten hat (BVerfGE 97,228 <266>), umfasst der Begriff der "Wohnung" in Art. 13 Abs. 1 GG zwar, wie oben dargestellt, auch die Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume. Den unterschiedlichen Schutzbedürfnissen für private Wohnräume im engeren Sinne einerseits, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume andererseits ist aber dadurch Rechnung zu tragen, dass die Betretungs- und Besichtigungssrechte für letztere, die den Fachbehörden insbesondere der Wirtschafts-, Arbeits- und Steueraufsicht herkömmlicherweise durch Gesetz eingeräumt sind, nicht an Art. 13 Abs. 7 GG (= Art. 13 Abs. 3 GG a.F.) zu messen sind. Sie unterliegen vielmehr einem geringeren Rechtfertigungsstandard, den das Bundesverfassungsgericht "unter Beachtung namentlich des Art. 2 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit" (BVerfGE 32,54 <76>) entwickelt hat. Das Bundesverfassungsgericht knüpft daran an, dass diesen Räumen nach ihrer Zweckbestimmung durch den Inhaber eine größere Offenheit nach außen zukommt: "Sie sind zur Aufnahme sozialer Kontakte bestimmt, der Inhaber entlässt sie insoweit aus der privaten Intimsphäre". Das Zugänglichmachen der Räume für die Öffentlichkeit verringert nicht nur das Schutzbedürfnis, sondern führt zugleich dazu, dass das, was in ihnen geschieht, notwendig nach außen wirkt und deshalb auch die Interessen anderer und der Allgemeinheit berühren kann. Daraus folgt, dass die mit dem Schutz dieser Interessen beauftragten Behörden in gewissem Rahmen den Betrieb dieser Einrichtungen auch an Ort und Stelle kontrollieren und zu diesem Zweck die Räume betreten dürfen (BVerfGE 32,54 <75f.>). Der Musterentwurf und die ihm folgenden Polizeigesetze haben die solchermaßen begründete Betretensbefugnis auch den Polizeibehörden als allgemeinen Gefahrenabwehrbehörden eröffnen, sie aber nicht qualitativ erweitern wollen. Daraus folgt eine gegenständliche Beschränkung der Betretungsbefugnis: Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume dürfen nur zum Zwecke der Abwehr solcher Gefahren betreten werden, die dadurch ausgelöst oder zumindest gefördert werden, dass ihr Inhaber sie der Allgemeinheit zugänglich gemacht hat.

Im Einzelnen ist das Betreten öffentlich zugänglicher Betriebs- und Geschäftsräume nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn es (1) auf einer besonderen gesetzlichen Vorschrift beruht, (2) einem erlaubten Zweck dient und für dessen Erreichen erforderlich ist, (3) das Gesetz den Zweck des Betretens, den Gegenstand und den Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lässt und (4) das Betreten der Räume nur in den Zeiten statthaft ist, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige betriebliche oder geschäftliche Nutzung zur Verfügung stehen (BVerfGE 32,54 <77>).

c)

Daran, dass das Betreten der Räume im Rahmen der polizeilichen Aufgaben nach § 1 Abs. 1 BremPolG einem verfassungsrechtlich erlaubten Zweck dient, bestehen keine Zweifel. Die Aufgabe des Staates, die Belange der Allgemeinheit und des Einzelnen zu schützen, umfasst nicht nur die Abwehr bereits vorhandener Gefahren, sondern auch die Vorsorge gegen Risiken, die sich noch nicht zu einer Gefahr verdichtet haben (LVerfG MV, LVerfGE 10,337 <352f., 356>; vgl. auch BVerfGE 100,313 <383>). Zur Verfolgung dieses Zwecks kann auch das Betreten privater Betriebs- und Geschäftsräume geeignet und erforderlich sein. Bei der Frage, inwieweit diese Voraussetzungen im Gesetz selbst festzulegen sind, ist den Besonderheiten der polizeilichen Aufgabe, schon im Vorfeld von Gefahren präventiv tätig zu werden, Rechnung zu tragen.

Allerdings ist die in § 1 Abs. 1 BremPolG umschriebene Aufgabe, auf die § 21 Abs. 4 BremPolG Bezug nimmt, außerordentlich weit gefasst und entsprechend unbestimmt. Durch diese Weite der Aufgabe unterscheidet sich das polizeiliche Betretensrecht nicht unerheblich von den herkömmlichen Betretens- und Besichtigungsregelungen der nur für eine bestimmte fachliche Aufgabe zuständigen Behörden der Wirtschaftsaufsicht im weiteren Sinne, die auf die Überwachung der mit dem eröffneten Gewerbe verbundenen Verpflichtungen beschränkt sind (vgl. BVerwGE 37,283 <289>; Buchholz 451.41 § 22 GastG Nr. 1). Die Gefahrenabwehr im Sinne von § 1 Abs. 1 BremPolG ist nicht auf einzelne Rechtsbereiche begrenzt und dadurch eingeengt. Es fehlt die durch die fachliche Zuständigkeit der Kontrollbehörde gezogene Beschränkung des Aufgabenkreises.

Um dem vom Bundesverfassungsgericht formulierten Maßstab zu genügen, bedarf § 21 Abs. 4 BremPolG weiterer Eingrenzungen. Ohne eine weitere tatbestandliche Konkretisierung erschöpften sich die Eingriffsvoraussetzungen des § 21 Abs. 4 BremPolG im Ergebnis in der bloßen Bezugnahme auf die allgemeine Aufgabenbeschreibung in § 1 Abs. 1 BremPolG. Damit würde die notwendige Unterscheidung zwischen Aufgaben- und Befugnisnorm, die ein Gebot rechtsstaatlichen Polizeirechts ist (vgl. Denninger, in: Lisken/Denninger >Hg.>, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl. 2001, E 55), verwischt. Weitere Eingrenzungen des § 21 Abs. 4 BremPolG sind daher auch erforderlich, damit die Regelung ihrer Funktion als Befugnisnorm, das polizeiliche Einschreiten insbesondere auch hinsichtlich der Kontrollbreite und Kontrolldichte zu steuern, gerecht wird. Da die Norm selbst diese Einschränkungen nicht enthält, hat sie das Oberverwaltungsgericht im Wege der verfassungskonformen Auslegung einschränkend zu interpretieren.

Zu einer solchen verfassungskonformen Auslegung sind die Gerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. BVerfGE 90,263 <274f.> m.w.Nwn.) verpflichtet. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze erst dort, wo sie in Widerspruch zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten würde. Das ist bei den hier in Rede stehenden Einschränkungen aber nicht der Fall. Weder aus dem Wortlaut des § 21 Abs. 4 BremPolG noch aus seiner Entstehungsgeschichte ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, dass von den verfassungsrechtlich gebotenen Einschränkungen für das Betreten abgesehen werden sollte.

Auch für die mit § 21 Abs. 4 BremPolG übereinstimmenden Betretensbefugnisse in den Polizeigesetzen anderer Länder wird in der Literatur die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung betont (Hornmann, HSOG, 1997, Rn 15 zu § 38; Berner/Köhler, PAG, 15. Aufl. 1998, Rn 13 zu Art. 23; wohl auch Alberts/Merten/Rogosch, SOG Hamburg, 1996, Rn 14 zu § 16; für das Bauordnungsrecht: Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. II, 4. Aufl. 1998, S. 158).

d)

Der Maßstab für die Beschränkung der weit gefassten Betretensbefugnis ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser verlangt unter anderem, dass die Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in einem unangemessenem Verhältnis zu den Gemeinwohlzwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne; vgl. BVerfGE 100,313 <375f.>). Auch wenn die Intensität des Grundrechtseingriffs, der mit dem polizeilichen Betreten eines vom Inhaber selbst der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Raumes verbunden ist, nur von relativ geringem Gewicht ist (vgl. BVerfGE 32,54 <76>), braucht der Einzelne die mit ihm verbundene Einschränkung seines Grundrechts nur hinzunehmen, wenn überwiegende Allgemeininteressen dies rechtfertigen. Ob das der Fall ist, hängt unter anderem davon ab, wie groß die möglichen Gefahren sind, für deren Abwehr durch das Betreten Vorsorge getroffen werden soll, und wie wahrscheinlich ihr Eintritt ist (vgl. BVerfGE 100,313 <376>). Nicht jedes polizeiliches Schutzgut ist von solchem Gewicht, dass allein die Möglichkeit seiner künftigen Gefährdung einen so bedeutenden Gemeinwohlbelang darstellen könnte, dass dahinter die Freiheit des Inhabers der Räume zurückstehen müsste. Es kommen deshalb im Rahmen von § 21 Abs. 4 BremPolG nur solche künftige Gefahren und zu verhütenden Straftaten als polizeiliches Kontrollziel in Betracht, die von ihrer Bedeutung her geeignet sind, das Interesse des Inhabers an der Wahrnehmung seiner privaten Verfügungsgewalt über die Räume zu überwiegen.

Wo diese Eingriffsschwelle im Einzelnen zu verorten ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Von einem Teil der polizeirechtlichen Literatur wird das polizeiliche Betreten nur für zulässig erachtet, wenn es zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG erfolgt (vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl. 2001, Rn 304).

Der Begriff der dringenden Gefahr im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG bezieht sich vor allem auf die Qualität des Schadens und weniger auf dessen Wahrscheinlichkeit (vgl. Papier, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 13 <Stand Okt.1999>, Rn 129ff.; Rachor, in: Lisken/Denninger, a.a.O., F 626; jeweils m.w.Nwn.). Das ergibt sich aus den in Art. 13 Abs. 7 GG aufgeführten Beispielen Wohnungsnot, Seuchengefahr und Jugendschutz. Eine Gefahr ist deshalb dann dringend im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG, wenn sie Rechtsgüter von vergleichbarem Rang wie die erwähnten Regelbeispiele betrifft.

Eine derart hohe Schwelle erscheint im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung indes nicht geboten. Mit ihr würde die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Differenzierung zwischen Wohnräumen und öffentlich zugänglichen Räumen für das allgemeine Polizeirecht aufgegeben und der Wille des Gesetzgebers, diese unterschiedlichen Schutzniveaus ins Polizeirecht zu übertragen (vgl. auch § 21 Abs. 3 BremPolG) konterkariert. Dem braucht hier jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, denn auch diese hohe Schwelle ist hier erreicht.

Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung dienen nämlich der Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die illegale Einreise und der illegale Aufenthalt stellen nicht nur Straftatbestände dar (§ 92 Abs. 1 AuslG). Sie gefährden eine geordnete Zuwanderungspolitik und führen zu gravierenden nachteiligen Folgen in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht (vgl. dazu den Bericht der Unabhängigen Kommission "Zuwanderung" vom 04.07.2001, S. 196).

e)

Allein die Qualifizierung des Schutzgutes, auf die sich das Kontrollziel des polizeilichen Betretens bezieht, reicht aber für eine verfassungskonforme Auslegung nicht aus. Die polizeiliche Befugnisnorm ist deshalb weiter dadurch zu konkretisieren, dass sich der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Kontrollziel und dem Kontrollobjekt jeweils durch tatsächliche Anhaltspunkte unterhalb der Schwelle der konkreten Gefahr ergibt. Dies setzt voraus, dass zum Kontrollzeitpunkt hinreichend präzise und aktuelle Lageerkenntnisse vorhanden sind, die den Schluss erlauben, dass gerade das zu betretende Objekt ein Ort ist, an dem sich die abzuwehrenden Gefahren oder zu verhütenden Straftaten in nicht allzu ferner Zukunft ereignen könnten. Diese Lageerkenntnisse müssen dokumentiert sein, damit der Zusammenhang zwischen der Zweckverfolgung und der einzelnen Maßnahme auch nachweisbar und effektiver Rechtsschutz gewährleistet ist (vgl. entspr. für die Schleierfahndung LVerfG MV, LVerfGE 10,337 <361>; BayVerfGH, DVBI 2003,861 <865>; SächsVerfGH, Urt.v.10.07. 2003 - Vf.43-ll-00 -, S. 39;).

Die hier streitige Maßnahme genügt den vorstehend formulierten Anforderungen.

Das Betreten der Teestube des Klägers am 12.03.2003 diente der Bekämpfung der illegalen Zuwanderung. Bei der Verfolgung dieses Zwecks betrat die Beklagte nicht wahl- und ziellos eine der von Ausländern frequentierten Teestuben, sondern verfolgte ein differenziertes Konzept, bei dem sie ihre Maßnahmen von vorliegenden aktuellen objektbezogenen Erkenntnissen abhängig machte. Für die Teestube des Klägers lagen zum Zeitpunkt des hier strittigen Betretens solche Lageerkenntnisse vor. Die Maßnahme hatte eine von der Beklagten dokumentierte und auch vom Kläger nicht substantiiert bestrittene Vorgeschichte, aus der sich hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergaben, dass die Teestube des Klägers im fraglichen Zeitraum als Treffpunkt für illegal zugewanderte Ausländer in Betracht kam.

3.

Auch die Feststellung der Identität der in der Teestube angetroffenen Personen war rechtmäßig.

Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 Nr. 1 BremPolG. Danach darf die Polizei die Identität einer Person "zur Abwehr einer Gefahr" feststellen.

a)

Die Vorschrift setzt eine konkrete Gefahr voraus (vgl. die Begründung zu der gleichlautenden Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 ME, abgedruckt bei Heise/Riegel, a.a.O., S. 47). Dies bedeutet, dass im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird (§ 2 Nr. 3 a) BremPolG). Für die Frage, ob eine konkrete Gefahr in diesem Sinne angenommen werden kann, kommt es auf die vertretbare Prognose eines pflichtgemäß, d.h. gewissenhaft und besonnen handelnden Polizeibeamten an. Auch dann, wenn eine solche Prognose zu dem Ergebnis führt, dass es zwar tatsächliche Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Schadenseintritt gibt, sich wegen unvermeidbarer Erkenntnislücken aber auch nicht ausschließen lässt, dass ein Schaden nicht eintritt, darf die Polizei zur Abwehr der solcherart für wahrscheinlich gehaltenen Gefahr tätig werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Identitätsfeststellung typischerweise eine Maßnahme der Gefahrenerforschung als Bestandteil der Gefahrenabwehr ist (vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger <Hg.>, a.a.O., F 322).

Die Polizeibeamten, die die Teestube des Klägers betreten und dort ihnen unbekannte Personen angetroffen hatten, durften mit hinreichender Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sich zumindest ein Teil dieser Personen illegal in Deutschland aufhielt. Ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergaben sich aus den zuvor getroffenen Feststellungen. Danach waren bei einer Vielzahl von Kontrollen in der Vergangenheit immer wieder Personen in der Teestube oder in deren unmittelbarer Umgebung angetroffen worden, die sich illegal in Deutschland aufhielten. Die letzte Feststellung eines Ausländers ohne Aufenthaltserlaubnis lag nur wenige Tage zurück. Die bei den zurückliegenden Kontrollen gewonnenen Erfahrungen rechtfertigten im Zeitpunkt des polizeilichen Handelns die Prognose, dass in der Teestube angetroffene Personen sich illegal in Deutschland aufhalten könnten. Allein die Tatsache, dass sich die Prognose bei der Überprüfung der vier angetroffenen Personen nicht bestätigte, berührt die Rechtmäßigkeit der zuvor zu treffenden Entscheidung nicht.

Aufgrund der ihr zum Zeitpunkt des Einschreitens bekannten Tatsachen war die Polizei befugt, sich durch weitere Maßnahmen den angetroffenen Personen gegenüber Gewissheit darüber zu verschaffen, ob diese zu dem Kreis der illegalen Zuwanderer gehörten. Für diesen Eingriff war die Identitätsfeststellung ein geeignetes Mittel (vgl. generell BayVerfGH, DVBI 2003,861 <864>). Sie war auch erforderlich, weil die Polizei sich nur auf diese Weise Gewissheit darüber verschaffen konnte, ob die angenommene Gefahr auch tatsächlich bestand.

b)

Da nach den vorhandenen Erkenntnissen eine konkrete Gefahr im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 BremPolG angenommen werden konnte, hat die Beklagte ihr Vorgehen zu Recht nicht auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 BremPolG gestützt, der zwar einerseits die Gefahrenschwelle absenkt, andererseits aber höhere Anforderungen an das polizeiliche Schutzgut stellt, die hier nicht vorlagen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs.2 Nr.1 VwGO zuzulassen. Die für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erhebliche Frage, welche Anforderungen sich aus den Grundrechten (Art. 2 Abs. 1, 13 Abs. 7 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2O Abs. 3, 28 Abs. 1 GG) für eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung der polizeilichen Befugnisse zum Betreten von öffentlich zugänglichen Betriebs- und Geschäftsräumen zur Vorbereitung der Abwehr von künftigen Gefahren und zur Verhütung von Straftaten ergeben, ist von allgemeiner Bedeutung und bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 4.000,00 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat -:

Ende der Entscheidung

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